Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,
Wilfrieds Zeitdokumente von Black Out sind gute Beispiele dafür, dass auch mit geringem technischem Aufwand gute Musikaufnahmen möglich sind. Mich würde interessieren, wie es zum Ende der Gruppe gekommen ist. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht jedem der beteiligten Musiker leicht gefallen ist.
Wilfried, wirst Du die aktuelle intensive Beschäftigung mit John Fogerty zum Anlass nehmen, Dir sein Konzert in Hamburg anzusehen ? Ich denke, die Gefahr, dass sich seine Fans immer noch aus 7jährigen rekrutieren, ist eher gering. Eine persönliche Inaugenscheinnahme einer unserer Zielpersonen könnte unsere Diskussion gewiss zusätzlich beleben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich persönlich kein großer Freund von Open-Air-Konzerten bin, wegen Akustik und Stimmung, you know.
Ich bin Dir sehr dankbar für Deine Frage nach den Lieblingsgitarristen. Eine wirklich gute Idee und ein sehr schönes Thema. Natürlich schätzen wir alle die Saitenkünste des Martin Lancelot Barre. Seine Verdienste um die musikalische Qualität von Jethro Tull kann man nicht überbewerten. Er ist allerdings nicht mein Lieblingsgitarrist. Das hat überhaupt nichts mit seinen Fähigkeiten an der Rockgitarre zu tun, sondern einzig und allein damit, dass Jethro Tull für mich eine Folk-Rock – Band ist, mit der Betonung auf Folk. Mit anderen Worten: Mir gefallen der Gesang (der weiteren Vergangenheit) des Mr. Anderson und die akustischen Saiteninstrumente besser als die Aspekte der Rockmusik, die Mr. Barre in das Spektrum der Gruppe einbringt.
Mein favourite Guitarist ist Brian May von Queen. Er und seine Red Special. Die beiden gehören zusammen wie John Wayne und die Winchester. Trotz meines wenig musikalischen Gehörs würde ich die Red Special unter hundert anderen Gitarren heraushören. Das wohl populärste Zeugnis seiner Kunst legte Mr. May mit dem Solo in der Live-Version von Brighton Rock ab: Durch eine spezielle Spieltechnik (Echo- und Delay-Effekte) ist er in der Lage, mit sich selbst mehrstimmig zu spielen (der Mehrstimmen-Effekt beginnt etwa bei Minute 2:20, aber es lohnt sich, das ganze Video anzusehen). Diese Live-Version hörte ich erstmals auf dem Album Live Killers Ende der 70er Jahr. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von dem Echo-Effekt. Ich wusste nur, dass dort mehr als eine Gitarre zu hören ist. Damals dachte ich, dass sich ein anderes Bandmitglied mit einer Gitarre bewaffnet hat um Mr. May zu unterstützen. Aber, meine lieben Freunde, ein Mr. May hat keine Unterstützung nötig.
(Wem das Brighton-Rock – Solo gefallen hat, mag zusätzlich auf eine kleine Gitarrenschule von Mr. May klicken.)
Neben dem einzigartigen Klang seines Instruments und seinem virtuosen Spiel ist es einfach seine sympathische Erscheinung, die ich an ihm schätze. Ähnlich wie Mr. Barre blieb Mr. May als graue Eminenz bescheiden im Hintergrund. Er hat auch schöne Hände, der Lange. Für mich war er mindestens ebenso entscheidend für den Queen-Sound und den Erfolg der Gruppe wie Mr. Mercury seligen Gedenkens.
Jimmy Page von Led Zeppelin zähle ich ebenfalls zu den ganz großen. Obwohl: Seine Auftritte gefallen mir nicht immer. Ich habe irgendwann einmal einen Auftritt der Gruppe gesehen, bei dem er eine 3-stöckige Gitarre umgeschnallt hatte. Mehr Instrument als Page. Man konnte nur noch vermuten, wer sich hinter diesem Instrument befand. Das ist in meinen Augen reine Protzerei. Dessen ungeachtet steht das Led Zeppelin – Album „Physical Grafitti“ weit oben auf meiner persönlichen Bestenliste.
(Das wäre vielleicht auch ein interessantes Thema: Die Lieblings-Alben unserer Dreier-Runde, getrennt nach JT und dem Rest der Welt).
Beim Schreiben dieser Zeilen wird mir klar, dass ich die Leistung eines Gitarristen nicht objektiv beurteilen kann. Für mich ist entscheidend, ob das, was er spielt, mir gefällt. Ein Beispiel: Möglicherweise ist Ricky King der beste Gitarrist aller Zeiten, aber von mir wird er niemals auch nur einen einzigen Punkt bekommen.
An Wilfried: Als ich vom Evangelischen Kirchentag in Köln hörte, habe ich tatsächlich daran gedacht, ob Familie Albin sich daran beteiligen wird. Diese Frage ist nun beantwortet. Leider scheinen die Kirchentage ganz schön ins Wasser zu fallen; das ganze Rheinland liegt seit Tagen unter einer Gewitterfront.
Ich teile den Eindruck von Kretakatze, dass Mr. Anderson in seinen Texten fast nie politisch geworden ist. Er hat einige gesellschaftskritische Texte geschrieben (Thick As A Brick, Aqualung, Cross Eyed Mary…), aber zu Innen- oder Außenpolitik hat er sich so gut wie nie geäußert. Ungewöhnlich für einen Intellektuellen.
Dass er sich, seine Musik, Texte und sein Publikum für etwas Besonderes hält, versucht er erst gar nicht zu kaschieren. Ich denke da an ein Interview mit ihm, in dem er sinngemäß sagt: „Ich erwarte nicht, dass jeder Künstler solche Texte schreibt wie ich. Es muss auch Texte für Fußballfans geben.“ Das klingt nicht bloß latent arrogant. Ein wenig egozentrisch ist er schon, unser Mr. Anderson. In diesem Zusammenhang: Deine Einschätzung, liebe Kretakatze, dass Jethro Tull de facto ein Solo-Unternehmen ist, teile ich uneingeschränkt. Die Bezeichnung Jethro Tull für seine häufig wechselnde Ansammlungen von Studiomusikern halte ich für den reinsten Etikettenschwindel. Das bringt mich wieder auf den guten Mr. Barre. Welche Rolle spielt er wirklich im Andersonschen Musiktheater ? Ist er ein Freund, den man nicht im Regen stehen lassen will ? Oder ist er eine musikalische Säule, ohne die das Potenkimsche Gebilde namens Jethro Tull zusammenbrechen würde ? Ich wüßte dazu gerne die Meinung des Mr. Barre. Mr. Anderson’s Meinung dazu interessiert mich nicht; dem kann man sowieso nichts glauben.
Liebe Kretakatze, die von Dir vorgestellten CCR-Songs „Hideaway“ und „Fortunate Son“ wirken sehr ernst, traurig, melancholisch. Wenn man diese beiden Lieder hört, kann man sich nur schwer vorstellen, dass sehr viele Kinder zu den CCR-Fans zählen.
Den von Dir getippten Text von JT habe ich nicht erkannt. Ich musste nachschlagen. Der Text ist aus dem Lied „Silver River Turning“ aus dem Album „Nightcap“. „Nightcap“ gehört zu den späten Alben der Gruppe, die ich mir schon gar nicht mehr gekauft habe. Zu viele Metamorphosen sind im vorausgegangen.
Ich erlaube mir, dass o.g. Antikriegslied von CCR als Brücke zu missbrauchen, um auf zwei weitere Antikriegslieder aus dem britischen Umfeld aufmerksam zu machen. Es sind Lieder des zeitgenössischen schottischen Liedermachers Eric Bogle, die oft von Künstlern aus dem irisch-schottischen Dunstkreis interpretiert werden. Beide Lieder haben die Schrecken des Ersten Weltkriegs zum Inhalt: The Green Fields of France behandelt den jungen Gefreiten Willi McBride, der in den Schützengräben Frankreichs ums Leben kam. Durch dieses Lied ist Willi McBride wohl der bekannteste Gefallene des Ersten Weltkriegs geworden. Das Lied gehörte zum Repertoire unserer lokalen Irish-Folk – Gruppe und ich kann Euch versichern, dass ich dabei jedesmal eine Gänsehaut bekam. Der Sänger konnte den Eindruck vermitteln, er habe selbst an der Somme im Schützengraben gelegen.
The Band played Waltzing Mathilda, hier in einer Version von den Pogues, handelt von der furchtbaren Schlacht um Gallipoli. Und Wilfried hat Recht; dieses Lied ist auch von Tom Waits interpretiert worden. Anmerkung des Autors: Ich verstehe nicht, warum das th in Mathilda nicht wie das englische ti-ädsch ausgesprochen respektive gesungen wird.
Meine Lieben, ich wünsche Euch einen schönen Sonntag und einen sanften Einstieg in die neue Woche !
Wenn ich mich recht erinnere, steht Kretakatze kurz vor ihrem verdienten Urlaub, oder ?
Bis bald
Lockwood
09.06.2007
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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,
ich fürchte mit meiner Bemerkung zu Kate Bush habe ich etwas überzogene Erwartungen geweckt. Tatsächlich war ich natürlich auch Anno 1978 von ihrem Titel Wuthering Heights begeistert. Nun ist sie auch ungefähr so alt wie ich, höchstens ein paar Monate älter, und es war damals etwas Neues für mich, dass jemand im gleichen Alter in den Charts war. Ich habe auch ein paar Fernsehauftritte von ihr gesehen und fand ihre Darbietung ziemlich stark – da sie halt nicht nur einfach dasteht und singt, sondern ihre Lieder praktisch darstellt. Ihre Stimme fand ich anfangs ziemlich gewöhnungsbedürftig – sie klingt doch etwas kindlich-quäkend – aber bei einem Titel wie Wuthering Heights kann einen das auf Dauer nicht stören. Das ist der Urschrei des Verlangens, und den kann ich auch fünfmal hintereinander hören, ohne dass es mir langweilig wird.
Das war es dann aber auch schon mit Kate Bush und mir für die nächsten knapp 30 Jahre. Anfang diesen Jahres kam ich zu dem Schluss, dass ich mir ein paar Lieder aus dem Internet herunterladen sollte von Musikern, von denen ich vielleicht ein oder zwei Stücke gut finde, so dass sich die Anschaffung einer ganzen CD nicht lohnt. Kate Bush und ihr Wuthering Heights standen ganz oben auf meiner Liste. Dann hatte ich da noch so vage in Erinnerung, dass es in den 70ern noch ein anderes Stück von Kate Bush gegeben hatte, das mir gefallen hatte, ich konnte mich nur weder an Melodie noch Titel erinnern. Schließlich habe ich meinen Sohn gefragt, ob er eine Idee hätte wo man im Internet nach so etwas suchen könnte, und er hat mir YouTube empfohlen. Das war der Anfang vom Ende meines Nachtschlafs. Den gesuchten Song von Kate Bush habe ich allerdings nicht gefunden, wahrscheinlich habe ich mir den nur eingebildet.
Nun finde ich Kate Bush’s Musik durchaus sehr anhörbar, ich habe aber keinen anderen Titel gefunden, bei dem mich die Melodie irgendwie angesprochen hätte, und ich habe auf der Suche nach dem „verlorenen Lied“ wirklich so ziemlich alles durchgeklickt. Aber ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn sie Dich , lieber Lockwood, mehr anmacht als – sagen wir mal John Fogerty (nein, das sollte nur ein Scherz sein…). Dass ein geschlechtsloser Außerirdischer mit dem von Dir verlinkten Video viel anfangen könnte, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich fürchte man muss ein Geschlecht haben, um dieses Video zu verstehen.
Eine Bemerkung vielleicht noch zu „Room For The Life“: Mich erinnert Kate Bush’s Gesang in diesem Lied an Vogelgezwitscher. Nett anzuhören, aber für mich ohne greifbare Melodie. Allerdings finde ich, es passt recht hübsch zu einem zwitschernden Vögelchen, wie sie sich da in ihrem Nest räkelt… Ich glaube den geschlechtslosen Außerirdischen hast Du gerade gefunden.
Auch Deine Videos zu den Pogues habe ich angeschaut, aber ich fürchte, das ist nicht meine Welt. Mir erschienen sie beide düster und trist, was aber auch an den Bildern liegen könnte. Deshalb habe ich noch ein paar weitere Videos angeklickt, aber mit denen bin ich auch nicht viel glücklicher geworden. Irgendwie scheinen alle diese Lieder denselben „Hauruck“-Rhythmus zu haben, den ich als eintönig, schwerfällig und zu simpel empfinde. Er erinnert mich stark an deutsche Volksmusik. Und die Texte, soweit ich etwas verstehen konnte, sprechen mich auch nicht gerade an. Eigentlich hatte ich mir die irische Volksmusik etwas „filigraner“ und beschwingter vorgestellt. Sorry, aber ich fürchte, mit dieser Musik kann ich nichts anfangen.
Themawechsel! Diese Mail habe ich mit enttäuschten Erwartungen begonnen, und ich denke das ist ein interessantes Thema. Wir alle leben in dem Korsett der Erwartungen, die unsere Umwelt an uns hat, oder von denen wir denken, dass unsere Umwelt sie an uns hat. Eigentlich tun wir ständig nichts anderes, als uns Gedanken darüber zu machen, was unsere Mitmenschen von uns erwarten, und uns zu bemühen diese Erwartungen zu erfüllen – oft auch völlig unbewußt. Man möchte niemanden enttäuschen. Ich denke das gilt in noch viel höherem Maße für Künstler, die davon leben, dass sie Erwartungen erfüllen oder gar übertreffen. Was erwarte ich also z.B. von unseren Hauptakteuren Anderson und Fogerty?
Von Mr. Fogerty um 1970 erwarte ich zunächst einmal, dass sein Hemd kariert ist. Das klingt wie ein Witz, ist aber keiner. Zu Fogerty’s Erscheinungsbild gehört einfach, dass er kariert aussieht, und wenn er nicht kariert ist, dann bin ich enttäuscht. Es gibt 2 oder 3 Videos, in denen die Karos auf seinem Hemd so kontrastarm sind, dass es aus einiger Entfernung wie einfarbig aussieht. Das sticht mir sofort ins Auge. Ich bin verwirrt und irritiert. Kann es sein, dass das Hemd nicht kariert ist? Ich starre aufs Hemd, kneife die Augen zusammen, ob ich dann vielleicht doch Karos erkennen kann, auf die Musik achte ich schon längst nicht mehr. Dann geht die Kamera näher ran und ich sehe – ah, da sind ja doch Karos drauf, alles in Ordnung, ich kann aufatmen und mich erleichtert zurücklehnen. Und dann erst denke ich „Spinnst Du eigentlich?“. Es ist ein interessantes psychologisches Phänomen, das sich sicher lohnen würde näher zu ergründen. Zur rein optischen Gewöhnung – und der Mensch gewöhnt sich bekanntermaßen nur ungern um – kommen die Zweifel an der eigenen Menschenkenntnis. Da denkt man, man kennt einen Menschen seit über 35 Jahren, und dann muss man plötzlich feststellen: Er trägt auch unkarierte Hemden. So etwas verunsichert.
Desweiteren erwarte ich, dass das, was er singt, nicht klingt wie Mary Don’t You Weep. Nach diesem Video hätte ich fast geheult, ich habe zweimal Witch’s Promise gebraucht, um die Fassung zurückzuerlangen. Auch ich habe meine Erholungsvideos, und gegen süßlich-schmalztriefend, was ich besonders schlecht verkrafte, hilft Witch’s Promise am besten. Ansonsten habe ich eigentlich keine besonderen Erwartungen, das Übliche eben. Er sollte was singen, wenn möglich dazu ein bißchen Gitarre spielen, und falls er was sagt, keinen allzu großen Blödsinn reden. Das war’s dann auch schon.
Sollte ich jetzt aber ein neues Video entdecken mit der Überschrift „Jethro Tull – Thick As A Brick 1972 live Part2“ von TullTapes (nein, Ihr braucht jetzt nicht danach zu suchen, das gibt’s nicht, das ist nur Wunschdenken), dann würde ich einen Meter hoch vom Stuhl aufspringen, eine Flasche Champagner kaltstellen… nein, ich will Euch jetzt nicht mit dem ganzen Vorbereitungs-Prozedere langweilen. Vermutlich würde ich auch nichts von alledem tun, da ich reflexartig innerhalb von Millisekunden dieses Video anklicken würde, bevor mein Gehirn auch nur an Champagner denken kann. Was ich dann erwarten würde, wäre nicht weniger als ein Paradoxon: Ich würde erwarten, dass ich etwas zu sehen bekomme, das ich nicht erwarte. Etwas Sensationelles eben, das ich mir noch nicht einmal vorstellen kann.
Wenn man es geschafft hat, in seinen Mitmenschen eine derartige Erwartungshaltung aufzubauen, dann hat man eigentlich ausgespielt, dann sitzt man in der Falle. Solche Erwartungen kann man auf Dauer nicht erfüllen, da bleibt nur noch eins: Man schert sich einen feuchten Sch***rott um das, was von einem erwartet wird, und tut etwas ganz anderes. Am besten das genaue Gegenteil, oder einfach sonst etwas Schreckliches, Fürchterliches, Entsetzliches. Jedenfalls irgend etwas, mit dem man erreicht, dass diese unerfüllbaren Erwartungen so heftig enttäuscht werden, dass sie eines jähen Todes sterben. Diese Strategie scheint Mr. Anderson nun schon seit einigen Jahrzehnten zu verfolgen.
Bei mir hatte er damit Erfolg. Meine Erwartungen sind inzwischen auf knapp über den absoluten Nullpunkt gesunken. Finde ich ein neues Video mit der Überschrift „Jethro Tull – Thick As A Brick 2007 live“, dann gehe ich folgendermaßen vor: Ich mache zuerst einige entspannende Atemübungen. Dann spreche ich mir selbst Mut zu, indem ich mir sage, dass es eigentlich nichts Schlimmeres geben kann als das, was ich bereits gesehen habe, und dass ich das ja auch überlebt habe. Schließlich klammere ich mich am Stuhl fest und klicke das Video an. Wenn ich das Video überstanden habe, ohne vom Stuhl gefallen zu sein, und ohne laute Entsetzensschreie von mir gegeben zu haben, dann fühle ich mich bereits positiv berührt. „Hm“, denke ich mir, „das war ja garnicht so schlimm, da kann ich ja auch mal ins Konzert gehen.“ Wenn man bei seinen Fans eine derartige Erwartungshaltung erzeugt hat, ist das eine Basis, auf der man aufbauen kann. Von da an kann es eigentlich nur noch aufwärts gehen.
Um es noch einmal kurz zusammenzufassen. Ein einfaches Konzept, wie das von Mr. Fogerty – eingängige Melodie, starke Stimme, kariertes Hemd – lässt sich durchaus 40 oder mehr Jahre durchhalten, solange einem die dafür notwendigen Melodien einfallen, die Stimme mitmacht und es karierte Hemden gibt. Dieses Glück war Mr. Fogerty bislang beschieden. Ein Konzept wie das von Mr. Anderson – jedes Jahr etwas neues, jedes Jahr besser und jedes Jahr sensationeller als im Jahr zuvor – lässt sich unmöglich 40 Jahre durchhalten. Es ist erstaunlich genug, und beweist Mr. Anderson’s Genialität, dass es ihm etwa 10 Jahre lang gelungen ist. Allerdings erklärt das auch noch nicht, warum Mr. Anderson ins Gegenteil verfallen musste: Seine Fans fast jährlich mit neuen Fehlgriffen zu schockieren.
Nachdem ich nun kürzlich meine tiefenpsychologischen Fähigkeiten an Mr. Fogerty angewandt und ihn bis auf den Grund seiner Seele durchleuchtet habe, wäre es wohl eigentlich an der Zeit, nun auch Mr. Anderson dieselbe Behandlung angedeihen zu lassen. Nur muss ich zugeben – da bin ich völlig überfordert. Nicht in meinen kühnsten Phantasien kann ich mir vorstellen, was in seinem Kopf vorgeht. Deshalb bin ich ja überhaupt in diesem Weblog gelandet. Ursprünglich war ich hier von YouTube mal hergesurft, um ein paar Videos anzuschauen. Dann habe ich diesen Link gesehen „Was ist bloß mit Ian los?“. „JA!“ habe ich mir gesagt, „Das ist doch genau das, was ich auch gerne wüßte. Vielleicht steht’s ja hier.“ – klick. Leider, so muss ich gestehen, lieber Wilfried und lieber Lockwood, wurde ich bitter enttäuscht. Ich mußte feststellen, dass Ihr auch nicht mehr wisst als ich, ja dass Ihr bereits mit so einfachen Fragen wie Haar- und Augenfarbe völlig überfordert seid. Da habe ich beschlossen, Euch ein wenig hilfreich unter die Arme zu greifen. An dem Versuch der Beantwortung der Frage „Was ist bloß mit Ian los?“ kann aber auch ich nur hoffnungslos scheitern.
Lieber Wilfried, zu Dir, der Gruppe „Black Out“ und Deinen Gesangskünsten bin ich jetzt noch garnicht gekommen. Aber das verdient eingehende eigene Betrachtung, und deshalb werde ich mich darüber erst in meiner nächsten Mail auslassen. Solange schon einmal vielen Dank, dass Du Dir die Mühe gemacht hast die alten Aufnahmen auszugraben und aufzubereiten. Das muss auch entsprechend gewürdigt werden – in meiner nächsten Mail…
Seid lieb gegrüßt
Kretakatze
PS.: Und hier jetzt wie versprochen die Videos zu diesen beiden Textpassagen vom letzten Mal:
…
Take me back down where cool water flows,
Let me remember things I love,
Stopping at the log where catfish bite,
Walking along the river road at night…
—
I walked down that boulder road,
Through a child’s eye saw places where I used to go.
Where I crawled barefoot with a fishing pole
To the rock that overlooked that steelhead hole…
…
Den catfish hat Mr. Fogerty im Green River gefangen, während Mr. Anderson dem steelhead (ich nehme mal an, das ist eine Fischart) in Silver River Turning (mit komplettem Text in der Beschreibung des Videos) aufgelauert hat. Die Texte sind sich so ähnlich, aber wenn man die beiden Titel so kurz hintereinander hört, sticht einmal wieder der enorme Unterschied in Art und Qualität der Musik ins Ohr – es sind extreme Gegensätze.
10.06.2007
habe mal die kommentare hier gelesen. ich finde nicht, dass ians „letzter vorhang“ bereits gefallen wäre, wenn er seine band nicht ausverkaufte, um mit seinen alten songs zu tingeln – selbst schuld.
dass seine stimme ruiniert ist, ist wohl leider nicht zu ändern.
ich habe in der letzten jahren einige wirklich würdevolle auftritte von altstars erlebt. david bowie z.b. kann es sich leisten, als zugaben seine neuesten songs zu spielen, ohne dass die stimmung abkühlt. bryan ferry’s solo-tour war sofort ausverkauft, von der grossartigen roxy music reunion (originalbesetzung!) ganz zu schweigen. bowie und ferry sind allerdings so gut bei stimme wie eh und je.
da tut mir ian wirklich leid, wenn er auf der bühne wie ein ganter seinen hals reckt, in der (unbegründeten) hoffnung, dadurch die „hohen“ töne zu treffen. wie mag das erst auf zuschauer wirken, die nicht seine glanzvolle vergangenheit kennen?
vielleicht muss man tatsächlich wissen, wann schluss ist. ich würde ian lieber in würde auf der bühne altern sehen.