Was ist bloß mit Ian los? Teil 84: Spot the Tune

Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,

da bin ich wieder. Mailprobleme habe ich nach wie vor, aber es wird schon gehen.

Es würde mich freuen, wenn ich einen Musiker entdecken würde, dem ich soviel Begeisterung entgegenbringen kann wie Mr. Anderson. Ich suche zwar nicht gezielt danach, aber wenn ich einem solchen Musiker begegnen würde, würde ich ihn erkennen. Al Stewart ist es leider nicht. Seine Melodien sprechen mich nicht an und seiner Stimme kann ich nichts abgewinnen. Zu seiner Stimme sind Begriffe gefallen wie schmalzig oder knabenhaft. Das ist aus meiner Sicht zutreffend. Hinzu kommt, dass sie in meinen Ohren irgendwie steril klingt. Mr. Stewart hört sich an wie ein Nachrichtensprecher im Praktikum.

Zu Hallelujah: Alle von Kretakatze gelinkten Versionen dieses Songs klingen besser als die von Mr. Cohen. Zu einigen Liedern klingt sein sonorer Sprechgesang sehr passend, aber ich habe das sehr schnell über. Ein ganzes Album könnte ich mir von ihm nicht anhören.

Die beste Interpretation aus der Linkauswahl kommt unbestritten von k.d. Lang. Ich kannte die Dame bis heute nicht. Sie wirkt in der Tat ein wenig herb, fast wie eine Schwester von Patti Smith.

Aber egal, für einen Shane McGowan – Fan sind Äußerlichkeiten bestenfalls sekundär.

Zwar sehe ich gerne gut aussehende Sängerinnen wie Kate Bush, Stevie Nicks oder Alice, aber gutes Aussehen allein reicht nicht aus. Das mögen Jennifer Lopez – Fans anders sehen, aber bei mir ist das nun mal so. Auf mich üben weniger blendend aussehende Musiker einen ganz eigenen Reiz aus. Jedenfalls ist die Stimme von Mrs. Lang über jede Kritik erhaben.

Zu Mr. Anderson: Der von Euch diskutierte Beginn seiner Stimmprobleme überrascht mich. Ich siedle den Anfang seiner Probleme in den 80er Jahren an. Vorher, auch 1978 im Madison Square Garden, klang er so, wie ich ihn hören wollte und will.

Auch ich habe die letzten Wochen nicht ganz Anderson-frei verbracht. Ich habe sogar in eine CD investiert. Allerdings in ein Album aus der guten alten Zeit. „Minstrel in the Gallery“ hatte ich bereits auf Vinyl, aber da der Plattenspieler nicht immer einsatzbereit ist… Ich denke, wir alle kennen das Problem.

Inspiriert durch die Barttracht des Meisters in den 70er Jahren habe ich versucht, meine Gesichtsbehaarung auch auf diese Länge wachsen zu lassen. Das ging gründlich schief: Sobald die Haare eine gewisse Länge erreichen, habe ich das Gefühl, in einer Hecke zu stehen. Bevor mich dieses Gefühl in den Wahnsinn treiben konnte, habe ich die Pracht auf gewohnte Länge gestutzt. Es will mir einfach nicht gelingen, mich dem Meister äußerlich anzugleichen; das Barett steht mir nicht so gut wie ihm und mit dem Bart war auch nichts. Glücklicherweise ist meine Persönlichkeit so weit gereift, dass mir das nichts ausmacht.

Lieber Wilfried, erlaube mir einen Gedanken zu Deinem Blog-Beitrag über das letzte Werk von John Irving. Skurrile Charaktere und sexuell sehr aktive Menschen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Romane. Das ist eine seiner Konstanten, da gibt es keine Überraschungen. Was mich hingegen geradezu erschüttert hat war das Lügengespinst, auf dem die Mutter des Protagonisten ihr und sein Leben aufgebaut hat. Eine so plötzliche Wendung habe ich bisher in keinem Irvingroman feststellen können. Wie dem auch sei: Wieder einmal ein toller Roman !

Nach dem heißen Sommer freue ich mich auf einen erfrischenden Herbst. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber immer, wenn mich die Herbstwinde umwehen, denke ich an die frühen Werke von Jethro Tull. Der Herbst ist für mich die schönste Jahreszeit.

Bis bald
Lockwood

26.09.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

gleich zu Lockwoods letztem Schreiben und da zu den Stimmproblemen von Ian Anderson. Ich denke schon, dass Anderson weit vor 1980 erste Probleme mit dem Gesang bekam. Vielleicht war das leicht Heisere in seiner Stimme auf „Aqualung“ wirklich nur eine Erkältung (also z.B. auf Cross Eyed Mary klingt er verschnupft). Nur muss man mit einem Schnupfen unbedingt eine Scheibe aufnehmen? Wenn es die Studiobosse aus Zeitgründen so wollen, sicherlich … Ich gebe Dir, Lockwood, aber Recht: 1978 im Madison Square Garden, mag Andersons Stimme nach Kretakatzes Meinung auch leicht mickymaus-ähnlich klingen, so gefällt sie mir wie Dir. Von Sängern in der Rockmusikszene erwarten wir eben nicht, dass sie wie irgendwelche Sängerknaben klingen. Auf der anderen Seite stimme ich Kretakatze zu: So ein Stimmproblem kommt nicht von heute auf morgen. Aber lassen wir das.

Apropos Madison Square Garden: Ian Anderson beginnt das Konzert (Thick as a Brick) gewissermaßen mit einem Ratespiel: Spot the Tune! (Ist aus Zeitgründen nicht auf dem youtube-Video mit drauf). Und so frage ich auch Euch: Spot the tune! Errate die Melodie?

Es ist ein Stück von Jethro Tull, aber ohne den Meister (eigentlich sogar solo von ???) und von einem Album, das wir alle drei nicht sonderlich mögen. So schlecht hört es sich in dieser Interpretation nach meiner Meinung nicht an (da ich akustische Gitarren mag, klingt es für mich sogar ausgesprochen gut). Nun wie heißt das Stück? Ich will nicht, dass Ihr Euch blamiert (ich hätte mich mit Sicherheit auch blamiert), deshalb unten am Schluss die Auflösung. Übrigens ist das Stück auf dem schon erwähnten „25th Anniversary Box Set“ auf CD3 mit unveröffentlichten Aufnahmen (The Beacons Bottoms Tapes aus dem Jahre 1992) zu finden:


Wie heißt das Stück: Spot the Tune!

Zum Thema Plattenspieler: Als feststand, dass die alten Vinyl-Scheiben keine Zukunft mehr haben werden (ist nicht ganz richtig, denn es gibt immer noch die guten alten LPs im Angebot – gewissermaßen für solche, die ich, wenn auch politisch nicht ganz korrekt, Puristen nenne), da habe ich mir noch einmal einen ordentlichen Plattenspieler gekauft. Der steht zz. ganz in der Nähe meines Rechners, weil ich ja immer noch dabei bin, meine alten LPs (soweit ich diese nicht als CDs oder in anderer digitaler Form habe) auf dem PC zu speichern. Bei einigen Scheiben habe ich das ja bereits geschafft, aber in den letzten Wochen staubt der Plattenspieler nur noch ein, weil ich keine Zeit zum weiteren Digitalisieren finde.

Hier etwas für Kretakatze:

Fillmore West in San Francisco 13. bis 16.03.1969: Jethro Tull & Creedence Clearwater Revival

Es ist ein Plakat vom Fillmore West in San Francisco mit Konzertankündigungen für die Tage vom 13. bis 16.03.1969. An allen vier Tagen sind neben Jethro Tull auch Creedence Clearwater Revival im Fillmore West aufgetreten. So müssten sich Ian Anderson und John Fogerty doch eigentlich kennen (vier Tage lang kann man sich nicht aus dem Weg gehen).

Hierzu noch die Setlist lt. ministry-of-information.co.uk (am 17.03. wurde dann in L.A. noch schnell ein Stück aufgenommen):

13/3/69 Fillmore West San Francisco, Ca. USA
  A New Day Yesterday, To Be Sad Is A Mad Way To Be, Blues Jam, Fat Man, Dharma For OneAlso appearing, for all these Fillmore West shows: Creedence Clearwater Revival, Sanpaku.’Blues Jam‘ (not a jam) was introduced as ‚Martin’s Tune Again‘, to differentiate it from the „terrible“ ‚Martin’s Tune‘.
14/3/69 Fillmore West San Francisco, Ca. USA
15/3/69 Fillmore West San Francisco, Ca. USA
16/3/69 Fillmore West San Francisco, Ca. USA
18/3/69 Western Recording Studio LA, Ca. USA
  Recording ‚Driving Song‘  

Auch ich habe mir dieser Tage etwas von Tull gegönnt – die DVD von dem Konzert in Montreux 2003 (die Doppel-CD habe ich mir aber erspart). Die Qualität von Bild und Ton ist wirklich bestens (Ton sogar 5.1 – werde mir beizeiten die Scheibe über Beamer in unserem Keller anschauen). Die Stimmprobleme von Herrn Anderson sind natürlich nicht zu leugnen, halten sich aber in Grenzen (bei einigen Stücken mit weniger hoher Stimmlage würde man sie sogar kaum bemerken). Ich will Euch die DVD nicht unbedingt aufschwatzen. Aber ich als alter Tull-Fan kam nicht umhin, sie mir zu kaufen (zumal ich die Aufnahmen in bescheidener Qualität bereits kannte). Ich bin auf jeden Fall gespannt, was uns videomäßig zum 40. Tagestag von Jethro Tull erwartet. Alte Aufnahmen (besonders in Archiven deutscher TV-Sender, aber auch Wolfgang’s Schatzkammer müsste z.B. aus dem Fillmore West &/oder East neben Ton- auch über Filmmaterial – siehe unten – verfügen) gibt es reichlich, wie ich auch jetzt wieder bei youtube sehen konnte. Hier nur wenige Beispiele:


Jethro Tull Nothing is Easy 1970 (Anderson und Jungs beim Proben)


Jethro Tull – For A Thousand Mothers – Fillmore East 1969


Jethro Tull – A New Day Yesterday – Fillmore East 1969

Sehr interessant ist auch das Video zur Grammy-Verleihung 1988. Die Kommentare dazu sind auch ganz witzig (von: Wer ist Jethro Tull? über Gut, Jethro Tull sind ja gute Musiker, aber … bis zu Habt Respekt vor Jethro Tull …). Nur noch einmal zur Erinnerung: Gewissermaßen zum 25. Jahrestag des Aqualung-Albums 2006 spielte ja Metallica Jethro Tulls „Cross Eyed Mary“ beim Rock am Ring.

Wenn ich abends von der Arbeit mit der Bahn nach Hause fahre, habe ich meinen MP3-Player dabei, um mich bei guter Musik zu entspannen (morgens mache ich meist noch ein kleines Nickerchen, weil ich schon früh unterwegs bin; da mag ich mich nicht schon mit Musik berieseln lassen). Neben dem angesprochenen „25th Anniversary Box Set“ habe ich mir in den letzten Tagen u.a. das alte „Stand Up“-Album angehört. Das war die erste Scheibe, die ich mir in meiner Jugend gekauft hatte. Und ich weiß nun auch ganz sicher, weshalb es die erste Platte war, die ich mir angeschafft habe: Die Musik entspricht ganz dem, was ich mag. Natürlich spielen Anderson und Co. auch heute immer noch Stücke von dieser Scheibe („A New Day Yesterday“ oder „Nothing is Easy“). Abgesehen von den Anderson’schen Stimmproblemen gefallen wir die heutigen Interpretationen aber nicht wirklich. Es ist mir dabei zu viel Gedudele, es sind zu viele Schnörkel, die Anderson auf seiner Flöte zaubert. Vielleicht bin ich (selbst auch) zu sehr Purist. Aber mir gefallen die eher schnörkellosen (na ja, so schnörkellos sind sie auch wieder nicht …) Stücke alter Tage um einiges besser, auch wenn sie technisch (aufnahme- und spieltechnisch) nicht so ausgereift waren. Und das ist auch das, was mir an den heutigen Konzerten nicht allzu sehr gefällt. Nichts gegen Improvisation. Aber zuviel des Guten ist für mich nicht mehr gut. Der Meister muss eben zeigen, was er drauf hat (und will damit auch von seinen Stimmproblemen ablenken).

Den Herbst halte ich auch für eine sehr schöne Jahreszeit. Allerdings sind die letzten tage eher bescheiden (im Aachener Raum soll es ja auch wie aus Kübeln geschüttet haben. Wir hatten gestern fast den ganzen Tag Regen). Hoffen wir auf „goldenen“ Oktober. Ende Oktober habe ich (während der Herbstferien) noch zwei Wochen Urlaub. Da wäre etwas Sonnenschein schon nicht schlecht.

Soviel für heute. Man liest sich weiterhin.
Bis dahin
Wilfried

Spot the Tune: Das Stück heißt „Protect and Survive“ und ist vom Album „A“ (wie Anderson) aus dem Jahre 1980 – als alles begann, den Berg hinunterzugehen. Natürlich spielt Martin Lancelot Barre – solo. Aufgenommen wurde das Stück in seinem ureigenen Studio Presshouse Studio im Dezember 1992.

30.09.2007

English Translation for Ian Anderson

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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