Kategorie-Archiv: Familie

Familien-Tagebuch

Eine Kerze für Opa Hermann

Ein Unglück kommt selten allein, eine Hiobsbotschaft folgt der anderen: Gestern starb im gesegneten Alter von 92 Jahren mein Vater an den Folgen eines Herzinfarkts. Die letzten Jahre waren dabei weniger ein Segen, weder für den Verstorbenen, noch für uns Angehörige.

Opa Hermann

Der Tod kommt meist unverhofft. Obwohl im hohen Alter stehend gab es keine Anzeichen für den dann doch plötzlichen Tod.

Vor unserem Haus haben wir gestern Abend noch eine Kerze entzündet, die auch des Nachts leuchtet: Mein Vater hat nun endlich die Ruhe gefunden:

Hermann Albin – 24.05.1917 – 14.04.2010

Krebs-Tagebuch eines Angehörigen (2)

Gestern war meine Frau im Krankenhaus in Buchholz. Erst sollen noch weitere Untersuchungen gemacht werden, um zu entscheiden, wie weiter verfahren werden kann. Die Krebsart, die meine Frau hat, ist ziemlich aggressiv, spricht aber laut Onkologen wohl gut auf eine Chemotherapie an. Sollten keine Metastasen, also Absiedlungen des Krebstumors an anderer Stelle, entdeckt werden, dann könnte auf einen operativen Eingriff verzichtet werden.

Um das aber entscheiden zu können, muss meine Frau nun am Freitag zur Kernspintomographie, genauer Magnetresonanztomographie (MRT). Je nachdem wie der Befund dann ist, wird am Montag operiert – oder es finden weitergehende Untersuchungen statt.

Das ist natürlich alles nervenzerrend, auch für meine Söhne und mich. Aber nichts ist schlimmer als Ungewissheit. Am Freitag werden wir mehr wissen.

Jetzt ist bereits absehbar, dass der Heilungsprozess viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Eine Chemotherapie ist wohl unumgänglich. So habe ich unsere geplante Urlaubsreise an Rhein und Mosel abgesagt. An dieser Stelle möchte ich Frau Zahn danken, bei der wir für acht Nächte eine Ferienwohnung am Münzturm in Bacharach gebucht hatten, und die anstandslos unsere Absage akzeptiert hat. Den kurzen Abstecher nach Düsseldorf werde ich mit meinen beiden Söhnen allerdings machen. Das haben sie sich nach den noch kommenden Abschlussprüfungen an ihren Schulen verdient.

Morgen werde ich meinen jüngeren Sohn nach Hamburg zu einem Vorstellungsgespräch begleiten (zur ‚moralischen Unterstützung’). Er wird nach den großen Ferien die Fachoberschule Wirtschaft und Verwaltung in Stade besuchen und benötigt für das erste Schuljahr dort noch einen schulbegleitenden Praktikumsplatz. Auch hier heißt es nun ‚Daumendrücken’!

Krebs-Tagebuch eines Angehörigen (1)

Keine Angst: Ich will hier in diesem Tagebuch einer Krebserkrankung nicht bis ins letzte Detail gehen und damit andere Leidtragende quälen. Wer selbst betroffen ist, ob als Erkrankter oder als Angehöriger oder Freund, braucht Mut und Zuspruch. Aber gerade dann, wenn man die verhängnisvolle Diagnose erfährt, stellen sich Fragen, die an allen Beteiligten nagen.

Ein Schock bleibt es erst einmal. Auch die Frage, warum meine Frau (und warum nicht ich?). Zunächst war ich wie vor den Kopf geschlagen, sprachlos. Ich weiß nicht genau, wie es meiner Frau ging, als sie es erfahren musste. Wir versuchen es mit Fassung zu tragen. Aber es bleibt eine Ungewissheit, wie sie nun einmal bei einer so heimtückischen Krankheit wie Krebs bleiben muss: wird alles am Ende wirklich gut? Wir können alle nur hoffen, dass es gut wird. Und die Ungewissheit nagt an einem, weil einem irgendwie das Heft aus den Hand zu gleiten droht, man nicht mehr Herr seines Schicksals ist.

Warum gebe ich einer Krankheit eine menschliche Eigenschaft: heimtückisch? Immerhin spricht man bei einem Krebsgeschwulst von einem malignen, also bösartigen Tumor. Heimtückisch deshalb, weil die Krankheit so ‚unberechenbar’ ist, bei der Körperzellen unkontrolliert wachsen, sich teilen und gesundes Gewebe verdrängen und zerstören können. Und glaubt man, die Krankheit besiegt zu haben, so können sich doch so genannte Metastasen, also Tochtertumore, an anderer Stelle gebildet haben. Und heimtückisch, weil vieles rund um die Krebserkrankung noch im Dunklen liegt und nicht bis ins Kleinste erforscht ist. Viele Annahmen beruhen auf Theorie.

Heute Nachmittag fährt meine Frau nach Buchholz ins Krankenhaus zum Gespräch und zur weiteren Untersuchung durch den Onkologen. Heute wird auch der Termin ausgemacht, wann der Brustkrebs meiner Frau operiert wird. Und alle weiteren Details zur anschließenden Chemotherapie. Der Kampf gegen den Krebs hat begonnen.

Diagnose: Brustkrebs

Jede Zeit hat ihre Pest. Wie im Mittelalter, als die Pest die Menschen ganzer Landstriche dahinraffte (interessant ist hier der Roman Narziß und Goldmund von Hermann Hesse; unbedingt empfehlen möchte ich auch Die Pest von Albert Camus), so gibt es auch heute Krankheiten, die vielleicht nicht unbedingt epidemisch oder gar pandemisch auftreten, an die aber viele Menschen erkranken und auch sterben. Neben Aids ist das Krebs.

Sicherlich kann Krebs bekämpft werden. Von einer sicheren Heilung kann im Vorhinein aber nicht gesprochen werden. Das ist es, was uns alle vor dieser Krankheit zurückschrecken lässt. Wir empfinden Krebs als Pest unserer Zeit.

Beängstigend ist es nun, wenn man überlegt, wer im eigenen näheren Umfeld vom Krebs befallen wurde und sogar starb. Da war die Frau von unserem Nachbarn Otto, die vor einiger Zeit an Krebs starb. Otto war Pastor in Marschacht, einer Gemeinde, die nicht unweit von dem Atomkraftwerk Kümmel gelegen ist. Ursache und Wirkung?

Vor einem Jahr starb die Mutter eines Freundes meines jüngeren Sohnes – an Krebs. Sie war auch Freundin meiner Frau. Bis zuletzt kämpfte sie gegen diese Krankheit an – vergeblich. Eine weitere Freundin meiner Frau, gerade 40 Jahre alt, erkrankte ebenfalls vor einem Jahr an Krebs, an Brustkrebs. Dieser wurde rechtzeitig erkannt und operativ entfernt. Und nach einer folgenden Chemotherapie stehen die Chancen gut, dass sich keine Metastasen gebildet haben.

Ebenfalls an Brustkrebs war die Mutter einer Freundin meines älteren Sohnes erkrankt. Nach der Entfernung bildeten sich dann aber Absiedlungen des Tumors in anderen Organen. Sie starb daran.

Krebs ist die Pest!

Meine Frau hatte Schmerzen im Brustbereich. Ein Orthopäde meinte, es wären Muskelbeschwerden, die sich aber nur mühevoll beheben ließen. Damit nicht zufrieden, ließ sie sich im Krankenhaus genauer untersuchen. Und jetzt die Diagnose: Brustkrebs.

Meine Frau ist nicht der Typ, der für eine solche Krankheit anfällig sein könnte, weder genetisch (uns ist kein Fall von Krebs in ihrer Familie bekannt), noch körperlich. Auch nicht seelisch, wenn das eine Rolle spielen sollte. Sie ist schlank, treibt Sport, ist viel an der frischen Luft, raucht nicht und trinkt nicht und sie ernährt sich durchaus bewusst. Unsere Söhne hat sie lange gestillt, was das Risiko verringern soll.

Und trotzdem jetzt dieser Schock. Jede andere Krankheit: ja – aber nicht Krebs. Auch die Ärzte waren irritiert und fragten nach, ob meine Frau in letzter Zeit enormen Stress hatte, z.B. einen Todesfall in der Familie. Vor weniger als einem Jahr starb ihr Vater, mit dem sie emotional sehr verbunden war. Sollte das die Ursache sein? Rechte Seite wäre Vaterseite (links Mutterseite). Der Krebs ist rechts.

Der Schock sitzt tief. Plötzlich denkt man selbst ans Schlimmste. Alternative Heilmethoden? Oder doch Operation und Chemotherapie? Es kann nur darum gehen, dass meine Frau schnell wieder gesund wird. Mut fassen! Nur nicht klein beigeben. Aber zunächst fällt man in ein tiefes Loch. Auch die Kinder sind betroffen, haben sie doch über Freunde schlimme Erfahrungen gemacht. Und jetzt stehen auch noch für beide Jungen die Abschlussprüfungen in der Schule an.

Unweigerlich rücken wir näher aneinander. Heute noch wird meine Frau ein Gespräch mit dem Onkologen führen und die weiteren Schritte besprechen. Möglichst bald wird die Operation sein. Alles wird gut werden. Der Haushalt wird zur Männerwirtschaft. Aber das wuppen ich und meine Söhne schon. Wie Geschirrspüler und Waschmaschine funktionieren, wissen wir nun auch endlich.

Aber das Wichtigste ist erst einmal meine Frau. Gemeinsam werden wir das durchstehen. Meine Frau ist robust und willensstark. Das ist wichtig. Gemeinsam werden wir diese schwere Zeit überstehen. Gemeinsam werden wir stark sein. Auch gegen diese heimtückische Krankheit.