Vorweihnachtszeit 2013 (14): Vergnögte Wiehnacht

Nun Plattdeutsch ist nicht gleich Plattdeutsch: Als Niederdeutsch oder Plattdeutsch wird die im Norden und im Nordwesten Deutschlands sowie im Osten der Niederlande verbreitete westgermanische Sprache bezeichnet, die eine Vielzahl unterschiedlicher Dialektformen besitzt und sich aus dem Altsächsischen entwickelt hat. Diese Dialektformen variieren zum Teil sehr stark.

Da wir nun kurz vor dem Weihnachtsfest stehen, habe ich einmal versucht, die Weihnachtsgeschichte, so wie wir sie aus dem Lukas-Evangelium Kapitel 2, Vers 1-20, kennen, auch einmal in plattdeutscher Mundart ‚aufzuschlagen’. Immerhin wohne ich mitten in Niedersachsen, wo man das Niederdeutsche in der unteren Elbe-Mundart spricht. Leider bin ich da nicht fündig geworden. Aber es gibt die Weihnachtsgeschichte in anderen niederdeutschen Varianten. Dabei hält man sich nicht immer an das uns wortwörtlich Bekannte, sondern ist schon ziemlich frei in der Übersetzung. Aber gerade dadurch kommt der Reiz dieser Sprache ganz besonders hervor.


Weihnachtsgeschichte auf Plattdeutsch (Ostfriesland)

Zunächst die Weihnachtsgeschichte auf Plattdeutsch, wie man es wohl auf der ostfriesischen Insel Juist spricht. Diese stammt aus „Dat Ni Testament för plattdütsch Lüd in ehr Muddersprak oewertragen“ der Evangelischen Haupt-Bibel-Gesellschaft zu Berlin und Altenburg, 1986:

Un tau dei Tid let dei Kaiser Augustus utgewen, dei ganzen Lüd süllen up ‚t frisch für dei Stüer upschrewen warden. Un dit wir dat irste Mal wil dei Tid, dat Kyrenius dei Landshauptmann in Syrienland wir. Dunn würd denn nu jederein nah sin Heimat reisen, dat hei sick dor upschriwen let. Un ok Joseph reist‘ ut Galiäaland, ut dei Stadt Nazareth, nah Land Judäa nah David sin Stadt, nah Bethlehem. Denn hei stammt‘ jo her ut David sin Hus un Geslecht. Hei müßt sick ok ni upschriwen laten. Un sin Fru Maria nehm hei mit. Dei drög ’n Kind unner ’n Harten. Un as sei nur dor wiren, dunn wiren ok ehr Dag‘ dor, un ehr irst lütt Jung würd buren. Un sei wikkelt‘ em trecht in Dauk‘ un led em in ne Krüww, denn sei wüßt süs nich, wohen mit em.

Un dor wiren Hirers dicht bi up’n Fell‘. Dei wakten nachts bi ehr Haud. Un unsern Herrgott sin Engel kem ehr tau Gesicht, un ’n hellen Glast von Gott sin Herrlichkeit würd bi ehr uplüchten, un sei würden dull bang. Dunn säd dei Engel tau ehr: „West nich bang! Kikt, ick mag jug grote Freud kund, dei gellt för dei ganzen Minschen. Denn dei Heiland is hüt för jug buren in David sin Stadt. Dat is dei Herr Christus. Un an dit Teiken sallt ji em kennen: Ji warden ’n lütt Kind finnen, dat is trecht wickelt un liggt in ne Krüww.“

Un mit eins wiren bei den Engel ok gortau veel anner Engels ut ’n Himmel. Dei lawten Gott un süngen dorbi:

„Ihr wes Gott den Herrn in ’n hogen Hewen,
Fred up Irden för dei Minschen gauden Hartens!“

Un as nu dei Engels von ehr wedder nah ’n Himmel flagen wiren, dunn säden dei Hirers dei ein tau ’n annern: „Wi will’n nu hengahn nah Bethlehem un will’n uns dat ankiken, wat uns Herrgott uns hett weiten laten.“

Un sei güngen rasch hen un fünnen Maria un Joseph un dat Kind dor in dei Krüww. As sei ‚t oewerst seihn hadden, dunn verteilten s‘ ehr, wat ehr oewer dat Kind seggt wir. Un all, dei ‚t hüren deden, verwunnern sick dor oewer, wat ehr von dei Hirers seggt würd. Un Maria künn all des Dingen nich vergeten un würd s‘ in ’n Harten behollen. Un dei Hirers güngen wedder trüg un lawten und pristen Gott wegen alls, wat s‘ hürt un seihn hadden, so as ‚t tau ehr seggt wir.

    Winter in Tostedt - 2010

Hier die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium, wie ich sie auf eine Website aus dem Emsland gefunden habe (Heimatverein Fresenburg):

Dei Geschichte van dei Geburt van usen Herrn Jesus Christus, so wie Lukas dat upschräwen häff

Un so was dat tau dei Tied:
Kaiser Augustus här dat Seggen un geev Order, dat sück jederein, dei in sien Riek
waohnen dö, tellen un upschriewen laoten möss.

So wat här dat vördem noch nich gäven. Kyrenius wör tau dei Tied dei Baos in
Syrien. Un aale göngen ’se hen, üm sück in dei Stüürlisten indrägen tau laoten, jeder
dor waor hei up dei Welt kaomen was.

So göng ock Josef van Galiläa ut dei Stadt Nazareth nao Judäa, noa David siene
Heimatstadt –dei Bethlehem hett – hei hörde ja tau David seine Familie. Un hei woll
sück indrägen laoten mit Maria, dei üm verspraoken was un dei schöll Mauder weern.
Un dann was dat nu so:

As sei daor nu ankaomen wörn, was ’et Tied daorvan, dat sei ehr Kind kriegen schöll.
Un sei kreeg ’nen Jungen, ehr erste Kind, un sei wickelde et in Däuker un leggte üm
in’n Fauertrogg; sei harn aonners kiene Stäe funnen, waor sei unnerkaomen können.

Un daor in dei glieke Gägend, waokten dei Nacht öwer Schäpers buten uppen Eske
bi ehre Schaope. Un upmaol kömp Gott sien Engel bi ehr un dat wörde upmaol
hellerlecht üm ehr tau. Sei verschröcken sück un kregen heller Schreck. Un dei Engel
sä tau ehr:

„Ih bruukt nich bange wän. Nu lustert is tau! Ick brenge jau eine gaude Böskup, eine
groote Fraide, dei is dacht för aale Lüüe up dei Eerde.“

För jau is vandaoge dei Heiland up dei Welt kaomen, dei jau aale frei maoken will.
Dat is Christus, dei Herr, in David siene Heimatstadt. Un so könnt Ih dat gewaohr
wern:

Ih weerd ein Kind finnen, in Däuke wickelt un dei in einen Fauertrogg ligg.

Do kömen daor noch mehr Engel. Sei süngen van Gott un säen:

„Gott in’n Himmel, Lob un Ehr un Fräen up dei Eerde för aale Mensken. Mit dei
mennt HEI dat gaut!“

Un dann was dat so:

As dei Engel weer in’n Himmel verschwunnen wörn, do säen dei Schäpers
taunanner:

„Laot us drock nao Bethlehem gaohn. Wi will’t is kieken, wat daor geböhrt is, worvan
dei Engel us vertellt häbt.“

So drock as dät güng, möken sei sück up’n Pädd. Un ’et duuerde nich lange un sei
wörn daor un fünnen Maria un Josef un dät Kind, wat daor in den Fauertrogg leeg.
Un as sei dat nu seihn harn, vertellden sei öwerall, wat ehr aower düt Kind seggt
worn was. Un aale, dei daorvan hörden, wunnerden sück öwer dat, wat ehr dei
Schäpers doar vertellden.

Man Maria markde sück aale Wörder ganz genao un se löt ’se sück immer weer dör’t
Hätte gaohn. Dei Schäpers güngen weer trügge. Sei wörn heller bliede. Sei priesden
un lobten Gott un säen Dank für aal dat, wat sei hört un seihn harn. Dat wör jüst so
passeiert, as dei Engel ehr dat anseggt här.

    Winter in Tostedt - 2010

Von weiter südlich aus der Grafschaft Bentheim, nahe der Grenze zu den Niederlanden, kommt diese niederdeutsche Variante:

De Wienachtsgeschichte, soa as Lukas se vertellt

In disse Tiet kwamm van denn Kaiser Augustus Bott, dat iederen sick inschriewen loaten muss. Dat was watt heel Nijs. Dumoals was Kyrenius Stattholler oawer Syrien. Iederen möök sick up de Weg noa siene Heimatstadt un lööt sick inschrieven.

Soa günk ock Joseph van Galiläa ut de Stadt Nazareth noa Judäa, noa David siene Heimatstadt, de hedde Bethlehem – want he höarde to de Noakummen van David un wull sick inschriewen loaten met Maria, de em antraut was.

Un de verwochte’n Kind.

Du se nu doar weärn, kwamm se te liggen. Se brachde eren iersten Sönn up de Wearlt, wickelte em ien Döke un lää em ien ne Krüppe. Se hadeen anners gin Stee in de Harbarge. Un nu wassen in desölwe Gegend Schäpers up’t Fäild; de pössen’s Nachens up de Schoape up. Un wat passerde doar? Met eenmoal stünd ’nen Engel van Gott vür ear un dee Heärlikheit van Gott löchte oawer ear up.

Doar verschrickden se sick slim van. Un de Engel sä tegen ear: Hebbt men gin Schrick; ick hebb u ne groote Bliedschup te vertellen – un elk en eene sall dat wies wodden – want för u alle tehoope is vandage den Heiland geböaren!

Dat is den Heär Christus in David siene Stadt. Un dat sall vür u das Teeken wään: Goaht men häin! Ij findt das Kind ien Döke inwickelt un et ligg in ne Krüppe.

He harr noch nich ees uutproat‘, du was doar nen heelen Schwoarm van Engel. De preesen Gott en süngen: „Loff en Eähre doar bowen vür onsen Gott, un Free hier unner up de Eärde vür de Menschen, de dat van Harten meent, un an dee Gott sien Gefallen heff.“

Un du de Engel weär noa’n Himmel upsteegen wassen, du sään de Schäpers tegenmekaar: Nu loat ons gauw noa Bethlehem goahn un de Geschichte bekieken, de doar gebüürt is un de Gott ons künnig maakt heff. Se drämmelden nich un fünnen Maria un Joseph un ock dat Kind, dat wörklich in den Krippe lagg. Un du se dat all bekeken hadden, du vertäilden se oawerall, wat ear van dat Kind seggt wödden was. All de Löö, de dit to Oahren köimp, wunnerten sick oawer dat, wat de Schäpers vertäilt hadden.

Maria behöll all disse Wöärde un lööt se aait wier düür ear in Kopp en ear Hatte goahn.De Schäpers güngen wierüm vull Bliedschup. Se preesen Gott oawer all dat, wat se höärt en sehn hadden. Het was wörklik nett soa, as ear dat seggt wödd’n was.

(noavertellt van Jan Harm Kip / Janette Boerrigter)

Wenn man wie ich noch etwas weiterrecherchiert und dabei den Weg wieder Richtung Norden einschlägt, dann findet man sogar den Text in einer sehr alten Ausgabe, in der Lübecker Bibel von 1494, in einer in Lübeck gedruckten mittelniederdeutschen Ausgabe einer glossierten Bibel nach der Vulgata, der Bibelausgabe in Latein. Dabei handelt es sich um eine vorlutherische deutsche Bibel. Im Internet gibt es gleich mehrere gescannte Ausgaben davon, hier ein Blick in das Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek (Rar. 880): Beginn Lukas 2. Kap. – Biblia übers. aus dem Lat., mit Glossen nach der Postilla litteralis des Nicolaus de Lyra, Vorrede und Register – Lübeck 1494.11.19.

Der Text beginnt wie folgt:
… Een bod ghink vth vā dem keiser augusto. …

Lübecker Bibel 1494 – Lukas 2. Kapitel

Nun ich wünsche allen Lesern, besonders denen, die mir bis hierhin aufmerksam gefolgt sind, ein frohes Weihnachtsfest – oder, wie man hier in Plattdeutsch sagt: Vergnögte Wiehnacht!

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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