Was ist bloß mit Ian los? Teil 69: Kleiderordnung

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

John Fogerty’s CCR habe ich nie so richtig wahrgenommen und ich kann noch nicht einmal sagen, warum das so ist. Ihre Musik ist ok, der Gesang ist markant, mit hohem Wiedererkennungswert. Ich kenne zwar ihre Gassenhauer wie Proud Mary, Sweet Hitch Hiker usw, aber viel mehr nicht. Den Hinweis von Kretakatze auf Mr. Fogerty’s Beständigkeit in Hinsicht auf Garderobe und Stimme finde ich sehr interessant. Nicht zuletzt für einen Jethro Tull – Fan. Die Aussage, dass sich jemand jahrzehntelang nicht verändert oder weiterentwickelt, klingt zunächst einmal negativ. Wenn ich hingegen die Entwicklung des Mr. Anderson in den letzten Jahrzehnten betrachte, werden die positiven Aspekte dieser Aussage sichtbar.

Mr. Fogerty hat augenscheinlich seinen Geschmack in Fragen von Hemden, Jeans und Frisur nicht geändert. Er bleibt sich treu, wie man in solchen Fällen sagt. Er ist selbstbewusst genug, um auf jedes Diktat des Zeitgeschmacks zu pfeifen. An der jahrelangen Präsenz von CCR können wir ablesen, dass sich der Frontmann einer Band nicht unbedingt in aufsehenerregende Gewänder hüllen muss, um den Bestand der Gruppe zu gewährleisten. Statt über die Garderobe definiert sich Mr. Fogerty über die Stimme. Nicht das schlechteste Vorgehen für einen Sänger.

Das bringt mich wieder zu Jethro Tull. Mr. Anderson hatte gewiss ebenfalls die Möglichkeit, sich über seine musikalischen Fähigkeiten zu profilieren. Aber nein, in den letzten Jahren greift er zu Outfits, vor denen selbst die Kelly-Family zurückgeschreckt wäre. Ich kann das nicht verstehen. Wenn ich es nicht bereits mehrfach getan hätte, würde ich an dieser Stelle meinem Unmut und mein Unverständnis auf langen Seiten Luft machen.

Um zur Abwechslung einmal etwas Positives über Mr. Anderson’s Bühnenbekleidung zu sagen: Seine historischen Kostüme aus der Mitte der 70er Jahre gefallen mir gut. Sie passten wunderbar zur folkorientierten Musik, der sich die Gruppe damals verschrieben hatte. Und genau hier sehe ich den Unterschied zwischen Mr. Anderson und Mr. Fogerty: Die Musik von Jethro Tull hat sich in den fast 40 Jahren ihres Bestehens stark verändert. Wenn nun Mr. Anderson Wert darauf legt, Musik und Kleidung aufeinander abzustimmen, kommt er um einen Wechsel des Kleidungstils nicht herum. Das sehe ich ein und das halte ich auch für richtig. Hinzu kommt, dass ein athletischer 30jähriger in engen Strumpfhosen eine bessere Figur macht als ein untersetzter Endfünfziger. Ich räume also ein, dass Mr. Anderson seine Bühnengarderobe an die jeweilige Musikrichtung und sein Alter angepasst hat. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen, im Gegenteil. Offen bleibt aber die Frage, warum Mr. Anderson seinem Alter und Leibesumfang gerecht zu werden versucht, indem er getupfte Schlabberanzüge und Kopftücher trägt. Wir wissen doch spätestens seit Eric Clapton, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, sich dem Alter entsprechend zu kleiden.

Vor meinem geistigen Auge entsteht gerade folgendes Szenario: Presseempfang für verdiente Haudegen der Rockmusik. Mr. Anderson im Piratenoutfit steht neben Mr. Clapton im Armani-Anzug. Ich denke, mehr muss ich nicht sagen.

Vor einigen Tagen überraschte mich jemand mit der Feststellung, dass der CCR – Song „Down On The Corner“ gut zu Abba gepasst hätte. Es mag sein, dass es Parallelen gibt, wenn man die musikalischen Parameter von CCR- und Abba – Titeln genauer untersucht. Aber das kann ich nicht leisten. Ich persönlich habe große Schwierigkeiten damit, die glockenklaren Stimmen der Abba – Frauen und die Synthi-Popmusik der Schweden mit der kernigen Stimme und dem urwüchsigen Rock’n’Roll des Mr. Fogerty unter einen Hut zu bringen.

Aber, meine lieben Freunde, jetzt haltet Euch gut fest: Zu meinem großen Erstaunen stellte ich heute rein zufällig fest, dass Abba einen CCR-Song gecovert haben ! Es handelt sich um „Midnight Special“. Leider ist die Abba -Version bei youtube nicht verfügbar. Das ist nicht verwunderlich: Ich kenne die Abba – Version aus einem Sammelalbum, das bisher unveröffentlichtes Material enthält. Ich gehe also davon aus, dass diese Coverversion nie als Single erschienen ist.

Die Tatsache, dass Abba ein Lied von CCR covern, reicht mir als Beweis dafür, dass es in der Musik dieser beiden Formationen keine so großen Unterschiede gibt, wie mein unzureichender Musikverstand mich das bisher glauben machen wollte. Tja, man lernt nie aus.

Mit dieser positiven Feststellung verabschiede ich mich für heute und wünsche Euch ein wunderbares Wochenende !

Lockwood

01.06.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

was John Fogerty und CCR anbelangt, ist es mir ähnlich wie Lockwood gegangen, ich habe sie gelegentlich im Radio gehört oder bei Freunden, auch im Fernsehen gesehen, fand die Musik ganz gefällig, aber die Gruppe gab mir keinen weiteren Anlass, mich näher mit ihr zu beschäftigen. Gehört und fast schon wieder vergessen. Die Titel, die Lockwood genannt hat, kenne ich natürlich auch. Und Proud Mary (in der Interpretation mit Ike und Tina Turner) habe ich sogar früher mit meiner Band gecovert (das Original ist von CCR?).

Nun, Lockwood ist ja wohl nicht nur unser DNA-Spezialist, sondern auch für die ‚hohe Schneiderkunst’ (Haute Couture) zuständig. Ob Herr Fogerty überhaupt weiß, was unter Armani zu verstehen ist, bezweifle ich fast (von Armani dürften seine Jeans nicht stammen). Herr Anderson wird sicherlich nicht ständig in Anzügen dieser Marke herumlaufen, aber vielleicht hat er doch den einen oder anderen im Kleiderschrank. Neben den 20 Piratenkostümen besitzt er doch einiges Tragbare für den festlichen Anlass wie im Kloster Laach-Auftritt zu sehen war. Ich habe da übrigens ein hübsches Video von Jethro Tull zugespielt bekommen (Living in the Past), das zeigt Herrn Anderson mit Zylinder (muss aus dem Jahre 1993 stammen, da für das 25th Anniversary box set Werbung gemacht wird; Dave Pegg hatte wohl gerade die Gruppe verlassen und Jon Noyce kam erst 1995, wenn ich richtig informiert bin. So muss sich Herr Anderson für diesen Auftritt vom Arbeitsamt einen arbeitslosen Bassisten geholt haben). Ich bin nun wirklich kein Modekenner (und bewege mich auch eher im Fogerty’schen Geschmackslevel), aber das Jackett von Herrn Anderson erinnert mich an Batik-Arbeiten (oder ist ein Muster aus der Kunst der Maya?), modisch also sehr ‚gewagt’. Von dem Teil muss er mehrere Stücke besessen haben, ich erinnere mich an einen Auftritt mit Mandokis Soulmates im deutschen Fernsehen, bei denen er ähnliches trug (ich hab nachgeschaut, tatsächlich – das gleiche Stück – und schnell bei youtube eingespielt: Soulmates „Mother Europe“):

Die Stimme von Ian Anderson ist auf dieser Aufnahme (Living in the Past) bereits stark angekratzt, daher ist der instrumentale Teil etwas gedehnt worden, was ich aber sehr hörenswert finde (auch Martin Barres Gitarrenspiel).

Weiteres dann später (auch meinen „Folklore“-Vortrag und weiteres zu den letzten Griechenland-Videos).

Ich wünsche Euch eine angenehme Woche.
Bis bald

Wilfried

P.S. Ich bekomme gerade eine Mitteilung von dem Typen, der das „Living in the Past“-Video ins Netz gestellt hat: Ich nehme alles zurück (von wegen arbeitsloser Bassist): Der langmähnige Mensch ist angeblich kein anderer als der Sohn von Dave Pegg, Matt Pegg, der auch ab und zu bei Tull ausgeholfen hat. Interessant auch ihn einmal in Bild und Ton zu erleben!

03.06.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

Wilfrieds Hinweis, dass Mr. Fogerty ebenso weit von Armani-Anzügen entfernt ist wie Mr. Anderson, ist an dieser Stelle berechtigt. Seit Maria Laach wissen wir, dass Mr. Anderson auch edlen Zwirn im Kleiderschrank hat, aber er hält es damit wie ich; die guten Stücke werden nur zu Weihnachten herausgeholt. Es gibt drei Gründe, warum ich keine Armani-Anzüge trage: Erstens sprengen sie mein Budget, zweitens würden sie in meiner Größe überhaupt nicht mehr gut aussehen und drittens habe ich keine Gelegenheit, so feines Tuch zu tragen. Aber an Mr. Clapton sehen sie topp aus!

Den Zylinder trug der Meister bei mehreren Gelegenheiten, wie ich dem Bildteil des Songbook entnehmen kann. Ich finde, er steht ihm gut zu Gesicht und macht einen schmalen Fuß. Jedenfalls passt dieser Aristokraten-Helm besser zum British Way of Live als der Kopfverband.

Das Jackett aus „Mother Europe“ ist zwar modisch gewagt, geht für meine Begriffe aber in Ordnung. Ich bin nicht grundsätzlich gegen modische Extravaganzen; ein Rockmusiker sollte sich in seiner Garderobe schon von einem Finanzbeamten unterscheiden.

Ich wusste nicht, dass Mr. Anderson schon seit den 90er Jahren bei Mandoki’s All-Star-Band mitspielt. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass diese Truppe sich erst vor einigen Jahren formiert hat, um bei Thomas Gottschalk aufzutreten. Bis auf den Meister und Herrn Mandoki kenne ich niemanden aus der Band. Und Herrn Mandoki kannte ich bis dahin nur als musikalischen Steppenreiter. Ihr wisst schon: „Dschingis Khan“, die deutsche Antwort auf die „Village People“.

Liebe Kretakatze, ich hoffe, Du verzeihst Wilfried und mir, dass CCR an uns spurlos vorübergegangen sind. Erst meine Probleme mit der griechischen Musik und jetzt das. Bitte bleibe uns gewogen und gib uns noch eine Chance !

Vor einiger Zeit fragtest Du nach einem Beitrag zur irisch-schottisch-bretonisch-gälischen Folklore. Ich picke jetzt wahllos ein Stück dieses Genres heraus und stelle es zur Diskussion. Falls es Euch nicht gefallen sollte, habt bitte keine Hemmungen, das auch zu sagen.

Übrigens: Durch Zufall entdeckte ich eben ein Video einer weiteren Jethro Tull – Coverband. Musikalisch in Ordnung, aber eben nicht das Original.

So, genug für heute (am 7. Tage sollst Du ruhen !).
Ich wünsche Euch eine sonnige Woche

Lockwood

03.06.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

es ist wirklich immer wieder interessant, was man so aus fernen Landen hört, und inzwischen haben wir ja schon eine ganz nette Reise hinter uns – von Schottland über Island, Spanien und Kreta bis nach Israel. Ich war noch in keinem dieser Länder (außer Griechenland natürlich), mich hat es immer einseitig nur in eine Gegend gezogen. In nordischen Ländern ist es mir zu kalt – ich bin ein sehr wärmebedürftiger Mensch – und Israel ist wohl auch nicht für mich geeignet, denn ich bin weder blond noch attraktiv.

Schönheitsideale sind überhaupt auch ein interessantes Thema. Woher kommt es, dass ein Mensch oder sogar ganze Völker nun z.B. gerade blonde Haare für erstrebenswert erachten. In anderen Kulturen sind es auch kleine Füße, lange Hälse oder gar „angespitzte“ Zähne. Teilweise führt dieses Streben nach Schönheit regelrecht zur Selbstverstümmelung – auch Piercing würde ich dazu zählen. Da sind blond gebleichte schwarze Haare noch vergleichsweise harmlos.

Schönheitsideale unterliegen dem Wandel der Zeit. Häufig sind sie von Vorbildern abgeleitet, denen man nachzueifern versucht. In verschiedenen Epochen galt ein „griechisches Profil“ als schön, da man die Griechen der Antike wegen ihrer Kultur und Bildung bewunderte. In südlichen Ländern gilt offensichtlich ein mittel- oder nordeuropäisches Aussehen als attraktiv, vermutlich da man zu den Mitteleuropäern wegen ihres wirtschaftlichen Erfolgs und ihres politischen Einflusses aufschaut. In Mitteleuropa dagegen legt man sich ins Sonnenstudio um sich die Haut zu bräunen, um wie ein Südländer auszusehen, da das so gesund und naturverbunden wirkt. Es scheint – wie meist im Leben – besonders das erstrebenswert zu sein, was man nicht hat und was nur schwer zu erlangen ist.

Manchen Menschen kann man an ihrem Äußeren bereits ansehen, welche Vorbilder sie haben. John Fogerty z.B., den ich ja letztes Mal schon kurz erwähnt habe, und zu dem ich heute noch einmal ausführlicher kommen werde, scheint wohl ein Bewunderer der Beatles gewesen zu sein. Das lässt zumindest seine Frisur vermuten.

Wer nun vielleicht das Vorbild für Ian Anderson’s Löwenmähne gewesen sein könnte, vermag ich nicht zu erraten, aber in dieser britischen TV-Sendung vom 16.03.2007 sagt er etwas, das sehr aufschlussreich ist in Bezug auf die Frage, was ihn zur Wahl dieser Haartracht bewegt haben könnte. Diese Sendung war im Übrigen kein Interview, sondern eine Art Boulevard-Magazin, in dem es um die „Seitenlage“ des Scheitels eines britischen Oppositionspolitikers ging. Mr. Anderson wurde wohl als Experte für „haarige Angelegenheiten“ eingeladen. Sein Auftritt beginnt etwa bei 0:50 (leider kann man bei diesen Videos ja nicht in der Mitte aufsetzen), etwa ab 1:20 beschreibt er wild gestikulierend, wie die Haare von Personen aussehen, die wir sympathisch finden, und den entscheidenden Satz sagt er etwa bei 1:40 – „We love the guys with the crazy, fly-away hair“. Also ungefähr so wie bei diesem Herrn hier.

Mr. Anderson möchte also geliebt werden. Wer möchte das nicht? Leider hat es die Natur nicht gut mit ihm gemeint und ihn eines Großteils seiner Haarpracht beraubt. Wenn er wollte, könnte er aber heute sicher auch noch so ähnlich aussehen wie dieser Herr, mit dem er außer den Haarproblemen ja auch noch die Stimmprobleme gemeinsam hat – wir erinnern uns (mit Grausen). Aber offensichtlich möchte er das nicht. Er hat sich wohl gesagt „Entweder – oder, halbe Sachen mach‘ ich nicht“, hat die verbliebenen Haare abrasiert bis auf Streichholzlänge und versteckt diese rudimentären Reste nun noch unter einem Kopfverband. Das könnte man fast schon als Trotzreaktion betrachten.

Soweit zur Schönheit des Mr. Anderson. Jetzt möchte ich aber noch einmal zum Vergleich Anderson – Fogerty zurückkommen, den ich letztes Mal so kurz und provokativ angerissen hatte. Würde ich es bei diesen wenigen Worten belassen, dann würde ich wohl beiden Herren unrecht tun. Wie ich nun gerade auf John Fogerty komme, wo er auf den ersten Blick mit Mr. Anderson so gut wie nichts gemeinsam hat?

Creedence Clearwater Revival war die einzige Band, von der ich jemals ein Poster über meinem Bett hängen hatte. Das muss um 1971 gewesen sein, denn damals war ich Bravo-Leser, und es war ein Bravo-Poster. Ich war nicht direkt ein Fan, ich habe auch nur eine einzge Single von CCR – für ein Album hat mein damaliges Taschengeld noch nicht gereicht. Ich hatte ja nicht einmal einen Plattenspieler, und im Wohnzimmer hätte ich das nicht hören dürfen. Wie auch immer, als ich dieser Tage auf YouTube gelandet bin, habe ich natürlich auch die alten CCR-Hits ausgekramt und bin dabei auch auf die neuen Videos von John Fogerty gestoßen. Bis dahin wusste ich nicht einmal, dass er überhaupt noch Musik macht. Nach dem Ende von CCR 1972 hatte ich nichts mehr von ihm gehört.

Wohl noch aus meiner Bravo-Zeit weiß ich, dass es ein paar bemerkenswerte Parallelen zwischen Anderson und Fogerty gibt. In den meisten Punkten sind die Beiden aber praktisch exakte Gegensätze, so wie ihre Musik wohl auch die entgegengesetzten Enden der Rockmusik markiert. Fangen wir mit den Parallelen an…

Die Band Creedence Clearwater Revival wurde im Dezember 1967 gegründet – im gleichen Monat wie Jethro Tull! Vorher hatten die Jungs allerdings schon jahrelang unter anderen Bandnamen Rockmusik gemacht. Die Anfänge gehen auf 1959 zurück, als John’s 4 Jahre älterer Bruder Tom Fogerty in El Cerrito, Californien, zusammen mit seinem Freund Douglas Clifford (Drums) die Schülerband Blue Velvets gründete. Der damals 14-jährige John durfte vermutlich mitspielen, da er Tom’s kleiner Bruder war. Einige Monate später stieß dann noch Stuart Cook als Bassist dazu. Damit waren CCR eigentlich schon komplett.

Die Band spielte anfänglich Cover-Versionen aktueller Hits. Gegen Mitte der 60er Jahre begann John dann selbst Songs zu schreiben und löste seinen Bruder Tom nach und nach als Leadgitarrist und schließlich auch als Sänger ab. In dieser Zeit wurden auch schon erste Platten aufgenommen, allerdings mit wenig Erfolg. Die Gründung – eigentlich eher Umbenennung – der Band 1967 fiel zusammen mit einem Wechsel in der Plattenfirma und außerdem dem Zeitpunkt, zu dem sich der Youngster John endgültig auch als Bandleader durchgesetzt hatte.

Gleich das erste Album der Band Anfang 1968 schlug ein wie eine Bombe, 1969 wurden drei weitere Alben veröffentlicht und 1970 zwei. Die ausgekoppelten Singles gaben sich in den Top Ten die Türklinke in die Hand. Spätestens ab 1970 müssen CCR eine der kommerziell erfolgreichsten Bands der USA gewesen sein. Ich erinnere mich noch, dass sie von den Bravo-Lesern jährlich zur beliebstesten Rockband gekürt wurden.

Der Erfolg seiner Musik führte dazu, dass John Fogerty die anderen Bandmitglieder restlos an die Wand spielte und zu Statisten degradierte. Das konnte nicht lange gutgehen. Als Erster wollte sein Bruder Tom nicht mehr mitmachen, er stieg 1971 aus und versuchte sich in einer wenig erfolgreichen Solo-Karriere. 1972 verließen auch Doug Clifford und Stu Cook die Band, um zusammen mit anderen Musikern eine neue Gruppe zu gründen. Das war das Ende von CCR.

Ich glaube bis hierher kommt Euch die Geschichte so vor, als ob Ihr sie so ähnlich schon einmal gehört hättet. Auch Ian Anderson hatte es bis 1972 geschafft, alle anderen Gründungsmitglieder von Jethro Tull loszuwerden. Allerdings hatte er die „Lücken“ immer sofort wieder mit anderen Musikern aufgefüllt. Er konnte auch auf ein „Reservoir“ von eigenen musikalischen Schulfreunden zurückgreifen, während John Fogerty immer nur mit den Freunden seines großen Bruders musiziert hatte. Trotzdem wäre es für ihn sicher kein Problem gewesen ein paar neue Musiker zu finden, die sich gerne mit ihm auf die Bühne gestellt und auch ein paar Millionen verdient hätten. Aber von den Querelen des Gruppenlebens und dem harten Job eines Bandleaders hatte er offensichtlich genug. Stattdessen nahm er als erstes ein Soloalbum auf, bei dem er jedes Instrument selbst spielte und damit vollkommen ohne andere Musiker auskam. Ein Schritt so demonstrativ und radikal, dass er genauso gut von Ian Anderson hätte sein können.

Überhaupt habe ich mich schon mehrfach gefragt, warum es Mr. Anderson nicht schon viel früher mit einer Solo-Karriere versucht hat. Eigentlich war er in meinen Augen prädestiniert dafür, viel mehr als Mr. Fogerty. Das ist schon in seinem völlig anderen musikalischen Ansatz und Anspruch begründet. Er war immer der Experimentierer, der etwas Neues und Anderes ausprobieren wollte – neue Musikrichtungen, neue Instrumente, neue Formen der Darbietung. Da ist ein festes Team von Musikern eher hinderlich. Er hat das auch selbst einmal in einem Interview angedeutet.

Wenn man in einer Band einen Drummer, einen Bassisten und einen Gitarristen hat, dann kann man schlecht einen Titel z.B. nur für Keyboard, Flöte und Gesang schreiben. Da sind die übrigen Musiker traurig, weil sie nichts zu tun haben. Das lässt sich zwar bis zu einem gewissen Grad dadurch ausgleichen, dass man den Drummer ans Glockenspiel setzt und dem Gitarristen eine Querflöte in die Hand drückt (wie es Anderson ja auch schon getan hat), und wenn man mit Profis arbeitet, dann funktionert das auch. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass man immer eine bestimmte fixe Anzahl Musiker einsetzen muss, nicht mehr und nicht weniger. Und das schränkt die kreativen Möglichkeiten schon ein, ganz abgesehen davon, dass in so einem Team vermutlich manche neue Idee auch sehr schnell im Keim erstickt wird, da der eine Musiker dies und der andere das nicht mitmachen will oder nicht gut findet.

Kommen wir zu Mr. Fogerty zurück. Seine weitere Karriere enthielt mehr Tiefen als Höhen. Die ersten Solo-Platten konnten an die früheren Erfolge nicht anknüpfen, zumal er seinen Musikstil teilweise änderte und sein Repertoire um Gospels erweiterte. Mit Liedern a la Mary Don’t You Weep konnten seine Froschteich-Rock gewohnten Fans nichts anfangen – ich habe es auch fast nicht glauben können. Wie man sieht hat auch Mr. Fogerty musikalische Verirrungen und Verwirrungen hinter sich, wenn auch in eine andere Richtung als Mr. Anderson.

Dazu kamen jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit der ehemaligen Plattenfirma. Es ging um Verträge und die Rechte an den CCR-Titeln. Fogerty durfte seine eigenen Lieder nicht mehr spielen, er durfte nicht einmal etwas spielen, was so ähnlich klang (d.h. von sich selbst abschreiben). Das brachte seine musikalischen Aktivitäten schließlich erst einmal völlig zum Erliegen. Hier zeigt es sich, dass Mr. Anderson beim Abschließen von Verträgen und im Handhaben seiner „personellen Entscheidungen“ vermutlich cleverer war. Dadurch, dass er über jeden personellen Schnitt in der Band zumindest Martin Barre hinübergehoben hat, konnte er vermutlich auch den Namen Jethro Tull und die damit verbundenen Rechte und Pflichten wahren. Inzwischen ist Jethro Tull wahrscheinlich sowieso sein Privatunternehmen.

Bemerkenswerterweise im Abstand von jeweils etwa 12 Jahren gelangen Mr. Fogerty noch erfolgreiche Alben – mit „Centerfield“ erreichte er 1985 die Spitze der amerikanischen Album Charts, und mit „Blue Moon Swamp“ gewann er 1997 einen Grammy. Dazwischen lag noch ein weniger erfolgreiches Album und musikalische Sendepause. Erst seit Ende der 90er Jahre scheint er bei Live-Auftritten auch wieder CCR-Hits im Programm zu haben. Seither wird er anscheinend musikalisch auch wieder aktiver. So verkürzten sich zuletzt die Abstände zwischen neuen Studioaufnahmen dramatisch – nach „Deja Vu“ im Jahr 2004 ist er laut seiner Homepage zurzeit schon wieder in den Studios – da muss sich aber Mr. Anderson langsam mal ranhalten. Außerdem tourt Fogerty seit 2005 auch wieder jährlich durch Europa. Es scheint als ob es ihn beflügelt hätte, dass er sich 2004 nach über 30 Jahren mit seiner ehemaligen Plattenfirma (die inzwischen unter anderer Führung steht) vertraglich einigen konnte und nun auch wieder die Rechte an seinen CCR-Titeln hat. Dieses jahrzehntelange Hickhack um seine Musik muss wie ein böser Fluch auf ihm gelastet haben.

So weit für heute zu meinem Vergleich Anderson – Fogerty. Aber keine Sorge, ich bin noch lange nicht fertig, das war nur die Einleitung. In meiner nächsten Vorlesung werde ich dann im Detail auf Musik, Songtexte sowie Bühnenshow (insoweit man Fogerty’s Auftritte so bezeichnen kann) eingehen. Für heute habe ich Euch aber erst einmal genug gelangweilt.

Ich wünsche Euch einen guten Start in die Woche!

Liebe Grüße
Kretakatze

PS.: Als Anhang gibt es heute noch einen seltenen und ungewöhnlichen CCR-Song. Er wurde erst 1986 auf einer Compilation-Platte veröffentlicht und kann eigentlich nicht wirklich von CCR sein, denn er ist mit einem Keyboard instrumentiert, und bei CCR gab es nie einen Keyboarder. Es ist aber unverkennbar John Fogerty’s Stimme. Vielleicht ein erster Solo-Track? In diesem Video gibt es keine Bilder, dafür ist unter der Beschreibung der komplette Songtext abgelegt: (Wish I Could) Hideaway

03.06.2007

English Translation for Ian Anderson