Martin Walser: Der Augenblick der Liebe (2004)

    Er habe sie noch nie so geliebt wie in diesem Augenblick, In diesem Augenblick, sagte sie, wieso denn das. Es ist der Augenblick der Liebe.
    Martin Walser: Der Augenblick die Liebe (S. 43)

Für Einsteiger in die Literatur von Martin Walser, so denke ich, ist der Roman Der Augenblick der Liebe aus dem Jahr 2004 doch noch etwas zu schwere Kost. Es ist der dritte und wohl letzte Roman um die Person des Dr. Gottfried Zürn, ehemaliger Immobilienmakler am Bodensee, der sich hier als Privatgelehrter ausgibt. Im Mittelpunkt steht die außergewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Zürn und einer um 40 Jahre jüngeren Doktorandin. Und es geht um den französischen Philosophen Julien Offray de La Mettrie, dessen Todestag sich 2001, dem Jahr, in dem der Roman spielt, zum 250. Male jährte. Als Hinweis für den Leser: Französisch-Kenntnisse sind angebracht, Englisch-Kenntnisse fast unumgänglich (Walser hat sich auch, oft mit seiner Tochter Alissa, als Übersetzer aus dem Englischen hervorgetan, z.B. für Theaterstücke von Edward Albee).

Dies ist der erste Roman, den Martin Walser nach seiner Trennung von Suhrkamp in seinem neuen Verlag Rowohlt veröffentlicht hat (Ich habe diesen in 2. Auflage August 2004 – Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, vorliegen).

     Martin Walser: Der Augenblick der Liebe (2004)

Gottfried Zürn, bekannt aus Martin Walsers Romanen „Das Schwanenhaus“ und „Die Jagd“, Exmakler, Privatgelehrter mit Domizil am Bodensee, erhält Besuch von einer jungen Doktorandin. Sie interessiert sich für seine Aufsätze über den französischen Philosophen La Mettrie und überreicht ihm, er ist erstaunt und merkwürdig geschmeichelt, eine Sonnenblume. Er vernimmt sofort das Klirren erotischer Möglichkeiten. Sie, sphinxenhaft: „Es gibt nichts, wofür man nicht gestraft werden kann.“

Trotzdem, und weil er mit seiner Frau Anna längst im selben Wortschatz untergeht, folgt er der Doktorandin kurz darauf nach Kalifornien zu einem Kongreß über La Mettrie. Dort erfüllt sich ihre Prophezeiung – auf eine Weise, die gleich in mehrfacher Hinsicht zum Eklat führt. Sobald er drüben ist, wird in ihm Anna übermächtig, also zurück zu ihr. Sobald er zurück ist, muß er wieder hinüber. Aber das gestattet ihm das Buch nicht.

Eros, Ehe und Erlebnishunger sind die äußeren Markierungspunkte dieses Romans, das Verhältnis von Leben, Literatur und Todeslust ist sein geheimes Motiv.
(aus dem Klappentext)

    Herr Zürn oder Herr Krall, wie hätten Sie’s gern? So fing sie an, so eröffnete sie.
    Gottlieb sagte: In welche Sauce wir den Daumen, den wir lutschen müssen, vorher tunken, ist egal. Oder nicht? Und sie: Es gibt nichts, wofür man nicht gestraft werden kann. Und er. Aber die Möglichkeiten klirren. Und sie: Wenn Sie so wollen. Und er: Ich will.

Nein, so beginnt nicht nur dieser Roman vom Martin Walser, so endet dieser auch – in einer Walser-typischen Ringkomposition. Nur sind die Personen andere. Er, das ist in beiden Fällen Gottfried Zürn, aber sie ist am Anfang jene Beate Gutbrod, Doktorandin aus Amerika, am Schluss dann seine Ehefrau Anna. Gottfried Zürn, Mitte sechzig, schöpft in beiden Fällen ‚die Möglichkeiten’ aus.

Zürn hat als Wendelin Krall vor Jahren zwei Aufsätze über den französischen Philosophen Julien Offray de La Mettrie (1709–1751) geschrieben, die Beate Gutbrod während der Recherche für ihre Dissertation gelesen hat. Da sie den Autor persönlich kennenlernen möchte, besucht sie Zürn. „Aus dieser Bekanntschaft entwickelt sich eine Liebesaffäre, die Gottlieb nach Amerika an die Berkeley-Universität führt, wo er als Gastdozent einen Vortrag über La Mettrie halten soll. Da ihn jedoch seine Stimme im Stich lässt, schafft es Gottlieb ähnlich wie Helmut Halm in Brandung nicht, seinen Text alleine vorzulesen, und muss sich von Beate vertreten lassen. Zudem wird der Inhalt seines Aufsatzes von den Mitgliedern der Universität, allen voran Rick Hardy, sehr zwiespältig aufgenommen. Wenig später verlässt Gottlieb Beate und fliegt zurück nach Europa, wo er das Eheleben mit seiner Frau Anna fortsetzt.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Wieder eine Liebesaffäre zwischen einer jungen Frau und einem älteren Herrn. Beate Gutbrod und Zürn – das klingt wie Ulrike von Levetzow und Goethe und wird auch gleich zitiert: da war der Altersunterschied nicht 40, sondern gar 55 Jahre (siehe hierzu natürlich Martin Walser: Ein liebender Mann). Während Beate bereits wieder in Kalifornien weilt und auf die Ankunft Zürns wartet, ereignet sich ein Schriftwechsel zwischen den beiden, der in teuren, sehr langen Telefonaten mündet:

Jetzt erlebte sie, daß es nicht darauf ankommt, mit welchem Innen- und Außenmaterial jemand seine Liebe erklärt; es kommt nur auf den erlebbaren Heftigkeitsgrad an. Und den erlebte sie jetzt. Die Verklausuliertheit, in der er sich verstrickte, war doch eine einzige Kapitulation: Er ergab sich ihr. Diese Fragerei nach dem WARUM war nichts als ein Wortkostüm, mit dem er auftrat, um sie herauszufordern. Sie sollte ihn übertreffen. Sie sollte noch lauter als er sagen, daß sie hin sei und wie hin sie sei. Das einzig Lernbare in diesem Verklausulierungsdickicht: Er war bedürftig. Er war unterernährt. Was ihm fehlte, war weniger wichtig, als daß ihm etwas fehlte. Aber er hielt es für möglich, daß sie ihm fehle. Und das war’s dann doch. (S. 85)

Um gewissermaßen dem Vorwurf, Altherrenphantasien zu verbreiten, ‚vorzubeugen’ (manche nennen es auch Methusalem-Komplex), flicht Walser ab Seite 228 gleich eine Debatte über Altersgeilheit, die Zürns Frau mit einer Kundin führt, mit ein. Zürns, d.h. Walsers Kommentar dazu: „Er hätte die Damen wirklich fragen müssen, warum ein Älterer, wenn er denn das war, was sie geil nannten, nicht einfach geil, sondern altersgeil war. Die haben da eine Ahnung parat. Du sollst nicht mehr, darfst nicht mehr. Die haben eine Moral, die sie ästherisch-sittlich drapieren.“ (S. 231)

Auch zum Alter äußert sich Walser: „Man kann nur jung oder alt sein. Er habe seit längerem geglaubt, er sei schon alt. Das war, wie er jetzt wisse, ein naseweises Anempfinden. Das einzigste, was ein wenig in die richtige Richtung ging, war eine Art Mitleid mit Alten. Jetzt weiß er, der Junge kann nichts empfinden von dem, was der Alte empfindet. Es gibt kein Verständnis für einander. Der Alte versteht den Jungen so wenig wie der ihn. Es gibt keine Stelle, wo Jugend an Alter rührt oder in Alter übergeht. Es gibt nur den Sturz. Aus. Nachher bist du drunten und kannst tun, was du willst, du reichst nicht zurück. Mit nichts. Durch nichts. Ob du lachst oder schreist, ist gleichgültig. So zu tun, als könne man sich auf diesen Sturz vorbereiten, ist unsinnig. Dieser Sturz gestattet kein Verhältnis.“ (S. 200) Und später ergänzt er: „Das Gerede vom Sturz ist Wortstroh. Das Hinab so bremsen, daß es kein Sturz wird, sondern ein Untergang.“ (S. 202)

Den eigentlichen Mittelpunkt bildet die „Auseinandersetzung mit La Mettrie, die den Roman um philosophische Überlegungen bereichert. Es geht dabei vor allem um die Themen der Erziehung als Ausbildung zum Gefangenen und um das Erziehungs-Nebenprodukt Schuldgefühle.“

    Das von Montaigne geerbte Anspruch: sich selbst zum Thema zu machen! […] Dein durch La Mettrie geschärftes Thema: die Erziehung als eine Ausbildung zum Gefangenen. Von Anfang an war kein Mensch und keine Institution daran interessiert, dich zu dir selbst kommen zu lassen. Die Erziehung als Zumutung. Aber dann hast du angefangen, deine Erzieher zu betrügen. Du hast mehr als eine Persönlichkeit entwickelt. Das tut jeder. Keiner ist nur das, was die Erziehung aus ihm machen wollte. […] (S. 127 f.)
    Von allen Persönlichkeiten, die du hast entwickeln müssen, hat sich keine so übermäßig entwickelt, wie die des Gefangenen. […] Jeder Versuch, dich frei zu fühlen oder gar zu benehmen, mündete bis jetzt im Schuldgefühl. Das angeborene oder anerzogene Gewissen. Ob angeboren oder anerzogen, es ist die mächtigste, wachsamste, unerbittlichste, unbetrügbarste Regung, deren du fähig bis. (S. 129)

„Die Interpretation Rick Hardys im Anschluss an den Vortrag – das Manuskript Gottfried Zürns ist vollständig wiedergegeben – ist dabei die zentrale Stelle des Romans: Hardy beschuldigt Gottlieb, er wolle unter dem Vorwand, über La Mettrie und dessen These von der Lebensfeindlichkeit von Schuldgefühlen zu sprechen, den Deutschen einen ‚Freispruch erschwindeln’, wobei Hardy einen überraschenden Zusammenhang zur Erinnerung an den Holocaust herstellt. Die anschließende Reflexion Gottliebs wirkt wie eine späte Selbstverteidigung Walsers, der sich während der Diskussionen rund um seine Romane Ein springender Brunnen und insbesondere Tod eines Kritikers selbst Vorwürfen des latenten Antisemitismus ausgesetzt sah:

    ‚La Mettrie behauptet, es gebe nichts Unmenschlicheres, nichts Lebensfeindlicheres als remords. Das würde natürlich auch für den Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit gelten. Aber das hat er [Zürn] nicht gesagt. Er müßte dann nachweisen, daß es eine Schuld gibt ohne Schuldgefühle. Kein bisschen weglügen, nichts verkleinern, und trotzdem kein Schuldgefühl, keine remords. […] La Mettrie hatte keine Erfahrung mit dem Gedächtnis. Inzwischen wacht das Gedächtnis über das Gewissen. Ob das lebensfeindlich ist, ist dem Gedächtnis egal.’

Zusammenfassen kann man die vorgetragene Position Martin Walsers zum Holocaust demnach wie folgt: Er akzeptiert die Schuld der Deutschen für die NS-Verbrechen ohne Wenn und Aber, jedoch fühlt er sich von den Schuldgefühlen in seinem Lebensdrang eingeschränkt. Diese Aussage ist natürlich sehr subjektiv, was jedoch typisch für die literarische Innerlichkeit ist, die sich wie ein roter Faden durch Martin Walsers Werk zieht. Letztendlich gesteht Walser auch ein, keine Möglichkeit gefunden zu haben, sein Geschichtsbewusstsein mit seinem Wunsch ganz in der Gegenwart zu leben zu versöhnen – dieser Luxus muss dem Intellektuellen verwehrt bleiben.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Der Roman gliedert sich in vier Kapitel:

Inhalt:
I. Kommen aber gehen
II. Zusammenfinden
III. Auseinanderkommen
IV. Kehre

Personenliste zum Roman:

Dr. Gottlieb Zürn, ehemaliger Makler, inzwischen Mitte 60 Jahre
Anna, seine Frau, führt das Immobilienmaklergeschäft weiter

Rosa, die älteste Tochter
Magda(lena), Tochter
Julia, Tochter
Regina, die jüngste Tochter

Beate J. Gutbrod ‚graduated Student’, Doktorandin
Madelon Pierpoint, Freundin
Glen O. Rosenne, Professor

Dr. Rick W. Hardy
Elaine, seine (Ex-)Frau

Dr. Rufus Douglas, Psychiater

und viele andere

Paul Schatz, Immobilienhändler und Konkurrent – stirbt in diesem Band
Jarl F. Kaltammer, Immobilienhändler und Konkurrent

„Hochkomisch, sprachmächtig: Martin Walsers neuer Roman über Liebe im Alter ist ein Vergnügen. Wenn Walser je komisch war, wenn er je die Funken des Witzes aus Konstellationen des Unangemessenen, Unpassenden geschlagen hat, hier tut er ’s stärker.“ (Tilman Krause, Literarische Welt)

„Dieser meisterhaft beschriebene Augenblick des Sichverliebens, dieses blitzartige Ineinanderfallen … Wie der Sprachkünstler Walser die beiden Erzählgeschosse miteinander verbindet, die Liebesaffäre eines alten Mannes mit einer jungen Frau im Licht des Atheisten La Mettrie deutet … das macht ihm keiner nach.“ (Ulrich Greiner, DIE ZEIT)

„Seite für Seite eröffnet Martin Walser uns ein Stilvergnügen, wie es nur wenige deutsche Autoren bieten können. Walser schreibt eben nicht nur die schönsten Sätze, er setzt sie auch in anregende Horizonte.“ (Andreas Isenschmid, NZZ am Sonntag)

„Und Walser erweist sich hier als eine aphoristisch eleganter, hinreißender Erzähler.“ (Klaus Walther, Freie Presse)

„Martin Walser hat einige beste Bücher geschrieben. Sein jüngstes Werk gehört dazu. ‚Der Augenblick der Liebe‘ ist ein schönes Buch – komisch, traurig, rabiat.“ (Andreas Köhler, NZZ)

„’Der Augenblick der Liebe‘ ist ein großer Roman. Walsers bedeutendeste literarische ‚Seelenarbeit’“ (Peter Mohr, Generalanzeiger)

„’Der Augenblick der Liebe‘, Walsers schönster Roman.“ (Martin Lüdke in ‚Literatur im Foyer‘, SWR)

Dem ist von meiner Seite nichts mehr hinzuzufügen.

Das Stellwerk ODER Da wundere ich mich überhaupt nicht mehr …!!!

Nein, heute nichts zu den Streiks der GDL und ihrem Obersten, den Herrn Claus Weselsky (Die Fratze des Grauen). Auch ohne diese ist das Bahnfahren oft genug kein Vergnügen. Aber eines nach dem anderen:

Neulich (Ende Oktober) lief auf N3 (NDR Fernsehen) in der Sendereihe die nordstory die Folge Das Herz der Millionenstadt. Hier wurde der Hamburger Hauptbahnhof vorgestellt. „In Deutschland gibt es bis heute keine größere, freitragende Bahnhofshalle als in Hamburg. Diese Stahlkonstruktion ist eine der größten ‚Kathedralen’ im Industriebau des frühen 20. Jahrhunderts.“ Täglich kommen hier bis zu 450.000 Menschen an.

Der Hamburger Hauptbahnhof ist an Werktagen auch für mich zweimal täglich Dreh- und Angelpunkt meiner Fahrten zu und von der Arbeit. Hinzu kommen Fahrten an Wochenenden und im Urlaub. Alle Wege nach Hamburg führen über diesen Hauptbahnhof. So komme ich pro Jahr auf mindestens 400 ‚Begegnungen’.

Stellwerk am Hamburger Hauptbahnhof

Da war die Sendung für mich natürlich interessant, zumal diese auch einige Blicke ‚hinter die Kulissen’ erlaubte. Eine dieser Kulissen war das Stellwerk, über das der Zugverkehr, der den Hamburger Hauptbahnhof anläuft, gesteuert, geregelt bzw. gestellwerkt wird.

Was ich da sah, verdeutlichte mir sogleich, warum es mit der Pünktlichkeit im Bahnverkehr rundum Hamburg oft nicht zum besten bestellt ist: Da wunderte ich mich überhaupt nicht mehr … Ich kenne mich mit Stellwerken nun wirklich nicht aus. Aber man muss kein Fachmann sein, um festzustellen: Die Technik ist ziemlich überholt! Bei dem Stellwerk am Hamburger Hauptbahnhof handelt es sich allem Anschein nach um ein Relaisstellwerk mit schönen Stelltafel, auf denen eingestellte Zugstraßen angezeigt werden. Alles leuchtet in bunten Farben. Hier und da blinkt es. Den entsprechenden Filmausschnitt hierzu, also das Stellwerk betreffend, lässt sich unten betrachten.

Geradezu peinlich dann das, was dem diensthabenden Fahrdienstleiter geschah. Ein Signal sprang nicht von rot auf grün um. Auch das Drücken des entsprechenden Knöpfchen von Hand bewirkte nichts. So musste telefonisch und zudem schriftlich – der Sicherheit wegen – ein Fahrbefehl an den Lokführer des Zuges ergehen, der bisher vergeblich auf grünes Licht wartete. Das alles dauert natürlich.

Streiks, Stellwerkstörungen, unbefugte Personen im Gleis, Böschungsbrände, Störungen am Fahrzeug, Verzögerungen im Betriebsablauf, Zugüberholungen und Zugkreuzungen, Personenschäden – die Liste lässt sich geradezu beliebig erweitern. Von ‚herrenlosen Gepäckstücken’ und ‚Schienenersatzverkehr’ ganz zu schweigen. Da wundert es eigentlich eher, wenn es tatsächlich vorkommen soll, wenn Züge bei der Bahn pünktlich ihr Ziel erreichen.


Das Stellwerk ODER Da wundere ich mich überhaupt nicht mehr …!!!

Zurück zu grün-weißen Wurzeln

Die einen sprechen vom Werder-Gen, das vom neuen Trainerteam der Mannschaft eingepflanzt worden ist, ich nenne es ein Zurück zu grün-weißen Wurzeln, denn mit Viktor Skripnik hat ein alter Werderaner den Posten des Cheftrainers übernommen.

Nach neun sieglosen Spielen in der Fußball-Bundesliga und ‚Erreichen’ des 18. und damit letzten Tabellenplatzes zog man beim SV Werder Bremen die Reißleine und entließ den bisherigen Trainer Robin Dutt, dem Schwaben mit indischen Wurzeln (daher spricht sich sein Nachname eigentlich Datt aus). Nichts gegen Dutt. Er ist sicherlich ein guter Trainer. Aber als Schwabe kommt man wohl nicht unbedingt immer mit der hanseatischen Mentalität zurecht. Mit Viktor Skripnik, dem „Beckham der Ukraine“, übernahm wie es sich schon früh abzeichnete der bisherige U23-Trainer die Geschicke, der schon zuvor von 1996 bis 2004 als aktiver Spieler (nicht zuletzt wegen seiner Vereinstreue und Bodenständigkeit einer der Publikumslieblinge zu dieser Zeit) und danach als Jugend-Trainer für Werder tätig war. Und mit Skripnik ‚eilten’ die Bremer auf einmal von Sieg zu Sieg (nach dem Sieg im DBF-Pokal in Chemnitz gab es immerhin zwei Siege in Mainz und jetzt am Wochenende zuhause gegen Stuttgart).

    100 % SV Werder Bremen

Überhaupt hat sich nach diesem Fehlstart in den letzten Wochen einiges bei Werder getan. Willi Lemke, bisheriger Vorsitzender des Aufsichtsrates und gestrengster Hüter der Finanzen, trat am 25. Oktober 2014 freiwillig von seinem Posten zurück, um Marco Bode Platz zu machen (auch dank Günter Netzer). Zuvor wurde die Partnerschaft mit der Schweizer Sportrechte-Agentur Infront Sports & Media AG verlängert, wodurch ein größerer Millionenbetrag in die Kasse des SV Werder gespült wurde (Netzer, dem Executive Director von Infront, sei nochmals Dank). Denn um Geld ging es auch bei Herrn Lemke, der sich bis zuletzt dagegen wehrte, Spieler aus Pump zu verpflichten. Jetzt will man sich in Bremen wenigstens kurzfristig von der allzu konservativen Finanzpolitik lösen und mehr Risiko eingehen. Selbst von Tabubruch war die Rede, als der scheidende Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer eine „kurzfristige, nicht zu umfangreiche Verschuldung“ ins Spiel brachte, um die Mannschaft in der Winterpause zu verstärken.

Ob nun Geld wirklich Tore schießt, sei dahingestellt, z.B. konnte der HSV trotz der Kühne-Millionen bisher nicht überzeugen. Aber ohne Geld geht es wohl auch nicht: In der Bundesliga ist die Suche nach Investoren, mit denen der finanzielle (und damit natürlich der sportliche) Anschluss an die Spitze wiederhergestellt werden soll, voll entbrannt.

„Wenn einige Klubs anfangen, sich mit Geld von Investoren vollzusaugen, fallen die anderen, die das nicht machen, zurück“, erläutert Quitzau, der den Blog Fußball-Ökonomie.de betreibt (Quelle: zdfsport.de). Allerdings steigt mit dem Zufluss externen Kapitals auch die Gefahr externer Einflussnahme auf die Entscheidungsprozesse im Verein. Dies zeigen nicht nur die zahlreichen Einmischungen von HSV-Mäzen Klaus-Michael Kühne. Wenn sich Werder „sehr offen“ für den Einstieg von Investoren zeigt, dann nach Vorbild des FC Bayern, der eine strategische Zusammenarbeit mit größeren Unternehmen betreibt. Dabei sollte und muss Werder immer noch Werder bleiben. Die Rückkehr zu grün-weißen Wurzeln auch auf der Trainerbank ist dafür ein guter Ansatz.

Natürlich kann man von einem Trainerwechsel nicht Wunderdinge auf lange Sicht erwarten. Sicherlich spielt dabei die Psychologie eine unverkennbare Rolle. Und das Glück (bekanntlich ist das Glück mit den Tüchtigen). Aber Rückschläge sind nicht ausgeschlossen (hoffentlich nicht jetzt am kommenden Sonntag in Hamburg gegen den HSV). Es bleibt beim Kampf der Werderaner gegen den Abstieg. Aber die letzten Spiele sollten den Spielern endlich das Selbstvertrauen geben, um sich aus dem Liga-Keller zu lösen.

Vor 25 Jahren: Als die Mauer fiel …

Die silbernen Jubiläen häufen sich. Erst feierte ich mein 25. Dienstjubiläum und gestern jährte sich der Fall der Berliner Mauer zum 25. Mal. Somit verbindet sich für mich mein jetziger Arbeitsplatz und Mauerfall auf ‚schicksalhafte Weise’. Und im nächsten Jahr gibt es noch zwei Ergebnisse, bei denen die Zahl 25 eine wichtige Rolle spielt.

Natürlich bekam ich die Ereignisse in der DDR mit, die Montagsdemonstrationen, die dem SED-Regime kundtaten: „Wir sind das Volk!“ Gorbatschow lenkte seit dem 11. März 1985 als Generalsekretär der KPdSU die Geschicke der Sowjetunion und sorgte mit Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umstrukturierung) für einen schnellen Wandel. In Ost-Berlin wollte man davon zunächst nichts wissen und feierte dafür mit großen Aufmarsch den 40. Jahretag der Staatsgründung der DDR.


Vor 25 Jahren: Der Fall der Berliner Mauer

Um so überraschender dann die Meldung, dass die Grenzen zum Westen geöffnet werden. Ich hörte davon im Radio auf der Arbeit in Hamburg. Zuhause verfolgten wir die weiteren Ereignisse dann im Fernsehen. Der 9. November 1989 war ein Donnerstag – und einen Tag später (also heute vor 25 Jahren) fuhr ein Trabi Wartburg aus der Gegend von Meißen in Tostedt vor mit Verwandten meiner späteren Frau (eine entfernte Cousine mit ihrem Mann und ein Onkel). Diese hatten einfach frei genommen und waren mit dem Auto losgefahren. Sie hatten sich am Vortag angekündigt – und ich war mit meiner späteren Frau am Samstagmorgen nach Tostedt mit der Bahn angereist. Eigentlich kannten wir sie nicht näher, aber wir fielen uns in die Arme wie Geliebte, die sich lange nicht mehr gesehen haben. Es war eine Triumphfahrt durch Tostedt mit dem Wartburg, alle Leute winkten uns zu. So etwas hatte ich bisher noch nicht erlebt.

Den Jahreswechsel von 1989 auf 1990 feierten wir dann bei dem jungen Paar in Sachsen. Dazu flogen wir von Hamburg aus mit der DDR-Fluggesellschaft Interflug nach Dresden, wo uns die Verwandten abholten. Es wurde ein feucht-fröhlicher Jahreswechsel.

Bald nach dem 9. November wurde aus dem Ruf „Wir sind DAS Volk!“ ein „Wir sind EIN Volk!“. Nur war ein Wort anders, aber mit großer Wirkung, wie wir heute wissen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Lehmann (Roman von Sven Regener) nicht vergessen, der auf seine Weise den Mauerfall erlebte.

Polizeiruf 110: Smoke on the Water

Wenn Dominik Graf Regie führt, dann darf man mit etwas Besonderem rechnen. Vorgestern bin ich einmal fremd gegangen und habe statt eines Tatorts die neueste Folge aus Polizeiruf 110, dem ehemaligen DDR-Pendant zum bundesrepublikanischen Tatort, gesehen, die am vergangenem Sonntag lief. Regie, man kann es sich denken: Dominik Graf; Titel der Folge aus München: Smoke on the Water

Bereits am letzten Samstag hatte ich einen Kriminalfilm in der Regie von Graf gesehen: Die reichen Leichen – ein Starnberg-Krimi. Bekanntlich ist der Bayern-König Ludwig II. auf bis heute ungeklärte Weise im Starnberger See, der bis 1962 noch Würmsee hieß, ertrunken. Das wird in diesem ‚heimatkundlichen’ Krimi auf besondere Weise thematisiert:

    Martin Feifel als Ludwig-Kopie in 'Die reichen Leichen'

„Der Kini (König Ludwig II.) wurde ermordet und die Sisi entführt. „Die reichen Leichen. Ein Starnbergkrimi“ ist keiner jener Gaudi-Krimis, die auf der Grundlage von bayerischer Lebensart und deftigem Humor Mord zur schönsten Nebensache der Provinz machen. Dafür gibt es abgedrehte Geschichten, Auswüchse historischer Heimatkunde & Momente, die regionale Poesie verströmen. Heimat, das entspringt in diesem Film mehr der Mentalität der Menschen, weniger dem bayerischen Stereotypen-Kabinett. Anders als in seinen Stadt-Krimis setzt Dominik Graf statt auf wilde Montagen verstärkt auf die Raum-Komponente. Die (königliche) Geschichte, die Magie von Landschaft & See geben den Rhythmus vor.“


Die reichen Leichen – ein Starnbergkrimi D/2014 HD

Dominik Graf kennen wir auch durch seine Regiearbeiten bei einigen Tatort-Folgen. So zeichnete er bereits 1986 für die Filmleitung der Schimanski-Folge Schwarzes Wochenende verantwortlich. Dem folgten 1995 Frau Bu lacht der Münchener Ermittler Batic und Leitmayr (es geht Kindesmissbrauch – die sehr interessante Folge habe ich erst kürzlich gesehen) und vor nicht so langer Zeit 2013 die etwas verquere Folge Aus der Tiefe der Zeit (ebenfalls mit Batic und Leitmayr).

Jetzt also Polizeiruf 110: Smoke on the Water. Rainer Tittelbach, unser onliniger TV-Experte, schreibt dazu:

Hanns von Meuffels [der ermittelnde Hauptkommissar in München] bekommt es im ‚Polizeiruf 110 – Smoke on the Water’ mit einem blaublütigen Überflieger zu tun, der sich gebärdet wie ein Provinzkönig. Hat dieser einen anderen bezahlt, damit der sein Todschlagdelikt absitzt? Oder walten in und um Cadenbach globalere Kräfte, für die ein, zwei Morde Peanuts sind? Das Wechselspiel von Macht und Ohnmacht treibt diesen Film an, der in einem wahnwitzig brutalen 15minütigen Totentanz sein verzweifeltes Ende findet. Dominik Graf quält mit diesem Thriller Sonntagskrimi-Fans weniger als zuletzt. Das liegt auch an der großen Sinnlichkeit, mit der er Schütters komplexes Drehbuch umsetzt. Atmosphärisch, cool, schräg, politisch & ein bisschen sexistisch.

Apropos sexistisch! Die Regionalbischöfin des Kirchenkreises München und Oberbayern, Frau Susanne Breit-Keßler, beschwerte sich dann auch umgehend über das Frauenbild, den dieser Film vermittelt. So ganz unrecht hat sie sicherlich nicht.

In der Figur des Herrn von (und zu) Cadenbach ist übrigens der aus Bayern stammende, ehemalige Bundesverteidigungsminister (auch ein ‚… von und zu …’) erkennbar, wenn dieser hier auch reichlich überzeichnet wird. Und auch der im Film gezeigte bayerische Ministerpräsident ähnelt dem augenblicklich amtierenden (Herr Graf wählt sicherlich nicht die Christlich-Sozialen).

Hintergrund des Polizeiruf-Krimis bildet übrigens das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus der Europäischen Union, ein aus Steuergeldern subventioniertes Milliardengeschäft. Da geht man auch schon ’mal über Leichen.


POLIZEIRUF 110: Smoke on the Water (München – 20.10.2014)

Dieser Krimi hat es in sich, wenn er nach meiner Meinung auch etwas zu überambitioniert wirkt (ich will ehrlich sein: überdreht!). Dominik Graf und Drehbuch-Autor Günter Schütter teilen so richtig aus, decken alte Seilschaften auf, die sich bereits auf Eliteschulen bildeten, zeigen die Verquickung aus Politik und Wirtschaft auf und die Spielchen der Oberen aus Geld, Macht und Sex. Manchmal zeitigen scheinbar banale Dialoge auch eine feine Spur Ironie wie der folgende, für den Film durchaus bezeichnende Dialog:

Der Kommissar befragt in einer Kneipe im Münchner Umland die Freundin der Ermordeten, Corry Hüsken.

Von Meuffels: Vielleicht will er (Joachim von Cadenbach, ein Verdächtiger, Anm. d. Red.) Außenminister werden, oder Verteidigungsminister.

Hüsken: Na ja, der Adel bringt halt noch immer einen besonderen Menschenschlag hervor.

Von Meuffels: Sagen Sie das, um mir zu schmeicheln?

Hüsken: Ach so. Ich bin begeisterte Bunte-Leserin.

Von Meuffels: Ach, du lieber Himmel! Noch eine von denen, die das Leben lieber anderen überlassen.

Hüsken: Meinen Sie?

Von Meuffels: Ja. Ich habe die Theorie, dass nur solche Menschen Klatsch brauchen, die selber nicht leben, weil sie Angst haben, es kommt was an sie dran.

Vor der Haustür: Herbsturlaub 2014!

Wenn’s kommt, dann kommt’s dicke … In den letzten Tagen hatte ich einiges um die Ohren und bin zu wenig anderem gekommen. Aber heute ist mein letzter Arbeitstag. Zwei Wochen Urlaub liegen vor mir, was will ich mehr …

    Urlaubstiet is wedder do(r) ...: Harvst-Urlaub 2014

… und es herbstelt. Die Blätter färbeln, bevor sie von den Bäumlein plumpsen. ‚Stormgebrus’ peitscht dir bald die ‚Regendroppen’ um die ‚Nees’. Aber das sorgt für gesunde Durchblutung der ‚Snutpell’, glov’ mi dat!

Ja, ‚kieken’ wir mal, was dieser ‚Harvst’ uns so bringt. Die ‚Wedderutsichten’ sind für die nächsten Tage eher gemischmascht. Die ‚Frücht’ von dem Aesculus hippocastanum ‚drüppelt’ dir auf den ‚Deets’, wenn du nicht ‚oppasst’.

    Kastanien – Kastanjen, ook Christangel

Aber genug verwuselt hochdeutsch-geplattdeutscht. Wenn Ihr die nächsten Tage nicht viel von mir hören (lesen) werdet (Futur I), dann weil ich es mir gemütlich gemacht haben werde (Futur II – kommt selten vor).

Da fährt Sohnemann unser Auto zu Schrott (gottlob kein Personenschaden, alles andere ist bereits geregelt), und da versucht ‚ein neuer Besen besonders gut zu kehren’ (neue Mitarbeiterin beim ‚Jugendamt’ des Landkreises drangsaliert meine Frau, die in der Kindertagespflege als so genannte Tagesmutter tätig ist). Vielleicht später mehr …

25 Jahre Tatort Ludwigshafen mit Lena Odenthal

Am Sonntag löst Lena Odenthal in Ludwigshafen mit der Tatort-Folge Blackout nicht nur ihren 60. Fall in der ARD, sondern feiert gleichzeitig damit ihr 25. Dienstjubiläum (… hatte da nicht EIN ANDERER Anfang des Monat ebenfalls 25. Arbeitsjubiläum?).

    Ulrike Folkerts als Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal im Einsatz

Damit ist sie derzeit die ‚dienstältestes’ Tatort-Ermittlerin. Die erste Folge Die Neue wurde am 29.10.1989 erstaufgeführt. Seit der Folge 10 (rund sieben Jahre später) steht Kollege Mario Kopper an Lena Odenthals Seite. Die bisher meisten Folgen haben allerdings die Münchner Kollegen Batic und Leitmayr (bisher 68 Folgen) abgedreht, die sich seit dem 01.01.1991 auf Mörderjagd befinden und die Kölner Ballauf und Schenk (61 Folgen seit dem 05.10.1997), wobei Kriminalhauptkommissar Max Ballauf bereits ab 17.05.1992 als Kriminalhauptmeister zusammen mit Hauptkommissar Bernd Flemming und Kommissarin Miriam Koch bei der Kriminalpolizei Düsseldorf gearbeitet hatte. Im Dienstalter folgen von den heute noch ermittelnden Kriminalbeamten Inga Lürsen (Bremen) seit dem 28.12.1997 und Moritz Eisner (Wiener Mordkommission) seit dem 17.01.1999.


Tatort Folge 882 (Ludwigshafen: Odenthal/Kopper): Freunde bis in den Tod

Lena Odenthal ist nicht die einzige Frau, die im Tatort ermittelt. Allerdings dauerte es über sieben Jahre seit Start des Tatorts bis zum 29.01.1978, bis mit Oberkommissarin Buchmüller aus Mainz in der 84. Folge der Tatort-Reihe die erste Frau als Hauptermittlerin auftrat.

siehe: weitere Tatort-Folgen mit Lena Odenthal bei youtube.

Auf letzter großen Tour: Joan Armatrading solo in Buchholz/Nordheide 23.01.2015

In den letzten Wochen und Tagen habe ich noch einmal genauer in viele der Alben von Joan Armatrading hineingehört (und damit auch alle ihre Alben hier in meinem Blog vorgestellt). Da passt es ‚wie die Faust aufs Auge’, wenn Joan jetzt persönlich ‚vorbeischaut’.

Wie die Zeit vergeht: Es ist bereits sechs Jahre her, dass ich zuletzt Joan Armatrading live bei einem Konzert gesehen habe. Am 10. August 2008 war sie mit Band in der ehrenvollen Fabrik in Hamburg aufgetreten. Und ich hatte zu diesem Konzert auch gleich meine ganze Familie mitgenommen (meine Söhne waren da gerade 14 und 17 Jahre alt). Es war ein schöner, gelungener Abend.

Jetzt nun begibt sich Joan Armatrading auf ihre ‚letzte große Tour’ und präsentiert sich dort zum ersten Mal solo (‚Joan’s last major tour and first solo concerts’):

‚I will never retire but this will be the last major tour that I will undertake.
For the first time these concerts will be me solo on stage playing the guitar and piano and singing. I want these concerts to be a special lively interactive one to one experience. I have absolutely enjoyed the last 42 years of performances but now, with my final major tour, I want to capture a unique memory for both myself and the audience.‘

Nach diesen ihren Worten wird sie zwar nie in Rente gehen, aber es wird ihre letzte große Tournee kreuz und quer durch die Welt sein (zz. weilt sie im weiterhin Vereinigten Königreich). Seit 42 Jahren ist sie auf den Konzertbühnen präsent und will nun solo, nur mit Gitarre, Klavier und Gesang, auftreten, um für sich und das Publikum eine einzigartige Erinnerung zu schaffen. Für diese letzten Konzerte wünscht sie sich, dass diese für alle als eine besonders lebendige zwischenmenschliche Erfahrung haften bleiben.

    JOAN'S LAST MAJOR TOUR AND FIRST SOLO CONCERTS

Es ist noch kein ganze Jahr her, da besuchte ich am 25. Oktober 2013 mit meinen beiden Söhnen ein Konzert mit Martin Barre (dem langjährigen Gitarristen von Jethro Tull) und Band. Es fand in der Empore in Buchholz, nur wenige Kilometer von meinem Wohnort Tostedt entfernt, statt. Genau hierhin wird sich nun auch Joan Armatrading am 23. Januar 2015 (ebenfalls ein Freitag) ‚verirren’.

Ich habe schon etwas gezögert, ob ich zu dem Konzert gehen werde. Joan Armatrading ist eine ausgezeichnete Gitarristin mit einem sehr eigenen, persönlichen Stil. Und auch dem Klavier vermag sie wundersame Klänge zu entlocken. Aber solo? Meine Frau hat mich dann doch überzeugt, zumal es das letzte Mal sein wird, um Joan live sehen zu können. Und so ziehen wir, meine Frau, meine beiden Söhne und ich, also am 23. Januar des nächsten Jahres in die Empore zu Buchholz ein, um den Klängen von Joan zu lauschen.

Wie das in etwa aussehen und sich anhören wird, vermittelt ein Video, das bei einem Konzert vor wenigen Tagen in Weston-super-Mare, England, aufgenommen wurde:


Love and Affection – Joan Armatrading – Weston-super-Mare 08.10.2014

Also bis dann, liebe Joan … in Buchholz/Nordheide!


Joan Armatrading interview – März 2014

Die Fratze des Grauens

    Dieser Dialekt. Das ist das Markanteste, das an Claus Weselsky, 55, auffällt, abgesehen von seinem akkurat gestutzten Schnäuzer. Er sächselt. Und redet von „glaren Bodschafden an den Arbeidgeber“, die „Eisenbohn“, über „Dariefverdräge“, unzureichende „Angebode“ und, aus seiner Sicht unvermeidbar, den „Arbeidsgampf“.
    Jeder Mensch spricht so, wie er spricht, aber bei Weselsky, geboren in Dresden, hat die Sprache eine eigene Bedeutung. Sächsisch ist laut einer Umfrage der unbeliebteste Dialekt im Land. 30 Prozent finden das Idiom „besonders unsympathisch“. Dass ihm das egal ist, dass er redet wie sonst keiner der wichtigen Arbeitnehmer-Vertreter, sagt einiges über sein Selbstverständnis.

Schaut man auf die Website der GDL, der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, dann blickt man zz. mindestens viermal (dreimal ist Mindestmaß) in die Visage eines Herrn Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der GDL – für mich ist es die Fratze des Grauens.

    Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der GDL – die Fratze des Grauens

Dank des Herrn Weselsky wird wieder einmal ein Arbeitskampf auf dem Rücken der Fahrgäste von Deutscher Bahn samt S-Bahn ausgetragen. Nach einem ersten neunstündigen Streik in der letzten Woche wurde dann seit gestern 14 Uhr (bis heute Morgen 4 Uhr) erneut gestreikt. Noch streikt die GDL stundenweise. Denke ich an das Jahr 2011 zurück, da wurde TAGELANG z.B. die metronom Eisenbahngesellschaft bestreikt.

Alle Bahnräder stehen still, wenn Herr Weselsky es will (gottlob, nicht alle Räder …)

Es geht nicht in erster Linie um einen verbesserten Tarifvertrag, es geht vor allem um die Gewerkschaft selbst und damit um Macht und Einfluss. Herr Weselsky fürchte um seinen Kopf:

Die GDL fordert nämlich nicht nur fünf Prozent mehr Lohn und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Sie will auch durchsetzen, dass sie künftig nicht nur die Lokführer vertritt, sondern auch andere Berufsgruppen wie Zugbegleiter. Für diese hat bisher die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Tarifverträge ausgehandelt. Die Bahn fürchtet konkurrierende Tarifverträge. Derweil plant die Bundesregierung ein Gesetz zur Tarifeinheit. Und das könnte dann vielleicht das Ende von GDL und damit von Herrn Weselsky sein.

Wer ist dieser Claus Weselsky, der Millionen von Bahnkunden und Pendler ‚auf der Strecke’ liegen lässt? Weselsky führt seit 2007 die GDL. Er gilt als „kompromisslos, mit eiserner Härte. Alle Entscheidungen fällt am Ende er. Als ‚Choleriker’ beschreibt ihn einer.“ – „‚Der duldet keinen Widerspruch’, sagt einer, der lange mit ihm in der GDL-Zentrale in Frankfurt am Main zusammengearbeitet hat. Die Leiter der sieben Gewerkschafts-Bezirke hat Weselsky persönlich ausgesucht. Die Organisation ist so schlagkräftig wie kaum eine andere, mit nur minimalem Aufwand kann sie das Land lahmlegen.“ – „Selbst Ex-Chef Manfred Schell, einst ein Förderer, hat sich von ihm abgewandt und staunt über Weselskys Eifer: ‚Der tut so, als würde er in den Heiligen Krieg ziehen.’ […] und fordert Weselskys Rücktritt.“ (Quelle: tagesspiegel.de)

Auch der Fahrgastverband „Pro Bahn“ kritisierte die streikenden Lokführer. Es werde immer offensichtlicher, dass es der GDL „vorwiegend um die Ausweitung ihres Machtbereichs geht und nicht um tarifliche Forderungen“, sagte Pro Bahn Bundessprecher Gerd Aschoff. „Und das macht die GDL mit Mitteln, die nicht mehr nachvollziehbar sind.“

Die Lokführergewerkschaft agiere zunehmend „auf dem Rücken der Fahrgäste“, sagte Aschoff. Wegen der kurzen Vorwarnzeiten hätten viele Fahrgäste keine Chance, sich auf die Einschränkungen im Bahnverkehr einzustellen.

Wenn aus Jägern Gejagte werden

Vielleicht kann jetzt der eine oder andere nachfühlen, wie es den Spaniern in den letzten Jahren erging. Die Iberer waren lange Zeit die Gejagten. Bis ins Endspiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Brasilien war das deutsche Team Jäger und zudem erfolgreicher Jäger. Aber mit dem Gewinn des Weltmeistertitels ist es nun zum Gejagten geworden. Jede Mannschaft, die gegen Deutschland spielt, wird alles geben, um gegen die ‚beste Mannschaft’ der Welt zu bestehen.

Gejagte empfinden anders als Jäger. Und auch der Kopf ‚arbeitet’ anders. Natürlich hat die deutsche Mannschaft keine guten Außenverteidiger. Und im Sturm fehlt ein echter ‚Vollstrecker’. Aber es ist vor allem dieses ‚Gespenst’, das im Kopf der Spieler herumgeistert.

Mühte man sich im ersten Qualifikationsspiel zur nächsten Europameisterschaft 2016 in Frankreich gegen Schottland noch zu einem knappen 2:1-Sieg, so bot diese Woche Tage der Ernüchterung: der 0:2-Niederlage in Polen folgte ein mageres Unentschieden mit 1:1 gestern in Gelsenkirchen gegen Irland.

Schaut man auf die Statistik des Polenspiel, dann sieht man, dass die deutschen Spieler gar nicht so schlecht gespielt haben können:

    Statistik zum Spiel Polen – Deutschland 2014 - Endstand 2:0

Aber dann gibt es diese individuellen Fehler, die zu Gegentoren führen, während der eigene Angriff es verpasst, die guten Chancen in Tore umzusetzen. Alles wirkt überhastet, hektisch, ja verkrampft. Es fehlt einfach die Lockerheit. Die Köpfe der Spieler sind nicht frei. Und diese werden nicht freier dadurch, dass man im Vorfeld eines Spieles gewissermaßen nur noch über die Höhe des angepeilten Sieges spricht.

Noch ist Polen Deutschland nicht verloren. Sogar als Gruppendritte kann man sich noch (über Relegationsspiele) für Frankreich 2016 qualifizieren. Aber natürlich haben Löw und Co. höhere Ansprüche. Jetzt heißt es Ruhe bewahren. Und vergessen, dass man ‚die beste Mannschaft’ der Welt ist. Dann davon ist man zz. ein weites Stück entfernt.

Trost spendet die Tatsache sicherlich nicht, dass auch andere große Fußballnationen ihre Probleme haben. Die Niederlande kassierte bereits die zweite Niederlage (siehe weiter unten). Auch Spanien startete mit stotterndem Motor. Die Griechen liegen fast ganz am Boden. Portugal tut sich schwer. England und Italien haben zwar ihre Spiele bisher alle gewinnen können. Aber Glanz und Glorie sehen anders aus.

Freude bereitet mir zz. die isländische Nationalmannschaft. Ich habe ja bekanntlich ein Faible für Island und alles Isländische. Und so gucke ich immer auch schon mal, wie sich Island im Fußball präsentiert. Zur WM 2014 hatte es Island in der Qualifikation immerhin als Gruppenzweiter hinter der Schweiz (Gruppe E) bis in die Play-Offs geschafft, scheiterte dort dann allerdings an Kroatien (0:0 und 0:2). Jetzt führt Island in Gruppe A der Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft nach Siegen gegen die Türkei, in Lettland und zuletzt am Montag zu Hause gegen die Niederlande (2:0 – der erste Sieg der Isländer gegen die Holländer) mit neun Punkten und einem Torverhältnis von immerhin 8:0 Toren in der Hammergruppe mit eben den Niederlanden, Tschechien, der Türkei, Lettland und Kasachstan. Die Aussichten, einen der beiden ersten Plätze zu erobern sind also gut (und selbst ein dritter Platz könnte vielleicht genügen). Am 16.11.2014 spielt Island in Pilsen gegen Tschechien. Da könnte ein weiterer Grundstein zum Erreichen des EM-Turniers in Frankreich gelegt werden. Ich drücke auf jeden Fall ganz fest die Daumen!

Tatort (920) Wiesbaden: Im Schmerz geboren

Gestern mit einem Tag Verspätung den neuesten Tatort mit Ulrich Tukur als LKA-Ermittler Felix Murot gesehen. Was soll ich viel schreiben, wenn es Herr Tittelbach auf den Punkt bringt:

„Gegen die Rache eines Wahnsinnigen und die Methoden bolivianischer Drogenkartelle hat der gute Mensch aus Wiesbaden schlechte Karten. Das Fatale: Murot und jener Mann, der ihn und das BKA demütigen will, waren einst beste Freunde. Leichen pflastern nun den Weg des Heimkehrers: 47 Tote (?) – ein ‚Tatort’-Rekord, brutal aber ist ‚Im Schmerz geboren’ nicht wirklich. Es fließt Theaterblut, es werden Western-Tode gestorben, ein antiker Chorleiter warnt (‚Schickt die Kinder rasch zu Bette’) und das ‚Prinzip Tarantino’ wird telegen erprobt. Der Film von Florian Schwarz nach dem Buch von Michael Proehl ist mehr als ein Zitaten-Schatzkästlein; er bleibt Krimi, er bleibt spannend und ist dramaturgisch sehr komplex.“

Gruppenbild mit den Opfern aus ‚Im Schmerz geboren’

Ulrich Tukur als LKA-Mann Felix Murot aus Wiesbaden, das ist ein Ermittler der etwas anderen Art. In Folge 1 „Wie einst Lilly“ kämpft Murot nicht nur gegen das Böse, sondern auch gegen einen haselnussgroßen Tumor in seinem Kopf. In der 2. Folge „Das Dorf“ gerät Murot „in ein Horror-Dorf – und in höchste Lebensgefahr. Dieser ‚Tatort’ ist ein Lust-Objekt für Filmfans. Die latente Angst zaubert eine Spielwiese von kafkaesker Bedrohlichkeit. Dr. Mabuse und Edgar Wallace grüßen schwarzweiß aus der Gruft. Tukur glänzt in Film-Noir- & Musical-Ambiente – und Claudia Michelsen als sadistische Dorfärztin kommt mit der Spritze.“ In Folge 3 „Schwindelfrei“ darf Tukur aka Murot auch das machen, was er ganz gut kann: Der singt und spielt Klavier. Und spielt den Clown in einem heruntergewirtschafteten Zirkus. Natürlich gibt es eine erstochene Frau und ein Tatzeuge verschwindet. Vielleicht die bislang schwächste Folge aus der Murot-Reihe.

In „Im Schmerz geboren“ macht Murot das aber wieder gut. Ob’s nun 47 Tote sind (viele haben mehr gezählt – irgendetwas über 50), sei dahingestellt. Auf jeden Fall übertrifft Murot bei Weitem Herrn Tschiller – und das nicht nur in der Anzahl der Leichen. Dieser Tatort ist ein gelungener Mix aus Theater (Shakespeare lässt grüßen), Bildergalerie, klassischem Konzert (Musik von Bach bis Beethoven), französischem Film (Truffauts „Jules und Jim“ spielt eine nicht unerhebliche Rolle), Italowestern wie Spiel mir das Lied vom Tod und Filme a la Tarantino. Da sich alles aber gekonnt die Waage hält und der Aspekt Spannung nicht zu kurz kommt, so ist ein Kunst-Krimi der besonderen Art entstanden, der weit über übliche Krimikost hinausgeht und selbst manch hervorragenden anderen Tatort übertrifft. Ich liebe es geistreich und spannend. Und das ist dieser Film. Und trotz aller ‚Künstlichkeit’ so stimmt auch die ‚Psychologie’ der Charaktere. Es stellt sich die Frage, ob ein solcher Murot-Tatort noch zu toppen ist.

Übrigens habe ich Ulrich Tukur erst kürzlich in einem Tatort aus Frankfurt (Folge 552) mit den Kommissaren Dellwo und Sänger aus dem Jahr 2003 gesehen: Das Böse. Auch hier beeindruckt Tukur durch sein schauspielerisch gekonntes Auftreten. Er spielt den Herr Petzold, einen gediegenen Banker, der sich zuletzt als gefährlicher Psychopath entpuppt und sogar nicht davor zurückscheut, die Eltern der Oberkommissarin Sänger zu ermorden. Während er als Murot das Gute verkörpert, so zeigt sich Tukur in dieser Tatort-Folge auf beängstigende Weise als das personifizierte Böse.