Hallo Wilfried,
Zu den Kritiken:
Schön, dass es auch wohlmeinende Stimmen zu JT gibt. Allerdings habe ich ebenfalls wie Du die Befürchtung, dass die zweite Kritik aus der BRAVO stammt. Wenn ich mich recht erinnere, stand in der BRAVO niemals eine negative Kritik zu den Musikschaffenden. So etwas wäre für die Zielgruppe der Zeitschrift nur sehr bedingt geeignet. Die zweite Kritik, obwohl positiv, macht auf mich keinen sehr kompetenten Eindruck. Möglicherweise tue ich dem Verfasser Unrecht, aber auf mich wirkt es, als hätte er von einer anderen Kritik einige Schlagworte übernommen und sie neu arrangiert. Was soll eigentlich die Formulierung „Und diese Bestandteile verbinden sie auf eine persönliche Art miteinander“ aussagen ? Wie verbindet man musikalische Bestandteile persönlich ? Der Satz klingt gut, lässt aber inhaltlich zu wünschen übrig. Du und ich sind uns einig, dass es nicht die Kritiker sind, die diesen Globus in Bewegung halten. Die von uns gescholtenen Kritiker machen ihre mehr oder minder fundierte Meinung zu einigen Musikstücken einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Hand aufs Herz: Was machen wir in der neuen Rubrik Anderes ? Man kann uns lediglich zu Gute halten, dass wir nicht davon leben müssen, andere durch den Kakao zu ziehen.
Zu den Schubladen des Meisters:
Wenn ich mich als Folk-Fan auf die Alben beschränke, die der Meister als Folk klassifiziert, bleiben mir Perlen wie Thick as a Brick oder Passion Play verborgen. Natürlich bleibt mir auch A oder Roots to Branches erspart. Man könnte nun endlos darüber disputieren, ob das Eine das Andere Wert sei. Die Musikwelt ist sehr kreativ in der Schöpfung neuer Begriffe zur Einordnung der Musikrichtungen: Art-Rock, Progressiv-Rock, Psychodelic-Rock usw.. Diese Skala sollte m.E. um den Begriff der Kopftuch-Musik ergänzt werden.
Die Symphonie-Werke des Mr. Anderson kenne ich alle nicht. Grundsätzlich bin ich kein Freund von Classic-Rock. Wenn mir der Sinn nach Klassik steht, höre ich Vivaldi, Händel, Brahms, etc. Oder Chöre. Etwas Anderes ist es mit den rein klassischen Werken des Mr. Anderson. Ich meine die Werke, die keine Rock-Basis haben. Das ist schon eine eigene Klasse. Allerdings gefällt mir Deine gesendete Version von Thick as a Brick ganz gut. Erfreut Ohr und Gemüt. Ich hätte allerdings ganz auf die akustische Gitarre verzichtet. So hört es sich an, als hätte Mr. Palmer nicht gewusst, wie man eine Gitarre symphonisch umsetzt und sie deshalb beibehalten hätte. (Es wäre einem Wunder gleichgekommen, wenn ich einmal nichts zu motzen hätte). Welche Rolle hatte Mr(s). Palmer bei JT ? So weit ich weiß, war er mit den Arrangements der Streicher betraut. Hatte er darüber hinaus noch weitere Aufgaben ? War er nicht auch der zweite Keyborder ? Der, den man hinter Mr. Evan kaum erkennen konnte ?
Bis nächste Woche !
Lockwood
14.10.2006
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Hallo Lockwood,
interessant ist Deine Erkenntnis, dass in der BRAVO immer nur positive Kritiken stehen. Das ist gewissermaßen das Erfolgsrezept des Blattes, das andere Zeitschriften wie „Sounds“, „Pop“ usw. alle überlebt hat. Der jugendliche Leser sucht und findet etwas zu seiner Lieblingsgruppe und das ist natürlich ganz und gar positiv. Trotzdem möchte ich dem Kritiker eine völlige Inkompetenz nicht andichten. Warum sollte es 1969 nicht auch bei BRAVO-Mitarbeitern begeisterte Tull-Hörer gegeben haben. Dabei mag man über Formulierungen streiten.
Auch noch kurz etwas zu den Schubläden. Ich sehe das so: Ein Folk-Fan wird, wenn er erst einmal die Folk-Alben von Jethro Tull kennen und auch lieben gelernt hat, nicht Halt machen. Hat er erst einmal Blut geleckt, dann wird er gucken, was gibt es da noch Feines. Und wird irgendwann zwangsläufig auf die Konzeptalben stoßen. Das Internet kann hierzu betragen (mithin auch wir).
Art-Rock und Progressive Rock, alles Begriffe, die wohl auch Herrn Anderson nicht schmecken. Auf der DVD „Living with the Past“ äußert sich der Meister entsprechend abwertend nach dem Motto: Und dann machen die auch noch ein Konzeptalbum: KONZEPTALBUM! Bei den ganzen Musikrichtungen und –stilen blickt sowieso fast keiner mehr durch. Was das allein im Bereich des Hard Rocks für Blüten treibt, ist unübersehbar: Heavy Rock, Heavy Metal, Gothic Metal, Power Metal (wird noch lt. Wikipedia zwischen europäischen und US-Power Metal unterschieden – dann gibt es auch noch den Extreme Power Metal), Symphonic Metal und Industrial Metal. Notfalls steigert man das Ganze noch mit weiteren Attributen wie Super oder Mega. Fast jede Band spielt so ihren eigenen Stil. Somit sind es nicht die des Meisters Schubläden, sondern in der Musikbranche weitläufig benutzte Begriffe, auf die er nur zurückgreift.
Ja, die Rolle von Herrn/Frau Palmer ist eigentlich erstaunlich. Welche Band kann von sich behaupten, ihren eigenen Chefarrangeur für alles Klassische zu haben. Geht es um die Untermalung eines Liedes mit Streichern. Dave richtete es. Und so ist die symphonische Umsetzung Tull’scher Musik aus dem Jahre 1985 wohl hauptsächlich auf den Mist von David/Dee Palmer gewachsen. Für Herrn Anderson, dem Geschäftstüchtigen, ein durchaus lukratives Zusatzgeschäft. Immerhin erinnere ich mich daran, dass für diese Platte in Zeitschriften (und nicht nur Musikzeitschriften) reichlich Werbung gemacht wurde. Was Deine Lieblingsband „Queen“ betrifft, so haben die sich diesen Mammon auch nicht entgehen lassen und kassieren sicherlich reichlich Tantiemen für das Musical.
Aber David Palmer hat ja auch Mitte bis Ende der 70-er Jahre längere Zeit mit auf der Bühne gestanden. Vielleicht im Schatten von John Evan, aber doch präsent. John Evan spielte alles Klavierähnliche, Palmer die kleine handliche Bühnenorgel. Ich muss einmal gucken, ob ich da einige gute Aufnahmen finde. Auf zwei Stücken finden wir ihn im Smoking: Velvet Green vom Konzert im Goldiers Green Hippodrome und im Clip Heavy Horses. Und auf dem Tullavision-Mitschnitt von 1976 sehen wir ihn ganz leger. Da nuckelt er für kurze Zeit auch an einem Saxophon herum. Wie gesagt: Ich finde es mehr als erstaunlich, dass zwei so anscheinend unterschiedliche Musiker auf so lange Zeit zusammengearbeitet haben. Auch wenn Du jetzt dagegen an stänkern und ein Haar in der Suppe finden wirst: Es beweist mir nur, welche Qualitäten unserer Meister sein eigen nennen darf.
Man liest sich weiterhin
Wilfried
17.10.2006