Archiv für den Monat: Juni 2007

Was ist bloß mit Ian los? Teil 70: Von folkloristischen grauen Haaren aus Dublin

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

bevor ich zu meinem Vortrag über Folklore komme, doch noch einige Anmerkung zu Ansehen und Kleiderordnung bei Rockmusikern. Ich hatte schon einmal einige Bildchen unter dem Motto: Nur älter, nicht schöner … hier an anderer Stelle veröffentlicht. Ja, der Zahn der Zeit nagt unerbittlich an einem, da hilft nichts (oder nur wenig, wenn auch nicht lang, z.B. Haare färben). Herr Anderson ist wahrlich ein doppelt tragisches Beispiel für den Verfall der menschlichen Hülle. Erst fallen ihm die Haare aus, dann versagt die Stimme, genauer: Gesangsstimme, denn seine Sprechstimme ist nach wie vor stabil. Dank an Kretakatze für das kleine sehr aktuelle Video mit dem Interview, zeigt es Ian Anderson, für uns alle überraschend, auch mit grauen Haaren (Ist etwa sein Friseur gestorben?).

Ian Andersons graue Haare

Zu den Auftritten von Tiefseetauchern, Bären und dem weißen Kaninchen Harvey und den geigenden vier Damen unter Lockenperücken usw. bei früheren Tull-Konzerten habe ich noch einmal nachgeforscht, bin aber bisher nicht fündig geworden. Ich erinnere mich nur an Bilder in Musikzeitschriften u.ä. und denke, dass es im Zusammenhang mit „A Passion Play“ gewesen sein musste.

Dass mit der versagenden Stimme bei dem Lied von Nikos Papazoglou finde ich etwas merkwürdig. Das Lied heißt doch auf Deutsch „Niemand singt hier …“, und beim scheinbaren Versagen hat auch gleich ein Zuschauer ein Mikrophon zur Hand (und schließlich singen alle!): Ist das Ganze nicht eine abgekartete Sache? Im Falle von den Dubliners (Fields of Athenrye – lese ich da nicht Athen heraus?) singt das Publikum auch mit – ohne dass es dem Sänger die Stimme verschlägt. Lockwood, ist das ein traditionelles irisches Lied?

Kretakatzes Parallelen zwischen Fogerty und Anderson finde ich ziemlich interessant. Auch ist die Schlussfolgerung im Bezug auf Ian Andersons Experimentierfreude nicht von der Hand zu weisen: Da ist ein festes Team von Musikern eher hinderlich. Warum also doch die Band? Genauso gut kann man fragen, weshalb Herr Anderson immer noch auf Tour geht. Genug Geld müsste er längst haben. Herr Anderson tritt eben gern öffentlich auf, liebt es, sich ‚zur Schau’ zu stellen. Und wie ein großes Kind verkleidet er sich auch gern (z.B. als Pirat, ein am Kopf verletzter Pirat). Da er nicht mehrere Instrumente gleichzeitig spielen kann, so braucht er also ein mehr oder weniger festes Team. Die Betonung liebt auf „mehr oder weniger“ wie an der Personalpolitik von Herrn Anderson abzulesen ist. Jethro Tull als solches ist wirklich längst ein Solo-Projekt. Auf der anderen Seite verkaufen sich CDs von Jethro Tull besser als die unter dem Namen Ian Anderson.

Noch etwas zum Vergleich Fogerty – Anderson: Beide sind stark von ihrer Herkunft geprägt. John Fogerty ist bis heute in vielen Dingen sehr amerikanisch (Kleidung, Musik, sicherlich auch Essen); Ian Anderson ist zum einen Schotte, aber auch ein typischer Brite, der das Extravagante liebt.

Hier also mein kleiner Vortrag zum Thema Folklore. Der passt vielleicht nicht mehr so ganz in den Kontext unseres zuletzt geführten Gedankenaustausches, aber da ich mich nun einmal hingesetzt und folgendes verfasst habe, müsst Ihr Euch das schon einmal anhören (lesen): Ich habe ihn allgemein gehalten, um ihn gewissermaßen allgemeingültig zu halten, wenn im Mittelpunkt auch die deutsche Folklore steht. Zum Volkstanz habe ich mich nur kurz geäußert, dürfte da aber von Kretakatze sicherlich ergänzt werden.

Folklore in Lied und Tanz

Der Begriff „Folklore“ kommt aus dem Englischen und umfasst zunächst alle Überlieferungen aus dem Volk, neben Sprichwörtern, Märchen und ähnlichem natürlich auch Volkslieder, Balladen und Tänze (Volkstänze). Im angelsächsischen Raum hat sich für Volkslieder der Begriff „Folk“ durchgesetzt.

Wir in Deutschland tun uns aus geschichtlichen Gründen etwas schwer mit dem Begriff Volksmusik. Ich schrieb vor längerer Zeit:

Natürlich finde ich „Schwarz-braun ist die Haselnuss“ und dergleichen auch zum Kotzen. Aber das ist nicht die deutsche Folklore oder nicht allein, sondern immer noch der ‚volksnahe‘ Beitrag, der sich aus der Nazizeit herübergerettet hat. Schriebst Du nicht etwas von Liederjan oder Zupfgeigenhansl (und ‚Schelmish‘)? Da greift man durchaus auf altes, ‚deutsches‘ Liedgut zu, was weder schwarz noch braun angehaucht ist.

Ich sehe hier zunächst eine Zweiteilung. Auf der einen Seite die Volksmusik (Volkslieder), die sich aus langer Tradition entwickelt hat, oft mit politischem Hintergrund und mit Themen besetzt, die den Alltag des (nicht nur) niederen Volkes betreffen. Daneben die volkstümliche Musik (Schunkelmusik), die sich gern als Volksmusik ausgibt, aber die lediglich der Unterhaltung dient (und daher kommerziell ausgeschlachtet wird). Themen hier: Herz und Schmerz und schwarz-braune Haselnüsse. Dieser Art von Volksmusik bedienten sich auch die Nationalsozialisten.

Das deutsche Volkslied hat eine lange Tradition und beginnt mit den Minnesängern und Bänkelsängern. Bereits hier lässt sich diese Zweiteilung beobachten:

• Die Minnesänger, die auch den Grundstein für das Kunstlied legten, dem sich später bekannte Komponisten von Mozart bis Franz Schubert bedienten

• Die Bänkelsänger, die sich mehr den volkstümlichen Liedern (und Moritaten) widmeten

Als „Vater“ des Volksliedes gilt Johann Gottfried Herder, der auch diesen Begriff prägte (Herder gilt übrigens als Meister der Neologismen, so stammt auch der Begriff Zeitgeist von ihm). Und bei ihm begegnen wir auch dem schottischen Volkslied. Überhaupt beschäftigten sich in der Zeit der Romantik u.a. Achim von Arnim sowie Clemens Brentano mit Volksliedern und die Brüder Grimm mit Märchen und Sagen.

Die „Herkunft“ eines Volksliedes lässt sich bereits erahnen. Beim zum Kunstlied erhobenen Volkslied kennen wir in der Regel Dichter und Komponist. Es wurde zum Volkslied, weil es in den Volksmund übergegangen ist. Beim eher volkstümlichen Lied sind beide, Dichter und Komponist, meist nicht mehr bekannt. Auch ein schlicht und leicht fassbares Lied in Text und Melodie ist hierzu zu zählen. Aber es gibt natürlich Mischformen. So gibt es viele Gedichte, die zu einer Volksweise (Melodie) gesungen werden (z.B. „Der Mai ist gekommen“). Auch der schottische „Volks“-Dichter, Robert Burns, bediente sich häufig traditioneller Musik, z.B. „A Man’s A Man for A’ That“. Überhaupt sind es diese Mischformen, die ich vorrangig zur (nicht nur) deutschen Folklore, zu den Volksliedern zähle. Die Lieder, für die wir (sicherlich nicht immer richtig) den angelsächsischen Begriff „Folk“ verwenden, einfach um eine Abgrenzung zum volkstümlichen Lied zu schaffen. Und aus dieser Quelle schöpfen heute viele Musiker, kreieren ihre eigenen Lieder, die dann unter anderen Begriffen wie Folkrock, Politrock usw. an und in unsere Ohren dringen.

Volkslieder beider Art sind meist regional entstanden, haben sich aber oft national ausgebreitet, teilweise auch über die (staatlichen bzw. sprachlichen) Grenzen hinweg.

Wie verhält es sich nun mit Volkstänzen? Musikalisch bedient man sich nach meiner Meinung hier aus beiden Töpfen (Kunstlied und volkstümliches Lied, eher aber letzteres als so genannte Volksweise). Im Gegensatz zu den Volksliedern sind Volkstänze meist regional begrenzt, was u.a. auch mit den durch regional verschiedenen Trachten zusammenhängt. Das lebendige Vorhandenseins dieses Brauchtums ist zudem von Region zu Region sehr unterschiedlich und wird eher in ländlichen Gegenden gepflegt. Dort, wo Volkstänze besonders einem breiteren Publikum (Touristen) vorgeführt werden, greift man eher auf „standardisierte“ Tänze zurück.

Soviel fürs erste. Einen Aspekt habe ich vernachlässigt. Es geht um die Marschmusik, die immer wieder gern in so genannten Volksmusiksendungen gezeigt wird, in Deutschland z.B. irgendwelche böhmischen Blaskapellen; in Schottland die bekannten Drums and Pipes Bands. Wie der Name schon sagt, Marschmusik, gibt es hier eine (pseudo-)militärische Ausrichtung. Sicherlich ein Grund mehr, weshalb mir solche Hitparaden der Volksmusik zuwider sind.

Weiterhin frohe Schaffen!
Viele Grüße

Wilfried

04.06.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

Mr. Anderson färbt seine Haare. Seit Jahren. Ich bin froh, dass es nun einen Bildbeweis für meine Behauptung gibt. Ganz kann er sich dem Jugenlichkeits-Wahn also auch nicht entziehen. Findet er, nicht ich. Aber auf mich hört ja keiner.

Die Gemeinsamkeiten zwischen Mr. Anderson und Mr. Fogerty scheinen sich auf Personalpolitik und andere Äußerlichkeiten zu beschränken und nicht so sehr auf die Musik. Das erleichtert mich; ich dachte schon, ich hätte wieder die simpelsten Dinge wie Tonart, Rhythmus und Halbtöne nicht erkannt.

Die Fields of Athenrye sind nicht unbedingt ein Paradebeispiel für irische Folklore. Es ist nicht der „klassische“ Folk. Es ist fast wie ein Schlager, wenn auch mit sehr ernstem Hintergrund. Das Lied handelt von der großen Hungerkatastrophe, die die grüne Insel Mitte des 19. Jahrhunderts heimgesucht hat.

Eben so wenig wie das Lied verkörpern die Dubliners die ursprüngliche Folklore. Die Dubs sind mehr für Schunkel- und Trinklieder zuständig. Und auch für Kampf- und Kriegsgesänge, von denen es in Irland reichlich gibt. Natürlich besteht auch an Liebesliedern kein Mangel. Ich habe die Felder von Athenrye trotzdem als erstes Beispiel ausgesucht, um einen sanften Einstieg in die irische Folklore zu finden. Die „echte“ Folklore der Insel ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Will man einen Kulturschock vermeiden, sollte man sich ihr langsam nähern.

The Fields of Athenrye sind erst in den 70er Jahren komponiert worden, also für meine Begriffe zu jung, um als `Traditional` durchzugehen. Der im gelinkten Wikipediatext erwähnte Paddy Reilly ist übrigens niemand anderer als der nette Opatyp, der das Lied im Video singt. Mr. Reilly spielt seit 1995 bei den Dubliners, genau wie hunderte vor ihm und nach ihm. Jethro Tull und CCR stellen nicht die Spitze der Personalfluktuation dar. Ist Euch aufgefallen, wie alt das Publikum in dem Video ist ? Ich schätze das Durchschnittalter auf 61,7 Jahre. Entweder war das Konzert auf Betreiben eines Seniorenclubs zustande gekommen oder die Dubliners erreichen die jungen Menschen nicht mehr. Beides halte ich für möglich.

Wie in meiner kurzen Beschreibung des Dubliners-Repertoire schon angeklungen, scheint sich die Welt der Iren hauptsächlich um drei Dinge zu drehen: Trinken, Liebe und der Kampf gegen die Engländer. Tatsächlich habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Iren den Hass auf alles Englische schon mit der Muttermilch aufnehmen. Betrachtet man die Geschichte der beiden Länder, wird das niemanden wundern. Angefangen bei Edward I, über Henry VIII und Oliver Cromwell bis in unsere Tage wird nicht viel dafür getan, um die politischen Wogen zu glätten. Aber das nur am Rande, ich möchte kein Geschichtsforum eröffnen.

Ich wollte eigentlich nur sagen, dass die Songs einer so populären Gruppe wie den Dubliners zu einem nicht geringen Anteil politisch angehaucht sind. Ohne Zweifel spielen sie Volksmusik, und somit ist Wilfrieds These über das politisch motivierte Volkslied auch für den irischen Teil der Welt untermauert. Und tanzen können die Iren natürlich auch (vermutlich am besten dann, wenn sie genug getrunken haben). Ihre wichtigsten Tänze sind Reel und Jig.

Als eines der katholischsten Länder der Erde (was immer das heißen mag) kennen die Iren auch religiöse Lieder. Hier als Beispiel der Text eines Liedes, das sich so gar nicht nach Kirchenlied anhört. Seit Riverdance wissen wir auch, dass die Iren steppen können.

Einige Gedanken zu der letzten mail von Kretakatze:
Ich bin versucht, Werbung für Israel zu machen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass unsere Kretakatze ihr El Dorado in der Ägäis gefunden hat. Dabei ist Israel von Kreta nur einen Katzensprung entfernt. Nein, im Ernst: Israel ist in erster Linie für den historisch und religiös Interessierten die engere Wahl; tolle Strände, nette Menschen und ein schönes Hinterland finden sich auch anderswo.

Zum Schönheitsideal: Es gibt sicher einige Faktoren, die hier hineinspielen. Ein Anthropologe schrieb einmal, dass wir uns als Partner den Menschentyp aussuchen, der uns von frühester Jugend vertraut ist. Also: ist meine Mutter dunkelhaarig- und äugig, werde ich mir auch eine solche Frau suchen. Wir alle kennen sicher -zig Fälle, die dieser Theorie widersprechen. Jedoch: bei meinen ersten Freundinnen (möge der Himmel ihnen ein glückliches Leben bescheren) war das so.

Liebe Kretakatze, Deine frühe Vorliebe für CCR hat mich angenehm überrascht. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass junge Mädchen in den 70ern Abba, Smokie und Bay City Rollers hörten. Schön zu sehen, dass es auch anders ging.

Mein Bett ruft und ich werde dem nachgeben.
Bis bald
Lockwood

04.06.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute muss ich zuerst einmal dem Lockwood ein großes Kompliment machen – er verlinkt inzwischen wie ein Weltmeister, da komme ich ja kaum noch mit. Vielen Dank auch für die zahlreichen interessanten Videos zu den Dubliners. Das muss ich erst noch ein bißchen verdauen. Auf’s erste Hören muss ich allerdings sagen, dass mich davon nichts so richtig vom Hocker reisst. Abgesehen vom angenehmen akustischen Sound klingen die Melodien für mich doch alle ein bißchen – tja, langweilig. Von Rhythmus und Takt erinnert mich alles stark an deutsche Volksmusik, und die spricht mich auch nicht gerade an. Aber wenn ich mich recht entsinne, müsste es eigentlich auch ein paar ziemlich flotte irische Tänze geben, oder? Auf jeden Fall ein sehr interessanter Ausflug auf die „Grüne Insel“, die weißen Flecken auf unserer Landkarte werden immer kleiner.

Lockwood hat außerdem Einiges über Beständigkeit und Wandel im äußeren Erscheinungsbild der Herren Anderson und Fogerty geschrieben. Dem kann ich nur zustimmen. Ich denke beide sind auf ihre Weise Phänomene. Anderson, weil er sich alle paar Jahre so derart wandelt, dass man kaum noch glauben kann dieselbe Person vor sich zu haben – es sind regelrechte Metamorphosen – und Fogerty, weil er über Jahrezehnte hin völlig unverändert wirkt, man kann garnicht glauben, dass schon wieder 10 Jahre um sein sollen. Unter einem Live-Video von Fogerty fand ich z.B sinngemäß den Kommentar: „Ist das wirklich erst dieses Jahr aufgenommen? Ich habe ihn vor 10 Jahren live gesehen, da sah er genauso aus“. Das könnte Mr. Anderson nie passieren.

Lockwoods Ansicht zu Down On The Corner kann ich aber nicht teilen. Für mich ist dieser Titel vom Stil her mehr Pop als Rock und würde daher für Abba bestens passen. Eine Coverversion macht ja auch nur dann Sinn, wenn sie sich in mindestens einem wesentlichen Punkt vom Original unterscheidet, sonst ist sie überflüssig. Und dieser Unterschied könnte in diesem Fall die völlig andere Stimme sein – warum nicht? Dass Abba stattdessen Midnight Special gecovert haben, wundert mich eher. Das hätte ich nicht für ihren Stil gehalten. Andererseits glaube ich, der Titel ist im Original auch nicht von CCR, die haben auch teilweise Songs gespielt, die sie nicht selbst geschrieben hatten. Grapevine gehört z.B. dazu, I Put A Spell On You (für meinen Geschmack ein echter Knaller!) und Nighttime Is The Right Time. Proud Mary stammt aber definitiv aus der Feder von John Fogerty. Es soll wohl eines der am häufigsten gecoverten Stücke überhaupt sein mit mehr als 100 Versionen, und jetzt gibt es auch noch eine Version von Wilfried! Die würde ich aber wirklich gerne Mal hören!

Überhaupt hat der Wilfried ja mal wieder ganz tolle Videos ausgegraben – Danke! Mr. Anderson sieht vergleichsweise richtig chic aus und benimmt sich auch beim Interview nicht daneben – na also, es geht doch! Auch der Gesang war schon schlimmer (man wird ja so bescheiden…). Das „Mother Europe“ klingt richtig gut. Weiter so! Auch die von Lockwood entdeckte Tull-Coverband ist ja wirklich super! Besser als das Original, würde ich sagen, jedenfalls besser als das, was man so in den letzten Jahren vom Original zu hören bekommen hat.

Von Wilfried wüsste ich gerne mal, wie er das mit den Standbildern aus den Videos macht – das könnte ich auch gerne! Übrigens braucht man zum Haare färben keinen Friseur, das macht man zuhause zwischen Wäsche waschen und Wohnung putzen – naja, ich jedenfalls. Mr. Anderson hat wahrscheinlich so viel zu waschen und zu putzen, dass er zum Färben keine Zeit mehr findet. Da er seine Haarreste üblicherweise unter einem Kopftuch verbirgt, wäre Haare färben ja auch nur eine unnötige Geldverschwendung – ein bißchen sparsam muss man schon sein. Mr. Fogerty ist da z.B. bei seiner Haarpracht verschwenderischer. Nur für die Augenbrauen scheint die Farbe dann nicht mehr gereicht zu haben, die sind nahezu weiß (Anschauungsbeispiel).

Und um noch einmal auf den Herrn Papasoglou zurückzukommen – seine Stimmprobleme sind echt, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich denke es ist nicht zu überhören, dass er kaum noch einen Ton herausbekommt. Abgesehen davon gehört er zufällig zu den Musikern, die ich selbst schon live erlebt habe – das war 1989 in Esslingen, einer Griechen-Hochburg im Stuttgarter Raum. Bei dem Konzert sah es aus wie hier im Club (die Sendung scheint in einem Club aufgezeichnet worden zu sein) – alles steht in den Gängen oder in den Reihen, zum Schluss auch auf den Stühlen, und tanzt und singt – ich auch. Das ist nicht gespielt, das ist echt. Der Herr mit dem Mikrophon ist nicht irgendein Zuschauer, ich habe mich auch schon gefragt, wer das sein könnte. Vielleicht der Moderator der Sendung oder der Besitzer des Clubs, in dem die Sendung aufgezeichnet wurde.

Zum Thema Volksmusik, Folk(lore) und Volkstanz fällt mir leider garnichts ein, lieber Wilfried. Ich muss zugeben, dass ich mit dieser Musik wenig anfangen kann, es sei denn sie tendiert zum griechisch-orientalischen oder zum mittelalterlichen. Mit sonstiger mitteleuropäischer Volksmusik habe ich mich sehr wenig befasst. Trotzdem fand ich Deinen Beitrag zu diesem Thema sehr interessant, gerade auch was die Texte des Dichters Robert Burns betrifft.

Aber jetzt noch einmal zu Anderson – Fogerty. Aus Lockwoods Reaktion auf meinen letzten Vergleich schließe ich, dass nicht so richtig deutlich geworden ist, was ich mit meinen vielen Worten eigentlich sagen wollte. Deshalb jetzt noch einmal als kurze Zusammenfassung:

Bislang habe ich lediglich den Werdegang bzw. die Entwicklung der beiden Musiker und ihrer Bands verglichen, zur Musik habe ich mich noch nicht näher geäußert. Die Unterschiede sehe ich vor allem in der Personalpolitik – insofern, als es bei CCR nie eine gegeben hat – und in der Fluktuation – ebenfalls in sofern, als es bei CCR nie eine gegeben hat. Die Band war 12 Jahre lang (von 1959 bis 1971) so statisch wie ein Monolith, um dann, ebenfalls wie ein Monolith, unter den inneren Spannungen einfach zu zerspringen. Jethro Tull dagegen war von Anfang an so dehnbar wie ein Kaugummi. Deshalb gibt es diese „Band“ auch heute noch.

Die Parallelen zwischen Anderson und Fogerty bestehen nach meiner Meinung vor allem in ihrem Werdegang – Beginn in jungen Jahren in einer Schülerband, kleine Auftritte, mäßiger Erfolg, lange Lehrjahre etc. – und in ihrem Wesensmerkmal, durch Fähigkeiten, kreative Ideen, Energie und Durchsetzungsvermögen eine Gruppe so dermaßen zu dominieren, dass Andere neben ihnen keine Luft mehr bekommen und keine Möglichkeit zur eigenen Entfaltung mehr sehen und schließlich das Weite suchen. Als „Äußerlichkeit“ würde ich eine solche Persönlichkeitstruktur nicht bezeichnen.

Ich habe Fogerty nicht deshalb für den Vergleich ausgewählt, weil ich zufällig vor 35 Jahren mal ein Bild von ihm über dem Bett hängen hatte – auch das ist vielleicht ein bißchen falsch rübergekommen. Das Poster hatte ich im Übrigen auch garnicht wegen ihm aufgehängt, sondern weil ich den Drummer Doug Clifford damals ziemlich süß fand. Aber lassen wir diese nebensächlichen Details. Jeder Vergleich macht ja nur Sinn, wenn es eine wesentliche Gemeinsamkeit gibt, von der ausgehend man untersuchen kann, warum dann unterm Strich doch etwas völlig anderes herausgekommen ist. Sonst könnte ich Anderson jetzt auch mit Luciano Pavarotti oder Heintje vergleichen und die wesentlichsten 357 Unterschiede aufzählen – das wäre nicht nur witzlos, sondern auch gähnend langweilig. Gut, den Vergleich Anderson – Fogerty findet Ihr vielleicht auch ziemlich öde, aber mich interessiert er eben gerade.

Die Frage, die ich mir stelle, ist folgende: Zwei Männer mit ähnlichen Voraussetzungen (siehe oben) gründen im Jahr 1967 je eine „One-Man-Rockband“, d.h. sie selbst als „Frontman“ zusammen mit ein paar Musiker-Statisten (oder zumindest entwickelt sich die Gruppe schnell in diese Richtung). Beide sind sie in ihrem Job erfolgreich (Musik machen und verkaufen), trotzdem ist bei dem Einen nach 5 Jahren die „Firma“ am Ende, während sie beim Anderen nach 40 Jahren immernoch läuft. Andererseits hat der „ohne Firma“ nach 40 Jahren begeisterte Fans, die meinen er wäre noch gerade so gut wie damals, während die Fans von dem „mit Firma“ jammern und klagen, dass nichts mehr ist wie vor 30 Jahren. Wie kommt’s?

Gut, das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die beiden aufgrund ihres unterschiedlichen Musikstils auch unterschiedliche Fans haben. Wenn ich mir z.B. die Mädchen ansehe, die hier auf diesem Bild ihre Arme sehnsuchtsvoll über den Bühnenrand recken, dann sehen sie für mich so aus als wären sie nicht älter als ich damals war (ich bin aber nicht dabei…). In einer leicht abgewandelten Version eines bekannten Ausspruchs bin ich versucht zu sagen: „Zeige mir Deine Fans, und ich sage Dir, wer Du bist.“ So fand ich unter einem CCR-Video z.B. diesen Kommentar: „I remember when this whole concert was on TV (I think it was live in 1971 or 72). I was so mad at my parents for not letting me stay up and watch it, even though they knew CCR was my favorite band. I was only 7 though, so now I can forgive them.“
Ich wage zu bezweifeln, dass es sehr viele 7-jährige Jethro Tull Fans gegeben hat. Tull-Fans sind üblicherweise hochintelligente, gebildete, spachlich und musikalisch interessierte Intellektuelle mit hohen Qualitätsansprüchen – so wie wir eben. Und die sind ziemlich schwer zufrieden zu stellen.

Eines möchte ich aber doch zur Ehrenrettung für Mr. Fogerty noch sagen. Ich glaube nicht, dass er nicht weiß, was ein Armani-Anzug ist. Im Stall lebt er auch nicht gerade, auch wenn er um 1970 herum auf der Bühne und im Fernsehstudio in Kleidung erschien, die aussah als wäre er gerade eben von der Feldarbeit hereingekommen – er ist tatsächlich, wie Anderson, auch sehr naturverbunden. In den letzten Jahrzehnten trug er, zumindest bei Filmaufnahmen, meist schwarze Hemden, auch gestreift oder gar gemustert wurde er bereits gesichtet. Ich könnte mir vorstellen, dass er das karierte Hemd nicht zuletzt seinen Fans zuliebe anzieht. Es ist ja auch so herrlich schön und einfach, wenn man nicht mehr braucht als ein Karohemd um bei seinen Fans das 1970-Feeling auszulösen. Davon kann Mr. Anderson nur träumen.

Jetzt lasse ich es für heute wieder erst einmal gut sein. Es ist ja schon wieder so spät – meine Güte…

Seid lieb gegrüßt

Kretakatze

PS.: Lieber Lockwood, warum findest Du es denn so schön, dass ich gerade eine Vorliebe für CCR hatte. Und das, obwohl die doch an Dir so (fast) spurlos vorübergegangen sind? Abba waren, glaube ich, erst später aktuell, so ab Mitte der 70er Jahre. Smokie weiß ich nicht mehr und Bay City Rollers sagen mir nichts. Ich glaube, da war ich aus dem Alter raus… Ach ja, Deine Vorliebe für Kate Bush fand ich interessant. Wegen Kate Bush bin ich erstmals auf YouTube gelandet. Aber dazu vielleicht ein andermal.

05.06.2007

English Translation for Ian Anderson

Videobearbeitung am PC – 1. Teil

Um ein solches Weblog multimedial aufzupeppen (aber natürlich auch für den weiteren privaten Bereich) benötigt man entsprechende Programme, mit denen man Bilder, Musik und Videos (also die ganze Mulitmedia-Palette) erstellen bzw. bearbeiten kann. Hier nun etwas zur digitalen Videobearbeitung.

Auf meiner Technik-Seite habe ich mich bereits etwas ausführlicher über die Video-Bearbeitung ausgelassen. Allerdings ist einiges dort Geschriebene nicht mehr ganz aktuell – die Technik schreitet eben mit schnellen Schritten voran. In der Zwischenzeit habe ich natürlich viele andere Programme zur Videobearbeitung für den PC kennen gelernt, u.a. das Ulead MediaStudio Pro 8.0, das eigentlich aus einem Video Editor und einem Audio Editor besteht (Video Capture gehört als 3. Komponente ebenfalls dazu, ich benutze es aber nicht, da ich Videos aus externen Quellen, z.B. von der Videokamera, direkt über die TV-Karte einspiele). Den Audio Editor benutze ich auch fast nie, da ich den Wave Editor von Nero (gehört zum Nero Burning Rom Paket) handlicher finde, der mir zudem auch mehr Funktionalität bietet (siehe hierzu den 2. Teil meines Beitrag: Ian Anderson: Walk into Light (1983)). Um es gleich zu sagen: Das Ulead MediaStudio ist nicht ganz billig (das Ulead VideoStudio 11 reicht meist auch).

Arbeitsoberfläche von Ulead MediaStudio Pro 8.0

Was ist das Besondere an diesem Videobearbeitungsprogramm? Zunächst ist es wirklich sehr schnell. Es nutzt die Rechnerressourcen optimal. Man kann insgesamt mit sieben Ton- und sieben Videospuren arbeiten, was einen entscheidenen Vorteil ausmacht. Im Audiobereich wird u.a. Dolby Digital 5,1 Surround unterstützt., an Videoformaten so ziemlich alles von normalen MPEG1- und MPEG2-Formaten (DVD) über DIVX, WMV9, MPEG-4, HDV über RealMedia- bis hin zum Flash-Format (youtube.com stellt die Videos in Flash dar).

Natürlich ist die Funktionalität weitreichend. Neben Übergängen, Titeln (Text), Effektfiltern usw. findet man eine breite Palette an weiteren Möglichkeiten, die einem Video-Bastler das Herz höher schlagen lassen. Den Video Editor kann man dabei auch hervorragend für die Bearbeitung von Audiodateien nutzen (z.B. den Schnitt, das Extrahieren von Tonspuren aus Videos und das separate Speichern).

Ich muss gestehen, dass ich längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgenutzt habe, die das Programm bietet. Ist leider auch eine Zeitfrage. Auch muss man zunächst mit der Ulead-‚Philosophie’ klarkommen (Im Grafik-Bereich habe ich da immer noch Schwierigkeiten mit PhotoImpact von Ulead). Wer das nötige Kleingeld übrig hat (aber wer hat das schon) und wer nicht gerade im Profibereich tätig ist, dem kann ich dieses Video-Tool nur wärmstens empfehlen.

Was ist bloß mit Ian los? Teil 69: Kleiderordnung

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

John Fogerty’s CCR habe ich nie so richtig wahrgenommen und ich kann noch nicht einmal sagen, warum das so ist. Ihre Musik ist ok, der Gesang ist markant, mit hohem Wiedererkennungswert. Ich kenne zwar ihre Gassenhauer wie Proud Mary, Sweet Hitch Hiker usw, aber viel mehr nicht. Den Hinweis von Kretakatze auf Mr. Fogerty’s Beständigkeit in Hinsicht auf Garderobe und Stimme finde ich sehr interessant. Nicht zuletzt für einen Jethro Tull – Fan. Die Aussage, dass sich jemand jahrzehntelang nicht verändert oder weiterentwickelt, klingt zunächst einmal negativ. Wenn ich hingegen die Entwicklung des Mr. Anderson in den letzten Jahrzehnten betrachte, werden die positiven Aspekte dieser Aussage sichtbar.

Mr. Fogerty hat augenscheinlich seinen Geschmack in Fragen von Hemden, Jeans und Frisur nicht geändert. Er bleibt sich treu, wie man in solchen Fällen sagt. Er ist selbstbewusst genug, um auf jedes Diktat des Zeitgeschmacks zu pfeifen. An der jahrelangen Präsenz von CCR können wir ablesen, dass sich der Frontmann einer Band nicht unbedingt in aufsehenerregende Gewänder hüllen muss, um den Bestand der Gruppe zu gewährleisten. Statt über die Garderobe definiert sich Mr. Fogerty über die Stimme. Nicht das schlechteste Vorgehen für einen Sänger.

Das bringt mich wieder zu Jethro Tull. Mr. Anderson hatte gewiss ebenfalls die Möglichkeit, sich über seine musikalischen Fähigkeiten zu profilieren. Aber nein, in den letzten Jahren greift er zu Outfits, vor denen selbst die Kelly-Family zurückgeschreckt wäre. Ich kann das nicht verstehen. Wenn ich es nicht bereits mehrfach getan hätte, würde ich an dieser Stelle meinem Unmut und mein Unverständnis auf langen Seiten Luft machen.

Um zur Abwechslung einmal etwas Positives über Mr. Anderson’s Bühnenbekleidung zu sagen: Seine historischen Kostüme aus der Mitte der 70er Jahre gefallen mir gut. Sie passten wunderbar zur folkorientierten Musik, der sich die Gruppe damals verschrieben hatte. Und genau hier sehe ich den Unterschied zwischen Mr. Anderson und Mr. Fogerty: Die Musik von Jethro Tull hat sich in den fast 40 Jahren ihres Bestehens stark verändert. Wenn nun Mr. Anderson Wert darauf legt, Musik und Kleidung aufeinander abzustimmen, kommt er um einen Wechsel des Kleidungstils nicht herum. Das sehe ich ein und das halte ich auch für richtig. Hinzu kommt, dass ein athletischer 30jähriger in engen Strumpfhosen eine bessere Figur macht als ein untersetzter Endfünfziger. Ich räume also ein, dass Mr. Anderson seine Bühnengarderobe an die jeweilige Musikrichtung und sein Alter angepasst hat. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen, im Gegenteil. Offen bleibt aber die Frage, warum Mr. Anderson seinem Alter und Leibesumfang gerecht zu werden versucht, indem er getupfte Schlabberanzüge und Kopftücher trägt. Wir wissen doch spätestens seit Eric Clapton, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, sich dem Alter entsprechend zu kleiden.

Vor meinem geistigen Auge entsteht gerade folgendes Szenario: Presseempfang für verdiente Haudegen der Rockmusik. Mr. Anderson im Piratenoutfit steht neben Mr. Clapton im Armani-Anzug. Ich denke, mehr muss ich nicht sagen.

Vor einigen Tagen überraschte mich jemand mit der Feststellung, dass der CCR – Song „Down On The Corner“ gut zu Abba gepasst hätte. Es mag sein, dass es Parallelen gibt, wenn man die musikalischen Parameter von CCR- und Abba – Titeln genauer untersucht. Aber das kann ich nicht leisten. Ich persönlich habe große Schwierigkeiten damit, die glockenklaren Stimmen der Abba – Frauen und die Synthi-Popmusik der Schweden mit der kernigen Stimme und dem urwüchsigen Rock’n’Roll des Mr. Fogerty unter einen Hut zu bringen.

Aber, meine lieben Freunde, jetzt haltet Euch gut fest: Zu meinem großen Erstaunen stellte ich heute rein zufällig fest, dass Abba einen CCR-Song gecovert haben ! Es handelt sich um „Midnight Special“. Leider ist die Abba -Version bei youtube nicht verfügbar. Das ist nicht verwunderlich: Ich kenne die Abba – Version aus einem Sammelalbum, das bisher unveröffentlichtes Material enthält. Ich gehe also davon aus, dass diese Coverversion nie als Single erschienen ist.

Die Tatsache, dass Abba ein Lied von CCR covern, reicht mir als Beweis dafür, dass es in der Musik dieser beiden Formationen keine so großen Unterschiede gibt, wie mein unzureichender Musikverstand mich das bisher glauben machen wollte. Tja, man lernt nie aus.

Mit dieser positiven Feststellung verabschiede ich mich für heute und wünsche Euch ein wunderbares Wochenende !

Lockwood

01.06.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

was John Fogerty und CCR anbelangt, ist es mir ähnlich wie Lockwood gegangen, ich habe sie gelegentlich im Radio gehört oder bei Freunden, auch im Fernsehen gesehen, fand die Musik ganz gefällig, aber die Gruppe gab mir keinen weiteren Anlass, mich näher mit ihr zu beschäftigen. Gehört und fast schon wieder vergessen. Die Titel, die Lockwood genannt hat, kenne ich natürlich auch. Und Proud Mary (in der Interpretation mit Ike und Tina Turner) habe ich sogar früher mit meiner Band gecovert (das Original ist von CCR?).

Nun, Lockwood ist ja wohl nicht nur unser DNA-Spezialist, sondern auch für die ‚hohe Schneiderkunst’ (Haute Couture) zuständig. Ob Herr Fogerty überhaupt weiß, was unter Armani zu verstehen ist, bezweifle ich fast (von Armani dürften seine Jeans nicht stammen). Herr Anderson wird sicherlich nicht ständig in Anzügen dieser Marke herumlaufen, aber vielleicht hat er doch den einen oder anderen im Kleiderschrank. Neben den 20 Piratenkostümen besitzt er doch einiges Tragbare für den festlichen Anlass wie im Kloster Laach-Auftritt zu sehen war. Ich habe da übrigens ein hübsches Video von Jethro Tull zugespielt bekommen (Living in the Past), das zeigt Herrn Anderson mit Zylinder (muss aus dem Jahre 1993 stammen, da für das 25th Anniversary box set Werbung gemacht wird; Dave Pegg hatte wohl gerade die Gruppe verlassen und Jon Noyce kam erst 1995, wenn ich richtig informiert bin. So muss sich Herr Anderson für diesen Auftritt vom Arbeitsamt einen arbeitslosen Bassisten geholt haben). Ich bin nun wirklich kein Modekenner (und bewege mich auch eher im Fogerty’schen Geschmackslevel), aber das Jackett von Herrn Anderson erinnert mich an Batik-Arbeiten (oder ist ein Muster aus der Kunst der Maya?), modisch also sehr ‚gewagt’. Von dem Teil muss er mehrere Stücke besessen haben, ich erinnere mich an einen Auftritt mit Mandokis Soulmates im deutschen Fernsehen, bei denen er ähnliches trug (ich hab nachgeschaut, tatsächlich – das gleiche Stück – und schnell bei youtube eingespielt: Soulmates „Mother Europe“):

Die Stimme von Ian Anderson ist auf dieser Aufnahme (Living in the Past) bereits stark angekratzt, daher ist der instrumentale Teil etwas gedehnt worden, was ich aber sehr hörenswert finde (auch Martin Barres Gitarrenspiel).

Weiteres dann später (auch meinen „Folklore“-Vortrag und weiteres zu den letzten Griechenland-Videos).

Ich wünsche Euch eine angenehme Woche.
Bis bald

Wilfried

P.S. Ich bekomme gerade eine Mitteilung von dem Typen, der das „Living in the Past“-Video ins Netz gestellt hat: Ich nehme alles zurück (von wegen arbeitsloser Bassist): Der langmähnige Mensch ist angeblich kein anderer als der Sohn von Dave Pegg, Matt Pegg, der auch ab und zu bei Tull ausgeholfen hat. Interessant auch ihn einmal in Bild und Ton zu erleben!

03.06.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

Wilfrieds Hinweis, dass Mr. Fogerty ebenso weit von Armani-Anzügen entfernt ist wie Mr. Anderson, ist an dieser Stelle berechtigt. Seit Maria Laach wissen wir, dass Mr. Anderson auch edlen Zwirn im Kleiderschrank hat, aber er hält es damit wie ich; die guten Stücke werden nur zu Weihnachten herausgeholt. Es gibt drei Gründe, warum ich keine Armani-Anzüge trage: Erstens sprengen sie mein Budget, zweitens würden sie in meiner Größe überhaupt nicht mehr gut aussehen und drittens habe ich keine Gelegenheit, so feines Tuch zu tragen. Aber an Mr. Clapton sehen sie topp aus!

Den Zylinder trug der Meister bei mehreren Gelegenheiten, wie ich dem Bildteil des Songbook entnehmen kann. Ich finde, er steht ihm gut zu Gesicht und macht einen schmalen Fuß. Jedenfalls passt dieser Aristokraten-Helm besser zum British Way of Live als der Kopfverband.

Das Jackett aus „Mother Europe“ ist zwar modisch gewagt, geht für meine Begriffe aber in Ordnung. Ich bin nicht grundsätzlich gegen modische Extravaganzen; ein Rockmusiker sollte sich in seiner Garderobe schon von einem Finanzbeamten unterscheiden.

Ich wusste nicht, dass Mr. Anderson schon seit den 90er Jahren bei Mandoki’s All-Star-Band mitspielt. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass diese Truppe sich erst vor einigen Jahren formiert hat, um bei Thomas Gottschalk aufzutreten. Bis auf den Meister und Herrn Mandoki kenne ich niemanden aus der Band. Und Herrn Mandoki kannte ich bis dahin nur als musikalischen Steppenreiter. Ihr wisst schon: „Dschingis Khan“, die deutsche Antwort auf die „Village People“.

Liebe Kretakatze, ich hoffe, Du verzeihst Wilfried und mir, dass CCR an uns spurlos vorübergegangen sind. Erst meine Probleme mit der griechischen Musik und jetzt das. Bitte bleibe uns gewogen und gib uns noch eine Chance !

Vor einiger Zeit fragtest Du nach einem Beitrag zur irisch-schottisch-bretonisch-gälischen Folklore. Ich picke jetzt wahllos ein Stück dieses Genres heraus und stelle es zur Diskussion. Falls es Euch nicht gefallen sollte, habt bitte keine Hemmungen, das auch zu sagen.

Übrigens: Durch Zufall entdeckte ich eben ein Video einer weiteren Jethro Tull – Coverband. Musikalisch in Ordnung, aber eben nicht das Original.

So, genug für heute (am 7. Tage sollst Du ruhen !).
Ich wünsche Euch eine sonnige Woche

Lockwood

03.06.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

es ist wirklich immer wieder interessant, was man so aus fernen Landen hört, und inzwischen haben wir ja schon eine ganz nette Reise hinter uns – von Schottland über Island, Spanien und Kreta bis nach Israel. Ich war noch in keinem dieser Länder (außer Griechenland natürlich), mich hat es immer einseitig nur in eine Gegend gezogen. In nordischen Ländern ist es mir zu kalt – ich bin ein sehr wärmebedürftiger Mensch – und Israel ist wohl auch nicht für mich geeignet, denn ich bin weder blond noch attraktiv.

Schönheitsideale sind überhaupt auch ein interessantes Thema. Woher kommt es, dass ein Mensch oder sogar ganze Völker nun z.B. gerade blonde Haare für erstrebenswert erachten. In anderen Kulturen sind es auch kleine Füße, lange Hälse oder gar „angespitzte“ Zähne. Teilweise führt dieses Streben nach Schönheit regelrecht zur Selbstverstümmelung – auch Piercing würde ich dazu zählen. Da sind blond gebleichte schwarze Haare noch vergleichsweise harmlos.

Schönheitsideale unterliegen dem Wandel der Zeit. Häufig sind sie von Vorbildern abgeleitet, denen man nachzueifern versucht. In verschiedenen Epochen galt ein „griechisches Profil“ als schön, da man die Griechen der Antike wegen ihrer Kultur und Bildung bewunderte. In südlichen Ländern gilt offensichtlich ein mittel- oder nordeuropäisches Aussehen als attraktiv, vermutlich da man zu den Mitteleuropäern wegen ihres wirtschaftlichen Erfolgs und ihres politischen Einflusses aufschaut. In Mitteleuropa dagegen legt man sich ins Sonnenstudio um sich die Haut zu bräunen, um wie ein Südländer auszusehen, da das so gesund und naturverbunden wirkt. Es scheint – wie meist im Leben – besonders das erstrebenswert zu sein, was man nicht hat und was nur schwer zu erlangen ist.

Manchen Menschen kann man an ihrem Äußeren bereits ansehen, welche Vorbilder sie haben. John Fogerty z.B., den ich ja letztes Mal schon kurz erwähnt habe, und zu dem ich heute noch einmal ausführlicher kommen werde, scheint wohl ein Bewunderer der Beatles gewesen zu sein. Das lässt zumindest seine Frisur vermuten.

Wer nun vielleicht das Vorbild für Ian Anderson’s Löwenmähne gewesen sein könnte, vermag ich nicht zu erraten, aber in dieser britischen TV-Sendung vom 16.03.2007 sagt er etwas, das sehr aufschlussreich ist in Bezug auf die Frage, was ihn zur Wahl dieser Haartracht bewegt haben könnte. Diese Sendung war im Übrigen kein Interview, sondern eine Art Boulevard-Magazin, in dem es um die „Seitenlage“ des Scheitels eines britischen Oppositionspolitikers ging. Mr. Anderson wurde wohl als Experte für „haarige Angelegenheiten“ eingeladen. Sein Auftritt beginnt etwa bei 0:50 (leider kann man bei diesen Videos ja nicht in der Mitte aufsetzen), etwa ab 1:20 beschreibt er wild gestikulierend, wie die Haare von Personen aussehen, die wir sympathisch finden, und den entscheidenden Satz sagt er etwa bei 1:40 – „We love the guys with the crazy, fly-away hair“. Also ungefähr so wie bei diesem Herrn hier.

Mr. Anderson möchte also geliebt werden. Wer möchte das nicht? Leider hat es die Natur nicht gut mit ihm gemeint und ihn eines Großteils seiner Haarpracht beraubt. Wenn er wollte, könnte er aber heute sicher auch noch so ähnlich aussehen wie dieser Herr, mit dem er außer den Haarproblemen ja auch noch die Stimmprobleme gemeinsam hat – wir erinnern uns (mit Grausen). Aber offensichtlich möchte er das nicht. Er hat sich wohl gesagt „Entweder – oder, halbe Sachen mach‘ ich nicht“, hat die verbliebenen Haare abrasiert bis auf Streichholzlänge und versteckt diese rudimentären Reste nun noch unter einem Kopfverband. Das könnte man fast schon als Trotzreaktion betrachten.

Soweit zur Schönheit des Mr. Anderson. Jetzt möchte ich aber noch einmal zum Vergleich Anderson – Fogerty zurückkommen, den ich letztes Mal so kurz und provokativ angerissen hatte. Würde ich es bei diesen wenigen Worten belassen, dann würde ich wohl beiden Herren unrecht tun. Wie ich nun gerade auf John Fogerty komme, wo er auf den ersten Blick mit Mr. Anderson so gut wie nichts gemeinsam hat?

Creedence Clearwater Revival war die einzige Band, von der ich jemals ein Poster über meinem Bett hängen hatte. Das muss um 1971 gewesen sein, denn damals war ich Bravo-Leser, und es war ein Bravo-Poster. Ich war nicht direkt ein Fan, ich habe auch nur eine einzge Single von CCR – für ein Album hat mein damaliges Taschengeld noch nicht gereicht. Ich hatte ja nicht einmal einen Plattenspieler, und im Wohnzimmer hätte ich das nicht hören dürfen. Wie auch immer, als ich dieser Tage auf YouTube gelandet bin, habe ich natürlich auch die alten CCR-Hits ausgekramt und bin dabei auch auf die neuen Videos von John Fogerty gestoßen. Bis dahin wusste ich nicht einmal, dass er überhaupt noch Musik macht. Nach dem Ende von CCR 1972 hatte ich nichts mehr von ihm gehört.

Wohl noch aus meiner Bravo-Zeit weiß ich, dass es ein paar bemerkenswerte Parallelen zwischen Anderson und Fogerty gibt. In den meisten Punkten sind die Beiden aber praktisch exakte Gegensätze, so wie ihre Musik wohl auch die entgegengesetzten Enden der Rockmusik markiert. Fangen wir mit den Parallelen an…

Die Band Creedence Clearwater Revival wurde im Dezember 1967 gegründet – im gleichen Monat wie Jethro Tull! Vorher hatten die Jungs allerdings schon jahrelang unter anderen Bandnamen Rockmusik gemacht. Die Anfänge gehen auf 1959 zurück, als John’s 4 Jahre älterer Bruder Tom Fogerty in El Cerrito, Californien, zusammen mit seinem Freund Douglas Clifford (Drums) die Schülerband Blue Velvets gründete. Der damals 14-jährige John durfte vermutlich mitspielen, da er Tom’s kleiner Bruder war. Einige Monate später stieß dann noch Stuart Cook als Bassist dazu. Damit waren CCR eigentlich schon komplett.

Die Band spielte anfänglich Cover-Versionen aktueller Hits. Gegen Mitte der 60er Jahre begann John dann selbst Songs zu schreiben und löste seinen Bruder Tom nach und nach als Leadgitarrist und schließlich auch als Sänger ab. In dieser Zeit wurden auch schon erste Platten aufgenommen, allerdings mit wenig Erfolg. Die Gründung – eigentlich eher Umbenennung – der Band 1967 fiel zusammen mit einem Wechsel in der Plattenfirma und außerdem dem Zeitpunkt, zu dem sich der Youngster John endgültig auch als Bandleader durchgesetzt hatte.

Gleich das erste Album der Band Anfang 1968 schlug ein wie eine Bombe, 1969 wurden drei weitere Alben veröffentlicht und 1970 zwei. Die ausgekoppelten Singles gaben sich in den Top Ten die Türklinke in die Hand. Spätestens ab 1970 müssen CCR eine der kommerziell erfolgreichsten Bands der USA gewesen sein. Ich erinnere mich noch, dass sie von den Bravo-Lesern jährlich zur beliebstesten Rockband gekürt wurden.

Der Erfolg seiner Musik führte dazu, dass John Fogerty die anderen Bandmitglieder restlos an die Wand spielte und zu Statisten degradierte. Das konnte nicht lange gutgehen. Als Erster wollte sein Bruder Tom nicht mehr mitmachen, er stieg 1971 aus und versuchte sich in einer wenig erfolgreichen Solo-Karriere. 1972 verließen auch Doug Clifford und Stu Cook die Band, um zusammen mit anderen Musikern eine neue Gruppe zu gründen. Das war das Ende von CCR.

Ich glaube bis hierher kommt Euch die Geschichte so vor, als ob Ihr sie so ähnlich schon einmal gehört hättet. Auch Ian Anderson hatte es bis 1972 geschafft, alle anderen Gründungsmitglieder von Jethro Tull loszuwerden. Allerdings hatte er die „Lücken“ immer sofort wieder mit anderen Musikern aufgefüllt. Er konnte auch auf ein „Reservoir“ von eigenen musikalischen Schulfreunden zurückgreifen, während John Fogerty immer nur mit den Freunden seines großen Bruders musiziert hatte. Trotzdem wäre es für ihn sicher kein Problem gewesen ein paar neue Musiker zu finden, die sich gerne mit ihm auf die Bühne gestellt und auch ein paar Millionen verdient hätten. Aber von den Querelen des Gruppenlebens und dem harten Job eines Bandleaders hatte er offensichtlich genug. Stattdessen nahm er als erstes ein Soloalbum auf, bei dem er jedes Instrument selbst spielte und damit vollkommen ohne andere Musiker auskam. Ein Schritt so demonstrativ und radikal, dass er genauso gut von Ian Anderson hätte sein können.

Überhaupt habe ich mich schon mehrfach gefragt, warum es Mr. Anderson nicht schon viel früher mit einer Solo-Karriere versucht hat. Eigentlich war er in meinen Augen prädestiniert dafür, viel mehr als Mr. Fogerty. Das ist schon in seinem völlig anderen musikalischen Ansatz und Anspruch begründet. Er war immer der Experimentierer, der etwas Neues und Anderes ausprobieren wollte – neue Musikrichtungen, neue Instrumente, neue Formen der Darbietung. Da ist ein festes Team von Musikern eher hinderlich. Er hat das auch selbst einmal in einem Interview angedeutet.

Wenn man in einer Band einen Drummer, einen Bassisten und einen Gitarristen hat, dann kann man schlecht einen Titel z.B. nur für Keyboard, Flöte und Gesang schreiben. Da sind die übrigen Musiker traurig, weil sie nichts zu tun haben. Das lässt sich zwar bis zu einem gewissen Grad dadurch ausgleichen, dass man den Drummer ans Glockenspiel setzt und dem Gitarristen eine Querflöte in die Hand drückt (wie es Anderson ja auch schon getan hat), und wenn man mit Profis arbeitet, dann funktionert das auch. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass man immer eine bestimmte fixe Anzahl Musiker einsetzen muss, nicht mehr und nicht weniger. Und das schränkt die kreativen Möglichkeiten schon ein, ganz abgesehen davon, dass in so einem Team vermutlich manche neue Idee auch sehr schnell im Keim erstickt wird, da der eine Musiker dies und der andere das nicht mitmachen will oder nicht gut findet.

Kommen wir zu Mr. Fogerty zurück. Seine weitere Karriere enthielt mehr Tiefen als Höhen. Die ersten Solo-Platten konnten an die früheren Erfolge nicht anknüpfen, zumal er seinen Musikstil teilweise änderte und sein Repertoire um Gospels erweiterte. Mit Liedern a la Mary Don’t You Weep konnten seine Froschteich-Rock gewohnten Fans nichts anfangen – ich habe es auch fast nicht glauben können. Wie man sieht hat auch Mr. Fogerty musikalische Verirrungen und Verwirrungen hinter sich, wenn auch in eine andere Richtung als Mr. Anderson.

Dazu kamen jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit der ehemaligen Plattenfirma. Es ging um Verträge und die Rechte an den CCR-Titeln. Fogerty durfte seine eigenen Lieder nicht mehr spielen, er durfte nicht einmal etwas spielen, was so ähnlich klang (d.h. von sich selbst abschreiben). Das brachte seine musikalischen Aktivitäten schließlich erst einmal völlig zum Erliegen. Hier zeigt es sich, dass Mr. Anderson beim Abschließen von Verträgen und im Handhaben seiner „personellen Entscheidungen“ vermutlich cleverer war. Dadurch, dass er über jeden personellen Schnitt in der Band zumindest Martin Barre hinübergehoben hat, konnte er vermutlich auch den Namen Jethro Tull und die damit verbundenen Rechte und Pflichten wahren. Inzwischen ist Jethro Tull wahrscheinlich sowieso sein Privatunternehmen.

Bemerkenswerterweise im Abstand von jeweils etwa 12 Jahren gelangen Mr. Fogerty noch erfolgreiche Alben – mit „Centerfield“ erreichte er 1985 die Spitze der amerikanischen Album Charts, und mit „Blue Moon Swamp“ gewann er 1997 einen Grammy. Dazwischen lag noch ein weniger erfolgreiches Album und musikalische Sendepause. Erst seit Ende der 90er Jahre scheint er bei Live-Auftritten auch wieder CCR-Hits im Programm zu haben. Seither wird er anscheinend musikalisch auch wieder aktiver. So verkürzten sich zuletzt die Abstände zwischen neuen Studioaufnahmen dramatisch – nach „Deja Vu“ im Jahr 2004 ist er laut seiner Homepage zurzeit schon wieder in den Studios – da muss sich aber Mr. Anderson langsam mal ranhalten. Außerdem tourt Fogerty seit 2005 auch wieder jährlich durch Europa. Es scheint als ob es ihn beflügelt hätte, dass er sich 2004 nach über 30 Jahren mit seiner ehemaligen Plattenfirma (die inzwischen unter anderer Führung steht) vertraglich einigen konnte und nun auch wieder die Rechte an seinen CCR-Titeln hat. Dieses jahrzehntelange Hickhack um seine Musik muss wie ein böser Fluch auf ihm gelastet haben.

So weit für heute zu meinem Vergleich Anderson – Fogerty. Aber keine Sorge, ich bin noch lange nicht fertig, das war nur die Einleitung. In meiner nächsten Vorlesung werde ich dann im Detail auf Musik, Songtexte sowie Bühnenshow (insoweit man Fogerty’s Auftritte so bezeichnen kann) eingehen. Für heute habe ich Euch aber erst einmal genug gelangweilt.

Ich wünsche Euch einen guten Start in die Woche!

Liebe Grüße
Kretakatze

PS.: Als Anhang gibt es heute noch einen seltenen und ungewöhnlichen CCR-Song. Er wurde erst 1986 auf einer Compilation-Platte veröffentlicht und kann eigentlich nicht wirklich von CCR sein, denn er ist mit einem Keyboard instrumentiert, und bei CCR gab es nie einen Keyboarder. Es ist aber unverkennbar John Fogerty’s Stimme. Vielleicht ein erster Solo-Track? In diesem Video gibt es keine Bilder, dafür ist unter der Beschreibung der komplette Songtext abgelegt: (Wish I Could) Hideaway

03.06.2007

English Translation for Ian Anderson

Seniorenband stürmt die Charts

In einem Beitrag habe ich bereits von der ältesten Rockband der Welt „The Zimmers“ berichtet. Jetzt stürmt die Seniorenband mit der Coverversion von „The Who“: My Generation auch die englischen Charts. Und das war gestern zur besten Sendezeit um 19 Uhr den Heute-Nachrichten beim ZDF einen Bericht wert:

„The Zimmers“ (Gehhilfen) bestehen u.a. aus dem 90-jährigen Leadsänger Alf Carretta und Peter Oakley, 79 Jahre alt, der bereits als geriatric1927 bei youtube durch kleine Videobotschaften zum Star geworden ist.

Sütterlin

Vor kurzer Zeit starb eine (angeheiratete) Tante von mir, die mir durch ihre für mich unleserlichen Briefe in Erinnerung bleiben wird: sie schrieb bis zuletzt in der Sütterlin-Schrift. Einiges konnte ich ziemlich schnell entziffern, anderes durch Vergleich mit ähnlichen Teststellen. Es dauerte aber seine Zeit, bis ich den Brief so halbwegs (dem Sinn nach) entschlüsselt konnte. Dabei hatte ich in frühen Schuljahren selbst für kurze Zeit diese Schrift noch lernen müssen. Aber da ich ansonsten keine weiteren Texte (bis auf die gelegentlich eintreffenden Briefe meiner Tante) in dieser für mich besonderen Schrift las, verlernte ich dieses auch schnell wieder.

Die Schrift wurde von dem Grafiker und Pädagogen Ludwig Sütterlin entwickelt und diente ab 1915 in Preußen als Ausgangsschrift an Schulen. Während der Nazi-Zeit wurde sie verboten.

Sütterlin-Schrift

Mein 500.000. Youtube-Besucher

Dieser Tage hatte ich den 500.000sten Besucher meiner Videos bei youtube.com. Den Kommentaren zufolge ist viel Dank auf mein Haupt geschüttet worden, das ich auf diesem Wege gern zurückgeben möchte.

Übrigens gibt es, was die „most viewed“ (am meisten betrachteten) Videos betrifft, ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Videoclip „Heavy Horses“ und Ians Andersons Flötensolo (live aus dem Tampa Stadium vom 31. Juli 1976 in Tampa, Florida/USA), wobei das letzte wohl in Kürze die Nase vorn haben dürfte (vom Flötensolo gibt es zz. fast 500 Aufrufe täglich – Heavy Horses bringt es gerade einmal auf 200).

Top 10 von WilliZos Youtube-Besuchern
Top 10 meiner Youtube-Besucher

Was ist bloß mit Ian los? Teil 68: Vom Sein und vom Schein

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

ich muss dem Lockwood Abbitte leisten – ich hatte ihm gegenüber behauptet, Sirtaki wird immer nur auf das Sorbas Lied getanzt. Nun habe ich im Internet eindeutige Beweise gefunden, die diese These widerlegen. Zu meiner größten Überraschung haben sich nämlich offenbar die Türken des Sirtaki angenommen und ihn zum Disco-Paartanz weiterentwickelt. Hier zuerst die Sorbas-Variante, bei der zum Schluss auch noch Teller zerschlagen werden – eine Tradition, die eigentlich zum Seimbekikos gehört. Sei’s drum, in den Sirtaki kann man alles reinpacken, da muss man es nicht so genau nehmen. Das sieht man auch bei diesem von Türken getanzten Sorbas-freien Paar-Sirtaki – er scheint mir gar Elemente aus dem Flamenco zu enthalten, teilweise kommt er mir jedenfalls irgendwie spanisch vor…

Und da wir gerade bei multikulturellen Tänzen sind, hier noch ein weiteres Kuriosum: Ein Tanz aus Sri Lanka. Im ersten Moment habe ich tatsächlich selbst geglaubt, dass diese ceylonesischen Tänzerinnen auf das armenisch-griechische Lied tanzen – es passt perfekt. Und wenn man das 12-saitige Banjo nicht sieht, dann denkt man fast man hört eine indische Sitar… Zum Vergleich hier noch das Original, dem der Ton entnommen wurde: Dinata Dinata. Dieses Lied ist überhaupt sehr vielfältig einsetzbar, so war es auch bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2004 in Athen der musikalische Hintergrund fürs Feuerwerk.

Tja, was der Einzelne aus einer Musik heraushört oder wo er Ähnlichkeiten zu entdecken meint, das scheint doch individuell sehr verschieden zu sein. Das griechische Lied „Mavra Matia“ klingt also schottisch und „Fat Man“ ist indisch – da wäre ich nie drauf gekommen. Tatsächlich gehört Fat Man z.B. zu den Titeln, die ich zwar seit Ende der 70er kenne, deren Existenz ich aber völlig vergessen hatte, da ich damals nichts mit ihnen anfangen konnte. So war ich erst vor zwei Monaten ziemlich überrascht das „Stand Up“- Album in meinem Regal zu finden – ich war fest davon ausgegangen, dass ich es nicht besitze. Erst als ich es wieder in den Händen hielt erinnerte ich mich schwach, dass es wohl so um 1980 herum einmal ein Geburtstagsgeschenk von meinem Bruder gewesen sein muss. Ich habe es einmal gehört, fand die Musik schrecklich, habe es in den Schrank gestellt und geistig verdrängt. Als ich die Platte jetzt aufgelegt habe fand ich einige Stücke durchaus hörenswert, und besonders Fat Man klang in meinen Ohren sofort vertraut – so griechisch eben.

In mancher Hinsicht verstehe ich Dich ja, lieber Lockwood. Ich muss zugeben, dass mir die traditionelle griechische Volksmusik auch nicht von Anfang an gefallen hat. Als Tourist ist man die übliche Bousouki-Musik gewöhnt und die „Laika“, die beim Griechen um die Ecke zum Souflaki aus dem Lautsprecher dudeln. Unter „Laika“ versteht man übrigens in Griechenland so ziemlich alle populäre Musik, die nicht älter als 100 Jahre ist, es ist also ein sehr weit gefasster Begriff. Auch große Teile der Musik von Mikis Theodorakis oder Jannis Markopoulos fallen darunter. Wie auch immer – als ich das erste Mal auf Kreta bei einem Tanzfest mit traditioneller Lira-Musik konfrontiert wurde, empfand ich das auch als ein furchtbares Gejaule (das habe ich natürlich niemandem gesagt…). Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mit diesen Klängen warm geworden bin, und es war dazu nötig darauf zu tanzen. Ich glaube diese Musik kann sich einem überhaupt nur beim Tanzen erschließen. Die Hoffnung, dass ich Tanzmuffel wie Euch davon begeistern kann, habe ich daher längst aufgegeben.

Wie ich schon einmal erwähnt habe, kann sich das Musik-Bedürfnis oder das Musik-Empfinden im Laufe der Jahre ändern, und ich bin davon überzeugt, dass ich nicht zuletzt wegen meines Ausflugs in die griechische Musik (wenn man 25 bis 30 Jahre als Ausflug bezeichnen kann) heute Zugang zu manchen Jethro Tull Stücken habe, mit denen ich in den 70ern nichts anfangen konnte – Fat Man, Witch’s Promise und A Passion Play gehören dazu. Im Laufe der Jahre haben sich meine Ohren an wilde Taktwechsel, schräge Rhythmen und dem üblichen mitteleuropäischen Musikgefühl zuwiderlaufende Melodien gewöhnt. Heute kommt mir das alles vertraut vor.

Schade, lieber Lockwood, dass Du mit der griechischen Musik so garnicht zurecht kommst. Was Du für Probleme mit der Sprache hast, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, und eigentlich kann doch Deine Abneigung gegen griechische Musik nicht schon immer so bestanden haben. Schließlich hast Du Dir selbst einmal freiwillig (nehme ich doch an) die „20 Sirtaki von Mikis Theodorakis“ gekauft. Das hätte ich jetzt nicht getan, Sirtaki ist nicht so mein Fall – für mein Empfinden zu langsam, öde und oberflächlich.

Aber wechseln wir das Thema, bevor der arme Lockwood noch über meinen langatmigen Ausführungen einschläft. Kommen wir zu roten Hüten, Piratenlook und gepunkteten Seiden-Pyjamas. Mir ist schon klar, dass das Golders-Green-Outfit eine Art modifizierten Reitdress darstellen soll, wie er in England z.B. zur Fuchsjagd getragen wird – durchaus sehr passend, wenn man beabsichtigt in einem Hippodrom ein Hunting Girl auf Velvet Green zu treffen. Zu solch einem Reitdress gehört auch eine Kopfbedeckung, im Original allerdings eher eine Art schwarze Reiterkappe, nicht gerade eine rote Melone. Da Mr. Anderson mit Reitkappe aber vermutlich auch nicht geistreicher ausgesehen hätte, will ich mich über den roten Hut ja garnicht mehr beschweren. Ich habe mich praktisch an ihn gewöhnt, man kann damit leben.

Auch das Piraten-Kopftuch finde ich garnicht mehr so schlimm, seit mir klargeworden ist, dass Mr. Anderson sich doch nur für einen pontischen Kriegstanz zurechtmachen will. Dass er dazu sein aktuelles Bühnen-Outfit noch arg aufpeppen müsste, finde ich nicht einmal – noch zusätzlich ein schwarz gefärbtes Bettlaken um den Kopf drapiert und ein altes Brotmesser in den Gürtel gesteckt – fertig! Wie ich Dich, lieber Wilfried, inzwischen kenne, könntest Du den Meister in Minutenschnelle mit diesen Utensilien ausstatten. Die Griechen würden ihn dann sicher mittanzen lassen, zumal er auch von Alter und Statur her perfekt zu ihnen passen würde und ihm die erforderlichen Tanzbewegungen keine Schwierigkeiten bereiten sollten.

Den gepunkteten Pyjama zum gleichfarbigen Kopfverband fand ich zwar auch nicht besonders geschmackvoll, übler fand ich da aber noch diesen Schmuddel-Look aus der „Under Wraps“-Tour, wo Anderson aussieht, als ob er zuvor 2 Wochen ungewaschen und unrasiert unter einer Brücke übernachtet hätte, oder diesen Halbstarken-Look mit unappetitlich durchgeschwitztem Lederwestchen auf blanker Männerbrust, in dem er Anfang der 90er Jahre auf Bühnen und im Fernsehen zu bewundern war. Der Gipfel ist für mich aber doch der Tampa-Auftritt, vielleicht weil es einfach ein so krasser Fehltritt zwischen den für meinen Begriff durchaus geschmackvollen und passenden Kostümen der Jahre davor und danach war, und weil mir die Bilder auch farblich einfach in den Augen brennen. Ab 1980 gab es ja dann eigentlich fast nur noch Fehltritte, da hat man schon garnichts anderes mehr erwartet. Aber dieses Thema habt Ihr sicher auch schon bis zum Abwinken behandelt.

Nun will ich doch noch einmal zu Tänzen zurückkommen (der arme Lockwood…), denn der Wilfried war ja fleißig und hat einen schottischen Tanz auf YouTube gestellt. Das bietet natürlich interessante Vergleichsmöglichkeiten. So arg viel Ähnlichkeit mit griechischen Tänzen kann ich aber nicht entdecken. Zum einen klingt der Dudelsack für meine Begriffe vergleichsweise schrill – vielleicht liegt’s auch am Ton. Der griechische dudelt jedenfalls für meine Ohren angenehmer. Dann handelt es sich offensichtlich um einen Tanz, den jeder für sich allein tanzt, auch wenn das hier vier Personen gleichzeitig tun. Ich kenne nur drei griechische Tänze – Seimbekikos, Tsifteteli (Bauchtanz) und Karsilamas (ein Paartanz), bei denen einzeln getanzt wird. Bei allen anderen Tänzen fasst man sich irgendwie an: Hand-Fassung (Sirtos, fast alle pontischen und makedonischen Tänze), Schulter-Fassung (Chasapikos, Pentosalis, Sirtaki und verwandte), Hand-Überkreuz-Fassung (z.B. Sonaradikos), Gürtel-Fassung (Tanz habe ich vergessen). Dieser „Körperkontakt“ ist ein ganz wesentliches Merkmal eines Tanzes, er schafft dieses „Gemeinschaftsgefühl“, das bei diesem schottischen Tanz bestimmt nicht so entsteht.

Und erst als die Kamera näher rangeht sieht man den nächsten gravierenden Unterschied: Da tanzen ja nur Frauen. Und das ist doch ein Schwerter-Tanz – oder? Der ist doch ursprünglich nicht für Frauen gedacht. Aber die tanzmuffeligen Männer glänzen mal wieder durch Abwesenheit und überlassen das Tanzen den Frauen. Typisch für wahrscheinlich fast alle Länder in Europa, außer Griechenland. Dort tanzt jeder vom 2-jährigen bis zum 90-jährigen, Männlein und Weiblein ohne Unterschied. Niemals würde man die Vorführung eines Schwerter-Tanzes Frauen überlassen. Früher durften sie bei Tänzen wie der jetzt schon mehrfach erwähnten Sera (Pontischer Kriegstanz) bestenfalls zur Verzierung dahinter stehen, klatschen oder vielleicht ein paar zaghafte eigene Schritte tun – aber bitte in einer eigenen Reihe und hinter den Männern! Heute dürfen sie auch mittanzen, aber nur im Familienkreis oder bei einem Tanzfest, nicht bei einer Vorführung. Und ja, dieser Tanz wird nicht nur auf der Bühne für Touristen aufgeführt, er wird auch noch privat auf Festen getanzt (da allerdings dann meist in seiner etwas vereinfachten „Verkleinerungsform“ der Seranitsa, bei der schon eher auch Frauen zugelassen sind). Und auch das ist noch ein wesentlicher Unterschied. In Griechenland „leben“ diese traditionellen Tänze noch. Ich wage zu bezweifeln, dass das in Schottland auch so ist.

Ach, der arme Wilfried, jetzt habe ich sein schottisches Tanz-Video völlig niedergebügelt. Aber so war das nicht gemeint, lieber Wilfried, wirklich ein sehr schönes Video, das Du da gemacht hast! Und als versöhnlicher Abschluss hier noch ein Kommentar, den ich auf YouTube unter einem Video des Lieds „Dinata Dinata“ (siehe oben) gefunden habe: Talking about different cultures, I am scottish and if I wasn’t I would love to be Greek! I love everything about the Greek culture from the history, the language to the music! I am hooked!. Na also, sage ich doch – Griechisch und Schottisch, das passt!

Lieber Lockwood, ich muss Dir völlig recht geben: Inzwischen haben sich so viele verschiedene Themen aufgetan, dass man in einem Zug garnicht mehr alle ansprechen kann. Jetzt habe ich mich langsam müde geschrieben, und zu den Mendel’schen Gesetzen bin noch nicht gekommen. Bitte nicht enttäuscht sein, ich fange nächstes Mal gleich damit an, versprochen.

Ich wünsche Euch ein schönes Pfingstfest!

Liebe Grüße

Kretakatze

PS.: Vielen Dank, lieber Wilfried, dass Du versucht hast Mr. Anderson von Beck’s Bier zu überzeugen. In seinem gegenwärtigen Outfit als pontischer Kriegstänzer würde er aber vermutlich auch nicht mehr optimal in eine Bierreklame passen. Ich werde mir noch etwas Besseres für ihn einfallen lassen müssen (man will ja doch, dass er finanziell nicht darben muss…)..

26.05.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute muss ich schon wieder eine frühere Aussage revidieren oder doch zumindest relativieren. Sicher werdet Ihr mich hier bald rausschmeissen, wenn ich weiterhin jeden Beitrag mit einem Widerruf beginne, in dem ich meine haltlosen Behauptungen vom Vortag zurücknehme. Wie ich schon einmal erwähnte, komme ich zu meinen Ansichten und Einsichten meist aus dem hohlen Bauch heraus. Manchmal sollte ich den vielleicht doch vorher mit etwas Substanz füllen. Ich werde versuchen mich zu bessern.

Ich hatte, stark vereinfacht, die blonden Haare des Achilles deutschen Archäologen in die Schuhe geschoben – nicht ganz wörtlich natürlich. Das war wohl doch etwas zu schnell geschossen. Später erst ist mir eingefallen, dass der Achilles eine Gestalt aus den Erzählungen des Homer und anderer antiker Schriftsteller ist, und es daher möglich wäre, dass z.B. Homer etwas über seine Haar- und Augenfarbe geschrieben hat. Dann wären die deutschen Archäologen unschuldig.

Ich muss zugeben, dass ich jetzt nicht in den letzten Tagen die Odysee und die Illias durchgearbeitet habe. Nach meiner bescheidenen Kenntnis war Achilles ein (bis auf seine berühmte Ferse) unverwundbarer Halbgott und damit eine Sagengestalt, deren tatsächliche Existenz eher ungewiss ist. Selbst wenn Homer etwas über seine Haarfarbe geschrieben haben sollte, kann man davon ausgehen, dass diese Beschreibung nicht auf eigener Anschauung beruhte. Das heißt: Homer hat die Haare des Achilles vermutlich nie persönlich in Augenschein genommen. Verlässliche Aussagen über Haar- und Augenfarbe des Achilles werden daher wohl noch viel schwieriger zu erlangen sein als verlässliche Aussagen über Haar- und Augenfarbe des Mr. Anderson. Und dies hat sich ja bereits als aussichtsloses Unterfangen erwiesen.

Im Prinzip geht es ja auch nicht speziell um die Haarfarbe des Achilles, sondern darum, ob die antiken Hellenen nur eher vom hellen, mitteleuropäischen Typ waren, oder doch eher dunkelhaarig und dunkeläugig. Ich will nicht ausschließen, dass es Berichte antiker Schriftsteller oder Chronisten gibt, in denen auch die Haarfarbe mancher ihrer Zeitgenossen Erwähnung findet. Ich will auch nicht ausschließen, dass es schon damals in Griechenland blonde und blauäugige Menschen gegeben hat – so wie heute ja auch. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Mehrheit der damaligen Bevölkerung so ausgesehen haben soll. Eine solche „Population“ wäre schon dem Klima und den Lebensumständen nicht angepasst gewesen, und wie ich außerdem bereits erwähnt habe – ich habe noch nie antike griechische Darstellungen blonder Menschen gesehen. Soweit meine langatmige Vorrede.

Nun zur weiteren genetischen Entwicklung griechischer Populationen. Lockwood hatte ja meine These angezweifelt, nach der die heutigen blonden Griechen und speziell Kreter (ich würde mich da gerne auf Kreter beschränken, da ich mich mit blonden Griechen aus anderen Landesteilen nicht auskenne) von mittel- und westeuropäischen Kreuzfahrern und venetianischen Kaufleuten abstammen. Diese These habe ich mir ausnahmsweise nicht selbst ausgedacht, sondern ich habe sie irgendwo einmal gelesen, und mir hat sie eingeleuchtet. Es gab mindestens 4 Kreuzzüge (je nachdem, welche Kriegszüge gen Osten man dazu zählt), die sich über insgesamt 200 Jahre hinzogen (ca. 1100 bis 1300 n. Chr.). Kreta war ein zentraler Anlaufpunkt im Mittelmeer, die „Franken“, wie sie von den Griechen heute noch genannt werden, haben mehrere Burgen auf Kreta gebaut, Stützpunkte sozusagen. Ich würde davon ausgehen, dass die eroberten Gebiete im Bereich des heutigen Israel und Libanon auch Nachschub aus der Heimat benötigt haben, dass es also auch so etwas wie Handelsrouten gab. Da kann ich mir schon vorstellen, dass auch der eine oder andere westeuropäische Spross auf Kreta hängengeblieben ist.

Um das Jahr 1200 fiel Kreta an Venedig, danach regierten dort bis etwa 1650 – also 450 Jahre – die Venetianer. Sie trieben einen regen Handel, die Städte waren voll von venetianischen Kaufleuten. Venetianer sind zwar im Prinzip Italiener, aber Norditaliener sind auch oft vom mitteleuropäischen Typ. Ich würde davon ausgehen, dass auch noch andere europäische Länder an dem Handel beteiligt waren. Auf jeden Fall kam in diesen Jahrhunderten durch die Handelsbeziehungen bestimmt auch viel frisches „Blut“ nach Kreta.

Um 1650 wurde Kreta dann von den Türken erobert. Erst 1898, also gerade mal vor reichlich 100 Jahren, wurde Kreta durch vertragliche Regelungen europäischer Großmächte mit den Türken frei. 1913 wurde es mit Griechenland wiedervereinigt. Soviel zur jüngeren Geschichte (nicht dass Ihr denkt, das wüsste ich alles auswendig – das habe ich bei Wikipedia abgeschrieben).

Die ca. 250 Jahre türkischer Herrschaft haben wesentlichen Einfluss auf Kultur, Lebensgewohnheiten und Sprache der Griechen gehabt. Dass sie wesentlichen Einfluss auf die genetische Zusammensetzung der griechischen Bevölkerung hatten, wage ich zu bezweifeln. Griechen und Türken sind wie Wasser und Öl. Man kann sie zusammen in eine Flasche gießen und 250 Jahre schütteln, es wird keine einheitliche Masse daraus werden. Hält man die Flasche ein paar Minuten still, dann werden sich die Substanzen wieder trennen, und man wird wieder eine Flasche mit zwei verschiedenen Flüssigkeiten in den Händen halten. Die gegenseitigen Abstoßungskräfte sind zu stark, als dass ein anderes Ergebnis zu erwarten wäre.

Wenn ich versuche zu erklären, warum das so ist, kann ich auch gleich dem Wilfried seine Frage beantworten, welche besondere Beziehung es zwischen Griechen und Armeniern gibt. Es ist die Religion. Griechen definieren sich in erster Linie über den Orthodoxen Glauben. Alle Völker, die ebenfalls orthodox sind – es muss nicht griechisch-orthodox sein – sind Freunde, Brüder, gehören praktisch zur Familie. Griechen fühlen sich daher engstens verbunden mit Georgiern und Armeniern, mit orthodoxen Syrern und Libanesen, mit Russen und Serben. Während der Kriege in Jugoslawien standen die Griechen z.B. immer kritiklos auf der Seite der Serben – weil sie orthodox sind.

Mit den Armeniern verbindet noch zusätzlich, dass sie zur gleichen Zeit Opfer von Völkermord und Vertreibung wurden, wie die pontischen Griechen. Etwa zwischen 1915 und 1920 wurden im Osten der Türkei ca. 1 Mio. Armenier umgebracht oder vertrieben und im Westen der Türkei ca. 1,5 Mio. pontische Griechen (die übrigens von der Schwarzmeer-Küste stammen und nicht von der Ägäisküste, wie ich neulich geschrieben hatte). Gleichzeitig verließen ca. 500.000 türkisch-stämmige Bewohner Griechenland – ein Völkeraustausch. Wie ich schon sagte – hält man die Flasche still…

So wie die Griechen sich selbst und ihre Freunde am orthodoxen Glauben erkennen, so wird (stark vereinfacht, aber doch treffend) der Rest der Menschheit ebenfalls anhand seines Glaubens eingeteilt. Nicht orthodoxe Christen sind auch noch Menschen, Juden sind eigentlich schon keine mehr (es gibt einen unverhohlenen Antisemitismus in Griechenland, Juden sind verhasst – warum weiß ich auch nicht so genau), und Muslime sind der Teufel in Person. Und mit sowas paart man sich nicht. In solchen Kategorien denken übrigens auch Menschen, die sich selbst als Kommunisten und Atheisten bezeichnen. Allein mit Religion hat das nichts mehr zu tun.

Jetzt ist das alles ein bißchen überzeichnet, denn wenn man heute persönlich einen netten Türken kennenlernt, dann läd man den natürlich auch zu einem Gläschen griechischen Kaffee ein und tanzt Sirtaki mit ihm. Vermutlich hat es auch in den 250 Jahren Türkenherrschaft friedliches Zusammenleben und freundschaftliche Kontakte gegeben. Im Prinzip war aber diese Zeit gekennzeichnet von wiederkehrenden Aufständen der Griechen, die von den Türken blutig niedergeschlagen wurden und von ständigen Guerilla-Attacken der in die Berge geflohenen Widerstandskämpfer. Dass es in diesem Klima zu einer nennenswerten Vermischung der beiden Bevölkerungsgruppen gekommen sein soll, kann ich mir nicht vorstellen. Sonst müsste es auch heute noch auf Kreta ein paar Muslime geben. Oder wenigstens ein paar Menschen mit türkisch-stämmigem Namen. Ich habe nie einen getroffen.

Nun noch kurz zu den Mendel’schen Gesetzen. Du hast bezweifelt, lieber Lockwood, dass die rezessiven Gene für blonde Haare und blaue Augen auf Dauer gegen dominantes schwarz-braun bestehen könnten. Nun sterben Gene nicht deshalb aus, weil sie rezessiv sind, sondern weil sie einen Selektionsnachteil darstellen – wenn die Träger dieser Gene sich also weniger stark vermehren als die „Konkurrenz“, oder wenn sie gar ganz an der Fortpflanzung gehindert werden. Man kann wohl davon ausgehen, dass blonde Haare und blaue Augen, meist auch noch verbunden mit einer hellen Haut, in südlichen Ländern tatsächlich einen Selektionsnachteil darstellen. Gerade dann ist es aber für die Erhaltung eines Gens von Vorteil, wenn es rezessiv ist. Dadurch kann es sich nämlich in vielen Fällen hinter dem dominanten Gen „verstecken“, ohne dass der Träger den Selektionsnachteil erleidet, und kann so ungestört weitervererbt werden.

Jeder Tierzüchter weiß, dass er ein unerwünschtes Gen umso schwerer los wird, je stärker rezessiv es sich vererbt. Er kann dann nämlich die meisten Träger dieses Gens garnicht erkennen und dadurch auch nicht von der Zucht ausschließen. Irgendwann paart er dann unwissentlich zwei Träger dieses Gens miteinander und bums – hat er schon wieder so ein unerwünschtes Exemplar. Wird das dann ausselektiert, nimmt natürlich im Laufe der Zeit die Häufigkeit des Gens in der Population schon ab, aber langsam, sehr langsam. Nur so ist auch zu erklären, dass bestimmte rezessiv vererbliche Erbkrankheiten wie z.B. Bluterkrankheit oder Farbenblindheit einfach nicht aussterben wollen, und das schon seit Jahrtausenden.

In unserer heutigen Zeit der Sonnencremes und Bürojobs in klimatisierten Räumen ist auch der „Selektionsnachteil“ eines Blonden im Mittelmeerraum gegen Null gesunken. Stattdessen findet dort zur Zeit, wenn man das respektlos so nennen darf, eine regelrechte Verdrängungszucht statt. Horden attaktiver Mittel- und Nordeuropäerinnen fallen in die Urlaubsgebiete ein und schnappen sich dort die besten einheimischen Männer weg. In manchen Gegenden haben junge Griechinnen kaum noch eine Heirats-Chance – und das ist kein Witz. Der von mir bereits erwähnte dunkelblonde Grieche, der im Übrigen der Vater meines ebenso dunkelblonden Sohnes ist, hat später noch eine dunkelblonde Deutsche geheiratet und hat nun noch zwei blonde Kinder. Von all seinen zahlreichen Freunden ist gerade mal ein einziger mit einer Griechin verheiratet, alle anderen haben Ausländerinnen geheiratet – Deutsche, Holländerinnen, Engländerinnen, Schwedinnen, Österreicherinnen. Das geht jetzt so schon seit 20 bis 30 Jahren, und es wird immer schlimmer. Die Zahl der blonden Griechen ist rapide im Steigen begriffen.

Jetzt bin ich aber ganz schön weitschweifig geworden, und das musiklos, staubtrocken und Anderson-frei. Und es wird nicht besser, denn mein nächstes Thema hat auch nichts mit Jethro Tull zu tun.

Lieber Lockwood, was Du über Deinen Eindruck von den griechischen Tänzen geschrieben hast, hat jetzt mich fast erschreckt. Dass jemand diese Musik als herb und finster empfinden könnte, hätte ich nie vermutet. Gut, ich hatte natürlich bei den makedonischen Tänzen mit Absicht die am scheußlichsten klingenden ausgesucht, und dass ein Kriegstanz finster wirkt liegt in der Natur der Sache. Schließlich will man den Feind abschrecken, und das scheint den Tänzern ja bei Dir gelungen zu sein (kleiner Scherz am Rande, den Du mir hoffentlich nicht übel nimmst). Aber der Sonaradikos ist für meine Ohren ein fröhliches Lied, und der Sirtos mit Michalis Tsouganakis strotzt für meine Begriffe geradezu vor Lebensfreude – da hält mich kaum noch etwas auf dem Stuhl. Das Dinata Dinata ist auch vom Text her ein Lied über Stärke und Lebensfreude, aber den Text muss man meiner Meinung nach nicht verstehen um das zu hören. Du entwickelst Dich für mich immer mehr zum Rätsel…

Wenigstens weiß ich jetzt schon einmal etwas, was Dir gefällt – Abba. Das ist ein Anfang. Ich bin jetzt zwar nicht unbedingt ein spezieller Abba-Fan, aber ich höre ihre Musik auch recht gern. Da hätten wir mal einen ersten Ansatzpunkt. Was hörst Du denn sonst noch so, außer ein paar handverlesenen Platten von Jethro Tull? Nicht, dass ich jetzt an Dir herumkritteln oder Dich als zu wählerisch hinstellen möchte. Ich versuche nur herauszufinden, mit welchem musikalischen Kleinod ich vielleicht sogar Dir einmal eine Freude machen könnte.

Schließlich beginne ich mir ernsthaft Vorwürfe zu machen, dass ich durch meine unvorsichtige Auswahl fragwürdiger Tanz-Videos eine akute Ellinikophobie (Elliniko = Griechisch) bei Dir ausgelöst haben könnte. Gerne würde ich mein Möglichstes dazu beitragen, zumindest noch die drohende chronische Manifestation abzuwenden. Außerdem liegt es in meiner Forschernatur nicht eher zu ruhen, als bis ich den Krankheitserreger separiert und identifiziert habe. Ich denke Du ahnst bereits Übles.

Wenn ich Dich richtig verstanden habe ist es nicht nur die Musik, sondern auch die Sprache, die Du als „herb und finster“ empfindest. Ich kann mir nur vorstellen, dass das mit den vielen harten Lauten zusammenhängt – ps, ks, ts, ch und th, um nur die härtesten zu nennen. Für mich ist das ein Grund, warum mir die Sprache besonders gefällt, im Gegensatz zum langweiligen Trallalla-Blablabla des Italienischen (ich hoffe, das liest jetzt kein Italiener) gib es der Sprache etwas Herzhaftes und Handfestes. Im Prinzip hat Griechisch den gleichen Laut-Umfang wie Spanisch, nur kommen die harten ps, ks und ts wohl noch häufiger vor. Wer keine der beiden Sprachen versteht, kann sie nach meiner Erfahrung kaum auseinanderhalten. Hast Du mit Spanisch die gleichen Probleme?

Ich halte das Thema „Sprachen“ überhaupt für sehr interessant. Worin unterscheiden sie sich? Warum liegt einem die eine Sprache und eine andere nicht? Das wäre schon wieder das nächste, sehr weite Feld…

Aber jetzt bin ich müde, gute Nacht, Ihr Lieben…gäääähn…

Kretakatze

PS.: Nur für gesundheitlich stabile, nicht Ellinikophobie-gefährdete Personen – ohne Altersbeschränkung – hier doch noch ein kleines Gute-Nacht-Lied:

Areti Ketime Nanourisma (Wiegenlied) – live in Athen

Der türkische Name verwundert, und sie scheint selbst noch ein halbes Kind zu sein….

Sie spielt Sandouri (eine Art Hackbrett = Saiteninstrument) und singt dazu – orientalisch, traurig, schön…

27.05.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

ich denke, es braucht mehr Mut, einen „Fehler“ zuzugeben, als später aus Trotz auf einem falschen Standpunkt zu beharren. Die Gefahr, dass Du, liebe Kretakatze, aus diesem Forum ausgeschlossen wirst, sehe ich also nicht.

Zur hellenistischen Pigmentierung:
Vor etlichen Jahren habe ich die Iliade gelesen (die deutsche Übersetzung, nicht im Original) und mir ist nicht erinnerlich, dass Homer etwas über Haar- und Augenfarbe seiner Helden geschrieben hat. Selbst wenn er es getan hätte, wären diese Informationen von zweifelhaftem Inhalt; wir sind uns darüber einig, dass die Figuren des Trojanischen Krieges eher sagenhaft als historisch sind. Von Homer ist also keine Hilfe zu erwarten.
Die langfristigen Einflüsse der Franken auf die griechische Bevölkerung in Tateinheit mit einer gekonnten Auslegung der Mendelschen Gesetze sehe ich nach Deiner letzten mail in einem anderen Licht. Aus dieser wissenschaftlichen Betrachtung scheint es also tatsächlich möglich, dass blonde Griechen ein Produkt ausländischer Gene sind. Leider sagt diese Erkenntnis nichts über Färbung des Achilles aus. Der Trojanische Krieg, so er wirklich stattgefunden hat, tobte etwa 2.000 Jahre vor den Kreuzzügen und 3.000 Jahre vor den Touristenströmen. Falls Achilles und einige seiner realen Landsleute also wirklich blond waren, dann ohne mitteleuropäisches Zutun. Aber, wie ich schon letzte Woche gesagt habe, an Deinem Einwand der dunkelhaarigen Vasenbemalungen kommt man nicht so leicht vorbei.

Vielleicht hat man die Rolle des Achilles (interessant die englische Aussprache: Äikillis) mit Mr. Pitt besetzt, weil seit Siegfried ein strahlender Held blond zu sein hat. Sein Gegenspieler Hektor wird konsequenterweise dunkelhaarig besetzt.

Das Verhältnis der Pigmentierung einer Population zu ihrer Umwelt muss man mit Vorsicht betrachten. Es fällt uns leicht zu verstehen, warum Schwarzafrikaner eine dunkle Haut haben. Wegen der Sonne, klar. Warum sind aber nordamerikanische Prärieindianer oder die Steppenvölker Zentralasiens, die noch nicht einmal einen Schatten spendenden Baum kennen, nicht ebenso dunkelhäutig ? In den Bergen Neuguineas lebt ein Volk (den Namen habe ich vergessen), das als das Dunkelhäutigste weltweit gilt. Dieses Volk lebt auf einem Hochplateau, das ständig von Wolken und Nebel umgeben ist, sodass nur wenige Sonnenstrahlen den Erdboden erreichen. Wir sehen also, dass sich Hautfarbe und Sonneneinstrahlung nicht immer im Verhältnis 1:1 verhalten.

Deinen berechtigen Hinweis auf das gespannte Verhältnis zwischen Griechen und Türken habe ich bei meiner Theorie unterbewertet. Auch ohne genauere Prüfung räume ich ein, dass beide Völker kein großes Interesse an einer Vermischung hatten und haben.

Dass blonde Menschen auf die Völker des Mittelmeerraums eine große Anziehungskraft ausüben, habe ich bei einem Israelurlaub festgestellt. Als blonder Recke ist man bei den jungen Frauen Hahn im Korb und als blonde Frau braucht man schon eine Eskorte, wenn man sich frei bewegen will. Bei diesem Israelurlaub ist mir aufgefallen, dass es dort nur sehr attraktive Frauen zu geben scheint. Entweder gibt es dort keine unattraktiven Frauen oder diese trauen sich nicht vor die Tür. Der Blondwahn dieser Region führt dazu, dass einige der jungen, schwarzgelockten glutäugigen Frauen sich blond färben lassen. Das war in meinen Augen eine schreckliche Erfahrung. Um es mit den Worten eines Stammtischs zu sagen: Das ist, als würde ich an einem Mercedes den Stern abbrechen.

Vorläufiges Zwischenergebnis: In der Frage, ob der antike Hellene vom mitteleuropäischen oder orientalischen Typ war, sind wir noch keinen bedeutenden Schritt weiter gekommen. In den Weiten des Internets gibt es ein Forum zur Ethnologie, dort könnte man bestimmt eine Antwort finden. Ehrlich gesagt bin ich im Moment aber zu faul, um danach zu suchen.

Das Harte, Herbe, Finstere an der griechischen Sprache hat tatsächlich mit den vielen harten Lauten zu tun. Auch gibt es hier Zischlaute, die wir in dieser Form im Deutschen nicht kennen. Beispiel: Öichi ! Das ist sehr wahrscheinlich vollkommen falsch geschrieben; es bedeutet „nein“ oder „nicht“. Dann fällt mir noch Kazekato ein; wahrscheinlich auch total falsch geschrieben. Es bedeutet „setzen!“ oder „setz dich!“ Ich kenne diese Begriffe nur, weil meine griechischen Bekannten sie häufiger zu ihrer damals zweijährigen Tochter sagten. Es sind nur zwei Begriffe, die aber ausreichten, bei mir einen harten herben Eindruck der Sprache zu hinterlassen. Dieser Eindruck konnte durch Deine Videos leider nicht revidiert werden.

Selbst das Wiegenlied, das Du in Deiner letzten mail gelinkt hast, unterstreicht diesen Eindruck. Hinzu kommen die häufigen Vibratos im griechischen Gesang. Das klingt schon sehr orientalisch. Selbst Dein Wiegenlied erinnert mich an den Ruf des Muezzin.

Spanisch klingt in meinen Ohren angenehmer. Es enthält zwar Elemente aus dem Arabischen, aber irgendwie komme ich damit besser klar. Die zum Hören angenehmste Sprache ist für mich italienisch (Sorry !) Um meine Äußerungen etwas zu relativieren möchte ich erwähnen, dass ich überhaupt kein Talent für Sprachen besitze. Ich habe weder Kenntnisse im Griechischen, noch im Spanischen oder Italienischen.

In einem Punkt widerspreche ich allerdings vehement: Der Sprachunkundige kann spanisch und griechisch sehr wohl auseinanderhalten. Woran es liegt, kann ich nicht mit Wortlauten belegen, aber ich finde die Klangbilder beider Sprachen sehr unterschiedlich, trotz der gemeinsamen harten Laute. In meinen Ohren verhält sich spanisch zu griechisch wie Zwiebelkuchen zu rohen Zwiebeln. Ein etwas unglücklicher Vergleich, aber er macht deutlich, wie die beiden Sprachen auf mich wirken.

Ich kann nicht verstehen, warum ich für Dich zum Rätsel werde. Ich bin kein großer Mysterienträger. Dass ich mit griechischer Sprache und Musik nicht klar komme, mag außerhalb Deiner Erfahrungswelt liegen, aber das ist doch nichts Geheimnisvolles. Es ist eine Geschmacksfrage, nicht weniger, aber erst recht nicht mehr. Deswegen muss ich Dir doch nicht kryptisch erscheinen.

Und eine Griechenphobie hast Du in mir auch nicht erzeugt, jedenfalls keine, die über die angeborene latente Xenophobie hinausgeht. Vielleicht interpretierst Du in meine Nichtbegeisterung für die griechische Kultur zuviel hinein. Es ist ganz einfach eine fehlende Begeisterung. Es ist kein Hass, keine Angst, keine Ablehnung. Dass Du ganz anders über die Menschen der Ägäis denkst, habe ich begriffen. Aber diese unterschiedlichen Geschmäcker machen mich noch nicht zum Problemfall, oder ?

Sprachen sind auch für mich als Unkundigen ein interessantes Feld. Ich habe mich beispielsweise vor Jahren gefragt, wieso die finnische und die ungarische Sprache miteinander verwandt sein können. Liegen diese beiden Länder doch nicht gerade in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander und eine gemeinsame Geschichte dieser Nationen ist mir auch nicht bekannt.

Für mich waren Finnen Nordeuropäer und Ungarn ein Konglomerat aus Mitteleuropäern und Nachfahren der Hunnen. Ganz so ist es wohl doch nicht. Eine Erklärung lieferte mir damals ein Sprachwissenschaftler, mit dem ich einen kurzen Briefwechsel unterhielt. (Prof. Gerhard Vollmer, der steht sogar in Wikipedia). Er empfahl mir damals die Lektüre eines Standardwerkes zur Entwicklung der Sprache und der Sprachen: „Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache“ von David Crystal. Den Erwerb dieses Buches habe ich nie bereut.

Ääh, ich fürchte, bei meiner letzten mail ist der Eindruck entstanden, dass ich nur Jethro Tull und Abba höre. Für Deine gezielte Nachfrage zu meinen Musikbedürfnissen bin ich deswegen dankbar. Wie jeder „richtige Junge“ habe ich mich im pubertären Alter für Rockmusik interessiert. Queen, AC/DC, Status Quo, ZZTop und wie sie alle hießen. Später ergänzten Werke von Big Country und Led Zepplin meine Plattensammlung. Zwischendurch natürlich immer wieder Jethro Tull. Mein Faible für Rockmusik hält bis heute an. Irgendwann in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam ich mit Britischer Folklore in Berührung, vorwiegend Irish-Folk. Hier hatten es mir besonders die Dubliners angetan. Wenn man auf dem Folkpfad ein wenig nach rechts und links schaut, stößt man zwangsläufig auf Jethro Tull. In den 80er Jahren hörte ich zum ersten Male Musik von den Pogues, für die ich eine ähnliche Begeisterung empfinde wie für JT. Zwischen all diesen Rockmusikern lief meine Vorliebe für Abba parallel im Hintergrund. Ich höre nicht oft Popmusik, aber, wie gesagt, wenn, dann von Abba. Sie haben wunderbare Melodien geschrieben und ich finde den Gesang von Agnetha Fältskog (die Blonde) überirdisch. Bevor ich es vergesse: Zum Thema Kate Bush habe ich mit Wilfried auch schon etliche Seiten gefüllt. Mein Pseudonym ist ein stark verdeckter Hinweis auf Mrs. Bush.

Alben der o.g. Künstler machen ca. 90 % meiner Plattensammlung aus. Daneben enthält sie Werke der klassischen Musik (Bach, Beethoven, Händel, Mozart) und einige Exoten: Theodorakis, Don Kosaken, Scottish Pipes and Drums und einiges mehr. Da fällt mir ein: Ich habe sogar eine LP von Vicky Leandros, aber ich glaube, das lässt Du nicht als griechische Musik gelten. Diese LP habe ich wegen dem Titel Lago Magiore im Schnee (Original von Mort Shuman) gekauft. Die anderen Titel auf dem Album kenne ich gar nicht.

Nicht, dass ich es bereue, mich als Abba-Hörer geoutet zu haben, aber diese Ergänzungen waren mir wichtig.

Ich wünsche allen Lesern und Griechen einen schönen Abend und eine geruhsame Nacht.
Lockwood

28.05.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

mit Rücksicht auf den öffentlichen Gesundheitszustand werde ich ab sofort meine Beiträge frei von griechischen Musik-Videos halten. Sollte ich es doch für angemessen oder notwendig erachten, Links zu griechischer Musik zu zu legen, werde ich dies nur noch am Ende als „Anlage“ unter der Rubrik PS.: und nach einem entsprechenden Warnhinweis tun.

Heute möchte ich noch kurz das Stichwort „Liedermacher“ aufgreifen, das Wilfried vor ein paar Tagen im Zusammenhang mit einem armenisch-griechischen Lied gebraucht hat. Zu diesem Titel – es war Meno Ektos – hat der Begriff meiner Meinung nach nicht gepasst. Unter Liedermacher-Stil verstehe ich etwas anderes. Aber natürlich gab und gibt es auch in Griechenland Liedermacher. Der bekannteste von ihnen war und ist Dionisis Savvopoulos, der bereits in dem Feuerwerks-Video von der Abschlussfeier der Olympischen Spiele zu sehen war – es war der ältere Herr mit der großen Trommel vor dem Bauch. Unter PS.: habe ich ein paar Stücke von ihm zusammengestellt, die teilweise auch von anderen Interpreten vorgetragen werden. Außerdem würde ich auch noch Miltos Paskalidis zu den griechischen Liedermachern zählen. Auch von ihm kann man dort noch ein Video finden.

Zudem habe ich im Anhang auch noch ein paar Links zu Titeln von und mit Nikos Papasoglou abgelegt. Er hat mit unserem allseits verehrten Mr.Anderson, den ich nun auch einmal wieder kurz erwähnen möchte, eine traurige Gemeinsamkeit: Seine Stimme hat böse gelitten. Als ich ihn zuletzt 1989 live gehört habe, klang er noch wie auf dem Video zusammen mit Savvopoulos. Als ich die neuen Aufnahmen gehört habe, bin ich wirklich erschrocken – er klingt völlig heißer, teilweise bekommt er kaum noch einen Ton heraus. Beim zweiten Video versagt ihm dann die Stimme vollends und das Publikum singt für ihn weiter – da könnte einem fast das Heulen kommen. Aber Ihr kennt das ja…

Dass es Papasoglou nun besonders wild getrieben und seine Stimme mit Gesangsakrobatik ruiniert haben soll, kann ich mir bei ihm nicht recht vorstellen. Wahrscheinlich sind bei manchen Menschen die Stimmbänder der Dauerbelastung durch das tägliche Singen auf Konzert-Tourneen einfach nicht gewachsen. Auch Stimmen altern und verändern sich. Das ist mir in letzter Zeit bei meinen Streifzügen durch YouTube aufgefallen, wo man gut Live-Auftritte desselben Musikers aus verschiedenen Jahren oder Jahrzehnten vergleichen kann (bei den Studio-Aufnahmen kann doch noch viel durch die Technik kaschiert werden).

Creedence Clearwater Revival’s John Fogerty zum Beispiel war seinerzeit nicht zuletzt für seine Reibeisen-Stimme berühmt. Er hatte nicht nur einen Frosch im Hals, das war ein ganzer Froschteich, mit dem er beim Singen gegurgelt hat. Zur Anschauung hier einer meiner Lieblingstitel: I Heard It Through The Grapevine (miserabel synchronisierter Clip von 1970). Eigentlich sollte man annehmen, dass jemand, der so singt, innerhalb kürzester Zeit seine Stimmbänder durchgeraspelt hat. Aber die scheinen bei Mr. Fogerty ganz schön zäh zu sein. Der gleiche Titel live 2006 klingt dann so (bescheidenes Bootleg, aber den Titel gibt’s von 2006 nicht besser).

OK, der Froschteich ist weg, aber die Stimme dröhnt noch ganz schön laut. Da kann Mr. Anderson nicht mithalten. Für weitere Detail-Vergleiche hier noch der Song Rock ’n‘ Roll Girl und die Ballade Deja Vu All over Again (ebenfalls Bootlegs von 2006), bei denen man den Herrn etwas besser aus der Nähe sieht. Was fällt auf: Er trägt noch immer die gleichen Jeans und das gleiche karierte Hemd wie vor 40 Jahren. Mr. Anderson würde in seine Kostüme von damals nicht mehr passen, und sie würden ihm heute auch kaum besser stehen das das, was er aktuell so trägt. Dafür waren sie allerdings auch bedeutend origineller als das Outfit von Mr. Fogerty! Und der nächste auffällige Unterschied: Auch wenn sein Gehopse auf der Bühne ein wenig ungelenk aussieht, sollte man doch nicht vermuten, dass Mr. Fogerty bei diesen Aufnahmen 61 Jahre alt war. Er scheint kaum gealtert zu sein. Weiterentwickelt hat er sich aber auch nicht.

Also wenn wir einen Musiker möchten, der nicht altert, immernoch das gleiche trägt wie 1970 und immernoch die gleiche Musik macht, und dessen Stimme durch nichts kaputtzukriegen ist, dann nehmen wir doch einfach Mr. Fogerty – oder?

Ich denke nach meinem Schreibmarathon über die Feiertage – das Wetter war aber auch so mies, da konnte man ja doch nichts anderes tun – werde ich es die nächste Woche über etwas langsamer angehen lassen. Lasst es Euch gutgehen!

Es grüßt Euch

Kretakatze

PS.: Achtung, die folgenden Musik-Videos könnten bei Personen mit entsprechender Disposition eine ernstzunehmende Ellinikophobie auslösen! Aufruf nur auf eigene Gefahr! Für Fälle von akutem Krankheitsausbruch oder Auftreten von anaphylaktischem Kulturschock Abba-CD bereithalten!

Dionisis Savvopoulos To chimona etouto (In jenem Winter)
Savvopoulos hat in den 70ern die „Neo Kima“, die Griechische „Neue Welle“ begründet – Liedermacher-Stil

Eleni Tsaligopoulou Thalassografia (Nicht wirklich übersetzbar, in einem: Darstellung des Meeres / Vermessung des Meeres / Beschreibung des Meeres) – professionelles Video
Das Lied ist im Original von Savvopoulos – mystisch-sehnsuchtsvoll, Bilder von Felsen und Meeresbrandung
Übersetzung: Trage uns weit, Trage uns zu fernen Orten, Wehe übers weite Meer, Wehe Wind, wehe (wird mehrfach wiederholt)

Sofia Avramidou Seimbekiko (Heißt so, wie der Tanz, den man darauf tanzen kann) – TV-Sendung (griechische Version von „… sucht den Superstar“
Das Lied ist im Original von Savvopoulos – langsam-tragisches Chanson zu Klavier
Der Text handelt von der Vertreibung der kleinasiatischen Griechen aus Smirni (= Ismir) 1922 und dem folgenden Flüchtlingselend – daher auch die Bilder im Hintergrund

Nikos Papasoglou und Dionisis Savvopoulos Acharnis – Paravasi (Acharnis: Ort in der Nähe von Athen – Überschreitung)
Beide Lieder sind von Savvopoulos – zwei Männer mit einer Klampfe unter einem Baum…

Nikos Papasoglou Pote Voudas Pote Koudas (Manchmal Buddha, manchmal Koudas (Personenname, ich weiß nur nicht von wem…)) – TV-Sendung
… manchmal Jesus und Judas… Das Lied handelt vom Spiel des Lebens – Tsifteteli (griechischer Bauchtanz)
Nikos hat erheblche Simmprobleme und ist in den letzten 15 Jahren bemerkenswert erblondet… Trotzdem ein hörenswerter Titel, der gute Laune macht (dem Publikum und mir jedenfalls)

Nikos Papasoglou Kanis edo den tragouda (Niemand hier singt) – TV-Sendung
Hier versagt ihm jetzt völlig die Stimme und das ganze Publikum hilft beim Singen aus… fast schon tragisch

Miltos Paskalidis Ederlezi – Fotia mou (Ederlezi: traditionelles Zigeunerlied aus Jugoslawien – Fotia mou: Mein Feuer – Liebeslied) live Bootleg
Dunkelblonder Grieche mit Brille; raucht, während er nicht singt, und hat noch beim Gitarre spielen die Zigarette in der Hand; intelektueller Rebell, der sein Publikum gern gegen den Strich bürstet – Liedermacher-Rock? Der griechische Herbert Grönemeyer?

28.05.2007

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Hallo Ihr beiden Hübschen,

Ihr müsst schon entschuldigen, wenn ich nicht mehr so ganz mitkomme, aber zz. steht mein Lust-und-Laune-Pegel etwa bei „mies“, was nichts mit Euch zu tun hat, sondern mit meiner Arbeit. Ich muss aber auch gestehen, dass ich mich in Eure Diskussion um Haar- und Augenfarbe nicht einmischen möchte. Das ist mir inzwischen zu haarig geworden. Nur soviel: Ob nun wahre Helden blond und blauäugig zu sein haben, auch wenn diese eher der Sage als der Realität entsprungen sind, sollte man nicht allein Hollywood überlassen (und dort deutschen Regisseuren, z.B. Wolfgang Petersen). Weshalb blond immer wieder für so viel attraktiver gehalten wird, ist mir eher ein Rätsel. In einigen Fällen muss es mit einem unbegründeten Minderwertigkeitsgefühl zusammenhängen.

Ich wollte jetzt mit einem längeren Beitrag zum Thema Folklore – Volkslieder und Folk kommen. Aber dafür brauche ich dann doch etwas ‚mehr Luft’. Mit Lockwood hatte ich dieses Thema bereits angeschnitten.

So möchte ich doch etwas zum Thema Jethro Tull (speziell Ian Anderson) und deren Outfits anmerken. Damit wir nicht ganz so ohne Anderson bleiben. Im Rock-Lexikon von Siegfried Schmidt-Joos und Barry Graves in einer erweiterten Auflage vom Okt. 1975 steht u.a.:

‚…Im modischen Kleider-Zuschnitt der Charles Dickens-Ära erschienen die Musiker auf der Bühne, als alte Männer ließen sie sich für ein Cover-Foto schminken. Zunächst klang ihre Musik „wie eine elektrisch verstärkte Heilsarmee-Kapelle“ (‚Rolling Stone’). Später vollführten sie in der Maske von Tiefseetauchern, Bären und dem weißen Kaninchen Harvey eine Show, die als typisch englische Mischung von Rock, Music Hall, Burleske und Marty Feldmans Comedy Machine über die Rampe kam.

Anderson zog wieder alle Show-Register, ließ vier Damen unter Lockenperücken geigen, einen weiblichen Dirigenten unter Frackschößen verführerische Dessous offenbaren und verlieh der Komödie mit virtuosem Flötenfeuer den gewohnten Glanz. Er sei, urteilte Ulrich Olshausen, aus Menschenverachtung in die Rolle des Hofnarren geschlüpft: „Wenn er sich mit servilem Kratzfuß für den Applaus bedankt, dann ist er der Wissende, der mit seiner Unterwerfung diejenigen verhöhnt, von denen er abhängt.“’

14x Ian Anderson

Der Bär (John Irving lässt grüßen) und die Dirigentin sind mir dabei unbekannt geblieben. Man beachte: Der Artikel beleuchtet die Anfangsjahre der Band. Ich erinnere mich außerdem in diesem Zusammenhang einmal etwas mit dem Begriff Vauxhall gelesen zu haben (Vauxhall-Look oder so). Vauxhall ist ein Londoner Stadtteil und bekannt für die traditionelle English Music Hall und für viele Cabarets. Heute ist Vauxhall auch bekannt für Schwulenbars und Nachtclubs. Unter dem Vauxhall-Look versteht man wohl eine entsprechend laszive Kleiderordnung. Eine gewisse Schlüpfrigkeit im Auftritt lässt sich bei Ian Anderson nicht leugnen.

Wie bereits angedeutet, herrscht in einigen Stücken von Ian Anderson eine Diskrepanz zwischen Musik und Text (z.B. „Broadford Bazaar“ ist ein schönes Folk-Lied, aber der Text steckt voller Kritik). Hinzu kommt bei Live-Auftritten das schrille Outfit der Gruppe; man stelle sich also den Vortrag von „Broadford Bazaar“ im blau-grellen Tampa-Outfit vor. Absurder geht es eigentlich nicht. Okay, so krass kam uns Herr Anderson wohl noch nie daher. Eher so, dass zwei von den dreien (Musik, Text und Outfit) zusammenpassten. Der Tampa-Anzug fällt mit dem „Too old to rock ‚n’ roll“-Album zusammen und darf als Selbstironie gewertet werden. Und die Klamotten mit Melone nach Gutsherrenart von 1977 im Hippodrome entsprechen den rustikalen Liedern aus dem Wald.

Das Urteil der Menschenverachtung möchte ich nicht teilen. Der Kritiker stammt aus der Jazz-Szene. Und da sieht man alles wohl etwas seriöser und ernster. Ein wenig Hohn gegenüber dem Publikum traue ich Herrn Anderson aber schon zu. Wenigstens früher.

Warum aber nun dieser Zirkus? Hierzu hat Ian Anderson nie wirklich Stellung bezogen. Wenigstens ist mir keine entsprechende Aussage bekannt. Sicherlich spielen mehrere Faktoren hier eine Rolle. Zum einen ist es der Wunsch, sich von anderen (Rockgruppen) zu unterscheiden. Und: Welches Kind verkleidet sich nicht gern. Außerdem soll das Ganze einen Wiedererkennungswert haben. Darin ist Anderson ein Meister. Wer Jethro Tull zumindest vom Namen her kennt, weiß um das Männchen mit Flöte auf einem Bein. Der Drang nach Selbstdarstellung spielt sicherlich eine Rolle. Und wenn man erst einmal durch ausgefallene Bühnenauftritte bekannt geworden ist, dann kann man nicht plötzlich nur noch in Jeans und T-Shirt auftreten. Eigendynamik nennt man das wohl. Aber der Hauptgrund ist wohl der, dass Ian Anderson Brite ist. Die haben die Exzentrik scheinbar im Blut.

Großbritannien ohne Queen, ohne Monty Python und ohne schwarze Taxis und Doppeldeckerbusse (Lockwood, das Thema hatten wir bereits) wäre nicht vorstellbar. Und ich behaupte: ohne Jethro Tull würde der Insel auch etwas Wichtiges fehlen!

Nun denn …
Viele Grüße
Wilfried

29.05.2007

English Translation for Ian Anderson

Spitzel Deutsche Bahn

Die „Süddeutschen Zeitung“ berichtet, dass die Deutsche Bahn der Polizei angeblich während des G8-Gipfels in Heiligendamm bei der Überwachung der Gegendemonstranten helfen will. Laut einem Medienbericht sollen die Zugbegleiter angewiesen worden sein, potenzielle Aktionsgruppen zu melden. „Da die globalisierungskritische Szene nicht unbedingt als solche zu identifizieren ist“ sei „anlassbezogen eine Vormeldung von größeren Reisegruppen in Richtung Mecklenburg-Vorpommern (z.B. Rostock) an interne Stellen vorzunehmen“, zitierte der Bericht aus einer vorliegenden Weisung an Zugbegleiter.

siehe zdf.de: Deutsche Bahn soll Polizei offenbar bei G8-Gipfel zuarbeiten

Ich denke, die Bahn sollte sich zunächst einmal darum kümmern, ihren Auftrag zu erfüllen (z.B. den Fahrplan einhalten). Da ist die vorgesehene Bespitzelungsaktion wirklich fehl am Platze. Haben wir durch diesen G8-Gipfel nicht schon genug Polizeistaat zu ertragen?

Es ist ein Witz (eigentlich nicht): Aber gestern (nachdem ich dieses schrieb) hatte mein Zug nach Hause 20 Minuten Verspätung (Signalstörung wg. Stromausfall in einem Stellwerk). Statt 30 also 50 Minuten im Zug. Dabei fuhr er nicht einmal Richtung Heiligendamm (Herr Mehdorn, wo ist Dein Arsch, in den ich treten möchte) …