Was ist bloß mit Ian los? Teil 70: Von folkloristischen grauen Haaren aus Dublin

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

bevor ich zu meinem Vortrag über Folklore komme, doch noch einige Anmerkung zu Ansehen und Kleiderordnung bei Rockmusikern. Ich hatte schon einmal einige Bildchen unter dem Motto: Nur älter, nicht schöner … hier an anderer Stelle veröffentlicht. Ja, der Zahn der Zeit nagt unerbittlich an einem, da hilft nichts (oder nur wenig, wenn auch nicht lang, z.B. Haare färben). Herr Anderson ist wahrlich ein doppelt tragisches Beispiel für den Verfall der menschlichen Hülle. Erst fallen ihm die Haare aus, dann versagt die Stimme, genauer: Gesangsstimme, denn seine Sprechstimme ist nach wie vor stabil. Dank an Kretakatze für das kleine sehr aktuelle Video mit dem Interview, zeigt es Ian Anderson, für uns alle überraschend, auch mit grauen Haaren (Ist etwa sein Friseur gestorben?).

Ian Andersons graue Haare

Zu den Auftritten von Tiefseetauchern, Bären und dem weißen Kaninchen Harvey und den geigenden vier Damen unter Lockenperücken usw. bei früheren Tull-Konzerten habe ich noch einmal nachgeforscht, bin aber bisher nicht fündig geworden. Ich erinnere mich nur an Bilder in Musikzeitschriften u.ä. und denke, dass es im Zusammenhang mit „A Passion Play“ gewesen sein musste.

Dass mit der versagenden Stimme bei dem Lied von Nikos Papazoglou finde ich etwas merkwürdig. Das Lied heißt doch auf Deutsch „Niemand singt hier …“, und beim scheinbaren Versagen hat auch gleich ein Zuschauer ein Mikrophon zur Hand (und schließlich singen alle!): Ist das Ganze nicht eine abgekartete Sache? Im Falle von den Dubliners (Fields of Athenrye – lese ich da nicht Athen heraus?) singt das Publikum auch mit – ohne dass es dem Sänger die Stimme verschlägt. Lockwood, ist das ein traditionelles irisches Lied?

Kretakatzes Parallelen zwischen Fogerty und Anderson finde ich ziemlich interessant. Auch ist die Schlussfolgerung im Bezug auf Ian Andersons Experimentierfreude nicht von der Hand zu weisen: Da ist ein festes Team von Musikern eher hinderlich. Warum also doch die Band? Genauso gut kann man fragen, weshalb Herr Anderson immer noch auf Tour geht. Genug Geld müsste er längst haben. Herr Anderson tritt eben gern öffentlich auf, liebt es, sich ‚zur Schau’ zu stellen. Und wie ein großes Kind verkleidet er sich auch gern (z.B. als Pirat, ein am Kopf verletzter Pirat). Da er nicht mehrere Instrumente gleichzeitig spielen kann, so braucht er also ein mehr oder weniger festes Team. Die Betonung liebt auf „mehr oder weniger“ wie an der Personalpolitik von Herrn Anderson abzulesen ist. Jethro Tull als solches ist wirklich längst ein Solo-Projekt. Auf der anderen Seite verkaufen sich CDs von Jethro Tull besser als die unter dem Namen Ian Anderson.

Noch etwas zum Vergleich Fogerty – Anderson: Beide sind stark von ihrer Herkunft geprägt. John Fogerty ist bis heute in vielen Dingen sehr amerikanisch (Kleidung, Musik, sicherlich auch Essen); Ian Anderson ist zum einen Schotte, aber auch ein typischer Brite, der das Extravagante liebt.

Hier also mein kleiner Vortrag zum Thema Folklore. Der passt vielleicht nicht mehr so ganz in den Kontext unseres zuletzt geführten Gedankenaustausches, aber da ich mich nun einmal hingesetzt und folgendes verfasst habe, müsst Ihr Euch das schon einmal anhören (lesen): Ich habe ihn allgemein gehalten, um ihn gewissermaßen allgemeingültig zu halten, wenn im Mittelpunkt auch die deutsche Folklore steht. Zum Volkstanz habe ich mich nur kurz geäußert, dürfte da aber von Kretakatze sicherlich ergänzt werden.

Folklore in Lied und Tanz

Der Begriff „Folklore“ kommt aus dem Englischen und umfasst zunächst alle Überlieferungen aus dem Volk, neben Sprichwörtern, Märchen und ähnlichem natürlich auch Volkslieder, Balladen und Tänze (Volkstänze). Im angelsächsischen Raum hat sich für Volkslieder der Begriff „Folk“ durchgesetzt.

Wir in Deutschland tun uns aus geschichtlichen Gründen etwas schwer mit dem Begriff Volksmusik. Ich schrieb vor längerer Zeit:

Natürlich finde ich „Schwarz-braun ist die Haselnuss“ und dergleichen auch zum Kotzen. Aber das ist nicht die deutsche Folklore oder nicht allein, sondern immer noch der ‚volksnahe‘ Beitrag, der sich aus der Nazizeit herübergerettet hat. Schriebst Du nicht etwas von Liederjan oder Zupfgeigenhansl (und ‚Schelmish‘)? Da greift man durchaus auf altes, ‚deutsches‘ Liedgut zu, was weder schwarz noch braun angehaucht ist.

Ich sehe hier zunächst eine Zweiteilung. Auf der einen Seite die Volksmusik (Volkslieder), die sich aus langer Tradition entwickelt hat, oft mit politischem Hintergrund und mit Themen besetzt, die den Alltag des (nicht nur) niederen Volkes betreffen. Daneben die volkstümliche Musik (Schunkelmusik), die sich gern als Volksmusik ausgibt, aber die lediglich der Unterhaltung dient (und daher kommerziell ausgeschlachtet wird). Themen hier: Herz und Schmerz und schwarz-braune Haselnüsse. Dieser Art von Volksmusik bedienten sich auch die Nationalsozialisten.

Das deutsche Volkslied hat eine lange Tradition und beginnt mit den Minnesängern und Bänkelsängern. Bereits hier lässt sich diese Zweiteilung beobachten:

• Die Minnesänger, die auch den Grundstein für das Kunstlied legten, dem sich später bekannte Komponisten von Mozart bis Franz Schubert bedienten

• Die Bänkelsänger, die sich mehr den volkstümlichen Liedern (und Moritaten) widmeten

Als „Vater“ des Volksliedes gilt Johann Gottfried Herder, der auch diesen Begriff prägte (Herder gilt übrigens als Meister der Neologismen, so stammt auch der Begriff Zeitgeist von ihm). Und bei ihm begegnen wir auch dem schottischen Volkslied. Überhaupt beschäftigten sich in der Zeit der Romantik u.a. Achim von Arnim sowie Clemens Brentano mit Volksliedern und die Brüder Grimm mit Märchen und Sagen.

Die „Herkunft“ eines Volksliedes lässt sich bereits erahnen. Beim zum Kunstlied erhobenen Volkslied kennen wir in der Regel Dichter und Komponist. Es wurde zum Volkslied, weil es in den Volksmund übergegangen ist. Beim eher volkstümlichen Lied sind beide, Dichter und Komponist, meist nicht mehr bekannt. Auch ein schlicht und leicht fassbares Lied in Text und Melodie ist hierzu zu zählen. Aber es gibt natürlich Mischformen. So gibt es viele Gedichte, die zu einer Volksweise (Melodie) gesungen werden (z.B. „Der Mai ist gekommen“). Auch der schottische „Volks“-Dichter, Robert Burns, bediente sich häufig traditioneller Musik, z.B. „A Man’s A Man for A’ That“. Überhaupt sind es diese Mischformen, die ich vorrangig zur (nicht nur) deutschen Folklore, zu den Volksliedern zähle. Die Lieder, für die wir (sicherlich nicht immer richtig) den angelsächsischen Begriff „Folk“ verwenden, einfach um eine Abgrenzung zum volkstümlichen Lied zu schaffen. Und aus dieser Quelle schöpfen heute viele Musiker, kreieren ihre eigenen Lieder, die dann unter anderen Begriffen wie Folkrock, Politrock usw. an und in unsere Ohren dringen.

Volkslieder beider Art sind meist regional entstanden, haben sich aber oft national ausgebreitet, teilweise auch über die (staatlichen bzw. sprachlichen) Grenzen hinweg.

Wie verhält es sich nun mit Volkstänzen? Musikalisch bedient man sich nach meiner Meinung hier aus beiden Töpfen (Kunstlied und volkstümliches Lied, eher aber letzteres als so genannte Volksweise). Im Gegensatz zu den Volksliedern sind Volkstänze meist regional begrenzt, was u.a. auch mit den durch regional verschiedenen Trachten zusammenhängt. Das lebendige Vorhandenseins dieses Brauchtums ist zudem von Region zu Region sehr unterschiedlich und wird eher in ländlichen Gegenden gepflegt. Dort, wo Volkstänze besonders einem breiteren Publikum (Touristen) vorgeführt werden, greift man eher auf „standardisierte“ Tänze zurück.

Soviel fürs erste. Einen Aspekt habe ich vernachlässigt. Es geht um die Marschmusik, die immer wieder gern in so genannten Volksmusiksendungen gezeigt wird, in Deutschland z.B. irgendwelche böhmischen Blaskapellen; in Schottland die bekannten Drums and Pipes Bands. Wie der Name schon sagt, Marschmusik, gibt es hier eine (pseudo-)militärische Ausrichtung. Sicherlich ein Grund mehr, weshalb mir solche Hitparaden der Volksmusik zuwider sind.

Weiterhin frohe Schaffen!
Viele Grüße

Wilfried

04.06.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

Mr. Anderson färbt seine Haare. Seit Jahren. Ich bin froh, dass es nun einen Bildbeweis für meine Behauptung gibt. Ganz kann er sich dem Jugenlichkeits-Wahn also auch nicht entziehen. Findet er, nicht ich. Aber auf mich hört ja keiner.

Die Gemeinsamkeiten zwischen Mr. Anderson und Mr. Fogerty scheinen sich auf Personalpolitik und andere Äußerlichkeiten zu beschränken und nicht so sehr auf die Musik. Das erleichtert mich; ich dachte schon, ich hätte wieder die simpelsten Dinge wie Tonart, Rhythmus und Halbtöne nicht erkannt.

Die Fields of Athenrye sind nicht unbedingt ein Paradebeispiel für irische Folklore. Es ist nicht der „klassische“ Folk. Es ist fast wie ein Schlager, wenn auch mit sehr ernstem Hintergrund. Das Lied handelt von der großen Hungerkatastrophe, die die grüne Insel Mitte des 19. Jahrhunderts heimgesucht hat.

Eben so wenig wie das Lied verkörpern die Dubliners die ursprüngliche Folklore. Die Dubs sind mehr für Schunkel- und Trinklieder zuständig. Und auch für Kampf- und Kriegsgesänge, von denen es in Irland reichlich gibt. Natürlich besteht auch an Liebesliedern kein Mangel. Ich habe die Felder von Athenrye trotzdem als erstes Beispiel ausgesucht, um einen sanften Einstieg in die irische Folklore zu finden. Die „echte“ Folklore der Insel ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Will man einen Kulturschock vermeiden, sollte man sich ihr langsam nähern.

The Fields of Athenrye sind erst in den 70er Jahren komponiert worden, also für meine Begriffe zu jung, um als `Traditional` durchzugehen. Der im gelinkten Wikipediatext erwähnte Paddy Reilly ist übrigens niemand anderer als der nette Opatyp, der das Lied im Video singt. Mr. Reilly spielt seit 1995 bei den Dubliners, genau wie hunderte vor ihm und nach ihm. Jethro Tull und CCR stellen nicht die Spitze der Personalfluktuation dar. Ist Euch aufgefallen, wie alt das Publikum in dem Video ist ? Ich schätze das Durchschnittalter auf 61,7 Jahre. Entweder war das Konzert auf Betreiben eines Seniorenclubs zustande gekommen oder die Dubliners erreichen die jungen Menschen nicht mehr. Beides halte ich für möglich.

Wie in meiner kurzen Beschreibung des Dubliners-Repertoire schon angeklungen, scheint sich die Welt der Iren hauptsächlich um drei Dinge zu drehen: Trinken, Liebe und der Kampf gegen die Engländer. Tatsächlich habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Iren den Hass auf alles Englische schon mit der Muttermilch aufnehmen. Betrachtet man die Geschichte der beiden Länder, wird das niemanden wundern. Angefangen bei Edward I, über Henry VIII und Oliver Cromwell bis in unsere Tage wird nicht viel dafür getan, um die politischen Wogen zu glätten. Aber das nur am Rande, ich möchte kein Geschichtsforum eröffnen.

Ich wollte eigentlich nur sagen, dass die Songs einer so populären Gruppe wie den Dubliners zu einem nicht geringen Anteil politisch angehaucht sind. Ohne Zweifel spielen sie Volksmusik, und somit ist Wilfrieds These über das politisch motivierte Volkslied auch für den irischen Teil der Welt untermauert. Und tanzen können die Iren natürlich auch (vermutlich am besten dann, wenn sie genug getrunken haben). Ihre wichtigsten Tänze sind Reel und Jig.

Als eines der katholischsten Länder der Erde (was immer das heißen mag) kennen die Iren auch religiöse Lieder. Hier als Beispiel der Text eines Liedes, das sich so gar nicht nach Kirchenlied anhört. Seit Riverdance wissen wir auch, dass die Iren steppen können.

Einige Gedanken zu der letzten mail von Kretakatze:
Ich bin versucht, Werbung für Israel zu machen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass unsere Kretakatze ihr El Dorado in der Ägäis gefunden hat. Dabei ist Israel von Kreta nur einen Katzensprung entfernt. Nein, im Ernst: Israel ist in erster Linie für den historisch und religiös Interessierten die engere Wahl; tolle Strände, nette Menschen und ein schönes Hinterland finden sich auch anderswo.

Zum Schönheitsideal: Es gibt sicher einige Faktoren, die hier hineinspielen. Ein Anthropologe schrieb einmal, dass wir uns als Partner den Menschentyp aussuchen, der uns von frühester Jugend vertraut ist. Also: ist meine Mutter dunkelhaarig- und äugig, werde ich mir auch eine solche Frau suchen. Wir alle kennen sicher -zig Fälle, die dieser Theorie widersprechen. Jedoch: bei meinen ersten Freundinnen (möge der Himmel ihnen ein glückliches Leben bescheren) war das so.

Liebe Kretakatze, Deine frühe Vorliebe für CCR hat mich angenehm überrascht. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass junge Mädchen in den 70ern Abba, Smokie und Bay City Rollers hörten. Schön zu sehen, dass es auch anders ging.

Mein Bett ruft und ich werde dem nachgeben.
Bis bald
Lockwood

04.06.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute muss ich zuerst einmal dem Lockwood ein großes Kompliment machen – er verlinkt inzwischen wie ein Weltmeister, da komme ich ja kaum noch mit. Vielen Dank auch für die zahlreichen interessanten Videos zu den Dubliners. Das muss ich erst noch ein bißchen verdauen. Auf’s erste Hören muss ich allerdings sagen, dass mich davon nichts so richtig vom Hocker reisst. Abgesehen vom angenehmen akustischen Sound klingen die Melodien für mich doch alle ein bißchen – tja, langweilig. Von Rhythmus und Takt erinnert mich alles stark an deutsche Volksmusik, und die spricht mich auch nicht gerade an. Aber wenn ich mich recht entsinne, müsste es eigentlich auch ein paar ziemlich flotte irische Tänze geben, oder? Auf jeden Fall ein sehr interessanter Ausflug auf die „Grüne Insel“, die weißen Flecken auf unserer Landkarte werden immer kleiner.

Lockwood hat außerdem Einiges über Beständigkeit und Wandel im äußeren Erscheinungsbild der Herren Anderson und Fogerty geschrieben. Dem kann ich nur zustimmen. Ich denke beide sind auf ihre Weise Phänomene. Anderson, weil er sich alle paar Jahre so derart wandelt, dass man kaum noch glauben kann dieselbe Person vor sich zu haben – es sind regelrechte Metamorphosen – und Fogerty, weil er über Jahrezehnte hin völlig unverändert wirkt, man kann garnicht glauben, dass schon wieder 10 Jahre um sein sollen. Unter einem Live-Video von Fogerty fand ich z.B sinngemäß den Kommentar: „Ist das wirklich erst dieses Jahr aufgenommen? Ich habe ihn vor 10 Jahren live gesehen, da sah er genauso aus“. Das könnte Mr. Anderson nie passieren.

Lockwoods Ansicht zu Down On The Corner kann ich aber nicht teilen. Für mich ist dieser Titel vom Stil her mehr Pop als Rock und würde daher für Abba bestens passen. Eine Coverversion macht ja auch nur dann Sinn, wenn sie sich in mindestens einem wesentlichen Punkt vom Original unterscheidet, sonst ist sie überflüssig. Und dieser Unterschied könnte in diesem Fall die völlig andere Stimme sein – warum nicht? Dass Abba stattdessen Midnight Special gecovert haben, wundert mich eher. Das hätte ich nicht für ihren Stil gehalten. Andererseits glaube ich, der Titel ist im Original auch nicht von CCR, die haben auch teilweise Songs gespielt, die sie nicht selbst geschrieben hatten. Grapevine gehört z.B. dazu, I Put A Spell On You (für meinen Geschmack ein echter Knaller!) und Nighttime Is The Right Time. Proud Mary stammt aber definitiv aus der Feder von John Fogerty. Es soll wohl eines der am häufigsten gecoverten Stücke überhaupt sein mit mehr als 100 Versionen, und jetzt gibt es auch noch eine Version von Wilfried! Die würde ich aber wirklich gerne Mal hören!

Überhaupt hat der Wilfried ja mal wieder ganz tolle Videos ausgegraben – Danke! Mr. Anderson sieht vergleichsweise richtig chic aus und benimmt sich auch beim Interview nicht daneben – na also, es geht doch! Auch der Gesang war schon schlimmer (man wird ja so bescheiden…). Das „Mother Europe“ klingt richtig gut. Weiter so! Auch die von Lockwood entdeckte Tull-Coverband ist ja wirklich super! Besser als das Original, würde ich sagen, jedenfalls besser als das, was man so in den letzten Jahren vom Original zu hören bekommen hat.

Von Wilfried wüsste ich gerne mal, wie er das mit den Standbildern aus den Videos macht – das könnte ich auch gerne! Übrigens braucht man zum Haare färben keinen Friseur, das macht man zuhause zwischen Wäsche waschen und Wohnung putzen – naja, ich jedenfalls. Mr. Anderson hat wahrscheinlich so viel zu waschen und zu putzen, dass er zum Färben keine Zeit mehr findet. Da er seine Haarreste üblicherweise unter einem Kopftuch verbirgt, wäre Haare färben ja auch nur eine unnötige Geldverschwendung – ein bißchen sparsam muss man schon sein. Mr. Fogerty ist da z.B. bei seiner Haarpracht verschwenderischer. Nur für die Augenbrauen scheint die Farbe dann nicht mehr gereicht zu haben, die sind nahezu weiß (Anschauungsbeispiel).

Und um noch einmal auf den Herrn Papasoglou zurückzukommen – seine Stimmprobleme sind echt, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich denke es ist nicht zu überhören, dass er kaum noch einen Ton herausbekommt. Abgesehen davon gehört er zufällig zu den Musikern, die ich selbst schon live erlebt habe – das war 1989 in Esslingen, einer Griechen-Hochburg im Stuttgarter Raum. Bei dem Konzert sah es aus wie hier im Club (die Sendung scheint in einem Club aufgezeichnet worden zu sein) – alles steht in den Gängen oder in den Reihen, zum Schluss auch auf den Stühlen, und tanzt und singt – ich auch. Das ist nicht gespielt, das ist echt. Der Herr mit dem Mikrophon ist nicht irgendein Zuschauer, ich habe mich auch schon gefragt, wer das sein könnte. Vielleicht der Moderator der Sendung oder der Besitzer des Clubs, in dem die Sendung aufgezeichnet wurde.

Zum Thema Volksmusik, Folk(lore) und Volkstanz fällt mir leider garnichts ein, lieber Wilfried. Ich muss zugeben, dass ich mit dieser Musik wenig anfangen kann, es sei denn sie tendiert zum griechisch-orientalischen oder zum mittelalterlichen. Mit sonstiger mitteleuropäischer Volksmusik habe ich mich sehr wenig befasst. Trotzdem fand ich Deinen Beitrag zu diesem Thema sehr interessant, gerade auch was die Texte des Dichters Robert Burns betrifft.

Aber jetzt noch einmal zu Anderson – Fogerty. Aus Lockwoods Reaktion auf meinen letzten Vergleich schließe ich, dass nicht so richtig deutlich geworden ist, was ich mit meinen vielen Worten eigentlich sagen wollte. Deshalb jetzt noch einmal als kurze Zusammenfassung:

Bislang habe ich lediglich den Werdegang bzw. die Entwicklung der beiden Musiker und ihrer Bands verglichen, zur Musik habe ich mich noch nicht näher geäußert. Die Unterschiede sehe ich vor allem in der Personalpolitik – insofern, als es bei CCR nie eine gegeben hat – und in der Fluktuation – ebenfalls in sofern, als es bei CCR nie eine gegeben hat. Die Band war 12 Jahre lang (von 1959 bis 1971) so statisch wie ein Monolith, um dann, ebenfalls wie ein Monolith, unter den inneren Spannungen einfach zu zerspringen. Jethro Tull dagegen war von Anfang an so dehnbar wie ein Kaugummi. Deshalb gibt es diese „Band“ auch heute noch.

Die Parallelen zwischen Anderson und Fogerty bestehen nach meiner Meinung vor allem in ihrem Werdegang – Beginn in jungen Jahren in einer Schülerband, kleine Auftritte, mäßiger Erfolg, lange Lehrjahre etc. – und in ihrem Wesensmerkmal, durch Fähigkeiten, kreative Ideen, Energie und Durchsetzungsvermögen eine Gruppe so dermaßen zu dominieren, dass Andere neben ihnen keine Luft mehr bekommen und keine Möglichkeit zur eigenen Entfaltung mehr sehen und schließlich das Weite suchen. Als „Äußerlichkeit“ würde ich eine solche Persönlichkeitstruktur nicht bezeichnen.

Ich habe Fogerty nicht deshalb für den Vergleich ausgewählt, weil ich zufällig vor 35 Jahren mal ein Bild von ihm über dem Bett hängen hatte – auch das ist vielleicht ein bißchen falsch rübergekommen. Das Poster hatte ich im Übrigen auch garnicht wegen ihm aufgehängt, sondern weil ich den Drummer Doug Clifford damals ziemlich süß fand. Aber lassen wir diese nebensächlichen Details. Jeder Vergleich macht ja nur Sinn, wenn es eine wesentliche Gemeinsamkeit gibt, von der ausgehend man untersuchen kann, warum dann unterm Strich doch etwas völlig anderes herausgekommen ist. Sonst könnte ich Anderson jetzt auch mit Luciano Pavarotti oder Heintje vergleichen und die wesentlichsten 357 Unterschiede aufzählen – das wäre nicht nur witzlos, sondern auch gähnend langweilig. Gut, den Vergleich Anderson – Fogerty findet Ihr vielleicht auch ziemlich öde, aber mich interessiert er eben gerade.

Die Frage, die ich mir stelle, ist folgende: Zwei Männer mit ähnlichen Voraussetzungen (siehe oben) gründen im Jahr 1967 je eine „One-Man-Rockband“, d.h. sie selbst als „Frontman“ zusammen mit ein paar Musiker-Statisten (oder zumindest entwickelt sich die Gruppe schnell in diese Richtung). Beide sind sie in ihrem Job erfolgreich (Musik machen und verkaufen), trotzdem ist bei dem Einen nach 5 Jahren die „Firma“ am Ende, während sie beim Anderen nach 40 Jahren immernoch läuft. Andererseits hat der „ohne Firma“ nach 40 Jahren begeisterte Fans, die meinen er wäre noch gerade so gut wie damals, während die Fans von dem „mit Firma“ jammern und klagen, dass nichts mehr ist wie vor 30 Jahren. Wie kommt’s?

Gut, das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die beiden aufgrund ihres unterschiedlichen Musikstils auch unterschiedliche Fans haben. Wenn ich mir z.B. die Mädchen ansehe, die hier auf diesem Bild ihre Arme sehnsuchtsvoll über den Bühnenrand recken, dann sehen sie für mich so aus als wären sie nicht älter als ich damals war (ich bin aber nicht dabei…). In einer leicht abgewandelten Version eines bekannten Ausspruchs bin ich versucht zu sagen: „Zeige mir Deine Fans, und ich sage Dir, wer Du bist.“ So fand ich unter einem CCR-Video z.B. diesen Kommentar: „I remember when this whole concert was on TV (I think it was live in 1971 or 72). I was so mad at my parents for not letting me stay up and watch it, even though they knew CCR was my favorite band. I was only 7 though, so now I can forgive them.“
Ich wage zu bezweifeln, dass es sehr viele 7-jährige Jethro Tull Fans gegeben hat. Tull-Fans sind üblicherweise hochintelligente, gebildete, spachlich und musikalisch interessierte Intellektuelle mit hohen Qualitätsansprüchen – so wie wir eben. Und die sind ziemlich schwer zufrieden zu stellen.

Eines möchte ich aber doch zur Ehrenrettung für Mr. Fogerty noch sagen. Ich glaube nicht, dass er nicht weiß, was ein Armani-Anzug ist. Im Stall lebt er auch nicht gerade, auch wenn er um 1970 herum auf der Bühne und im Fernsehstudio in Kleidung erschien, die aussah als wäre er gerade eben von der Feldarbeit hereingekommen – er ist tatsächlich, wie Anderson, auch sehr naturverbunden. In den letzten Jahrzehnten trug er, zumindest bei Filmaufnahmen, meist schwarze Hemden, auch gestreift oder gar gemustert wurde er bereits gesichtet. Ich könnte mir vorstellen, dass er das karierte Hemd nicht zuletzt seinen Fans zuliebe anzieht. Es ist ja auch so herrlich schön und einfach, wenn man nicht mehr braucht als ein Karohemd um bei seinen Fans das 1970-Feeling auszulösen. Davon kann Mr. Anderson nur träumen.

Jetzt lasse ich es für heute wieder erst einmal gut sein. Es ist ja schon wieder so spät – meine Güte…

Seid lieb gegrüßt

Kretakatze

PS.: Lieber Lockwood, warum findest Du es denn so schön, dass ich gerade eine Vorliebe für CCR hatte. Und das, obwohl die doch an Dir so (fast) spurlos vorübergegangen sind? Abba waren, glaube ich, erst später aktuell, so ab Mitte der 70er Jahre. Smokie weiß ich nicht mehr und Bay City Rollers sagen mir nichts. Ich glaube, da war ich aus dem Alter raus… Ach ja, Deine Vorliebe für Kate Bush fand ich interessant. Wegen Kate Bush bin ich erstmals auf YouTube gelandet. Aber dazu vielleicht ein andermal.

05.06.2007

English Translation for Ian Anderson