Kategorie-Archiv: Machtgier

Frustrierendes aus Politik und Wirtschaft

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 32

Hoeneß, Wulff und das Ketchup der Populisten

„Am unerträglichsten sind nicht die vermuteten Rechtsverstöße, am unerträglichsten sind die selbstgerechte Sentimentalität der Beschuldigten und der klebrige Moral-Ketchup, den das gaffende Volk und die sich am Schmerz der Ertappten labende Medienmeute über den Hackbraten kleckert.“

So kommentiert überanstrengt Wolfgang Herles den sicherlich „aufwändige Superprozess um eine geringfügige Summe“ gegen Christian Wulff und das Geheule eines Uli Hoeneß, dessen „pathetische Geste jedoch, das Vereinsvolk über seine Bayern-Zukunft urteilen zu lassen, eher … peinlich“ wirkte.

„Wir verlangen Büßer in Sack und Asche“, schreibt Herles weiter und „Der Promi, der Fehler gemacht hat, wird in den Zirkus Maximus getrieben, wo das Volk die Daumen senkt, weil es Blut sehen will. Nicht nur aus Gerechtigkeit – sondern auch aus niederen Instinkten.“

Sicherlich gab und gibt es wieder eine Medienhetze gegen Wulff, Hoeneß und den „spätabsolutistische Bischof von Limburg“. Das ist nicht in Ordnung. Man muss es aber auch so sehen: Der Normalbürger hat die Schnauze voll von Politikern und Prominenten, die glauben, sich alles leisten zu können, die sich für unbestechlich halten und doch die Hand offen halten, um einzusacken, was einzusacken geht. Es geht beim Prozess gegen Wulff nicht um wenige Hundert Euro, es geht um die rechtlich schwer erfassbare Grauzone zwischen Großzügigkeit, Kungelei, Lobbyismus und Käuflichkeit unserer Politiker. Und Hoeneß, Herr Herles, ist sicherlich kein Schwerverbrecher, aber in seiner Geldgier, in seiner Sucht entblößt er sich als asoziales Element, der in seiner Selbstherrlichkeit den Volkeszorn geradezu herausfordert. Jetzt hat er ihn und heult …

    (Fast) unterschlagene Beiträge

Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD

Ich verstehe sehr gut die Skepsis mancher SPD-Mitglieder, wenn sie fürchten, bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union ausgetrickst bzw. über den Tisch gezogen zu werden. Ohne Kompromisse wird’s aber nicht gehen. Immerhin hat man sich jetzt auf eine Frauenquote in Aufsichtsräten geeinigt. Es soll ein „Elterngeld Plus“ geben, das die Kombination vom Bezug von Elterngeld während einer Teilzeitbeschäftigung verbessern soll.

Weiter strittig bleiben die Themen Betreuungsgeld und Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Die SPD kann sich mit ihrer Position, das Betreuungsgeld für Qualitätsverbesserungen für Kitas zu verwenden, nicht durchsetzen. Der Mindestlohn wurde dagegen auf die lange Bank geschoben (mindestens bis 2016). Bei zentralen Fragen zur Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung tun sich weiterhin tiefe Gräben zwischen Union und SPD auf.

Unionsfraktionschef Kauder rechnet damit, dass die Sozialdemokraten in den Koalitionsverhandlungen der nächsten Wochen aggressiver auftreten. Das habe sich bei dem SPD-Parteitag in Leipzig abgezeichnet. Das ist auch gut so.

„Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“

Der Sprecher der Linkspartei in NRW, Rüdiger Sagel, hat sich für eine Umbenennung des Martins-Fests in ein „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ ausgesprochen. Auch Weihnachtsmärkte und Weihnachtsbeleuchtung stehen auf dem Prüfstand. Und das alles, um nur niemanden zu diskriminieren.

Ich bin nicht katholisch. Der Martinstag ist mir eher bekannt dafür, dass es den Gänsen an den Kragen geht. Es gibt aber nun einmal Feste und Feiern, die ihren Ursprung im Christentum haben und auch behalten sollen. Herr Sagel mag ja das Weihnachtsfest mit Jahresendflügelfiguren statt mit Weihnachtsengeln feiern und statt die Türchen an einem Adventskalender an einem Jahresschlusskalender (für sogar 31 Tage) öffnen. Seine Traditionen, das ist klar, liegen nicht im christlichen Brauchtum sondern in einem abgewirtschafteten sogenannten Sozialismus.

Tag der deutschen Dreieinigkeit 2013

Mir sei es erlaubt, den Beitrag zum heutigen Feiertag, den ich im letzten Jahr verfasst habe, (erneut) zu wiederholen: Tag der deutschen Dreieinigkeit!. Denn jährlich einmal grüßen die deutsche Flagge von allen öffentlichen Gebäuden.

Ich kann mich noch sehr gut an die Aushänge erinnern, die zu Zeiten früherer CDU-Regierungen an Litfaßsäulen klebten und Deutschland als ein durch den Krieg dreigeteiltes Land zeigten: links (da nach Norden ausgerichtet) die Bundesrepublik, in der Mitte die SBZ (sowjetisch-besetzte Zone) und rechts die besetzten Ostgebiete. Das Motto der Parteien: 3 geteilt? – niemals! Damals war die Wirklichkeit eine andere und erst unter Willy Brandt wurde die eigentliche Realität dann ‘im Westen’ akzeptiert, auch wenn die Bild-Zeitung weiterhin unbeirrt DDR in Anführungszeichen schrieb (immerhin schrieb man schon DDR und nicht mehr SBZ).

Unteilbares Deutschland

drei geteilt - niemals

Zu Zeiten dieser Dreigeteiltheit nannte man den mittleren Teil Deutschlands auch gern Mitteldeutschland. Erst viel später wurde das in Ostdeutschland ‘umgetauft’ und seit 1990 spricht man dann bekanntlich von den ‘neuen Bundesländern’. Wie sich geographische Begriffe ändern können. Nur durch einige Vertriebenenverbänden kann man irritiert werden, wenn diese von Ostdeutschland sprechen und damit u.a. Schlesien meinen (nur liegt Schwerin nicht in Schlesien – wenn beide auch in Ostdeutschland liegen?!).

Nun heute ist unser, Deutschlands Nationalfeiertag. Und wir feiern die deutsche Einheit oder Wiedervereinigung oder Dreieinigkeit oder wie oder was …? Was auch immer! Feiern wir eben …!

Verzockt, Frau Merkel?

Frau Merkel ist promovierte Physikerin. Sie kann also rechnen. Als die FDP nach dem Wahldebakel in Bayern zur Bundestagswahl wieder auf Zweitstimmenfang ging, hielt Frau Merkel dagegen: Keine Zweitstimme von CDU/CSU! Sie brauchte sich nur die Zahlen zur Bundestagswahl 2009 anzuschauen, um festzustellen, dass bis zu 80 % der Wählerstimmen für die FDP Leihstimmen der Union waren. Bei Prognosen von 40 % plus und Rückgewinn fast aller FDP-Leihstimmen (bei gleichzeitigem Scheitern der Liberalen an der 5 %-Klausel), so errechnete Frau Merkel, ist sogar eine absolute Mehrheit für sie drin.

Frau Merkel trinkt auf ihren Wahlsieg 2013

Bedenkt man nun, dass rund die Hälfte der 4,8 %, die die FDP gestern erzielte, immerhin auch noch auf Leihstimmen von der CDU/CSU zurückzuführen ist, dann sieht man, wie knapp Frau Merkel, die zeitweise den Hochrechnungen zufolge die absolute Mehrheit vor Augen hatte, diese mit erzielten 41,5 % verpasst hat.

Nun der britische Premierminister David Cameron gratulierte inzwischen Frau Merkel zum Sieg und twitterte: „Ich freue mich darauf, weiterhin eng mit ihr zusammenzuarbeiten“. Herr Cameron hat dabei übersehen, dass Rot-Rot-Grün (SPD, Die Linke und die Grünen) zusammen eine Mehrheit von 319 zu 311 Bundestagsmandaten haben und Frau Merkel als Bundeskanzlerin abwählen könnten. Denn die ansonsten möglichen Koalitionen, Schwarz-Grün oder große Koalition, sind noch lange nicht zustande gekommen. Steinbrück hat vor der Wahl ganz klar gesagt, dass er für eine große Koalition nicht zur Verfügung steht. Und die Positionen zwischen Union und Grünen sind geradezu diametral entgegengesetzt. Okay, die SPD will auch nicht mit der Linken, aber irgendwelche Mehrheiten müssen sich nun einmal finden.

Noch ein kleines Rechenbeispiel am Rande (wenn wir schon beim Rechnen sind): Die CDU/CSU hat zusammen tatsächlich die „Partei“ der Nichtwähler (28,5 %) überholt. Die Wahlbeteiligung lag gestern bei 71,5 %, also leider nur geringfügig höher als beim Rekordtief 2009 (70,8 %). Rechnet man noch die ungültigen Stimmen mit ein (bei den Zweitstimmen 1,3 %), dann komme ich für CDU/CSU auf 29,3 % der gesamten Wahlberechtigen. Also nicht einmal jeder dritte Wahlberechtigte hat wirklich Frau Merkel gewählt.

Ich finde, man kann die Nichtwähler nicht einfach ignorieren. Rein symbolisch könnte man ihnen ihrem Anteil entsprechend „freie“ Plätze im Plenarsaal des Bundestages einrichten (dazu wäre dieser aber dann doch zu klein – da schon mit Symbolik: mindestens EIN leerer Platz wäre auch nicht schlecht). Möglich wäre die Einführung einer Wahlpflicht. Wer nicht wählen geht, zahlt ein Bußgeld. Insgesamt hätten wir dann sicherlich einen sehr hohen Anteil an ungültigen Stimmen, was auch keiner will.

Zu den Neo-Liberalen: Es ist ohne Zweifel eine historische Zäsur, die die FDP mit diesem Wahlergebnis erlebt. Die Partei ist bereits aus vielen Länderparlamenten geflogen und hat dann auch den einen oder anderen Wiedereinzug geschafft. Seit Bestehen des Bundesrepublik war sie aber bisher immer Mitglied des Bundestages. Nun ist es auch damit vorbei. Zuletzt hing die Partei nur noch am Tropf der Union (siehe oben: Leihstimmen). Jetzt ist damit Schluss. In gewisser Hinsicht hat Frau Merkel mit ihrer Zweitstimmenleihverweigerung den Neo-Liberalen den Todesstoß verpasst. Aber natürlich sind es in erster Linie Rösler, Brüderle und Westerwelle, die ihre eigentliche Klientel, die kleinen und mittelständigen Unternehmer, zugunsten des Großkapitals verraten haben und die dafür endlich die Rechnung kassiert haben. Ob sich die FDP wieder erholt, wird sich zeigen. Ein Neuanfang mit anderen Gesichtern ist aber unumgänglich. Hinzu kommt natürlich, dass die Partei der Euro-Kritiker AfD unterschätzt wurde. Ich kann mich dabei des Eindrucks nicht erwehren, dass die AfD in den Prognosen vor der Wahl bewusst niedrig gerechnet wurde.

Auch die Grünen haben nach einem verkorksten Wahlkampf zurecht Federn lassen müssen. Zwei ein halb Jahre nach Fukushima ist das Wahlergebnis von 8,4 % ziemlich kläglich. Schuld trägt sicherlich die unnötige Steuerdebatte, die die Grünen zu führen meinten. Und Ausschlag gaben wohl dann auch die unseligen Pädophilie-Vorwürfe aus der Vergangenheit gegen Trittin und Co., Vorwürfe die nach meiner Meinung bewusst lanciert wurden. Inzwischen hat Trittin genügend Stellung dazu bezogen. Ein Schlussstrich ist zu ziehen. Und die Zweitstimmenkampagne a la FDP war dann auch eher ein Schuss in den Ofen. Auf jeden Fall wird es Frau Merkel gefreut haben, wenn ihre Rechnung (FDP draußen, die Grünen weit unter 10 %) dann leider im Endergebnis doch nicht ganz aufging (d.h. absolute Mehrheit verpasst). Auch die Grünen sollten einen Neubeginn wagen. Die ewig gleichen Gesichter (Trittin, Roth, Künast) können selbst Wähler der Grünen kaum noch sehen.

Man darf jetzt natürlich gespannt sein, welche Sondierungsgespräche zu Koalitionsverhandlungen geführt werden. Sicherlich hat Frau Merkel nach dem sehr guten Ergebnis der Union das erste Recht, hierzu einzuladen. Für mich roch es schon vor der Wahl nach großer Koalition (wenn Steinbrück das auch ausschloss, dann eben ohne ihn). Denkbar ist auch eine schwarz-grüne Koalition. Frau Merkel wäre nicht unbedingt abgeneigt. Aber noch sehe ich Frau Merkel nicht am Ziel, ihre Kanzlerschaft fortzusetzen. Die Standpunkte sind einfach zu weit auseinander. Sollte es dann doch zu einer rot-rot-grünen Koalition kommen, dann hätte sich Frau Merkel aber total verzockt. Ich bin gespannt. Allerletzte Konsequenz, wenn nichts zusammenpassen sollte, wären Neuwahlen. Für die FDP wäre das allerdings eine unverdient neue Chance: Neuwahlen wären wirklich der letzte Ausweg, denn heute mit Sicherheit keiner will.

Hier die Ergebnisse der Bundestagswahl vom 22.09.2013: Bundewahlleiter
Hier die Ergebnisse meines Wahlkreises 36 Harburg, der übrigens mit zwei Politikern im neuen Bundestag vertreten sein wird (Direktkandidat: Michael Grosse-Brömer (CDU) und über die Landesliste der SPD: Svenja Stadler).

Das Generationsmanifest: Die Welt von morgen …

Das #Generationenmanifest: Es wird Zeit, die Welt von morgen aus der Sicht unserer Kinder zu sehen und zu gestalten.

Das Generationen-Manifest stellt zehn Warnungen und zehn Forderungen an die Politik. Damit wir unseren Kindern die gleichen Chancen und Hoffnungen für die Zukunft versprechen können, die wir selber hatten.

Nach der Wahl am 22. September 2013 wird jeder Partei des deutschen Bundestags das Manifest als Grundlage ihres Handelns überreicht. Ihre Stimme ist die Legitimation des Generationen-Manifests gegenüber den gewählten Volksvertretern. Wir wollen vor der Wahl wissen, wofür die Politiker stehen, die wir wählen sollen. Unterzeichen Sie jetzt!

Das #Generationenmanifest: Es wird Zeit, die Welt von morgen aus der Sicht unserer Kinder zu sehen und zu gestalten

Im Interesse zukünftiger Generationen und des sozialen und ökologischen Gleichgewichts:

Nr. 1
Der Klimawandel, die größte Bedrohung, die wir Menschen jemals erlebt haben, wird von der Bundesregierung und allen Parteien nicht mit höchster Priorität bekämpft. Sie setzen damit das Leben und das Wohlergehen zukünftiger Generationen aufs Spiel.

Nr. 2
Die Energiewende, das bedeutendste Projekt unserer Generation, wird von den politischen Entscheidungsträgern halbherzig und inkonsequent umgesetzt. Wir werden sie haftbar machen, wenn sie die Chancen dieses Zukunftsprojektes aufgrund parteipolitischer Machtspiele fahrlässig gefährden.

Nr. 3
Die Regierenden regieren an uns Bürgern vorbei. Sie verschanzen sich in ihren Elfenbeintürmen, ohne zu erklären, welche Konsequenzen sich aus weitreichenden politischen Entscheidungen (z.B. Energiewende und Eurokrise) für unser Leben und das Leben unserer Kinder ergeben werden.

Nr. 4
Die Politik der Gegenwart lädt riesige Schuldenberge auf die Schultern unserer Kinder und Enkel. Selbst in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen wird das Staatsdefizit weiter erhöht statt abgebaut und damit der Handlungsspielraum der nächsten Generationen dramatisch beschnitten.

Nr. 5
Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Die Regierenden lassen sich von der Finanzindustrie vorführen und missachten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger.

Nr. 6
Politikerinnen und Politiker spalten durch ihre Tatenlosigkeit die Gesellschaft. Sie haben in den letzten Jahren das Auseinanderdriften von Arm und Reich gesehen und billigend in Kauf genommen.

Nr. 7
Wir mehren unseren Wohlstand auf Kosten der Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen für uns arbeiten. Es ist eine Schande, dass wir mit Übergewicht und Überfluss kämpfen, während im Rest der Welt Millionen Menschen nicht einmal das Nötigste zum Leben haben.

Nr. 8
Unser Bildungssystem versagt kläglich angesichts der Herausforderungen, die die Zukunft an uns stellt. Alle Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wissen, dass unser Bildungssystem ungerecht und undurchlässig ist und die Lerninhalte unsere Kinder nicht auf zukünftige Anforderungen vorbereiten. Aber es mangelt an Mut zur radikalen Veränderung.

Nr. 9
Die nachhaltige Modernisierung der Wirtschaft wird in Sonntagsreden eingefordert, aber durch falsche Rahmenbedingungen verspielt. Solange Subventionen in überholte statt in zukunftsweisende Industrien und Technologien gelenkt werden, verschenken wir die Chancen, die sich Deutschland als internationalem Pionier eines grünen oder blauen Wirtschaftswandels bieten.

Nr. 10
Der Generationenvertrag wurde einseitig aufgekündigt. Die Generation der Eltern und Großeltern betreibt fahrlässige Besitzstandswahrung auf Kosten ihrer Kinder und Enkel.

+++ Wir fordern +++
Mut, Ehrlichkeit und generationengerechtes Handeln.

Nr. 1
Die Bekämpfung des Klimawandels muss als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen werden. Ein zu Beginn der neuen Legislaturperiode verabschiedetes Klimaschutzgesetz muss die Grundlage dafür bieten. Wenn Europa und Deutschland beim Klimaschutz und bei der Markteinführung von Klimaschutztechniken vorangehen, werden andere – schon aus Wettbewerbsgründen – folgen. Denn Klimaschutz ist ein Gewinn für uns alle und keine Zumutung von Lasten.

Nr. 2
Die Energiewende muss aktiv vorangetrieben werden, und zwar sowohl als “grüne” Energieerzeugungs-, als auch als Energiesparwende. Durch Innovationen bei der Energieeffizienz und die Fokussierung auf Energieeinsparpotenziale in Unternehmen und Privathaushalten kann die Energiewende zu vertretbaren Kosten für alle Beteiligten gelingen. Mit der Energiewende sind wirtschaftlich große Chancen verbunden, nicht nur für unser Land, sondern auch für Europa und für die Welt. Die heutige Generation ist in der Pflicht, eine sichere Energiebasis für kommende Generationen zu schaffen.

Nr. 3
Wir fordern unser Recht auf Beteiligung und Mitsprache ein.
Wir Bürgerinnen und Bürger wollen uns aktiver an Entscheidungsprozessen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beteiligen. Wenn Politik Demokratie nicht gefährden will, muss sie wieder begründen und vermitteln, was sie tut und warum. Wir fordern unsere Politiker auf, ihre Elfenbeintürme zu verlassen, den ernstgemeinten Diskurs mit dem Bürger zu suchen und auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. Die Wähler müssen wissen, was sie wählen und sich auf Politiker verlassen können.

Nr. 4
Wir fordern die Regierung dazu auf, die Staatsfinanzen so zu sanieren, dass die Verschuldung zurückgeführt und neue Prioritäten für eine zukunftsgerechtere und nachhaltigere Ausgabengestaltung gesetzt werden können. Ziel ist es, die Zinslasten für den Staatshaushalt zu senken und dadurch öffentlichen Gestaltungsspielraum für nachhaltige Zukunftsinvestitionen zurückzugewinnen. Denn nur ein finanziell potenter Staat kann Sicherheit, Bildung, Kultur, Forschung und Entwicklung, soziale Absicherung und andere öffentliche Güter für alle Bürger sicherstellen.

Nr. 5
Wir fordern eine Reform und strikte Regulierung der privaten Finanzwirtschaft. Banken sind Diener der Wirtschaft und der Bürger, nicht ihre Herrscher. “Systemrelevante” Banken nehmen eine ganze Gesellschaft in Geiselhaft. Deshalb ist die Begrenzung von Bankenmacht unabdingbar. Das Verursacherprinzip muss auch im Finanzsektor zur Geltung gelangen: Die Folgekosten der Finanzkrisen müssen diejenigen tragen, die mit unkalkulierbaren Risiken hohe Gewinne erzielen. Als Bankkunden fordern wir vollständige Transparenz über die Verwendung anvertrauter Gelder und eine krisensichere Vielfalt von Banken.

Nr. 6
Wir fordern soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Von Politik und Wirtschaft müssen wir energisch verlangen, dass Armut und mangelnde Chancengleichheit überwunden werden. Notwendig ist ein Sofortprogramm, um das wachsende Auseinanderdriften von Arm und Reich zu stoppen. Die Teilhabe am privaten Wohlstand und öffentlichen Gütern muss gesichert und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Eine wirkungsvolle Lohnuntergrenze wäre ein wesentlicher Schutzwall gegen den sozialen Absturz. Für uns ist es selbstverständlich, dass Besserverdienende und Vermögende einen größeren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten. All das gelingt nur mit einer gerechteren Finanzpolitik, die auch die Ausgabenseite auf den Prüfstand stellt.

Nr. 7
Wir fordern ernsthafte Anstrengungen zur Bekämpfung von Hunger, Armut und Unterentwicklung in der Welt. Notwendig dafür ist ein Sofortmaßnahmenpaket zur Umsetzung der Milleniumsentwicklungsziele. Multinationale Unternehmen müssen gesetzlich verpflichtet werden, die Sozial- und Menschenrechte der Beschäftigten in ihren Betrieben und Zulieferbetrieben zu schützen und zur Hebung ihres Lebensstandards auf ein überlebensfähiges Niveau beizutragen.

Nr. 8
Wir fordern eine nachhaltige Entwicklung unserer Wirtschaft. Notwendig dafür sind verlässliche politische Rahmenbedingungen, verbindliche Leitziele und Preise, die die ökologische und soziale Wahrheit sagen, faire Wettbewerbsregeln und der Abbau umweltschädlicher Subventionen. Mit dem nachhaltigen Umbau unseres Wirtschaftssystems sind große Chancen für den Standort Deutschland verbunden, weil umweltfreundliche Technologien und Produkte in Zukunft ein Wettbewerbsvorteil und Exportschlager sein werden.

Nr. 9
Wir fordern eine umfassende bundeseinheitliche Reform des Schul- und Ausbildungssystems, denn Bildung ist die effektivste, sozialste und wirtschaftlichste Form der Zukunftssicherung und der Treibstoff unserer Gesellschaft. Sie ist Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und schafft das Innovationspotenzial für unser Land. Alle jungen Menschen müssen unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern gleiche Zugangs- und Aufstiegschancen im Bildungssystem erhalten. Lehrpläne, Unterrichtsformen und Notensysteme der Vergangenheit müssen überprüft und so gestaltet werden, dass die Lust am Lernen, die Leistungsbereitschaft und die Talente von Jugendlichen in ihrer Vielfalt gefördert werden und ihr Selbstbewusstsein gestärkt wird. Schule muss ein Ort der Begeisterung, der Stärkung des Selbstbewusstseins, der Entfaltung individueller Potentiale werden und auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Denn die werden gewaltig sein.

Nr. 10
Wir fordern einen neuen fairen Generationenvertrag, der seinen Namen verdient. Wenn unsere Kinder mindestens die Chancen auf ein Leben haben sollen, wie es unsere Generation hatte, dann müssen wir den Raubbau an der Natur und die Ausgrenzung der Talente und der kulturellen Vielfalt von Menschen beenden. Wir brauchen neue Visionen und Debatten über eine Zukunft des guten Lebens. Wir wollen unseren Kindern eine Gesellschaft weitergeben, die es ihnen erlaubt und sie befähigt, ihre Träume zu verwirklichen. Denn unsere Kinder haben gerade auch in Zeiten des demographischen Wandels ein Anrecht auf ein chancenreiches Leben.

Wir fordern eine Strategie des Wandels für Deutschland, Europa und die Welt. Zukunftsfähigkeit erfordert mehr als ein paar kosmetische Korrekturen. Und sie braucht den Schulterschluss mit den Schwellen- und Entwicklungsländern, die aufgrund ihrer dynamischen Entwicklung eine besondere Bedeutung für alle Themen der Nachhaltigkeit haben. Wir müssen mit langem Atem und konsequent auf eine ökologisch und sozial gerechtere Gesellschaft hinarbeiten. Wir fordern alle Politiker auf, sich in ihren Entscheidungen nicht abhängig von kurzzeitigen Wahlprognosen, Machtverschiebungen oder Lobbyinteressen zu machen. Wir fordern sie auf, ihre Kraft uneingeschränkt dem Wohle der heutigen und zukünftigen Generationen zu widmen, ihren Nutzen zu mehren und Schaden von ihnen abzuwenden.

Quelle u.a. change.org

Warum der Ausgang der Bundestagswahl über den Erfolg der Energiewende entscheidet

Am nächsten Sonntag sind Bundestagswahlen. Es wird dabei nicht nur über Parteien abgestimmt, sondern über wichtige Entscheidungen, die unsere aller Zukunft betreffen. Es geht dabei auch um die Energiewende und um die Zukunft mit erneuerbaren Energien.

Zukunft mit erneuerbaren Energien

Die schwarz-gelbe Koalition wollte die Öffentlichkeit in Bezug auf die Energiewende in die Irre führen – mit Behauptungen, dass der Ausbau der Erneuerbaren der einzige Treiber der Strompreise ist. Tatsächlich liegt der aktuelle Anstieg jedoch vor allem an den großzügigen Ermäßigungen der Regierung für die Industrie. Avaaz veröffentlichte einen neuen Bericht, um die Wahrheit aufzudecken.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) haben die Leitung einer politischen Strategie übernommen, die großen Energiekonzernen und der Industrie Subventionen in Milliardenhöhe gewährt, während Privathaushalte und der Mittelstand die Rechnung begleichen. Der Durchschnittshaushalt zahlt jährlich 70€ an Subventionen an die Industrie. Unterdessen haben sich die Stromkosten für Verbraucher seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Die Großhandelspreise für Strom sinken, doch Energiekonzerne leiten die Preissenkungen nicht weiter — und kassieren stattdessen ab.

Darüber hinaus hat die Regierung versucht, uns davon zu überzeugen, dass die Energiewende für eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie verantwortlich ist. Der Bericht widerlegt jedoch diese Aussagen und erklärt, dass eine frühe Einführung erneuerbarer Energieträger in Deutschland dem Land einen Wettbewerbsvorteil bietet.

Energiewende oder Energiewendeende?

Vor zwei Jahren hat die schwarz-gelbe Bundesregierung den weltweit ehrgeizigsten Plan zur Transformation des Energiesystems eines Industrielandes angekündigt. Ziel war es, Deutschlands Energiewirtschaft schnell von zentralen Kohle- und Atomkraftwerken auf dezentrale Erneuerbare Energieträger umzustellen. Gleichzeitig sollte die Energieeffizienz bei der Produktion und Nutzung von Energie steigen. Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energieträgern hat sich in Deutschland innerhalb von zwanzig Jahren versechsfacht. Der Plan wird von einer überwältigenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger begrüßt. In diesem Sommer 2013 erklärten bei einer Umfrage vier von fünf Befragten ihre Unterstützung für die Energiewende. Doch nur zwei Jahre nach dem Start der auf 40 Jahre angelegten Transformation des Energiesystems, steht die Energiewende unter dem Dauerbeschuss der traditionellen Wirtschaft und von Politikern, insbesondere des Regierungslagers. Ihr Ziel ist es die Zustimmung zur Energiewende zu diskreditieren, die Ziele der Energiewende zu relativieren, den Prozess zu verlangsamen und schließlich ganz zu stoppen.

Die wichtigsten Ergebnisse: Ein Plan zur Diskreditierung der Energiewende

1. Die Rolle der Bundesregierung
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat die Energiewende gestartet, aber es in der Folge versäumt, sie politisch zu steuern. Die Atomkatastrophe von Fukushima und die schon zuvor mehrheitlich atomkritische Haltung der Bevölkerung hat die Kehrtwende der Regierung erzwungen. Viele aus dem Regierungslager haben nicht aus innerer Überzeugung zugestimmt, sondern aus machttaktischen Motiven. Deshalb fehlt der politische Wille, die Energiewende mit aller Konsequenz umzusetzen. Die traditionelle Energiewirtschaft verliert mit hoher Geschwindigkeit Marktanteile an mittlerweile 1,4 Millionen zumeist kleine Erneuerbare-Energien-Kraftwerke und verschärft ihre Lobbyarbeit. Die produzierende Industrie streitet derweil gegen mehr Energieeffizienz in den Betrieben. Die Forderungen zur Abschaffung des Erneuerbare Energien Gesetzes, das den bisherigen Erfolg der Erneuerbaren Energien in Deutschland absichert, häufen sich. Die Analyse zeigt, dass selbst Regierungsmitglieder, allen voran Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU), den Ausbaustopp oder einen verlangsamten Zubau von Erneuerbaren Energien fordern. Dazu verunsichern sie die Bevölkerung mit nachweislich falschen Zahlen über die Kosten der Energiewende. Bisher jedoch ist der Versuch gescheitert, die hohe Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung zu überwinden.

2. Die Mär von der Deindustrialisierung Deutschlands
Die seit zwei Jahren vorgetragene Behauptung, der Wirtschaftsstandort Deutschland sei infolge der Energiewende bedroht und die „Deindustrialisierung“ des Landes habe bereits begonnen, steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu den volkswirtschaftlichen Realitäten. Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, deren Wirtschaft trotz der anhaltenden internationalen Wirtschaftskrise wächst. 2012 erreichte der Außenhandelsüberschuss mit 188 Mrd. Euro den zweithöchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 1950. Das Problem Deutschlands ist keineswegs eine durch die Energiewende ausgelöste Wirtschaftskrise, sondern ganz im Gegenteil zunehmend die Kritik des Auslands am Ungleichgewicht seiner Handelsbilanz, das als mitverantwortlich wahrgenommen wird für die Verschuldung der Krisenländer, insbesondere in der EU.

3. Die Strompreislüge
Die Behauptung wegen der Energiewende explodierende Strompreise bedrohten Wohlstand und Wirtschaftskraft Deutschlands ist falsch. Sie ist Teil einer bewussten Angststrategie, mit dem Ziel die Akzeptanz der Energiewende zu erodieren. Die Stromrechnung aller privaten und gewerblichen Stromverbraucher zusammengerechnet liegt heute – bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt – nicht höher als vor 20 Jahren. Die Strompreise der Industrie sinken seit den Energiewendebeschlüssen vor zwei Jahren kontinuierlich. Immer mehr energieintensive Unternehmen profitieren von Milliardensubventionen, für die die privaten Haushalte, Teile des Mittelstands und die Steuerzahler aufkommen müssen. Deren Strompreise haben sich seit der Jahrtausendwende nicht zuletzt wegen der Milliardenentlastungen der Industrie verdoppelt. Dieser Strompreisanstieg spiegelt immer weniger die Kosten der Energiewende wieder, sondern hat andere Ursachen. Er steigt zum Beispiel auch wegen des paradoxen Effekts, dass sich die EEGUmlage, die die kleinen Stromverbraucher zahlen müssen, erhöht, wenn der Börsenpreis sinkt. Davon profitieren wiederum die Stromversorger, die ihre sinkenden Einkaufspreise für Strom nicht an ihre Kunden weitergeben und immer noch Milliardengewinne machen. Nur noch 13 Prozent des für 2014 erwarteten weiteren Anstiegs der EEG-Umlage stammen aus der direkten Förderung neuer Solar-, Wind- und Bioenergieanlagen

4. Falsche Alternativen
Die Behauptung, die Energiewende sei unter anderen Rahmenbedingungen günstiger zu haben, ist nirgendwo belegt – auch nicht in Schweden. Das Quotensystem – zuletzt zum wiederholten Mal vorgeschlagen von der Monopolkommission der Bundesregierung – hat sich im Ausland als untauglich erwiesen, ehrgeizige Ausbauziele zu optimierten Kosten und in kurzer Zeit zu erreichen. In Deutschland würde die Quote die Energiewende verteuern und als Innovationsbremse wirken. Das schwedische Beispiel – ein Land mit 38% Atomstrom, 42% Wasserkraft, einem hohen Angebot an Biomasse und vielen guten Onshore-Windstandorten – ist nicht auf Deutschland übertragbar. Es befördert einseitig die gerade günstigsten Technologien und verhindert den Aufbau der dringend benötigten Technologievielfalt, die gerade für das Exportland Deutschland unverzichtbar ist.

Empfehlungen: Eine Zukunft mit erneuerbaren Energien sichern
Anstatt die Energiewende zu untergraben, muss die Regierung dringend entschlossene Maßnahmen ergreifen, um deren erfolgreiche Umsetzung zu gewährleisten. Aus diesem Grund muss die zukünftige Bundesregierung:

· offensichtliche Fehlentwicklungen korrigieren – insbesondere die ausufernden Strompreisermäßigungen für die Großindustrie und die Überfrachtung der EEG-Umlage mit Kostenbestandteilen, die mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien nichts zu tun haben.

· dass EEG so reformieren, dass das „Primat der Investitionssicherheit“ gewahrt bleibt, das den Erfolg des EEG in der Vergangenheit bewirkt hat.

· Erneuerbare Energien so fördern, dass die von ihnen eingeforderte Übernahme von Verantwortung für die Systemsicherheit wirtschaftlich interessant wird und der Um- und Ausbau der Stromnetze auf das notwendige Maß begrenzt bleibt.

· Sich für ein wirksames EU-Emissionshandelssystem einsetzen, das Europa eine kohlenstoffärmere Stromerzeugung ermöglicht. Wenn eine Einigung auf EU-Ebene nicht möglich ist, muss Deutschland im Interesse des Klimaschutzes und der Umwelt auf nationaler Ebene die Produktion von immer mehr Kohlestrom eindämmen und den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue verhindern.

· die Dauerblockade bei der Energieeffizienz beenden und den Energiebedarf entsprechend drosseln

· die Bürgerenergie-Idee stärken und fördern, um die Energiewende insgesamt bürgernah und auch dezentral zu gestalten.

Quelle: avaaz.org

Ein weiterhin unerfüllter Traum

Es ist 50 Jahre her, dass Martin Luther King anlässlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit, an dem mehr als 250.000 Menschen teilnahmen, seine Rede „I Have a Dream“ in Washington, D.C. vor dem Lincoln Memorial hielt. Am 28. August 1963 predigte Martin Luther King in Washington Gleichheit und Versöhnung. Seine Gegner antworteten mit Gewalt. Am 4. April 1968, kaum fünf Jahre später, wurde King in Memphis, Tennessee ermordet.

    Martin Luther King Jr. 1963: I Have a Dream

Heute regiert zwar ein schwarzer Präsident, im Bus darf jeder sitzen, wo er möchte. Doch Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger sind noch immer ungleich verteilt. Martin Luther King träumte einen Traum, der auch nach 50 Jahren weiterhin unerfüllt geblieben ist.


Martin Luther King Jr. 1963: I Have a Dream

Rede mit Wortlaut (original)Deutsche Fassung der Rede


    Martin Luther King: I Have a Dream (1963)

Frontbesuch in Tostedt

Die Auseinandersetzungen um den Neubau einer Kindertagesstätte/eines Kinderhortes in Tostedt sind weiterhin nicht ausgestanden. Inzwischen schlägt dieser Streit in den Medien auch bundesweit Wellen. So gab es gestern in der ZDF-Sendung drehscheibe Deutschland einen kurzen, daher leider auch wenig aussagekräftigen Beitrag: Dorf wehrt sich gegen Kita-Neubau. Ausführlicher ist dagegen ein Artikel in der taz vom 25.07.2013 zum Thema Rechtsanspruch auf Kita-Plätze mit dem Titel: Der Kampf um den Ortskern. Der Artikel beginnt wie folgt:

„Wir sind nicht gegen Kitas“, sagt Nadja Weippert, die selbst ein Kind hat. Sie ist nur gegen diese Kita, an dieser Stelle. Ein Frontbesuch in Tostedt.

Ja, ein Frontbesuch …, denn die Fronten sind weiterhin verhärtet. In Lüneburg ist noch eine Klage anhängig. Sicherlich kann man diesen Streit aus vielerlei Sicht sehen. Der taz-Artikel hilft vielleicht einwenig für eine klarere Sicht, denn er ist durchaus objektiv verfasst. So oder so bleibt viel Porzellan zerschlagen, weil manchmal leider auch mit Kanonen auf Spatzen geschossen wurde. Hier zunächst der Ausschnitt aus der ZDF-drehscheibe von gestern:


ZDF-drehscheibe am 30. Juli 2013: Tostedt wehrt sich gegen Kita-Neubau

Über Twitter ist dann auch der taz-Artikel einsehbar:

siehe zum KiTa-Streit auch meine weiteren Beiträge:
Seltsame Methoden
Tostedter Politposse
Der Sieg der Gleichgültigkeit

Sparstrumpf Oder: Hinter den Kulissen der Finanzwelt

Auf einem Sparkonto habe ich etwas Geld aus einer kleinen Erbschaft angelegt, für das ich im letzten Jahr sage und schreibe etwa 0,24 % Zinsen bekam. Ein Witz! Genauso gut hätte ich das Geld in einem Sparstrumpf aufbewahren können. Dafür beträgt der Zinssatz für Dispositionskredite 12,3 % bzw. 16,9 % für geduldete Kontoüberziehungen. Früher hätte man das Wucherzinsen genannt. Ich erinnere mich an Zeiten, da bekam man für sein Erspartes Zinssätze um die 8 %.

Für Banken sind die Geldanlagen und die Kreditvergaben an uns ‚kleine Leute’ nur noch Kleinkram, der kaum die Portokasse deckt. Lieber macht man in großen Geschäften und jongliert mit abstrusen Finanzprodukten, jenen Derivaten. Es darf gezockt werden. Ein etwas kurioses, reichlich überspitztes Beispiel ist die Tatort-Folge Die Ballade von Cenk und Valerie aus dem vorigen Jahr, in der gewissermaßen auf den Tod des Bundeskanzlers ‚gewettet’ wurde.

Wohin diese Zockerei führt, hat uns die Finanzkrise gezeigt:

Die Finanzkrise kam über Deutschland wie ein Tsunami, von weit her und völlig unvorhersehbar. Verantwortlich sind die USA, die Leidtragenden sind wir. Diese These ist ebenso eingängig wie falsch.

Verdeutlicht wird das in der filmischen Dokumentation Banken außer Kontrolle – Wie die Politik uns in die Krise führte in der ARD. Die Autoren Julia Klüssendorf und Stefan Jäger zeigen, wie alle Regierungen in Deutschland seit den Neunzigern die vorhandenen Alarmsignale ignoriert haben. Die Autoren blicken hinter die Kulissen und zeigen, warum unsere Politiker den Bankern freie Hand ließen.

ARD: Banken außer Kontrolle (2013)

Um die deutsche Finanzwelt gegenüber dem Weltmarkt zu stärken, hatten Politiker alle Schranken, die die Geldgeschäfte hemmen konnten, fallen gelassen. Das begann in den 90er Jahren unter Helmut Kohl und setzte sich bis heute fort.

Von der Euphorie des Börsenfiebers der Neunziger ist nicht viel übrig. Quer durch die Parteien gibt es heute Befürworter einer Regulierung der Finanzmärkte. Die aber kommt nur schleppend voran.

2008 hatte ich mich bereits etwas genauer mit der Situation beschäftigt (Der Anfang vom Ende). Und nach der Finanzkrise kam dann fast zwangsläufig auch die Euro-Krise. Während für die Bankenrettung angeblich 74 Milliarden Euro aufzubringen waren (siehe Film-Doku), dürfte die Rettung des Euros den deutschen Steuerzahlern noch einmal ein Vielfaches von dem kosten (zz. haften wir für annähernd 770 Milliarden Euro).

Wohin das führt, kann man nur erahnen. Soviel ist sicher: Die Politik hat auf der ganzen Linie versagt und wird es auch in Zukunft tun, denn es fehlt ihr an Kompetenz – oder sie macht den Bock zum Gärtner (z.B. als man sich Rat bei Herrn Ackermann, Ex-Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank, holte). Sieht man, wer während der großen Koalition (Merkel als Kanzlerin, Steinbrück als Finanzminister) immer noch für eine Deregulierung der Finanzmärkte eintrat und letztendlich die Finanzkrise und deren Auswirkungen viel zu lange unterschätzte, und sieht man, wer künftig die politischen Richtlinien bestimmen will (Merkel oder Steinbrück), dann kann einem nur angst und bange werden.

Schon allein dadurch, dass betont wird, die Spareinlagen der ‚kleinen Leute’ wären sicher, zeigt sich, dass man selbst hier das Schlimmste befürchten muss (siehe Zypern – Zypern ist näher als man glaubt). Schon melden sich Propheten (Trittbrettfahrer würde ich sie eher nennen), die behaupten, das Allheilmittel zu kennen, um den Spargroschen gewinnbringend zu sichern. Sie verkünden bereits fürs nächste Jahr den totalen Crash: Euro-Zusammenbruch. Schuldenchaos. Wirtschaftskrise. Und dabei liegen sie gar nicht einmal so verkehrt. Nur muss man zuvor Ängste schüren, um dann mit dem tollen Angebot herauszurücken? Das stinkt natürlich gewaltig! Überhaupt: Welche Anlage ist überhaupt noch sicher: Viele, die glaubten, ihr Geld in Gold sicher angelegt zu haben, mussten erleben, dass selbst der Goldpreis in den Keller sacken kann. Dann doch lieber den Sparstrumpf!

Nun, ich glaube längst nicht mehr, dass es einen Markt geben wird, der sich auf sein eigentliches Geschäft besinnt, z.B. der Händler verkauft seine Ware, der Banker verleiht Geld für Investitionen. Das wäre ja einfach zu banal. Solange ich ungestraft mit dem Geld anderer spekulieren und fette Boni kassieren kann, was soll ich da kleine Brötchen backen und mit deren Verkauf meine Existenz fristen. Und wenn’s in die Hose geht, dann wird eben der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Bundestagswahlen stehen an. Ich habe immer dafür plädiert, zur Wahl zu geben, denn sonst sollte man die Klappe halten. Aber diesmal weiß ich wirklich nicht, ob ich meine beiden Kreuzlein machen werde. Das kleinere Übel ist an Übel schon zuviel. Und verarschen kann ich mich auch allein.

Erste Wahlk(r)ämpfe

Im Herbst, genauer am 22. September, ist es wieder einmal so weit. Das Wahlvieh darf wieder an die Urnen. So wirklich ‚Lust’ dazu haben immer weniger. Liegt es vielleicht daran, dass man eigentlich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Merkel und Steinbrück, hat?

Merkel versus Steinbrück: Pest oder Cholera?!

Sicherlich schielt schon jetzt so mancher Politiker auf diese Wahl und feilt an seinem Image. Schließlich geht es um Macht, Ruhm und Ehre. Ehre? Wohl eher ums Geld.

Darf man den Umfrageergebnissen trauen, dann gibt es nach wie vor ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zwischen wen eigentlich? Schwarz-gelb versus Rot-grün? Das wohl doch nicht. Gut, Totgeglaubte leben länger (FDP). Und trotz AfD und Piraten könnten es Rainer Brüderle & Co. vielleicht doch schaffen, im Bundestag zu verbleiben. Aber Zünglein an der Waage dürfte doch Die Linke sein, oder? Und am Ende dann doch wieder eine große Koalition?

Das Neuland der Ottilie Normalbürger

Was mich erstaunt, ist die Tatsache, dass Frau Merkel weiterhin hohes Ansehen beim Bundesbürger genießt. Woher kommen diese sich geradezu übertreffenden Sympathiewerte eigentlich? Immerhin strotzt sie nicht gerade durch Kompetenz. Vielleicht ist es aber gerade das, ihr Image der Ottilie Normalbürger, für die z.B. das Internet genauso Neuland ist wie für viele andere Bürger; oder die von der Datenselbstbedienung der NSA und anderer Geheimdienste a la PRISM, Tempora & Co. auch nur aus den Medien erfahren hat. Vielleicht sollte sich Frau Merkel einmal mit den für Geheimdienste zuständigen Mitarbeitern ihres Amtes kurzschließen?

Ist das nur Mache oder gehören Merkel und viele ihrer Minister, allen voran Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), tatsächlich zu den Naiv-Ahnungslosen in unserer Republik?

Staat im Staate

Apropos Innenminister. Friedrich war ausgezogen, den Amerikanern gehörig auf die Finger zu klopfen. Herausgekommen ist eine Null-, wenn nicht gar eine Lachnummer. Statt die Verletzung der Menschenrechte durch die ungezügelt-unkontrollierte Überwachung von Telefon- und Internetverbindungen deutscher Bürger zu rügen, kam er mit der frohen Kunde aus Washington zurück, dass dank der NSA-Überwachung durch das Spähprogramm PRISM 45 Anschläge verhindert worden seien, davon fünf in Deutschland. Inzwischen ruderte sein Ministerium zurück und spricht u.a. von „Überlegungen“. Wie auch immer: Muss man deshalb Millionen von Telefonen und Internetleitungen überwachen: ohne gesetzliche Grundlage oder richterliche Anordnung? Hier scheint der Minister einige „Begriffe“ zu verwechseln und offenbart damit nur seine naive Unbedarftheit wie auch in Fragen der Vorratsdatenspeicherung.

Selbst der amerikanische Präsident scheint übrigens nicht zu wissen, was seine Geheimdienste insgesamt so treiben. Geheimdienste entwickeln sich nach meiner Meinung automatisch zu Staaten im Staat, da sie überwiegend unter dem Mäntelchen der Geheimhaltung operieren. Eigentlich sollte die Politik, auch die US-amerikanische, dankbar sein, dass, wie jetzt durch Whistleblower Edward Snowden geschehen, die unkontrollierten Überwachungspraktiken aufgedeckt werden, an denen mit Sicherheit auch deutsche Stellen wie der Bundesnachrichtendienstes (BND) beteiligt sein dürften.

Bushido: Wahlhelfer der CDU?

Von Mitgliedern der CDU wurde er in der Vergangenheit immer wieder als Musterbeispiel für eine gelungene Integration präsentiert. Bei der CDU scheint er ein- und auszugehen und hat sich dort auch mit Innenminister Friedrich zu Gesprächen getroffen. Dass man ihm Verbindungen zur organisierten Kriminalität vorwirft, dass er sich auch gern bei anderen Musikern bedient, dafür die Verbreitung der unter seinem Namen veröffentlichten Musik in Internet-Tauschbörsen mit Abmahnungen überzieht, wird beflissentlich (oder vielleicht doch eher naiv-unbedarft?) übersehen.

Wenn’s musikalisch nicht so toll ist, dann muss man sich eben auf andere Art und Weise ins Gespräch bringen. So ‚glänzt’ er jetzt mit Tötungs- und Gewaltphantasien gegen Politiker von SPD und Grünen sowie wieder einmal mit schwulenfeindlichen Parolen. Alles natürlich nicht so gemeint, klar. Weiß der Typ eigentlich, was für einen Mist er produziert?

Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck forderte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) daher auf, zu dem neuen Musikvideo Stellung zu beziehen. Beck sagte am Montag dem NDR mit Blick auf Friedrich: „Immerhin kursieren überall Fotos mit ihm und seinem guten Freund Bushido.“ (Quelle: rbb-online.de)

Ja, eigentlich ist er keine Zeile wert. Aber angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl muss man doch einmal fragen, ob CDU/CSU unbedingt die Unterstützung von dem Rapper Bushido im Wahlkampf braucht – oder ob sie sich nicht nun doch etwas distanzierter ihm gegenüber verhalten sollte?!

Noch ist Sommerpause. Das Sommerloch gähnt uns entgegen. Aber bald geht es dann wieder los. Mir kommen jetzt schon die ersten Wahlk(r)ämpfe ….!

Zu Martin Walser (4): Tod eines Kritikers

Walser ist ein Differenzierungskünstler der Innenwelten. Weil er sich offenbart, ist er so leicht angreifbar.“ So heißt es auf Seite 520 in Jörg Magenaus Martin Walser-Biographie (Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, rororo 24772 – aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Oktober 2008). In seiner Dankesrede Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche, in der er eine „Instrumentalisierung des Holocaust“ ablehnte, hatte sich Martin Walser auf diese Weise angreifbar gemacht und musste sich den Vorwurf des Antisemitismus gefallen lassen.

    Jörg Magenau: Martin Walser - eine Biographie

2002 erschien Walsers Roman Tod eines Kritikers. Als Vorbild der Figur André Ehrl-König, des von der Bildfläche verschwundenen Starkritikers, gilt gemeinhin Marcel Reich-Ranicki, der einflussreichste deutschsprachige Literaturkritiker der Gegenwart (Literaturpapst). Bereits 1977 publizierte Martin Walser in DIE ZEIT (25. März 1977) seine Polemik „Über Päpste“ gegen eine sich päpstlich-unfehlbar gerierende Literaturkritik, meinte damit aber hauptsächlich Reich-Ranicki. Und in seinem Roman „Ohne einander“, erschienen 1993, hatte Walser einen Literaturkritiker namens Willi André König eingeführt, der „in der Branche Erlkönig genannt wurde.“

„Noch bevor der Roman anderen Rezensenten zugänglich, geschweige denn im Buchhandel erhältlich war, hatte die FAZ das unredigierte Manuskript zur Prüfung für einen Vorabdruck erhalten. In seinem offenen Brief an Walser lehnte der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher eine Vorveröffentlichung in seiner Zeitung aber ab und machte damit den Inhalt des Werkes öffentlich. Schirrmacher, der 1998 bei der Verleihung des Friedenspreises an Martin Walser noch die Laudatio gehalten hatte, nannte in seinem Artikel den Roman eine zwanghaft aus Verbitterung geborene Abrechnung Walsers mit seinem langjährigen Kritiker Marcel Reich-Ranicki. Als Thema des Buches sah Schirrmacher schlicht den ‚Mord an einem Juden’.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Es entbrannte wieder eine Antisemitismus-Diskussion, denn Marcel Reich-Ranicki ist Jude. Man warf Walser vor, sein „Roman bediene sich bei der Beschreibung Ehrl-Königs durchgängig historischer Chiffren und antisemitischer Klischees.“ Das ging dann sogar soweit, dass man Walser vorwarf, „die Propagierung von ‚Judenhass’ jahrelang vorbereitet zu haben“. Dazu kamen ressentimentgeladene öffentliche Äußerungen Walsers: „In unserem Verhältnis ist er der Täter und ich bin das Opfer“, sagte er 1998 beispielsweise über Reich-Ranicki. „Jeder Autor, den er so behandelt, könnte zu ihm sagen: Herr Reich-Ranicki, in unserem Verhältnis bin ich der Jude.“ („Süddeutsche Zeitung“ v. 19./20. September 1998).

Es ist sicherlich richtig, dass Martin Walser „mit seinem Roman jahrzehntelange Demütigungen [bearbeitete]. Was sich so lange angestaut hatte, musste nun als Wut heraus. Das war eine Notwendigkeit, ein therapeutischer Akt und dann erst, in einem zweiten Schritt, literarischer Gestaltungswille. Als er vollbracht war, fühlte Walser sich ‚so unabhängig wie noch nie’ und behauptete tapfer, über kein Buch so froh gewesen zu sein wie über dieses.“ (S. 528 der Biografie).

Gehen wir ins Jahr 1976 zurück. Walser hatte seinen kleinen Roman „Jenseits der Liebe“ veröffentlicht. „Am 27. März kaufte er sich auf dem Weg nach Frankfurt am Bahnhof die F.A.Z. und fand darin Marcel Reich-Ranickis Rezension, die mit den Sätzen begann: ‚Ein belangloser, ein schlechter, ein miserabler Roman. Es lohnt sich nicht, auch nur ein Kapitel, auch nur eine einzige Seite dieses Buches zu lesen’. Schon die Überschrift – ‚Jenseits der Literatur’ – gab kund, daß es Reich-Ranicki eher um eine Exkommunizierung als um sachliche Kritik zu tun war. […] Vom einstigen Talent sei nichts übriggeblieben als Sterilität, Geschwätzigkeit und eine saft- und kraftlose Diktion. Ja, er diagnostizierte geradezu eine Verbalinkontinenz, wenn er dem Autor vorwarf, ‚Die Worte nicht mehr halten’ zu können.“ (S. 343)

Dem nächsten Werk Walsers, der Novelle Ein fliehendes Pferd (1978), war dann Reich-Ranicki dann schon wieder eher wohlgesonnen: Walser habe „offenbar nicht mehr den Ehrgeiz, mit der Dichtung die Welt zu verändern. Er will nur ein Stück dieser Welt zeigen. Mehr sollte man von Literatur nicht erwarten.“ (Marcel Reich-Ranicki: Martin Walsers Rückkehr zu sich selbst. In: FAZ, 4. März 1978). Aber nichts anderes wollte Walser schon mit seinem Roman „Jenseits der Liebe“. Reich-Ranicki wertete nicht Literatur, sondern die Gesinnung des Schriftstellers.

Sinngemäß äußerte sich Reich-Ranicki einmal so: Schriftsteller sollten froh sein, wenn er sie rezensiere. Lobt er ein Buch, so dürfte es 100.000 Leser finden. Bei einem Verriss sind es dann immer noch 20.000.

Kein Wunder, wenn sich Martin Walser eines Tages dieser Gestalt eines machtbesessen „Großkaspars“ annahm, der nach Meinung vieler Literaturkenner keine seriöse Literaturkritik betreibt, sondern Selbstinszenierung auf Kosten der Schriftsteller. Es ging für Walser aber um mehr, nämlich vor allem um die Schilderung der Machtverhältnisse im Literaturbetrieb insgesamt – und die Mechanismen, die ihn im Innersten zusammenhalten. Das Ergebnis ist der Roman ‚Tod einer Kritikers’.

Dabei „glaubte [Walser], keine ‚Abrechnung’ und schon gar keine ‚Exekution’ geschrieben zu haben, wie Kritiker ihm vorhielten, sondern auch eine versteckte Liebeserklärung.“ (S. 528 der Biografie) – „Er hatte ja sogar – davon war er überzeugt – Reich-Ranicki in der Figur des André Ehrl-König schöner, witziger, größer, souveräner gemacht, als er wirklich war. Bloß daß ihm das niemand abnehmen wollte.“ (S. 543)

Und: „Das Buch ist nicht antisemitisch, sondern handelt davon, wie Antisemitismus zum Medienthema wird.“ (S. 530) Aber das erkannten nur die wenigsten. „‚So leidenschaftlich geht die Suche nach verdächtigen Stellen mittlerweile voran, daß jeder, der keine Passage mit ‚antisemitischen Klischees’ finden kann, sich selbst des Antisemitismus verdächtig macht’, beschrieb Thomas Steinfeld in der Süddeutschen Zeitung die Atmosphäre.“ (S. 522)

„Reich-Ranicki […] behauptete allen Ernstes, in ‚Tod eines Kritikers’ werde nach ‚dem Vorbild des ‚Stürmers’ ‚gegen Juden gehetzt’. ‚Der Autor vom Bodensee’ [wie er Walser jetzt nur noch nannte] kann sich nicht damit abfinden, daß ich noch lebe und arbeite. Er kann sich ja ausrechnen, daß das nicht mehr lange dauern wird. Aber er ist auf grausame Weise ungeduldig.’ Angst habe er, sagte der wortgewaltige Kritiker, als müsse er tatsächlich um sein Leben fürchten.“ (S. 537)

Interessant dabei ist, dass die öffentliche Diskussion über Walsers Werk in vielen Punkten dem Drehbuch des Romans folgte, weswegen dieser aus heutiger Sicht, wie schon Sigrid Löffler bemerkte, „gnadenlos klug und fast prophetisch“ wirkt. Oder wie es in der Walser-Biografie heißt: „Schirrmacher […] schrieb: ‚Es geht hier nicht um die Ermordung des Kritikers als Kritiker (…). Es geht um den Mord an einem Juden.’ Auch diesen unerhörten Vorwurf mußte er nur aus Walsers Roman abschreiben. ‚Das Thema war jetzt, daß Hans Lach einen Juden getötet hatte’, heißt es da. Walser schildert an dieser Stelle die Funktionsweise der Medien, die in ihrer Aufmerksamkeitskonkurrenz stets auf den größtmöglichen Skandal aus sind. Der größtmögliche Skandal aber ist der Antisemitismus. ‚Erst jetzt hatten die Medien ihr Saisonthema gefunden’, heißt es im Roman, der als Farce vorwegnahm, was in der Wirklichkeit als Tragödie folgte. Erstaunlich wie präzise die medialen Nachspieler sich an das Drehbuch hielten. Walser hätte sich über seine prognostische Präzision freuen können, wenn sie ihn nicht selbst getroffen hätte.“ (S. 531)

siehe hierzu auch: Das vermeintliche Skandalbuch

Nun auch diesen ‚Skandal’ hat Martin Walser überlebt. Ich hatte damals das Buch gelesen und konnte der Anschuldigungen wegen nur den Kopf schütteln. Natürlich brannte Walser einiges auf der Seele. Und was macht man als Schriftsteller, man schreibt es sich von dieser. Aber es ist kein Roman aus dem Affekt heraus. Walser hat sicherlich lange recherchiert und alles von Belang gesammelt. Und natürlich war da die Lichtgestalt Reich-Ranickis ein ‚gefundenes Fressen’.

Gegenüber Biografien bin ich immer etwas skeptisch. Aber die Martin Walser-Biographie von Jörg Magenau kann ich jedem nur wärmstens empfehlen, der sich wenigstens etwas für Walser interessiert. Inzwischen ist diese Biografie zu einer Art Standardwerk für den ‚Autor vom Bodensee’ geworden, auch wenn Walser auf Magenaus Rückfrage behauptete: „Ihr Buch ist interessant zu lesen, aber ich bin das nicht!“.

siehe auch:
Zu Martin Walser (1): Ich bin nicht Walser
Zu Martin Walser (2): Links und DKP-nah

Zu Martin Walser (3): Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede

Für Martin Walser gibt es zwei Ebenen, um mit der Schuldfrage zu den Verbrechen des Nationalsozialismus umzugehen: „eine öffentlich-rechtliche des Meinens, zu der auch die juristische Aufarbeitung gehört, und eine innerlich-moralische, vor der die eigentliche Schuld verhandelt wird.“ (S. 372) – „Jeder Deutsche hat die ganze Geschichte geerbt und zu verantworten, damit also auch Auschwitz. Doch es gibt keine richtige Haltung gegenüber der Vergangenheit. Besonders grotesk fand Walser die Erfindung der ‚Vergangenheitsbewältigung’. Erst Auschwitz zu betreiben und dann als Rechtsnachfolger des NS-Staates Bewältigung auf die Tagesordnung zu setzen war geradezu anstößig. […] ‚Ein Rechtsnachfolger, der zahlt, organisiert, feiert, gedenkt, so gut er kann: das heißt, der hat einen Terminkalender, der bewältigt. Und wir? Wir lassen bewältigen. Wir alle.’“ (S. 373) Ich habe hier zitiert aus Jörg Magenaus Martin Walser-Biographie (Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, rororo 24772 – aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Oktober 2008).

    Jörg Magenau: Martin Walser - eine Biographie

Unter diesem Gesichtspunkt wird vielleicht Walsers Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche, in der er eine „Instrumentalisierung des Holocaust“ ablehnte (Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede) begreifbar. Diese Rede wirbelte viel Staub auf. Walser wurde Antisemitismus vorgeworfen. Kurze Zeit später in seiner Rede zum Jahrestag des Novemberpogroms am 9. November 1998 nannte Ignatz Bubis, der (damalige) Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Walser sogar einen „geistigen Brandstifter“. Sicherlich war die Rede „literarisch kompliziert“ und die Auseinandersetzung Walsers mit dem Thema „rational kontrovers bewertbar“: „Die nationalsozialistischen Verbrechen würden von einigen Leuten dazu missbraucht werden, den Deutschen weh zu tun oder gar politische Forderungen zu stützen. Auch fühle derjenige, der ständig diese Verbrechen thematisiert, sich den Mitmenschen moralisch überlegen. Der Themenkomplex Auschwitz dürfe aber nicht zur ‚Moralkeule’ verkommen, gerade wegen seiner großen Bedeutung.“ (Quelle: de.wikipedia.org).

Ignatz Bubis erregte sich besonders an Walsers „Wegschauen“. Nur meinte Walser mit Sicherheit mit „Wegschauen“ nicht ignorieren und vergessen. Es ist ein schamhaftes „Wegschauen“ im Gegensatz zum „Gaffen“, was in unserer heutigen Gesellschaft so gängig geworden ist. Walser in seiner Rede: „Wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt. Anstatt dankbar zu sein für die unaufhörliche Präsentation unserer Schande, fange ich an wegzuschauen. Ich möchte verstehen, warum in diesem Jahrzehnt die Vergangenheit präsentiert wird wie nie zuvor. Wenn ich merke, daß sich in mir etwas dagegen wehrt, versuche ich, die Vorhaltung unserer Schande auf die Motive hin abzuhören, und bin fast froh, wenn ich glaube entdecken zu können, dass öfter nicht das Gedenken, das Nichtvergessendürfen das Motiv ist, sondern die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken. Immer guten Zwecken, ehrenwerten. Aber doch Instrumentalisierung. […] Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität des Lippengebets […].“

Martin Walser betonte, hier seine subjektiv eigene, wenn man so will: private Denkweise wiedergegeben zu haben und plädierte allgemein für eine ‚subjektive’ Geschichtsauffassung. Wie können wir für uns allein „innerlich-moralisch“ Geschichte aufarbeiten, wenn nicht subjektiv geprägt. – Die nachstehende Kontroverse wurde zu einer Diskussion um politische Korrektheit. Ich denke, dass political correctness zu einem Mäntelchen werden kann, unter das manches versteckt wird. Eine offene Debatte ist sinnvoller. Im gewissen Sinne hat Walser diese mit seiner Rede angeregt, wenn auch mit für ihn nicht vorhersehbaren Folgen.

Ich möchte hier nicht weiter auf diese „Sonntagsrede“ eingehen. Die Rede selbst (Martin Walser – Dank: Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede) zusammen mit der Laudatio von Frank Schirrmacher – Laudatio: Sein Anteil findet sich im Internet als PDF-Datei bzw. als Text mit einigen Vorbemerkungen.

Wer nach „Martin Walser Sonntagsrede“ googlet wird erstaunt sein, wer sich da alles (ich ja auch) zu Wort gemeldet hat. Die Auseinandersetzung zwischen Walser und Bubis wurde zudem ausführlich von Frank Schirrmacher als Herausgeber in dem Buch Die Walser-Bubis-Debatte. Eine Dokumentation, Frankfurt am Main 1999 (Inhaltsverzeichnis als PDF) dokumentiert.

Hier nur einige Links im Netz, die sich mit der Rede Walsers bzw. mit der anschließenden Debatte befassen:

Der Streitverlauf in Stimmen und Zitaten
Kritik an Martin Walser
Martin Walsers (Un-)Friedenspreisrede – von Stefan Kühnen

Beängstigend finde ich, wie manche emotional auf die Walser-Rede überreagiert haben. So sah Ignatz Bubis sein Lebenswerk – die Versöhnung mit den Deutschen auf der Basis gemeinsamen Erinnerns an den Holocaust – als gescheitert an. Selbst der blanke Hass tritt da Walser entgegen, als Beispiel der Blog walserbashing. Jahre später hat es Martin Walser bereut, ein ‚Friedensangebot‘ von Ignatz Bubis nicht angenommen zu haben.

siehe auch:
Zu Martin Walser (1): Ich bin nicht Walser
Zu Martin Walser (2): Links und DKP-nah