Hätte nicht Armin Rohde in dem neuesten Kölner Tatort mitgespielt, die Folge (944) Dicker als Wasser würde man schnell wieder vergessen. Denn irgendwie zog sich das Alles gehörig in die Länge. Da half auch der neue Assistent Tobias Reisser (gespielt von Patrick Abozen) wenig, der bereits in einer früheren Folge (nach dem Tod von Franziska Lüttgenjohann, Assistentin der Kriminalhauptkommissare Ballauf und Schenk von 2000 bis 2014) zu sehen war:
Laura Albertz findet ihren Freund Oliver Mohren nachts tot vor seinem Szenelokal „Sax Club“ auf. Bei der Befragung durch Max Ballauf und Freddy Schenk verwickelt sich Laura schnell in Widersprüche. Auch der ehemalige enge Freund von Oliver, Erik Trimborn, gerät unter Verdacht.
Nach und nach greift der Vater von Erik Trimborn (gespielt eben von Armin Rohde) ins Geschehen ein, ein Tyrann, wie er im Buche steht. Dieser wird auch gleich von Kommissar Freddy Schenk aufs Korn genommen, der aber schnell ins Hintertreffen gerät. Am Schluss muss Schenk froh sein, mit halbwegs heiler Haut davongekommen zu sein.
Rohde reißt förmlich jede Szene an sich, in der er auftritt. Spiegel online erweist ihm berechtigterweise in einer Hommage ganze Ehre: Diese Pranken können liebkosen. Und würgen. Manchmal beides zusammen. So viel Zärtlichkeit, so viel Zerstörungswille, wie der 100-Kilo-Koloss Armin Rohde am Sonntag in der ansonsten eher unterkühlten Kölner „Tatort“-Episode „Dicker als Wasser“ verstrahlte, kriegt man selten in ein und derselben Rolle zu sehen.
Tatort (944) aus Köln: Dicker als Wasser (2015)
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, das eben jener Armin Rohde in einer anderen Tatortfolge (937), diesmal aus Frankfurt, brillierte: Das Haus am Ende der Straße. Auch hier spielt er seinen Gegenpart, in Gestalt des Frankfurter Ermittlers Steier.(gespielt von Joachim Król) in seinem leider letzten Fall, an die Wand. Und das will schon einiges heißen, dann Król legte als Steier, der mit Alkoholproblemen zu kämpfen hat, immer eine sehenswerte Performance hin. Diese Tatort-Folge ist einerseits wortgewaltiges Kammerspiel, anderseits ein Thriller der Extraklasse. Vielleicht nichts für schwache Nerven, ansonsten wirklich sehenswert:
Tatort (937) aus Frankfurt: Das Haus am Ende der Straße (2015)
Letzte Woche habe ich hier den ersten Tatort aus Nürnberg vorgestellt und damit den Schauspieler Fabian Hinrichs. Dieser war ja erst 2012 in dem Tatort (856) aus München: Der tiefe Schlaf als neuer Assistent Gisbert Engelhardt zu sehen gewesen, der die Hauptkommissare Batic und Leitmayr gehörig nervte – und am Schluss selbst Opfer eines Mordes wurde. Hinrichs hatte bekanntlich 2009 einen Auftritt im Kieler Tatort Borowski und die heile Welt als gewaltbereiter Vater Thies Nowak. Letztes Wochenende habe ich mir diese Folge noch einmal angeschaut. Axel Milberg als Kommissar Borowski (Bester Schauspieler Hauptrolle) und Fabian Hinrichs (Bester Schauspieler Nebenrolle) waren für den Deutschen Fernsehpreis 2009 nominiert.
Beide Schauspieler glänzen in einem Fall, den man ohne weiteres zu den besten dieser Fernsehreihe zählen darf. Borowski ist erschüttert vom Tod eines kleinen Mädchen. Hinzu kommt, dass die Polizeipsychologin Frieda Jung ihren Abschied verkündet. Sie hat ein lukratives Arbeitsangebot aus der Schweiz. Borowski und Jung haben ein ambivalentes Verhältnis miteinander. Beide fühlen sich zueinander hingezogen. Und doch kommen sie nicht zusammen. Borowski ist enttäuscht, als er erfährt, dass Frieda Jung ihn ‚verlassen‘ will. Erst, als er ihr ziemlich am Schluss sagt, dass er sie braucht (er meint es eigentlich rein dienstlich), da wirft sie den bereits unterschriebenen Arbeitsvertrag in den Papierkorb.
Selten habe ich mit einem Protagonisten so empfunden wie mit Thies Nowak, brillant gespielt von Fabian Hinrichs. Als ehemaliger Knasti hat er sich hochgearbeitet, eine Familie gegründet und ein Restaurant eröffnet. Immer wieder werden ihm Steine in den Weg gelegt, immer wieder versucht er sich trotz aller Probleme zu beherrschen („innerlich bis drei zählen“), was ihm nicht immer gelingt. Mir würde sicherlich auch der Kragen platzen.
Bei diesem Fall handelt es sich mehr um ein Familiendrama als um einen Kriminalfilm. Es geht um die Diskrepanz zwischen Täuschung und Wahrheit, zwischen Liebe und Selbstbetrug in Beziehungen. Eingefangen wurde das ohne jede Effekthascherei, ganz sensibel. Ich mag Axel Milberg als Klaus Borowski. Wunderbar sein mimisches Repertoire. In diesem Fall wird er ganz an seine Grenzen gedrängt. Welche Erleichterung muss es für ihn sein zu hören, dass Frieda Jung ihm erhalten bleibt.
Tatort (732) aus Kiel: Borowski und die heile Welt (2009)
Am Ostermontag gab es die neue Folge (942) der Ermittler Falke und Lorenz, dem ersten Tatort-Ermittlerteam der Bundespolizei: Frohe Ostern, Falke. Dieser Fall erinnert mich sehr an eine Folge (843) aus Bremen: Hochzeitsnacht (2012). Auch hier stürmen bewaffnete und maskierte Männer eine feiernde Gesellschaft.
So interessant der Bremer Fall war, so „an den Hasenohren herbeigezogen“ wirkt dieser, wie Holger Gertz in der Süddeutschen Zeitung schrieb. Es ist schon abstrus, einen Auftragsmord zu kaschieren, indem man eine zuvor friedliche Aktivistengruppe in eine solche Geiselnahme hineinzieht. Alle Action zum Trotz, das war nichts, Herr Falke.
Tatort (942) aus Hamburg: Frohe Ostern, Falke (2015)
Leid tut mir dabei Petra Schmidt-Schaller (in dem Tatort die Kommissarin Lorenz), die ich Tage später in dem Fernsehfilm Die kalte Wahrheit gesehen habe. Hier spielt sie die junge Ärztin Helen Liebermann, die an einem kalten, nebligen Wintermorgen auf der Landstraße einen jungen Mann anfährt und tötet. Obwohl sie von aller Schuld entlastet wird, macht sie sich auf, die Hintergründe dieses Unglücks zu erforschen: der junge Mann war ohne Jacke und ohne Schuhe unterwegs. Der Film ist ein „Psychodrama um das Thema Schuld und Schuldbewältigung“, in dem Petra Schmidt-Schaller „die Zweifel und Gewissensbisse der Helen Liebermann geradezu körperlich spürbar“ werden lässt:
Die kalte Wahrheit – Fernsehdrama 2015
Fünf Filme – das dürfte ‘Material’ genug sein für die nächsten sonnendurchtränkten Abende. Und die nächsten Tatort-Folgen warten ja bereits auf uns. Viel Spaß beim Gucken!