Wie bereits berichtet, so geht es dem ‚Schandfleck‘ in Tostedt (O-Ton Gerhard Netzel, SPD, Bürgermeister der Gemeinde Tostedt) an den Kragen. Seit nun drei Wochen wird der Gebäudebestand auf dem Grundstück in der Nähe des Tostedter Bahnhofs niedergemacht. Und mit ihm auch Tiere, die auf dem seit Jahrzehnten brachliegendem Grund und Boden ein Zuhause gefunden haben, wenn wie jetzt auch nur Vögel zum Brüten.
Okay, es lässt sich nicht verhindert (und soll auch nicht), dass zukünftig bis zu 106 Wohneinheiten auf diesem Grundstück errichtet werden. Aber dass z.B. der Abriss in einer ‚Hauruck‘-Aktion ausgeführt wird, macht uns Anrainer hellhörig. Da sind einfach zu viele Fragen offen. Zudem ist es bei diesem warmen, sonnig-trockenem Wetter nicht gerade angenehm, täglich in einer Staubwolke zu versinken, die durch diese Abrissarbeiten die nähere Umgebung einhüllt. Der Krach vom Pressluftgehämmere tut sein Übriges.
Wir werden sicherlich nicht die Einzigen sein, die sich bisher an die Gemeinde Tostedt, an den Landkreis oder an den neuen Eigentümer gewandt haben. Und damit das ganze Bauvorhaben ‚nicht aus dem Ruder‘ läuft, so haben meine Frau und ich uns an den Samtgemeindebürgermeister und den Bürgermeister der Gemeinde Tostedt mit folgendem Schreiben gewandt, damit auch von Verwaltungsseite her ein kritischer Blick auf den Fortschritt der Bebauung geworfen wird:
Sehr geehrter Herr Dr. Dörsam,
sehr geehrter Herr Netzel,
nachdem seit etwa Anfang April d.J. ein Trupp Arbeiter auf dem Dörnbrack-Gelände Am Bahnhof 9-9A (ehemaliges Fabrikgelände), das seit mehreren Jahrzehnten brach liegt und lediglich gelegentlich für Lagerzwecke genutzt wurde (Lagerhalle aus Wellblech), Büsche ausgerissen und Bäume beschnitten hat, rückten am 22. April Arbeiter der Firma ATR Jodeit GmbH aus Sottrum an, um die Wellblechlagerhalle und alle weiteren Gebäude auf dem Grundstück samt der Fundamente abzureißen. Es wäre angebracht gewesen, die Anwohner in der Morlaasstraße zuvor davon zu informieren, zumal es gerade in diesen warmen und trockenen Tagen zu erheblichen Belastungen durch Staubentwicklung kam:
Die Abrissarbeiten sollen sowohl beim Landkreis Harburg als auch bei der Gemeinde Tostedt (rechtlich nicht erforderlich) angezeigt worden sein. Lt. einer Nachbarin von uns, die sich mit dem Landkreis telefonisch in Verbindung gesetzt hatte, wurde das von dem Landkreis nicht bestätigt.
Inzwischen ist uns bekannt geworden, dass die Fa. Planungsgemeinschaft Nord GmbH aus Rotenburg (PGN) Eigentümer dieses Grundstücks zwischen Morlaasstraße und der Straße „Am Bahnhof“ geworden ist. Geplant sind demnach ein mehrstöckiges Wohngebäude längst der Straße „Am Bahnhof“, dahinter mehrere so genannte Stadthäuser ähnlich dem Bauvorhaben „Apfelhof“ an der Bahnhofstraße (voraussichtlich aber mit mindestens einem Stockwerk mehr). In der Sitzung des Planungs- und Umweltausschuss am 23.08.2016 soll das Bauvorhaben vorgestellt werden. Da sich viele der Anwohnern der Morlaasstraße und den betroffenen Teilen der Poststraße sowohl an Landkreis, Gemeinde und auch an den neuen Eigentümer gewendet haben, kündigte die Fa. PGN bereits für die 23. Kalenderwoche (6. – 10. Juni) eine Informationsveranstaltung an, zumal inzwischen weitere Details zum Bauvorhaben bekannt geworden sind. Weitere Informationen sollen folgen.
Inzwischen sind die Gebäude abgerissen und damit auch Federmäuse, die sich nach Auskunft verschiedener Anwohner der Morlaasstraße in den Gebäuden angesiedelt hatten, ‚platt‘ gemacht worden. Von brütenden Vögeln auf dem Gelände ganz zu schweigen. Auch wurden Bäume bei den Abrissarbeiten beschädigt. Wir gehen davon aus, dass weitere Bäume ‚geopfert‘ werden, denn sonst macht das Bauvorhaben durch den teilweise engen Baumbestand keinen Sinn. Wir brauchen Ihnen nicht zu sagen, dass wir als Anwohner der Morlaasstraße eine Genehmigung einholen müssen, wenn ein Baum gefällt bzw. auch nur ein Ast abgeschnitten werden soll. Der neue Bauherr darf das?
Das genannte Grundstück ist lt. Bebauungsplan Nr. 22 ‚Karlstraße‘ ein Mischgebiet, auf dem lediglich zweigeschossige Wohnungen für Betriebsinhaber und -leiter, Aufsichts- und Bereitschaftspersonen gebaut werden dürften. So sind auch alle anderen bisher errichteten Wohngebäude im Bereich dieses B-Plans nur zweistöckig. Zu diesem B-Plan ist allerdings im Jahre 2014 ein Grundsatzbeschluss des Rates getroffen worden, der eine Änderung bzw. Anpassung des Areals zur Wohnbebauung vorsieht.
Bereits aus heutiger Sicht sind bei uns und vielen anderen Anwohnern deutliche Bedenken gegen dieses Bauvorhaben der PGN entstanden:
- – Die Zufahrt zumindest zu den ‚Stadthäusern‘ soll zweispurig über die Poststraße erfolgen. Dafür dürfte der Grundstücksteil (Zuwegung) eigentlich viel zu schmal sein. Außerdem ergäbe das eine erhöhte Lärmbelästigung durch den zusätzlichen Verkehr.
- – Durch eine Bebauung (von 106 Wohneinheiten ist die Rede), die über die bisher maximal erlaubte Höhe von zwei Stockwerken der Häuser hinausgeht, ergibt sich eine Beeinträchtigung der Privatsphäre der Anrainer. Auch ist damit zu rechnen, das weniger oder gar keine Sonne in die Gärten der Anwohner fällt.
- – Nachdem der Bestand an Fledermäuse irreversibel vernichtet scheint, ist damit zu rechnen, dass auch der Baumbestand (besonders der an Eichen) deutlich reduziert wird.
Zudem ist zu beachten, dass das Grundstück früher einmal als Fabrik zur Herstellung von chemischen Artikeln genutzt wurde. Eine entsprechende Belastung des Grund und Bodens ist nicht auszuschließen. So soll eine Begutachtung vom neuen Eigentümer in Auftrag gegeben sein. Wie wir erfahren haben, ist ein Zustandekommen des Kaufvertrags von der Unbedenklichkeit der Bodenprobe abhängig. Allerdings verstehen wir in diesem Zusammenhang nicht, warum bereits vor der Begutachtung der Altbestand an Gebäuden niedergerissen wurde.
Daraus ergeben sich für uns u.a. folgende Anforderungen:
- – Bei Änderung des Bebauungsplans Nr. 22 sollte der augenblickliche Baubestand berücksichtigt werden, d.h. es dürfen keine mehr als zweistöckigen Häuser gebaut werden.
- – Eine Zufahrt zu den Stellplätzen der ‚Stadthäuser‘ sollte über die Straße „Am Bahnhof“ erfolgen, evtl. über eine Durchfahrt durch das ‚Hauptgebäude‘ „Am Bahnhof“. Der dann evtl. ungenutzte Grundstücksteil (Zuwegung Poststraße) könnte z.B. an die Anwohner der Morlaasstraße verkauft werden. Der neue Eigentümer wurde bereits entsprechend informiert.
- – Die Bodenbegutachtung sollte durch einen von der Gemeinde Tostedt ausgewählten Gutachter erfolgen (Kosten trägt der Eigentümer).
- – Die Gemeinde hat darauf zu achten, dass der bestehende Baumbestand auf dem Grundstück erhalten bleibt.
Soweit wir Termin und Ort der in der 23. Kalenderwoche (6. – 10. Juni) vorgesehenen Informationsveranstaltung durch die PGN kennen, werden wir Ihnen dieses mitteilen, damit auch von der Gemeinde Tostedt ein Vertreter an dieser Veranstaltung teilnehmen kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Sicherlich ist es an der Zeit, dass der ‚Schandfleck‘ – wie Sie, Herr Netzel, dieses Grundstück bezeichnet haben, verschwindet. Allerdings sollte eine Bebauung nicht zu Lasten der Anwohner gehen. Leider gibt es Anzeichen, die darauf hindeuten, dass hier nach der ‚Hauruck-Methode‘ vorgegangen wird und schnell ‚Tatsachen‘ geschaffen werden, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Wir hoffen auf Ihre Unterstützung bei einer für alle befriedigenden Planung.
Mit freundlichen Grüßen
…