- „Mehr Licht?!“
angeblich letzte Worte von Goethe
Am Montag (12.09.2022 – 19 Uhr) besuchte ich mit meiner Frau eine Infoveranstaltung in der Schützenhalle bei uns in Tostedt mit dem Titel: LICHT AUS – Wie Lichtverschmutzung uns gefährdet und vermieden werden kann, zu der die Samtgemeinde Tostedt eingeladen hatte.
Der Vortragende Manuel Phillip ist Gründer der „Paten der Nacht“, der „Earth Night“ und der Umweltzertifizierung für Firmen „22 Uhr“.
Eine unnötige Beleuchtung in der Nacht bedeutet nicht nur den Verlust des Sternenhimmels, sondern ist auch eine große Gefahr für Insekten, Pflanzen, Zugvögel, Säugetiere und damit auch für den Menschen.
Die Earth Night (dieses Jahr am 23.09.) ist ein Symbol für dunklere Nächte, aber natürlich geht es darum, dauerhaft die Lichtverschmutzung zu reduzieren. Dass dies mit intelligenten Maßnahmen ohne größere Einschränkungen möglich ist und sich hierbei auch erhebliche Kosteneinsparungen ergeben, erklärte Herr Phillip auf eine sehr spannende, eindringliche und unterhaltsame Weise. Für sein Engagement hat er im Jahr 2021 die Bayerische Umweltmedaille erhalten (aus dem Flyer zur Veranstaltung)
Earth Night 2022 – am 23.09.2022
Menschen werden ab spätestens 22 Uhr (Ortszeit) die ganze Nacht über das Licht reduzieren und so ein Zeichen gegen die zunehmende Lichtverschmutzung zu setzen. Jeder kann dabei mitmachen!
In vielen anschaulichen Beispielen zeigte Herr Phillip auf, wie unsere Umwelt durch Lichtverschmutzung (richtige wäre der Begriff Nachtverschmutzung – durch unnötige, von Menschen in der Nacht verursachte Helligkeit) beeinträchtigt wird. Anhand von zwei Satellitenbildern von Europa aus den Jahren 1992 und 2010 konnten wir die ungeheure Zunahme an Lichtquellen erkennen. Bereits vor über acht Jahren hatte ich an dem Beispiel Nordkorea (Schwarzes Loch: Nordkorea im Dunkeln) aufgezeigt, wie in industriellen Ländern Licht verschwendet wird.
Wie sehr Licht auch unser Leben beeinflusst, zeigen die zunehmenden Schlafstörungen vieler Menschen. Wir leben den ganzen Tag meist in Kunstlicht und setzen uns abends vor dem Schlafengehen oft noch einer massiven Lichtdusche aus (z.B. beim Zähneputzen). Unser Melatonin-Haushalt (ein Hormon, das den Schlaf-Wach-Zyklus reguliert) wird dadurch nachhaltig gestört.
Aber es sind vor allem Gewerbetreibende sowie die Kommunen und Städte gefragt, die Verschwendung von Licht zu vermeiden.
6 Punkte für optimales Außenlicht
Mit einfachen Mitteln kann jeder seinen Beitrag zur Reduzierung der Lichtverschmutzung leisten. Je mehr der nachfolgenden Empfehlungen pro Lichtquelle berücksichtigt werden, desto besser. Die Punkte gelten gleichermaßen für die Beleuchtung an Häusern und Gebäuden, aber auch von Fassaden, Straßen, Parkplätzen und Schaufenstern sowie Leuchtreklame
1. Intensität
Möglichst geringe Lumen-Werte (lm) nutzen. Größere Bodenflächen besser mit mehreren schwachen Lichtquellen ausleuchten, anstatt mit nur einer einzigen sehr, sehr hellen.
2. Richtung
Nur nach unten. Streulicht zur Seite und vor allem nach oben vermeiden. Hier helfen geschirmte Gehäuse oder LED-Reflektorlampen
3. Farbe
Je gelber, desto besser! Farbtemperaturen von 2700 Kelvin möglichst nicht überschreiten
4. Montagehöhe
Je niedriger, desto besser! Dadurch entsteht weniger Blendung und die Streuverluste in die Umgebung werden reduziert
5. Dauer
Beleuchtung nur während und nur so lange man sie benötigt. Hier helfen Bewegungsmelder. Dauerlicht vermeiden und spätestens um 22 Uhr (Sommer wie Winter) abschalten (Zeitschalter)
6. Notwendigkeit
Licht nur zur Wegesicherheit und Orientierung nutzen. Außenlicht zu dekorativen Zwecken sollte generell vermieden werden – speziell in Gärten, auf Pflanzen, Naturflächen und Teiche
Alles das schützt tag- und nachtaktive Lebewesen, hält Insekten vom Haus fern (und bewahrt somit die Bestände), lässt den Sternenhimmel wieder erstrahlen und spart auch noch jede Menge Energie! (Quelle: paten-der-nacht.de)
In einem Beitrag der Tagesschau (Die Schattenseite des Lichts – Von Axel John, SWR) wurde erst vor einigen Tagen die Lichtverschmutzung, die gerade in diesen Tagen durch die horrend gestiegenen Energiekosten auf die Agenda der Städte und Kommunen gesetzt wurde, thematisiert – hier der Beitrag:
In vielen Städten gingen in den vergangenen Wochen die Lichter aus – Deutschland muss Energie sparen. Umweltschützer erkennen in der Krise auch eine Chance für Nachhaltigkeit und Artenschutz.
Seit dem 9. August gilt für Mainz ein Energieplan, wonach 15 Prozent Gas eingespart werden sollen. Beleuchtung, die der Verkehrssicherheit dient, ist dagegen nicht ausgeschaltet.
„Weniger Helligkeit in der Nacht hat weitreichende Folgen für die Tierwelt. Sehr viele Arten leiden unter einer zunehmenden Lichtverschmutzung. Es ist einfach zu hell“, sagt Rainer Michalski. Er arbeitet für den Naturschutzbund (NABU) Rheinhessen. „Der Energiesparplan ist eine Chance, das ökologische Gleichgewicht in der Nacht wieder etwas besser ins Lot zu bekommen.“
„Eine Hauptursache des Artensterbens“
Tiere hätten sich über viele Millionen Jahre nur an Mond und Sternen orientiert, so Michalski. Seit gut einhundert Jahren werde die Nacht durch die Industrialisierung und die Technik aber immer heller. Das habe weitreichende Folgen für die Tierwelt. „Viele Insekten fliegen Lichtquellen an und kommen aus diesem hellen Kegel nicht mehr heraus. Sie sind regelrecht gefangen und verenden dann dort“, erklärt Michalski.
Dabei seien gerade Insekten regelrechte „Dienstleister für die Natur“ und damit sehr wichtig für die Pflanzen- und Tierwelt – als Nahrung oder beim Bestäuben von Blüten. „Lichtverschmutzung ist wahrscheinlich eine Hauptursache des Artensterbens.“
Kann aber das teilweise Abschalten von Licht in der Stadt wirklich einen Effekt auf die Tierwelt im Allgemeinen haben? „Auf jeden Fall“, sagt Michalski. „Insekten werden auch von Lichtquellen aus großer Distanz angezogen. Das gilt etwa für verschiedene Nachtfalter, aber auch Zugvögel sind beispielsweise betroffen. Sie orientieren sich dann an erleuchteten Hochhäusern, fliegen dagegen, stürzen ab und sterben.“
Das Problem immer hellerer Städte habe in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, so Michalski. Der Grund sei die energiearme LED-Lampe. „Der Verbrauch ist sehr gering. Daher wurden mehr Lampen mit LED verwendet, was die Lichtmenge deutlich gesteigert hat. Immer mehr wird angestrahlt und ausgeleuchtet“, klagt der NABU-Experte.
Studie: Auch Deutschland immer heller
„Europa ist jahrzehntelang immer heller geworden“, bestätigt Christopher Kyba. Er forscht am deutschen Geoforschungszentrum Potsdam und an der Bochumer Ruhr-Universität rund um das Thema Licht. „Seit dem zweiten Weltkrieg hat es bis auf wenige Ausnahmen bis 2017 einen konstanten Zuwachs der Lichtmenge in der Nacht gegeben.“ Das belegt eine internationale Studie unter der Leitung Kybas.
„Europa ist jahrzehntelang immer heller geworden“, bestätigt Christopher Kyba. Er forscht am deutschen Geoforschungszentrum Potsdam und an der Bochumer Ruhr-Universität rund um das Thema Licht. „Seit dem zweiten Weltkrieg hat es bis auf wenige Ausnahmen bis 2017 einen konstanten Zuwachs der Lichtmenge in der Nacht gegeben.“ Das belegt eine internationale Studie unter der Leitung Kybas.
Die Zunahme der nächtlichen Beleuchtung in weiten Teilen Deutschlands erklärt auch Christopher Kyba vor allem mit der LED-Lampe. „Die langfristige Entwicklung ging über die Kerze, dann die Gaslaterne, Glühbirne und jetzt das LED. Licht wurde immer effizienter, immer heller und immer günstiger.“
„Muss dann noch das Werbebanner leuchten?“
Jetzt aber fingen immer mehr Menschen an, immer mehr Licht in der Nacht zu hinterfragen. „In deutschen Städten ist ab 23 Uhr nichts mehr los. Muss dann noch das Werbebanner leuchten? Zudem sollten Restaurants oder Tankstellen nur noch erleuchtet sein, wenn sie noch geöffnet haben“, so Kyba. Im internationalen Vergleich stehe Deutschland aber relativ gut da. Spanien etwa sei deutlich heller als die Bundesrepublik. Auch in den USA gebe es viel mehr künstliche Helligkeit in der Nacht. Dennoch gebe es auch hierzulande noch viel Einsparpotential.
Deshalb hat der Forscher mit seinem Team eine App namens Nachtlicht-Bühne entwickelt, mit der Freiwillige die Lichtquellen in ihrer Umgebung erfassen. Die Daten wertet Kyba für seine Forschung aus. „Wir wissen zwar mittels Satellitenbilder, wo es besonders hell ist. Aber wir wissen nicht, was das für Lichtquellen sind. Die Informationen aus der App können uns bei der Lichtverschmutzung weiterhelfen.“
Erste Nachtschutzbeauftragte Deutschlands
In Fulda und in der Rhön ist Sabine Frank am frühen Abend unterwegs. Sie ist seit 2014 Nachtschutzbeauftragte des Landkreises und damit die erste und bislang auch einzige bundesweit. Sie trifft sich mit Freiwilligen aus Fulda und will Lichtquellen in Fulda mittels der App des Geoforschungszentrums erfassen. „Alles leuchtet inzwischen. Früher war es nur die Straßenbeleuchtung. Jetzt geht es immer ins Private: Vom Klingelschild über den Schuh bis zum Garten. Das ist eine Entfremdung von natürlichen Gegebenheiten der Umwelt.“
Sabine Frank berät Bürger, Betriebe und Gemeinden, wie Lichtverschmutzung vermieden werden kann. Inzwischen häufen sich auch die bundesweiten Anfragen bei ihr. Demnächst hat sie einen Termin beim Deutschen Fußball-Bund. Es gehe um Flutlicht, erzählt sie. „Als ich vor acht Jahren anfing, dachten viele zunächst, es ginge um Luftverschmutzung. Heute kennen fast alle das Thema.“
Aus ihrer Sicht hat sich inzwischen auch gesetzlich einiges getan. Das neue Bundesnaturschutzgesetz nennt erstmals den Begriff „Lichtverschmutzung“ und sieht einen Zusammenhang mit dem Rückgang der Artenvielfalt. Auch Landesnaturschutzgesetze wurden entsprechend geändert - in Bayern und Baden-Württemberg.
Einfache Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung
In Mainz hat auch Rainer Michalski gemerkt, dass das Thema inzwischen in einer breiten Öffentlichkeit angekommen ist – spätestens mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine und der Notwendigkeit, Energie zu sparen.
Der NABU-Experte hat einen einfachen Tipp gegen Lichtverschmutzung und für mehr Tierschutz: „Eine naturfreundliche Beleuchtung ist nötig. Künstliches Licht in der Nacht sollte einen geringen Blauanteil haben. Genau das lockt viele Insekten an. Besser sind warmweiße Lampen. Entscheidend ist aber die Frage, wo brauchen wir Licht wirklich und wo nicht?“
Zum eingangs angeführten Goethe-Zitat:
Goethe rief Friedrich zu: ,Mach doch den Fensterladen im Schlafgemach auf, damit mehr Licht hereinkomme. ‚ Dies waren seine letzten vernehmlichen Worte.
Ganz gewitzte Interpreten – sie waren beim Tod des Dichters nicht dabei – haben gemutmaßt, dass Goethes letzte Worte in seiner Frankfurter Mundart gesprochen wurden. Dann rief er nicht nach mehr Licht sondern formulierte eine Binsenweisheit, etwa: „Mer liecht … hier so unbequem“. Und das wäre für Freunde letzter Worte wahrlich sehr enttäuschend. (Quelle: goethe-live.de)