Es gibt nicht viele Menschen, vor denen ich wirklich Hochachtung habe. Jetzt ist so ein Mensch, Otto Kopka, letzte Woche, am 23. Mai, im 82. Lebensjahr verstorben. Bevor Otto Kopka mit seiner Frau Christa 1995 wie ich mit meiner Familie nach Tostedt zog, war er 30 Jahre als Pastor in Marschacht an der Elbe tätig. In Tostedt verbrachte er seinen Lebensabend.
Als gute Nachbarn hatten wir oft genug Kontakt miteinander und wurden auch öfter von Otto und seiner Frau, nach deren Tod von ihm und seiner Lebensgefährtin, zum Kaffee eingeladen. Bei den anregenden Gesprächen über „Gott und die Welt“ verging die Zeit wie im Fluge. Da sowohl mein Vater wie auch der Vater meiner Frau aus Ostpreußen stammten und Otto Kopka ebenfalls in Masuren 1931 geboren wurde, so haben wir auch über Flucht und Vertreibung während des 2. Weltkrieges und danach gesprochen (siehe auch: Wie konnte es geschehen?).
Wir sprachen auch über die zwischen Ende 1989 und Mai 1991 verstärkt aufgetretenen Leukämie-Erkrankungen in der Samtgemeinde Elbmarsch (8.000 Einwohner), zu der die Gemeinde Marschacht gehört. Fünf Kinder zwischen einem und neun Jahren sowie ein junger Erwachsener waren erkrankt. Die Samtgemeinde Elbmarsch liegt im Urstromtal der Elbe. Das gegenüberliegende Elbufer, an dem das AKW Krümmel liegt, steigt bis zu 70 Metern steil an. Die Krankheitsfälle traten alle entlang der Elbe auf niedersächsischer Seite auf, fünf direkt gegenüber dem Atomkraftwerk Krümmel, in dessen Nachbarschaft sich einer der ältesten deutschen Kernforschungsreaktoren befindet (siehe hierzu: Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch – Buchbeitrag: Die Leukämie in der Elbmarsch). Otto Kopka, damals noch Pastor im Amt, traute den hoffnungslos an Blutkrebs erkrankten Sönke und seine Verlobte Anke: „Anfang Oktober tritt er mit seiner Verlobten vor den Traualtar. Trauer und Glück in einem, Pastor Kopka spricht die Dinge so an, wie sie sind. Daß auch ihm die Stimme zeitweise versagt, ist nur zu verständlich. Auch wenn Sönke im Rollstuhl fährt – die Hochzeit wird im ‚Marschachter Hof’ gefeiert.“
Otto Kopka sang lange Jahre mit kraftvollem Bariton in der Johanneskantorei Tostedt und auch im Heidenauer Kirchenchor. Im Februar 2010 durfte ich mit meiner Frau ihn mit dem Chor und weiteren Mitwirkenden beim Oratorium Der Messias von Georg Friedrich Händel sehen und hören. Die Karten hatten wir von ihm.
Adventskonzert in der ev.-luth. Maria-Magdalena-Kirche Heidenau am 13.12.2010
Pastorin Ruth Stalmann-Wendt mit Otto Kopka (Pastor i.R.) – Quelle: Gemeindebrief der Kirchengemeinde Heidenau
Otto Kopka, der uns später das Du anbot, war ein aufrechter Christ, der sich vor keinen Karren spannen ließ, vor allem keinen kommunalpolitischen. Er war engagiert in Dingen, die ihn interessierten. So lernte er ausdauernd Polnisch, um mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Tostedts polnische Partnerstadt Lubasczów zu besuchen.
Zum Ende einer Begegnung mit ihm las Otto Kopka uns immer gern etwas vor. Was war da Näherliegendes als eine Erzählung aus Siegfried Lenz’ „So zärtlich wie Suleyken“:
… oder kratzten sich am Fuss oder am Bein.
Dann, nach angemessener Weile, erfolgte wieder etwas Ungewöhnliches. Joseph Gritzan langte in die Tasche, zog etwas Eingewickeltes heraus und sprach zu dem Mädchen Katharina Knack: «Willst», sprach er, «Lakritz?»