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Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Wahltag ist Qualtag

Heute ist also Wahltag. Zum 18. Mal wird der deutsche Bundestag gewählt. Über 60 Millionen wahlberechtigte Deutsche entscheiden bei Bundestagswahlen, wer sie in den nächsten vier Jahren regiert. An diesem Tag wird das Volk zum Souverän. Na ja, so souverän kommt sich wohl keiner vor. Und so eine Wahl wird schnell zur Qual. So quält man sich aus dem Bett, sucht gequält nach seiner Wahlbenachrichtigung, die natürlich wieder irgendwo von kleinen Wichteln verlegt wurde. Dann quält man sich in sein Wahllokal. Und mit gequältem Gesicht sieht man nur noch, wie der Stimmzettel vor den Augen zu verschwimmen beginnt, bevor man seine Kreuzchen gemacht hat …

Und die eigentliche Qual ist die Wahl … – Dann quält Euch mal schön, damit ihr nicht in den nächsten vier Jahren gequält werdet.

    Heute ist Wa(h)ltag ….!

Okay, das ist ein Kalauer …

Wahlkrampf 2013 – letzter Akt

Ich weiß, für CDU-Hörige und Verfechter des Neo-Liberalismus (FDP) bin ich nur ein dreckiger Linker („rote Sau“, obwohl Eber richtig wäre), ein „pädophiler“ Grüner (wer seine in der Vergangenheit geäußerten propädophilen Ansichten bedauert ist mir lieber als ein pädophil Handelnder) oder chaotischer Pirat. Unbelehrbare kann und will ich nicht ansprechen.

Wenn ich nur den oder die eine(n) oder andere(n) Unentschlossene(n) erreiche, dann habe ich mein Ziel erreicht. Ich weiß zudem, dass die Aussichten, Merkel durch Steinbrück ersetzt zu sehen, Friedrich, de Maizière, Rösler, Westerwelle usw. durch Gabriel, Steinmeier, Trittin u.a., auch keinen wirklich glücklich machen lässt. Alle Politiker sind „Pappkameraden“, die man noch nicht einmal zum Nachbarn haben möchte.

Was bleibt, ist die Wahl des kleineren Übels. Was das kleine Übel ist, lässt sich für viele auch nicht so ohne Weiteres ausmachen. Vielleicht hilft da ein Blick zurück auf vier Jahre schwarz-gelbe Koalition. Gern vergisst der Mensch das Schlechte und erinnert sich lieber an das Gute. Deshalb muss man dem Gedächtnis vielleicht etwas nachhelfen, was ich hiermit tue:

Danke #CDU für die unvergesslichen letzten 4 Jahre.

Dass Herr Rösler mitsamt seinem neo-liberalem Schwund (und Herrn Altmeiers Hilfe) in Energiefragen die Industrie begünstigt und damit die Energiewende unterminiert, dürfte hinlänglich bekannt sein:

Wer am Sonntag nicht wählen geht, wird in den nächsten vier Jahren nicht meckern dürfen. Noch ist die Wahl nicht entschieden. Trends, Prognosen sind dazu da, widerlegt zu werden. Natürlich fürchte ich immer das Schlimmste („Schlimmer geht immer!“). Aber manchmal kommt alles anders, als man zuvor dachte. Auf, auf …

Wählen oder nicht wählen?

Fast wäre ich von der Couch gefallen: Am Wochenende sah ich Herrn Grosse-Brömer (CDU), den Bundestagsabgeordneten meines Wahlkreises Harburg, in den Heute-Nachrichten des ZDF, wie er sich dort über den „Stinkefinger“ von Herrn Peer Steinbrück mokierte. Ich würde Herrn Grosse-Brömer öfter im Fernsehen sehen und wie er sich dort über wichtigere Themen auslässt. Er ist u.a. Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremium. Mitglieder dieses Gremiums sind berechtigt, jede Dienststelle der deutschen Nachrichtendienste Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz sowie des Militärischen Abschirmdienstes zu betreten und Akteneinsicht zu fordern. Mit Blick auf die Ausspähaffäre gäbe es da sicherlich genügend Handlungsbedarf. Aber wo beginnen, welche Fragen stellen, wenn man als ehemaliger Rechtsanwalt und Notar offensichtlich keine Ahnung von der Materie hat. Nicht nur ich denke, dass das Kontrollgremium bei der Späh-Affäre versagt hat.

Am Sonntag sind Bundestagswahlen (BTW). Und viele Wahlberechtigte haben sich entschieden, NICHT wählen zu gehen, eine bei vielen bewusste Entscheidung, die ich immer besser nachvollziehen kann, hat man – ich weiß, ich wiederhole mich – die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Merkel und Steinbrück. Im Oktober letzten Jahres fragte ich mich bereits, ob Steinbrück die richtige Wahl ist. Okay, er hatte seine Nebeneinkünfte offen gelegt. Dafür trat er aber von einem Fettnäpfchen ins andere – zuletzt sein „Stinkefinger“, sodass ihn natürlich die Konkurrenz (siehe Grosse-Brömer) die Kanzlerfähigkeit abzusprechen meinte. Irgendwie erscheint mir Herr Steinbrück gerade wegen mancher verkokster Sprüche und Gesten ehrlicher zu sein als unsere Kanzlerin, die mit ihrem Ottilie Normalverbraucher-Image immer noch bestens in der Gunst der Bürger dasteht (Warum eigentlich? Fragt sich inzwischen auch Frau Gesine Schwan: „Wenn der Habitus so wirkt, als wäre sie harmlos, freundlich, eine unserer Nachbarinnen, ohne irgendwelche politische Korruptionen, ohne Machogehabe, dann überträgt sich das, was eigentlich politisches Vertrauen sein müsste, auf die Person.“). So setzt die CDU natürlich auf die Person Merkel, denn ginge es um Sachthemen, dann hätte sie Probleme, diese den Bürgern verständlich zu machen.

    Merkel versus Steinbrück: Wahl zwischen Pest und Cholera

Zurück zu den NICHTwählern: Bis zu 15 Prozent der Nichtwähler sind systemkritisch. Die Partei der Nichtwähler (letzte BTW 2009) stellte immerhin 29,2 % und damit die stärkste „Fraktion“ (rechnerisch hätten CDU/CSU statt 33,8 % der gültig abgegebenen Stimmen nur 23,9 % aller Wahlberechtigten). Fast jeder dritte Bürger geht also nicht wählen. Für einen Großteil ist es völlig egal, wer regiert. Und die Unterschiede besonders zwischen den großen Parteien erscheinen marginal.

Zudem sieht es so aus, als würde nicht die Politik über unsere Zukunft entscheiden, sondern andere, z.B. die Industrie, die Banken oder Geheimdienste, die sich offensichtlich verselbständigt haben und so etwas wie einen Staat im Staate bilden. Diese Ansicht hat ihre volle Berechtigung, wenn man sieht wie z.B. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) den großen Energiekonzernen und der Industrie Subventionen in Milliardenhöhe gewährt, während Privathaushalte und der Mittelstand die Rechnung begleichen.

Aber gerade weil die jetzige schwarz-gelbe Koalition dermaßen am Nabel der Wirtschaft hängt, muss man versuchen, dem entgegenzuwirken, und wenn es auch nur dadurch sei, dass man das kleinere Übel wählt. NICHTwähler verzichten auf ihren Einfluss etwas gegen eine Politik zu tun, die sie nicht haben wollen.


Zeig’s ihnen, kreuzweise

Ich empfehle daher, notfalls auf die Erststimme zu verzichten. Die kommt in fast allen Fällen nur den großen Parteien zugute und wirkt sich am Ende höchstens in so genannten Überhangmandaten aus, die wirklich nicht gebraucht werden. Wer schon nicht Pest oder Cholera wählen möchte, sollte auf jeden Fall eine der kleinen Parteien wählen, evtl. sogar Parteien, die den Prognosen zufolge keine Chance haben, die 5 %-Hürde zu nehmen (man stelle sich einmal vor, alle Nichtwähler gingen wählen und wählten z.B. „die Partei“ des Herrn Sonneborn).

Ein gutes Argument haben allerdings NICHTwähler: Wer nicht zur Wahl geht, erspart dem Steuerzahler Geld, die ansonsten für seine Stimme als Wahlkampfkostenerstattung an die gewählte Partei geht.

Der Kühlschrank des Todes: Psycho hoch drei

Es ist noch nicht so lange her, da sah ich die Filmbiografie Hitchcock von Sacha Gervasi aus dem Jahr 2012. Das Drehbuch basiert auf der Biografie „Alfred Hitchcock and the Making of Psycho“ von Stephen Rebello. Der Film spielt während der Entstehung des Filmes Psycho.

Alfred Hitchcock, der geniale Regisseur unzähliger Meisterwerke, gelang es nicht nur, nervenzerreißende Spannung zu erzeugen, er hatte auch einen Sinn für schwarzen Humor. Da hat seine Frau, langzeitige Mitarbeiterin des Regisseurs, gut lachen. Okay, der Kopf ist nur aus Wachs.

    Kühlschrank des Todes: Alfred Hitchcock und Frau Alma Reville

Psycho (1960) ist wohl Hitchcocks bekanntester Film: Die in einer Woche Dreharbeit entstandene „Duschszene“ zählt heute zu seinen meistanalysierten Filmszenen. Ungewöhnlich war auch der Tod einer Hauptfigur nach nur einem Drittel des Films. Die zeitgenössischen Kritiken fielen unerwartet barsch aus, doch das Publikum machte „Psycho“ zu Hitchcocks größtem kommerziellen Erfolg. Bekannt wurde Anthony Perkins in der Rolle des Psychopathen Norman Bates.

Seit letzter Woche läuft auf dem Bezahlfernsehsender Universal Channel die deutschsprachige Erstausstrahlung der TV-Serie Bates Motel. Die Serie erzählt die Vorgeschichte zu Psycho Jedoch spielt die Serie in der heutigen Zeit. Optisch orientiert sich die Charakterzeichnung an der Filmvorlage. Freddie Highmore, der Hauptdarsteller, weist viel Ähnlichkeiten zu Anthony Perkins auf, der in der Verfilmung des Romans die gleiche Rolle verkörperte. Auch ähneln das Haus und das Motel äußerlich stark den Motiven des Filmes von Alfred Hitchcock.


Ich habe die ersten zwei Folgen gesehen. Sicherlich müht man sich hier aufzuzeigen, wie aus Norman Bates der Jugendzeit jener psychopathische Serienmörder wird. Aber wie Serien so sind, besonders US-amerikanische – man verhaspelt sich in Nebengeschichtchen, baut am Schluss einer Folge künstlich Spannung auf, die sich dann in der nächsten Folge meist nur als heiße Luft entpuppt.

Da ich mich nun einmal auf einem kurzen ‚Psycho’-Trip befinde, so habe ich mir auch American Psycho, die filmische Adaption des gleichnamigen Buches von Bret Easton Ellis, im Original angeschaut. Premiere hatte der Film im Jahr 2000 auf dem Sundance Film Festival. In den Hauptrolle ist Christian Bale als Patrick Bateman zu sehen.

Der Film schildert das Leben des New Yorker Investmentbankers Patrick Bateman in den 80er Jahren. Sein Leben ist bestimmt von Äußerlichkeiten und dem Wunsch nach Zugehörigkeit zur Elite dieser Zeit. In den Nächten wird Bateman von einer Gier nach Blut und Gewalt zu einem immer exzessiveren Lebenswandel getrieben. Er tötet wahllos Obdachlose und Prostituierte, welche er zu sich nach Hause mitnimmt.

Um es gleich zu sagen: „Bateman ist kein Norman Bates der 80er Jahre – eher eine comichafte, emotionslose, aber eben auch allzu ernste und daher kaum ernst zu nehmende Karikatur auf einen Wallstreet-Yuppie“ (Quelle: filmstarts.de), dessen wirkliche Mentalität uns auch nach diesem Film unergründlich bleiben wird. Und am Ende stellt sich der Zuschauer die Frage, ob die Gewaltexzesse tatsächlich oder nur in Batemans Kopf stattgefunden haben.

Patrick Batemans Kühlschrank erweist sich übrigens auch als Frischhaltebehältnis für menschliche Körperteile – dem Haupt eines seiner Opfer:

    Kühlschrank des Todes: American Psycho

Ach ja, und wer es wirklich nicht wissen sollte: Unter der Regie von Christopher Nolan wurde aus Christian Bale als Bateman fünf Jahre später Batman.

Mein Bedarf an US-amerikanische Psychopathen ist damit erst einmal gedeckt. Bei Twitter gibt es überdies eine selbsternannte deutsche, plauschige Ausgabe des American Psycho – German Psycho genannt (nebenbei mit einem eigenen Blog).

Das Generationsmanifest: Die Welt von morgen …

Das #Generationenmanifest: Es wird Zeit, die Welt von morgen aus der Sicht unserer Kinder zu sehen und zu gestalten.

Das Generationen-Manifest stellt zehn Warnungen und zehn Forderungen an die Politik. Damit wir unseren Kindern die gleichen Chancen und Hoffnungen für die Zukunft versprechen können, die wir selber hatten.

Nach der Wahl am 22. September 2013 wird jeder Partei des deutschen Bundestags das Manifest als Grundlage ihres Handelns überreicht. Ihre Stimme ist die Legitimation des Generationen-Manifests gegenüber den gewählten Volksvertretern. Wir wollen vor der Wahl wissen, wofür die Politiker stehen, die wir wählen sollen. Unterzeichen Sie jetzt!

Das #Generationenmanifest: Es wird Zeit, die Welt von morgen aus der Sicht unserer Kinder zu sehen und zu gestalten

Im Interesse zukünftiger Generationen und des sozialen und ökologischen Gleichgewichts:

Nr. 1
Der Klimawandel, die größte Bedrohung, die wir Menschen jemals erlebt haben, wird von der Bundesregierung und allen Parteien nicht mit höchster Priorität bekämpft. Sie setzen damit das Leben und das Wohlergehen zukünftiger Generationen aufs Spiel.

Nr. 2
Die Energiewende, das bedeutendste Projekt unserer Generation, wird von den politischen Entscheidungsträgern halbherzig und inkonsequent umgesetzt. Wir werden sie haftbar machen, wenn sie die Chancen dieses Zukunftsprojektes aufgrund parteipolitischer Machtspiele fahrlässig gefährden.

Nr. 3
Die Regierenden regieren an uns Bürgern vorbei. Sie verschanzen sich in ihren Elfenbeintürmen, ohne zu erklären, welche Konsequenzen sich aus weitreichenden politischen Entscheidungen (z.B. Energiewende und Eurokrise) für unser Leben und das Leben unserer Kinder ergeben werden.

Nr. 4
Die Politik der Gegenwart lädt riesige Schuldenberge auf die Schultern unserer Kinder und Enkel. Selbst in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen wird das Staatsdefizit weiter erhöht statt abgebaut und damit der Handlungsspielraum der nächsten Generationen dramatisch beschnitten.

Nr. 5
Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Die Regierenden lassen sich von der Finanzindustrie vorführen und missachten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger.

Nr. 6
Politikerinnen und Politiker spalten durch ihre Tatenlosigkeit die Gesellschaft. Sie haben in den letzten Jahren das Auseinanderdriften von Arm und Reich gesehen und billigend in Kauf genommen.

Nr. 7
Wir mehren unseren Wohlstand auf Kosten der Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen für uns arbeiten. Es ist eine Schande, dass wir mit Übergewicht und Überfluss kämpfen, während im Rest der Welt Millionen Menschen nicht einmal das Nötigste zum Leben haben.

Nr. 8
Unser Bildungssystem versagt kläglich angesichts der Herausforderungen, die die Zukunft an uns stellt. Alle Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wissen, dass unser Bildungssystem ungerecht und undurchlässig ist und die Lerninhalte unsere Kinder nicht auf zukünftige Anforderungen vorbereiten. Aber es mangelt an Mut zur radikalen Veränderung.

Nr. 9
Die nachhaltige Modernisierung der Wirtschaft wird in Sonntagsreden eingefordert, aber durch falsche Rahmenbedingungen verspielt. Solange Subventionen in überholte statt in zukunftsweisende Industrien und Technologien gelenkt werden, verschenken wir die Chancen, die sich Deutschland als internationalem Pionier eines grünen oder blauen Wirtschaftswandels bieten.

Nr. 10
Der Generationenvertrag wurde einseitig aufgekündigt. Die Generation der Eltern und Großeltern betreibt fahrlässige Besitzstandswahrung auf Kosten ihrer Kinder und Enkel.

+++ Wir fordern +++
Mut, Ehrlichkeit und generationengerechtes Handeln.

Nr. 1
Die Bekämpfung des Klimawandels muss als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen werden. Ein zu Beginn der neuen Legislaturperiode verabschiedetes Klimaschutzgesetz muss die Grundlage dafür bieten. Wenn Europa und Deutschland beim Klimaschutz und bei der Markteinführung von Klimaschutztechniken vorangehen, werden andere – schon aus Wettbewerbsgründen – folgen. Denn Klimaschutz ist ein Gewinn für uns alle und keine Zumutung von Lasten.

Nr. 2
Die Energiewende muss aktiv vorangetrieben werden, und zwar sowohl als “grüne” Energieerzeugungs-, als auch als Energiesparwende. Durch Innovationen bei der Energieeffizienz und die Fokussierung auf Energieeinsparpotenziale in Unternehmen und Privathaushalten kann die Energiewende zu vertretbaren Kosten für alle Beteiligten gelingen. Mit der Energiewende sind wirtschaftlich große Chancen verbunden, nicht nur für unser Land, sondern auch für Europa und für die Welt. Die heutige Generation ist in der Pflicht, eine sichere Energiebasis für kommende Generationen zu schaffen.

Nr. 3
Wir fordern unser Recht auf Beteiligung und Mitsprache ein.
Wir Bürgerinnen und Bürger wollen uns aktiver an Entscheidungsprozessen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beteiligen. Wenn Politik Demokratie nicht gefährden will, muss sie wieder begründen und vermitteln, was sie tut und warum. Wir fordern unsere Politiker auf, ihre Elfenbeintürme zu verlassen, den ernstgemeinten Diskurs mit dem Bürger zu suchen und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. Die Wähler müssen wissen, was sie wählen und sich auf Politiker verlassen können.

Nr. 4
Wir fordern die Regierung dazu auf, die Staatsfinanzen so zu sanieren, dass die Verschuldung zurückgeführt und neue Prioritäten für eine zukunftsgerechtere und nachhaltigere Ausgabengestaltung gesetzt werden können. Ziel ist es, die Zinslasten für den Staatshaushalt zu senken und dadurch öffentlichen Gestaltungsspielraum für nachhaltige Zukunftsinvestitionen zurückzugewinnen. Denn nur ein finanziell potenter Staat kann Sicherheit, Bildung, Kultur, Forschung und Entwicklung, soziale Absicherung und andere öffentliche Güter für alle Bürger sicherstellen.

Nr. 5
Wir fordern eine Reform und strikte Regulierung der privaten Finanzwirtschaft. Banken sind Diener der Wirtschaft und der Bürger, nicht ihre Herrscher. “Systemrelevante” Banken nehmen eine ganze Gesellschaft in Geiselhaft. Deshalb ist die Begrenzung von Bankenmacht unabdingbar. Das Verursacherprinzip muss auch im Finanzsektor zur Geltung gelangen: Die Folgekosten der Finanzkrisen müssen diejenigen tragen, die mit unkalkulierbaren Risiken hohe Gewinne erzielen. Als Bankkunden fordern wir vollständige Transparenz über die Verwendung anvertrauter Gelder und eine krisensichere Vielfalt von Banken.

Nr. 6
Wir fordern soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Von Politik und Wirtschaft müssen wir energisch verlangen, dass Armut und mangelnde Chancengleichheit überwunden werden. Notwendig ist ein Sofortprogramm, um das wachsende Auseinanderdriften von Arm und Reich zu stoppen. Die Teilhabe am privaten Wohlstand und öffentlichen Gütern muss gesichert und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Eine wirkungsvolle Lohnuntergrenze wäre ein wesentlicher Schutzwall gegen den sozialen Absturz. Für uns ist es selbstverständlich, dass Besserverdienende und Vermögende einen größeren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten. All das gelingt nur mit einer gerechteren Finanzpolitik, die auch die Ausgabenseite auf den Prüfstand stellt.

Nr. 7
Wir fordern ernsthafte Anstrengungen zur Bekämpfung von Hunger, Armut und Unterentwicklung in der Welt. Notwendig dafür ist ein Sofortmaßnahmenpaket zur Umsetzung der Milleniumsentwicklungsziele. Multinationale Unternehmen müssen gesetzlich verpflichtet werden, die Sozial- und Menschenrechte der Beschäftigten in ihren Betrieben und Zulieferbetrieben zu schützen und zur Hebung ihres Lebensstandards auf ein überlebensfähiges Niveau beizutragen.

Nr. 8
Wir fordern eine nachhaltige Entwicklung unserer Wirtschaft. Notwendig dafür sind verlässliche politische Rahmenbedingungen, verbindliche Leitziele und Preise, die die ökologische und soziale Wahrheit sagen, faire Wettbewerbsregeln und der Abbau umweltschädlicher Subventionen. Mit dem nachhaltigen Umbau unseres Wirtschaftssystems sind große Chancen für den Standort Deutschland verbunden, weil umweltfreundliche Technologien und Produkte in Zukunft ein Wettbewerbsvorteil und Exportschlager sein werden.

Nr. 9
Wir fordern eine umfassende bundeseinheitliche Reform des Schul- und Ausbildungssystems, denn Bildung ist die effektivste, sozialste und wirtschaftlichste Form der Zukunftssicherung und der Treibstoff unserer Gesellschaft. Sie ist Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und schafft das Innovationspotenzial für unser Land. Alle jungen Menschen müssen unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern gleiche Zugangs- und Aufstiegschancen im Bildungssystem erhalten. Lehrpläne, Unterrichtsformen und Notensysteme der Vergangenheit müssen überprüft und so gestaltet werden, dass die Lust am Lernen, die Leistungsbereitschaft und die Talente von Jugendlichen in ihrer Vielfalt gefördert werden und ihr Selbstbewusstsein gestärkt wird. Schule muss ein Ort der Begeisterung, der Stärkung des Selbstbewusstseins, der Entfaltung individueller Potentiale werden und auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Denn die werden gewaltig sein.

Nr. 10
Wir fordern einen neuen fairen Generationenvertrag, der seinen Namen verdient. Wenn unsere Kinder mindestens die Chancen auf ein Leben haben sollen, wie es unsere Generation hatte, dann müssen wir den Raubbau an der Natur und die Ausgrenzung der Talente und der kulturellen Vielfalt von Menschen beenden. Wir brauchen neue Visionen und Debatten über eine Zukunft des guten Lebens. Wir wollen unseren Kindern eine Gesellschaft weitergeben, die es ihnen erlaubt und sie befähigt, ihre Träume zu verwirklichen. Denn unsere Kinder haben gerade auch in Zeiten des demographischen Wandels ein Anrecht auf ein chancenreiches Leben.

Wir fordern eine Strategie des Wandels für Deutschland, Europa und die Welt. Zukunftsfähigkeit erfordert mehr als ein paar kosmetische Korrekturen. Und sie braucht den Schulterschluss mit den Schwellen- und Entwicklungsländern, die aufgrund ihrer dynamischen Entwicklung eine besondere Bedeutung für alle Themen der Nachhaltigkeit haben. Wir müssen mit langem Atem und konsequent auf eine ökologisch und sozial gerechtere Gesellschaft hinarbeiten. Wir fordern alle Politiker auf, sich in ihren Entscheidungen nicht abhängig von kurzzeitigen Wahlprognosen, Machtverschiebungen oder Lobbyinteressen zu machen. Wir fordern sie auf, ihre Kraft uneingeschränkt dem Wohle der heutigen und zukünftigen Generationen zu widmen, ihren Nutzen zu mehren und Schaden von ihnen abzuwenden.

Quelle u.a. change.org

Warum der Ausgang der Bundestagswahl über den Erfolg der Energiewende entscheidet

Am nächsten Sonntag sind Bundestagswahlen. Es wird dabei nicht nur über Parteien abgestimmt, sondern über wichtige Entscheidungen, die unsere aller Zukunft betreffen. Es geht dabei auch um die Energiewende und um die Zukunft mit erneuerbaren Energien.

Zukunft mit erneuerbaren Energien

Die schwarz-gelbe Koalition wollte die Öffentlichkeit in Bezug auf die Energiewende in die Irre führen – mit Behauptungen, dass der Ausbau der Erneuerbaren der einzige Treiber der Strompreise ist. Tatsächlich liegt der aktuelle Anstieg jedoch vor allem an den großzügigen Ermäßigungen der Regierung für die Industrie. Avaaz veröffentlichte einen neuen Bericht, um die Wahrheit aufzudecken.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) haben die Leitung einer politischen Strategie übernommen, die großen Energiekonzernen und der Industrie Subventionen in Milliardenhöhe gewährt, während Privathaushalte und der Mittelstand die Rechnung begleichen. Der Durchschnittshaushalt zahlt jährlich 70€ an Subventionen an die Industrie. Unterdessen haben sich die Stromkosten für Verbraucher seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Die Großhandelspreise für Strom sinken, doch Energiekonzerne leiten die Preissenkungen nicht weiter — und kassieren stattdessen ab.

Darüber hinaus hat die Regierung versucht, uns davon zu überzeugen, dass die Energiewende für eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie verantwortlich ist. Der Bericht widerlegt jedoch diese Aussagen und erklärt, dass eine frühe Einführung erneuerbarer Energieträger in Deutschland dem Land einen Wettbewerbsvorteil bietet.

Energiewende oder Energiewendeende?

Vor zwei Jahren hat die schwarz-gelbe Bundesregierung den weltweit ehrgeizigsten Plan zur Transformation des Energiesystems eines Industrielandes angekündigt. Ziel war es, Deutschlands Energiewirtschaft schnell von zentralen Kohle- und Atomkraftwerken auf dezentrale Erneuerbare Energieträger umzustellen. Gleichzeitig sollte die Energieeffizienz bei der Produktion und Nutzung von Energie steigen. Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energieträgern hat sich in Deutschland innerhalb von zwanzig Jahren versechsfacht. Der Plan wird von einer überwältigenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger begrüßt. In diesem Sommer 2013 erklärten bei einer Umfrage vier von fünf Befragten ihre Unterstützung für die Energiewende. Doch nur zwei Jahre nach dem Start der auf 40 Jahre angelegten Transformation des Energiesystems, steht die Energiewende unter dem Dauerbeschuss der traditionellen Wirtschaft und von Politikern, insbesondere des Regierungslagers. Ihr Ziel ist es die Zustimmung zur Energiewende zu diskreditieren, die Ziele der Energiewende zu relativieren, den Prozess zu verlangsamen und schließlich ganz zu stoppen.

Die wichtigsten Ergebnisse: Ein Plan zur Diskreditierung der Energiewende

1. Die Rolle der Bundesregierung
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat die Energiewende gestartet, aber es in der Folge versäumt, sie politisch zu steuern. Die Atomkatastrophe von Fukushima und die schon zuvor mehrheitlich atomkritische Haltung der Bevölkerung hat die Kehrtwende der Regierung erzwungen. Viele aus dem Regierungslager haben nicht aus innerer Überzeugung zugestimmt, sondern aus machttaktischen Motiven. Deshalb fehlt der politische Wille, die Energiewende mit aller Konsequenz umzusetzen. Die traditionelle Energiewirtschaft verliert mit hoher Geschwindigkeit Marktanteile an mittlerweile 1,4 Millionen zumeist kleine Erneuerbare-Energien-Kraftwerke und verschärft ihre Lobbyarbeit. Die produzierende Industrie streitet derweil gegen mehr Energieeffizienz in den Betrieben. Die Forderungen zur Abschaffung des Erneuerbare Energien Gesetzes, das den bisherigen Erfolg der Erneuerbaren Energien in Deutschland absichert, häufen sich. Die Analyse zeigt, dass selbst Regierungsmitglieder, allen voran Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU), den Ausbaustopp oder einen verlangsamten Zubau von Erneuerbaren Energien fordern. Dazu verunsichern sie die Bevölkerung mit nachweislich falschen Zahlen über die Kosten der Energiewende. Bisher jedoch ist der Versuch gescheitert, die hohe Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung zu überwinden.

2. Die Mär von der Deindustrialisierung Deutschlands
Die seit zwei Jahren vorgetragene Behauptung, der Wirtschaftsstandort Deutschland sei infolge der Energiewende bedroht und die „Deindustrialisierung“ des Landes habe bereits begonnen, steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu den volkswirtschaftlichen Realitäten. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, deren Wirtschaft trotz der anhaltenden internationalen Wirtschaftskrise wächst. 2012 erreichte der Außenhandelsüberschuss mit 188 Mrd. Euro den zweithöchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 1950. Das Problem Deutschlands ist keineswegs eine durch die Energiewende ausgelöste Wirtschaftskrise, sondern ganz im Gegenteil zunehmend die Kritik des Auslands am Ungleichgewicht seiner Handelsbilanz, das als mitverantwortlich wahrgenommen wird für die Verschuldung der Krisenländer, insbesondere in der EU.

3. Die Strompreislüge
Die Behauptung wegen der Energiewende explodierende Strompreise bedrohten Wohlstand und Wirtschaftskraft Deutschlands ist falsch. Sie ist Teil einer bewussten Angststrategie, mit dem Ziel die Akzeptanz der Energiewende zu erodieren. Die Stromrechnung aller privaten und gewerblichen Stromverbraucher zusammengerechnet liegt heute – bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt – nicht höher als vor 20 Jahren. Die Strompreise der Industrie sinken seit den Energiewendebeschlüssen vor zwei Jahren kontinuierlich. Immer mehr energieintensive Unternehmen profitieren von Milliardensubventionen, für die die privaten Haushalte, Teile des Mittelstands und die Steuerzahler aufkommen müssen. Deren Strompreise haben sich seit der Jahrtausendwende nicht zuletzt wegen der Milliardenentlastungen der Industrie verdoppelt. Dieser Strompreisanstieg spiegelt immer weniger die Kosten der Energiewende wieder, sondern hat andere Ursachen. Er steigt zum Beispiel auch wegen des paradoxen Effekts, dass sich die EEGUmlage, die die kleinen Stromverbraucher zahlen müssen, erhöht, wenn der Börsenpreis sinkt. Davon profitieren wiederum die Stromversorger, die ihre sinkenden Einkaufspreise für Strom nicht an ihre Kunden weitergeben und immer noch Milliardengewinne machen. Nur noch 13 Prozent des für 2014 erwarteten weiteren Anstiegs der EEG-Umlage stammen aus der direkten Förderung neuer Solar-, Wind- und Bioenergieanlagen

4. Falsche Alternativen
Die Behauptung, die Energiewende sei unter anderen Rahmenbedingungen günstiger zu haben, ist nirgendwo belegt – auch nicht in Schweden. Das Quotensystem – zuletzt zum wiederholten Mal vorgeschlagen von der Monopolkommission der Bundesregierung – hat sich im Ausland als untauglich erwiesen, ehrgeizige Ausbauziele zu optimierten Kosten und in kurzer Zeit zu erreichen. In Deutschland würde die Quote die Energiewende verteuern und als Innovationsbremse wirken. Das schwedische Beispiel – ein Land mit 38% Atomstrom, 42% Wasserkraft, einem hohen Angebot an Biomasse und vielen guten Onshore-Windstandorten – ist nicht auf Deutschland übertragbar. Es befördert einseitig die gerade günstigsten Technologien und verhindert den Aufbau der dringend benötigten Technologievielfalt, die gerade für das Exportland Deutschland unverzichtbar ist.

Empfehlungen: Eine Zukunft mit erneuerbaren Energien sichern
Anstatt die Energiewende zu untergraben, muss die Regierung dringend entschlossene Maßnahmen ergreifen, um deren erfolgreiche Umsetzung zu gewährleisten. Aus diesem Grund muss die zukünftige Bundesregierung:

· offensichtliche Fehlentwicklungen korrigieren – insbesondere die ausufernden Strompreisermäßigungen für die Großindustrie und die Überfrachtung der EEG-Umlage mit Kostenbestandteilen, die mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien nichts zu tun haben.

· dass EEG so reformieren, dass das „Primat der Investitionssicherheit“ gewahrt bleibt, das den Erfolg des EEG in der Vergangenheit bewirkt hat.

· Erneuerbare Energien so fördern, dass die von ihnen eingeforderte Übernahme von Verantwortung für die Systemsicherheit wirtschaftlich interessant wird und der Um- und Ausbau der Stromnetze auf das notwendige Maß begrenzt bleibt.

· Sich für ein wirksames EU-Emissionshandelssystem einsetzen, das Europa eine kohlenstoffärmere Stromerzeugung ermöglicht. Wenn eine Einigung auf EU-Ebene nicht möglich ist, muss Deutschland im Interesse des Klimaschutzes und der Umwelt auf nationaler Ebene die Produktion von immer mehr Kohlestrom eindämmen und den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue verhindern.

· die Dauerblockade bei der Energieeffizienz beenden und den Energiebedarf entsprechend drosseln

· die Bürgerenergie-Idee stärken und fördern, um die Energiewende insgesamt bürgernah und auch dezentral zu gestalten.

Quelle: avaaz.org

Heute Ruhetag (41): Oscar Wilde – Das Bildnis des Dorian Gray

Das Bildnis des Dorian Gray (Originaltitel: The Picture of Dorian Gray) ist der einzige Roman des irischen Schriftstellers Oscar Wilde, vollständiger Name: Oscar Fingal O‘ Flahertie Wills Wilde (* 16. Oktober 1854 in Dublin; † 30. November 1900 in Paris).

Die Hauptfigur, der reiche und schöne Dorian Gray, besitzt ein Porträt, das statt seiner altert und in das sich die Spuren seiner Sünden einschreiben. Während Gray immer maßloser und grausamer wird, bleibt sein Äußeres dennoch jung und makellos schön.

Der Roman gilt als Oscar Wildes Prosahauptwerk. Themen sind die Moralität von Sinnlichkeit und Hedonismus im Viktorianismus, die Dekadenz der englischen Oberschicht und der Ästhetizismus – eine literarische Strömung des Fin de siècle. Die Handlung sowie die eingearbeiteten Kunstbemerkungen lassen sich als Proklamation des Ästhetizismus lesen, doch ebenso als dessen Kritik.

Heute Ruhetag = Lesetag!

Starker Rosenduft durchströmte das Atelier, und als ein leichter Sommerwind die Bäume im Garten hin und her wiegte, kam durch die offene Tür der schwere Geruch des Flieders oder der feinere Duft des Rotdorns.

Von dem Perserdiwan, auf dem er lag und nach seiner Gewohnheit unzählige Zigaretten rauchte, konnte Lord Henry Wotton gerade die süßduftenden und honigfarbenen Blüten eines Goldregenstrauchs gewahren, dessen zitternde Zweige die Last einer so flammenden Schönheit kaum tragen zu können schienen; und hie und da flitzten die phantastischen Schatten vorbeifliegender Vögel über die langen bastseidenen Vorhänge des großen Fensters und brachten eine Art japanische Augenblickswirkung hervor, so daß ihm die blassen, nephritfarbenen Maler Tokios einfielen, die vermittelst einer Kunst, die nicht anders als unbeweglich sein kann, den Eindruck der Raschheit und Bewegung hervorzurufen suchen. Das summende Murren der Bienen, die in dem langen ungemähten Gras hin und her taumelten oder mit eintöniger Hartnäckigkeit die staubiggoldenen Blütentrichter des wuchernden Geißblatts umkreisten, schienen die Stille noch drückender zu machen. Das dumpfe Getöse Londons klang wie das Schnarrwerk einer entfernten Orgel.

In der Mitte des Gemaches stand auf einer hoch aufgerichteten Staffelei das lebensgroße Porträt eines ungewöhnlich schönen jungen Mannes, und ihm gegenüber, etwas entfernt davon, saß der Künstler, der es gemalt hatte, Basil Hallward, dessen plötzliches Verschwinden vor einigen Jahren das Publikum erregt und so viele seltsame Vermutungen erweckt hat.

Als der Maler auf die anmutige Gestalt blickte, die er so schön in seiner Kunst gespiegelt hatte, überflog ein Lächeln der Freude seine Züge und schien auf ihnen verweilen zu wollen. Aber er fuhr plötzlich auf, schloß die Augen und drückte die Lider mit den Fingern zu, wie wenn er einen absonderlichen Traum, dessen Erwachen er fürchtete, im Hirne gefangen halten wollte.

»Es ist deine beste Arbeit, Basil, das Beste, was du je gemacht hast,« sagte Lord Henry mit müder Stimme. »Du mußt es bestimmt nächstes Jahr ins Grosvenor schicken. Die Akademie-Ausstellung ist zu groß und zu gewöhnlich. Jedesmal, wenn ich hinging, waren entweder so viele Menschen da, daß ich die Bilder nicht sehen konnte, und das war schrecklich, oder so viele Bilder, daß ich die Menschen nicht sehen konnte, und das war noch schlimmer. Das Grosvenor ist wirklich der einzige Ort, der in Frage kommt.«

»Ich denke nicht daran, es überhaupt auszustellen,« antwortete der Maler und warf den Kopf in der besonderen Art zurück, über die seine Freunde in Oxford so oft gelacht hatten. »Nein, ich stelle es nirgends aus.«

[…]

The studio was filled with the rich odour of roses, and when the light summer wind stirred amidst the trees of the garden, there came through the open door the heavy scent of the lilac, or the more delicate perfume of the pink-flowering thorn.

From the corner of the divan of Persian saddlebags on which he was lying, smoking, as was his custom, innumerable cigarettes, Lord Henry Wotton could just catch the gleam of the honey-sweet and honey-coloured blossoms of a laburnum, whose tremulous branches seemed hardly able to bear the burden of a beauty so flame-like as theirs; and now and then the fantastic shadows of birds in flight flitted across the long tussore-silk curtains that were stretched in front of the huge window, producing a kind of momentary Japanese effect, and making him think of those pallid jade-faced painters of Tokio who, through the medium of an art that is necessarily immobile, seek to convey the sense of swiftness and motion. The sullen murmur of the bees shouldering their way through the long unmown grass, or circling with monotonous insistence round the dusty gilt horns of the straggling woodbine, seemed to make the stillness more oppressive. The dim roar of London was like the bourdon note of a distant organ.

In the centre of the room, clamped to an upright easel, stood the full-length portrait of a young man of extraordinary personal beauty, and in front of it, some little distance away, was sitting the artist himself, Basil Hallward, whose sudden disappearance some years ago caused, at the time, such public excitement, and gave rise to so many strange conjectures.

As the painter looked at the gracious and comely form he had so skilfully mirrored in his art, a smile of pleasure passed across his face, and seemed about to linger there. But he suddenly started up, and, closing his eyes, placed his fingers upon the lids, as though he sought to imprison within his brain some curious dream from which he feared he might awake.

„It is your best work, Basil, the best thing you have ever done,“ said Lord Henry, languidly. „You must certainly send it next year to the Grosvenor. The Academy is too large and too vulgar. Whenever I have gone there, there have been either so many people that I have not been able to see the pictures, which was dreadful, or so many pictures that I have not been able to see the people, which was worse. The Grosvenor is really the only place.“

„I don’t think I shall send it anywhere,“ he answered, tossing his head back in that odd way that used to make his friends laugh at him at Oxford. „No: I won’t send it anywhere.“

[…]

Oscar Wilde

Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray (Originalversion: The Picture of Dorian Gray)

Unworte

Natürlich ist es nicht allein ein Unding (sic!) der deutschen Sprache, Gegensätze, vor allem negative Entsprechungen zu etwas Bestimmten (Bildung einer Negation bei Substantiven und Adjektiven), mit einem Präfix, also einer Vorsilbe zu belegen, z.B. mit dem Derivatem un-. Offensichtlich mangelt es an eigenständigen Ausdrücken (Synonyme) oder diese sind nicht mehr geläufig. Sollte es ein Mangel sein, dann wundert mich das, es gibt doch Wortneuschöpfungen allerenden. Seltsamerweise haben sich aber auch Un-Wörter ‚eingeschlichen’, deren ‚positive’ Entsprechung verloren gegangen zu sein scheint. Die meisten Un-Wörter sind aber Begriffe, die nicht mehr das Gegenteil ausdrücken, sondern die sich gewissermaßen selbständig gemacht haben, die zwar die ‚Wurzel’ des eigentlichen Wortes dem Sinn nach noch in sich tragen, aber zu einer eigenen Bedeutung gelangt sind.

    Un-Wort: Unwort

Zum ersten: Un-Wörter bedeuten (in etwa) das Gegenteil von etwas, z.B. Unpünktlichkeit und Pünktlichkeit, Unmündigkeit und Mündigkeit, Unmoral und Moral bzw. Ungerechtigkeit im Gegensatz zu Gerechtigkeit. Wer kann aber ein Wort gleichen Bedeutungsumfangs nennen z.B. zu Ungerechtigkeit (um das Un-Wort aufzuheben): Gemeinheit oder Rechtswidrigkeit? Das lässt erkennen, dass das Wort Ungerechtigkeit unterschiedlich interpretierbar ist. Interessant ist das Begriffspaar Schuld und Unschuld. Hier liegt viel Potential zu einer philosophischen Betrachtung. Was mich hier nur interessiert ist ein Synonym zu Unschuld. Es könnte Schuldlosigkeit sein (damit wird aus dem Präfix un- nur das Suffix -los) oder Virginität, also Jungfräulichkeit. Un-Wörter können im Gegenteil zum ‚Wort’ der Bedeutung nach auch mehrfach belegt sein.

Zum zweiten, den Un-Wörter ohne offensichtliches Gegenstück: z.B. Unfug. Ganz richtig ist das nicht, denn es gibt das Wort Fug in der Redewendung ‚Fug und Recht’. Und sonst kennen wir das Wort aus Befugnis oder Verfügung. Ansonsten ist das Wort Fug ein Archaismus, ein dem Untergang geweihtes Wort. Das Wort Unfug ist dagegen durchaus noch geläufig. Okay, viel mehr fällt mir jetzt nicht ein, Unbill vielleicht noch und Ungeziefer.

Zum dritten, den Un-Wörtern, die sich vom ‚Wort’ losgelöst haben. Da gibt es eine Menge: Untiefe, Unwucht, Unzucht, Unzahl, Unzeit, Ungeziefer (okay, das hatten wir schon) usw. – und natürlich Unwort oder Unding. Diese Un-Wörter haben sicherlich noch einen Sinnzusammenhang mit ihren eigentlichen ‚Wort’. So ist ein Unwort eigentlich auch nichts anderes als ein Wort, wenn auch ein „unschönes“, vielleicht „unerwünschtes“. Und wer zur Unzeit kommt, kommt eben nicht rechtzeitig. So geschehen auch Dinge (oder Undinge) zur Unzeit (und doch „in der Zeit“).

Synonyme, ich will Synonyme – Ausdrücke mit dem gleichen (oder doch fast gleichen) Bedeutungsumfang. Bei dem Un-Wort Unwucht muss man schon halbe Sätze bilden (unsymmetrische Massenverteilung eines rotierenden Körpers bzw. Massenschwerpunkt außerhalb der Drehachse). Ließe sich hier nicht ein Wort kreieren, das ohne die Vorsilbe Un- auskommt und genau das wiedergibt, was es wiedergeben soll?

Der deutsche Wortschatz (und natürlich auch der anderer Sprachen) ist eigentlich sehr reich. Aber z.B. bei den Sinnesempfindungen gibt es Defizite, die durchaus überraschen, z.B. das Riechen. Eigentlich riecht ja nur die Nase (etwas). Aber wir verwenden umgangssprachlich riechen auch dann, wenn ETWAS riecht. Synonyme hierzu: duften (im positiven Sinne) und stinken (im negativen Sinne). Das war’s fast schon. So benutzen wir diese Wörter meist nur in Verbindung mit Adverbien wie es duftet köstlich, es stinkt bestialisch. Wenn da nicht der Volksmund wäre, der eigene Wörter erschaffen hat wie müffeln, dünsten oder brandeln. Aber diese Wörter sind eigentlich auch nur abgeleitet (Muff, Dunst, Brand). Wenn es in der Küche z.B. köstlich duftet, dass einem das Wasser im Munde zusammenläuft, so haben wir dafür keinen eigenständigen Begriff.

Wie war das noch mit dem Schnee (und den Kamelen)?

Neue Wörter braucht das Land … 😉

Umberto Eco: Der Name der Rose

    Der Antichrist entspringt […] aus der Frömmigkeit selbst, aus der fanatischen Liebe zu Gott oder zur Wahrheit, so wie der Häretiker aus dem Heiligen und der Besessene aus dem Seher entspringen. Fürchte die Wahrheitspropheten […] und fürchte vor allem jene, die bereit sind, für die Wahrheit zu sterben: gewöhnlich lassen sie viele andere mit sich sterben, oft bereits vor sich, manchmal für sich.
    (Umberto Eco: Der Name der Rose, S. 624)

Am letzten Wochenende hatte ich zum (erneuten) Lesen eingeladen, zu Umberto Ecos Roman Der Name der Rose. Und zuvor hatte ich versucht den Appetit dadurch anzuregen, in dem ich ‚erste Details’ (Die Bibliothek als Labyrinth) aus diesem Roman, der bekanntlich im Spätmittelalter spielt, offen zu legen.

Nun, Der Rose der Rose erschien 1980 im italienischen Original als „Il nome della rosa“ und 1982 in der kongenialen deutschen Übersetzung von Burkhart Kroeber.

Das mehrschichtige Werk, Epochenporträt, philosophisches Essay und der äußeren Form nach ein breit angelegter historischer Kriminalroman, der anno 1327 in einer italienischen Benediktinerabtei spielt, entwirft in der Substanz ein lebendiges Bild des späten Mittelalters mit seinen politischen, sozialen und religiösen Konflikten. Es ist zudem durchsetzt mit zahlreichen Anspielungen auf die Gegenwart, besonders auf das Italien der 1970er Jahre. Mit seiner „Nachschrift zum Namen der Rose“ versuchte Eco, auch den in Mediävistik, Semiotik oder postmoderner Kultur weniger bewanderten Lesern einen Zugang zu den tieferen Schichten des Buches zu eröffnen.

Anno Domini 1327, letzte Novemberwoche, in einer reichen Cluniazenserabtei an den Hängen des Apennin („zwischen Lerici und La Turbie“): Bruder William von Baskerville, gelehrter Franziskaner aus England, kommt als Sonderbotschafter des Kaisers (Ludwig IV. der Bayer) in delikater Mission: Er soll ein hochpolitisches Treffen zwischen der Ketzerei verdächtigen Minoriten (Armutsstreit) und Abgesandten des Papstes (Papst Johannes XII.) organisieren. Doch bald erweist sich sein Aufenthalt in der Abtei als apokalyptische Schreckenszeit: In den sieben Tagen und Nächten werden William und sein Gehilfe Adson Zeugen der wundersamsten und für eine Abtei höchst befremdlichen Begebenheiten: Ein Mönch ist im Schweineblut-Bottich ertrunken, ein anderer aus dem Fenster gesprungen, weil er die Liebe eines Mitbruders nicht ertrug, ein dritter liegt tot im Badehaus. Gerüchte schwirren durch die Abtei, und nicht nur der Abt hat etwas zu verbergen. Überall sind fromme Spurenverwischer und Vertuscher am Werk. William, der Exinquisitor, wird vom Untersuchungsfieber gepackt: Weit mehr als der Streit zwischen Kaiser und Papst interessiert ihn die Entlarvung des Mörders. Er sammelt Indizien, entziffert geheime Schriften, Zeichen und verschlüsselte Manuskripte, erforscht ein gespenstisches Labyrinth, dringt immer tiefer ein in die Geheimnisse der Abtei, doch als er den Mörder schließlich findet, ist es zu spät. Da die Welt keine Ordnung hat, kann die Klärung des Falles nur eine scheinbare (literarische) Ordnung vorspiegeln, jedenfalls nicht verhindern, daß trotz der Aufklärung (oder als ihre Folge?) am siebten Tage, wie geweissagt, der Antichrist kommt mit Feuer und Rauch, und »dank allzuviel Tugend siegen die Kräfte der Hölle«. Wer ein Auge blinzelnd zukneift und in das Buch schaut wie in einen fernen Spiegel, wird die Mönchskutten und Kardinalshüte aus Williams Tagen leicht mit den Parteiabzeichen und Obristenuniformen neueren Datums verwechseln.

Die Cluniazenser-Abtei
Die Cluniazenser-Abtei

Von der Kirche zum Aedificium führt ein Geheimgang. Das Aedificium ist das Hauptgebäude. Es beinhaltet eine Küche, einen Schreibsaal und die Bibliothek. Es wird an allen Ecken mit einem Turm abgeschlossen. Die Schlafsäle der Mönche befinden sich gleich neben der Kirche. Wichtig sind auch noch der Schweinestall, das Hospital, und das Badehaus. Zu der Bibliothek ist zu sagen, daß sie wie ein Labyrinth aufgebaut ist. Ein Raum, das Finis Africae ist nur durch einen Geheimgang zu erreichen.

Nicht umsonst ist dem Roman ein Personenverzeichnis beigelegt. Ich habe es leicht ergänzt. Damit behält man die Personen gut im Überblick. Die Reihenfolge der ‚Todesfälle’ habe ich auch eingetragen (die in Klammern ab Nr. 7 sterben ‚erst’ nach der ‚Auflösung’):

„Dramatis Personae“  
William von Baskerville Franziskaner-Mönch
Adson von Melk Benediktiner-Novize, Williams Gehilfe
   
Remigius von Varagine Kellermeister (Cellerar)/Wirtschaftsverwalter
Abbo von Fossanova Abt, einst Leichenträger † 6
Salvatore armer Teufel, Sprachgenie (gemischte Redensweise)
Ubertin von Casale Cluniazenser, Mystiker, Freund Williams
Michael von Cesena franziskanischer Ordensgeneral, kaiserliche Legation
Severin von St. Emmeram Botanikus (Kräuter- und Giftforscher) † 4
Malachias von Hildesheim Bibliothekar † 5
Berengar von Arundel Gehilfe des Bibliothekars, Verführer † 3
Venantius von Salvemec Übersetzer aus dem Griechischen/Arabischen, Aristoteles-Experte † 2
Jorge von Burgos blinder Greis, Prophet († 7)
Benno von Uppsala Rhetorik/Grammatik, Büchernarr, später Gehilfe des Bibliothekars († 8 )
Aymarus von Alessandria Kopist, Intrigant
Nicolas von Morimond Glaser, später Cellarar brav
Bernard Gui Ketzer- und Hexenjäger, franz. Inquisitor, Befehlshaber der päpstliche Legation (Bernhardus Guidouis)
Adelmus von Otranto Monstermaler † 1
Alinardus von Grottaferrata Greis, der älteste Mönch († 9)
Pacificus von Tivoli Kenner der heidnischen Dichter, Intrigant
Pietro von Sant’Albano Petrus) Geschichte des Ketzertums, Intrigant
   
sonstige (vergl. S. 99):  
Patrick von Clonmacnois  
Rhabanvon Toledo  
Magnus von lona  
Waldo von Herford  
   
und weitere fleißige Mönche, Mindere Brüder, päpstliche Legaten, französische Bogenschützen, tote und lebendige Ketzer, einfache Leute, Volk – Fra Dolcino – toter, noch sehr lebendiger Ketzerführer – und das Mädchen – namenlos, vielleicht die Rose
   
Päpstliche Legation:  
Bertrand del Poggetto Kardinal
Lorenz Decoalcon Bischof von Padua
Meister Jean d’Anneaux  
Jean de Baune Bischof von Arborea, Dominikaner
   
Kaiserliche Legation:  
William Alnwick  
Arnold von Aquitanien  
Hugo von Novocastrum (Newcastle)
Hieronymus Bischof von Kaffa
Berengar Talloni  
Bonagratia von Bergamo  

Apropos Krimi: In der Nachschrift zum >Namen der Rose< (dtv 10552 - Deutscher Taschenbuch Verlag, April 1986) schreibt Eco unter der Überschrift: Die Metaphysik des Kriminalromans (S. 63 f.) u.a.: Nicht zufällig fängt das Buch an, als ob es ein Krimi wäre (und täuscht den naiven Leser auch weiterhin, bis zum Schluß, weshalb er womöglich gar nicht merkt, daß es sich hier um einen Krimi handelt, in dem recht wenig aufgeklärt wird und der Detektiv am Ende scheitert). Ich glaube, daß Krimis den Leuten nicht darum gefallen, weil es in ihnen Mord und Totschlag gibt; auch nicht darum, weil sie den Triumph der (intellektuellen, sozialen, rechtlichen und moralischen) Ordnung über die Unordnung feiern. Sondern weil der Kriminalroman eine Konjektur-Geschichte [Vermutung] im Reinzustand darstellt. Eine Geschichte, in der es um das Vermuten geht, um das Abenteuer der Mutmaßung, um das Wagnis der Aufstellung von Hypothesen angesichts eines scheinbar unerklärlichen Tatbestandes, eines dunklen Sachverhalts oder mysteriösen Befundes – wie in einer ärztlichen Diagnose, einer wissenschaftlichen Forschung oder auch einer metaphysischen Fragestellung. Denn wie der ermittelnde Detektiv gehen auch der Arzt, der Forscher, der Physiker und der Metaphysiker durch Konjekturen vor, das heißt durch Mutmaßungen und Vermutungen über den Grund der Sache, durch mehr oder minder kühne Annahmen, die sie dann schrittweise prüfen.

Letzten Endes ist die Grundlage aller Philosophie (und jeder Psychoanalyse) die gleiche wie die Grundfrage des Kriminalromans: Wer ist der Schuldige? Um es zu wissen (um zu glauben, man wisse es), muß man annehmen, daß alle Tatsachen eine Logik haben, nämlich die Logik, die ihnen der Schuldige auferlegt hat. Jede Ermittlungs- und Konjekturgeschichte, jede Story von Aufklärung und Vermutung erzählt uns etwas, dem wir seit jeher beiwohnen (pseudoheideggerisches Zitat). Damit ist klar, warum sich der Hauptstrang meiner Geschichte (wer ist der Mörder?) in so viele Nebenstränge verzweigt: in lauter Geschichten von anderen Konjekturen, die alle um die Struktur der Vermutung als solcher kreisen [usw.]

Was ist sonst noch zu diesem Roman zu sagen? Es ist diese Mischung aus Kriminalroman, Geschichtsunterricht und philosophisch-theologischem Exkurs, die mir gefallen hat. Und da ich ein ganz spezielles Verhältnis zu Büchern habe (nicht umsonst habe ich Bibliothekswesen studiert), finde ich diesen Gedanken, dass ein einziges Buch so etwas wie eine Kulturrevolution auslösen könnte, höchst bemerkenswert. Und die Verstellung von einem Labyrinth im Zusammenhang mit einer Bibliothek hat auch seinen besonderen Reiz.

Joan Armatrading: Secret Secrets (1985)

Nach dem Album The Key (1983) erschien Anfang 1985 Secret Secrets, das letzte Album, das Joan Armatrading nicht selbst produzierte. Diesmal war Mike Howlett der Produzent (1950 auf einer der Fidschi-Inseln geboren), der hauptsächlich für Gruppen der Genres Progressive Rock und New Wave arbeitete, musikalische Einflüsse, die meiner Meinung nach auch auf diesem Album zu hören sind.

Secret Secrets wurde in den Battery Studios (früher bekannt als Morgan Studios), in Willesden, London aufgenommen und abgemischt. Hier wurden auch Alben wie Stand up (1969), Benefit (1970), Thick as a Brick (1972), A Passion Play (1973), War Child (1974) und Songs from the Wood (1977) von Jethro Tull – aber auch schon Joans 2. Album Back to the Night (fast zeitgleich 1974 mit Jethro Tulls War Child – vielleicht sind sich Joan und Ian Anderson öfter über den Weg gelaufen) aufgenommen. Die Lieder wurden von Joan Armatrading alle nicht nur komponiert, sondern auch arrangiert (z.B. auch die Streicher- und Bläsersätze), sodass Mike Howlett erkannte, dass Joan eigentlich keinen Produzenten brauche. Ab dem nächsten Album sollte sie dann auch selbst die Produktion übernehmen. Beim Erscheinen des Albums hatte Joan Armatrading bereits ihr eigenes Studio eingerichtet, das sie Bumpkin Studio nannte.

Wieder scharte Joan Armatrading eine Reihe bekannter Studiomusiker um sich, die zuvor von ihr und dem Produzenten ausgesucht wurden. Namhaftes Beispiel: Joe Jackson, der auf „Love by You“, ein sehr schönes, langsames Stück, das Klavier spielt. Das Foto von Joan auf dem Cover wurde vom bekannten New Yorker Fotografen Robert Mapplethorpe aufgenommen. Die Scheibe erreichte Platz 14 in den UK Album Charts und Platz 73 in den USA.

    Joan Armatrading: Secret Secrets (1985)

Trackliste des Albums:
(alle Lieder wurden von Joan Armatrading komponiert)

Seite 1:
1. „Persona Grata“ – 4:44
2. „Temptation“ – 4:03
3. „Moves“ – 4:12
4. „Talking To The Wall“ – 4:31
5. „Love By You“ – 3:13

Seite 2:
1. „Thinking Man“ – 4:05
2. „Friends Not Lovers“ – 4:00
3. „One Night“ – 4:59
4. „Secret Secrets“ – 3:28
5. “Strange“ – 3:52

Ohne Zweifel gelang Joan Armatrading wieder ein deutlich besseres Album als z.B. „The Key“. Dazu trug auch eine ausgewogenere digitale Aufnahmetechnik bei. Natürlich mischt Joan auch hier wieder die verschiedensten musikalische Stile. Aber trotzdem hat sie sich für mich zu weit von der Spontaneität und vor allem Originalität ihrer früheren Alben entfernt. Vielfalt, gar Vielfältigkeit zeigte sie (man möge mir verzeihen) mehr in ihren Outfits als in ihrer Musik. Produzent Howlett wollte ursprünglich mehr Blues und Folk, ähnlich wie auf Joans 3. Studioalbum Joan Armatrading, das er zu seinen Favoriten zählte.

Das Album hat im Wesentlichen fehlgeschlagene oder problematische Beziehungen zum Thema. Die ersten drei Lieder handeln davon, wie sich jemand in der Macht eines anderen befindet.

Wie schon kurz erwähnt, ist der Einfluss z.B. von Progressive Rock (durch den Produzenten) unverkennbar, besonders beim ersten Stück „Persona Grata“. Das erinnert an Rock-Epen der 70-er Jahre – und im Mittelstück klingt es für mich teilweise wie die Gruppe Yes mit ihrem Sänger Jon Anderson. Ja, Joan klingt fast wie Jon – ihre Stimme kommt bei diesem Lied gut zur Geltung.


Joan Armatrading – Persona Grata (Miami Vice)

Dann kommt eine Single-Auskopplung, die zwar mit Bläsern aufwartet, mich aber irgendwie an ABBA erinnert. Hier eine Aufzeichnung des Liedes aus dem deutschen Fernsehen (und noch ein anderes Video).


Joan Armatrading – Temptation – P.I.T. – Peter Illmanns Treff – 1985

Hierzu gibt es dann auch den Mitte der 80-er Jahre üblichen Videoclip:


Joan Armatrading – Temptation (Videoclip)

„Moves”, das dritte Stück, erscheint mir nur ziemlich aufgemotzt und glänzt dann immerhin durch eine Mundharmonika, die Joan eingespielt hat. – „Talking to the Walls“ gefällt mir dann doch wieder um einiges besser. Anfangs und im Mittelteil (und auch später noch einmal), also in den etwas langsameren Passagen, klingt es besonders durch die Bläsersätze jazzig angehaucht, um in den schnelleren Passagen durch südamerikanische Rhythmen kräftig zu swingen. Hier eine Videoaufnahme eines bassspielenden Freaks (Fan des Bassisten Pino Palladino):


Tribute to Pino Palladino – Joan Armatrading – Talking to the Walls

Die erste Seite (damals LP) endet wohl mit dem schönsten Lied dieses Albums: “Love by You”. Das Lied ist sehr einfach arrangiert: nur mit Klavier, wie bereits erwähnt gespielt von Joe Jackson, und dem Gesang von Joan Armatrading. Joan hatte auf diesem Album darauf verzichtet, selbst in die Tasten zu hauen.


Joan Armatrading – Love By You

Die zweite Seite beginnt dann mit „Thinking Man“, wieder mit Bläsersätzen und im Stile von New Wave. Im Mittelstück klingt es für mich etwas schräg durch einen etwas ‚seltsamen’ Melodiebogen. – Es folgt „Friends not Lovers“ – für mich ist das ziemlich disco-mäßig angehaucht, hat aber ein hörenswertes Saxophon-Solo. Überhaupt spielt das Saxophon bei Joan Armatrading eine bis heute nicht unwesentliche Rolle. Ziemlich neu sind dagegen die Bläsersätze – und der Griff von Joan zu einer blues-mäßig gestimmten Mundharmonika.

Weiter geht’s mit „One Night“, einem langsamen ‚Engtanz’-Stück, das ich besonders durch die Stimme von Joan (‚wie in alten Zeiten’) hörenswert finde. Was vielleicht etwas nervt, sind die ‚mystisch’ klingen Keyboards:


Joan Armatrading – One Night [Great guitar solo by Les Davidson]

Dann kommt der Titelsong, der inhaltlich von Joan selbst handeln soll. Es geht hier Richtung Punk, was ich aber dann doch eher für New Wave halte (die musikalischen Wurzeln sind aber fast die gleichen). Auch hier nervt (noch einmal) das Keyboard und der Bass (Popping).


??? Joan Armatrading – Secret Secrets ???

Und wieder endet auch diese Scheibe mit einem langsamen Lied „Strange“ (leider kein Video im Internet verfügbar) und bildet damit den akzeptablen Abschluss einer leider wieder nicht immer gelungenen Scheibe. Es sticht kein Stück wirklich heraus, außer „Love by You“. Und zurecht wurde es als ziemlich ‚überproduziert’ kritisiert, d.h. es ist mit vielen Effekten zu sehr aufgemotzt. Ein Kritikpunkt, der auch für spätere Alben noch gelten soll. Erst mit ihren letzten Alben (die sie dann ja auch – fast – im Alleingang aufgenommen hat) sind die Arrangement in ihrer Instrumentenfülle abgespeckt, laden dafür in ihrem Raffinement zum Hören ein.

Faksimile-Mappe und Graphic Novels zu Franz Kafka

In einem Versandkatalog (nein, nicht Weltbild) habe ich es entdeckt: ein Schuber mit einem Textband, einer Biografie des Tschechen Josef Cermák zu Franz Kafka, und einer Dokumentenmappe mit 30 Faksimiles – neben einem Arbeitszeugnis, Postkarten und anderem findet sich hier auch sein letzter, zweifach abgebrochener Brief, der Kafkas literarisches Leben in symbolischer Weise krönt: Ich habe seit jeher einen gewissen Verdacht gegen mich gehabt: Franz Kafka – Dokumente zu Leben und Werk

Beim Textband handelt es sich um die erste Biografie eines Tschechen über Kafka – Titel des tschechischen Originals: Zápas jménem psaní. O životním údelu Franze Kafky. Brno [Brünn] 2009, deutsche Übersetzung von Rolf Simmen. Der Schuber ist im Parthas Verlag in Berlin erschienen und kostet jetzt nur noch 29,80 € statt früher 68 €.

Mappe mit 30 Faksimile zu Kafka: Leben und Werk

Eine bislang unbekannte Briefpartnerin wird in die Forschung eingeführt und die umfassende Rezeptionsgeschichte des Œuvres – auch und im Besonderen in den ehemaligen Ostblockstaaten – erstmalig präsentiert. Zur Illustration der zahlreichen Verknüpfungen zwischen Leben und Werk werden diesen biografischen Eindrücken nicht wenige aussagekräftige Zitate aus seiner Prosa, seinen Tagebüchern und Korrespondenzen gegenübergestellt. Eine Vielzahl unterschiedlichster Fotografien aus Kafkas Leben, Zeichnungen, Auszüge aus seinen Manuskripten sowie andere seltene Dokumente, wie beispielsweise Cover-Reproduktionen von Erstauflagen seiner Bücher, runden diese bibliophile Kostbarkeit ab.

Mich interessieren natürlich besonders die Faksimile. Es ist dann fast so, als hätte man selbst ein Stück aus Kafkas Leben in den Händen. Um die Vorfreude für mich alten Kafka-Liebhaber zu steigern, werde ich mir den Schuber zu Weihnachten schenken lassen.

Natürlich sind mir die Bücher mit so genannten Graphic Novels zu Kafkas Werk bekannt. Nur leider waren diese lange Zeit nicht mehr erhältlich (außer zu fast unerschwinglichen Preisen aus zweiter Hand). Jetzt endlich, so als wäre eine Kafka-Renaissance ausgebrochen, gibt es wieder gleich vier solcher Werke.

Leute in meinem Alter (vielleicht auch schon jüngere) kennen bestimmt Fritz the Cat und seinen Schöpfer Robert Crumb. Die Verfilmung dieses Comicstrips war übrigens der erste Trickfilm, der in den USA erst ab 18 zugelassen war. Man wird sich denken können, warum …

Nun Crumb nahm sich zusammen mit dem Schriftsteller David Zane Mairowitz Kafka an und veröffentlichte eine Art Biografie – mit vielen Zeichnungen. Was dabei herauskommt, ist ein aberwitziges Buch: Kafka, an dem Kafka vielleicht auch seinen Spaß gehabt hätte.

    David Zane Mairowitz – Robert Crumb: Kafka

Crumb hat als Meister seines Fachs ein außerordentlich präzises Auge für Stimmungen, gerade in den Illustrationen zu Kafkas Werken gelingt es ihm vortrefflich, den Schrecken in Kafkas Worten in Bilder umzusetzen. Mairowitz und Crumb bieten neben den biographischen Eckdaten und einigen beeindruckenden Innenansichten Kafkas, gespeist aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen, auch einen Querschnitt seines Gesamtwerkes und beleuchten die bekanntesten Erzählungen. (Quelle: literaturen.wordpress.com)

... eine Zeile gegen mich ... wie man die Fernrohre … richtet!
… eine Zeile gegen mich … wie man die Fernrohre … richtet!

Ebenfalls David Zane Mairowitz war es, der sich speziell Kafkas Roman Der Prozess annahm und daraus mit der französischen Comiczeichnerin Chantal Montellier eine Graphic Novel zauberte: Der Process: nach Franz Kafka

    David Zane Mairowitz - Chantal Montellier: Der Process – nach Franz Kafka

Montelliers und Mairowitz’ Adaption von Kafkas Werk ist gelungen, wenn sie stilistisch bisweilen auch etwas gewöhnungsbedürftig daherkommt. Das Tempo ist rasant und nach Beendigung der Lektüre fühlt man sich wie nach einer hektischen Irrfahrt, einer kurzen wahnhaften Episode, die so schnell endet wie sie begonnen hat. Für treue Anhänger und Kafkainteressierte ist es zweifellos einen Blick wert und immer wieder in positiver Weise überraschend, wenn Kafkas sprachlicher Stil seine zeichnerische Entsprechung findet. (Quelle: literaturen.wordpress.com)

Es gibt noch zwei weitere Comics zu Erzählungen von Kafka. Zum einen fanden sich der in Marseilles geborene Comiczeichner Éric Corbeyran (Szenario) und der in London lebende Richard Horne (Zeichnungen), Illustrator und Designer für Platten- und Buchcover sowie für Websites, zusammen, um für Die Verwandlung eine eigenständige zeichnerische Form zu finden: Die Verwandlung von Franz Kafka als Graphic Novel

    Eric Corbeyran - Richard Horne: Die Verwandlung – von Franz Kafka

Zum anderen haben Sylvain Ricard und Maël Kafkas In der Strafkolonie zu einem Comic verarbeitet.

    Sylvain Ricard – Mael: In der Strafkolonie – nach Franz Kafka

Da Weihnachten gar nicht mehr lange hin ist, werden Kafka- und/oder Comic-Fans hier sicherlich Geschenkideen ‚für sich selbst’ finden. Und vielleicht wird auf diesem Wege der eine oder andere Kafka-Fan zum Comic-Fan – und umgekehrt.