Archiv für den Monat: Oktober 2010

Wie im falschen Film …

In diesen Tagen komme ich mir vor wie im falschen Film, genauer: wie in die 60er Jahre zurückversetzt. Sicherlich lässt sich der 2. Juni 1967, als bei einer Demonstration gegen den Staatsbesuch des iranischen Schahs der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde und sich die Studentenbewegung daraufhin radikalisierte, nicht mit dem 30 September 2010 vergleichen, als jetzt Gegner des Bahnhofneubaus Stuttgart 21 von der Polizei niedergeknüppelt wurden. Wenn die Politik jetzt aber nicht reagiert und weiterhin die Protestbewegung lediglich zu diffamieren sucht, dann wird sich diese über Stuttgart hinaus ausdehnen. Denn es geht nicht mehr allein um Stuttgart 21, es geht um unsere Demokratie und was wir Bürger und was die Politik darunter versteht.

Erstaunlich finde ich zunächst, wie sehr die jetzige schwarz-gelbe Koalition in Berlin an Zuspruch verloren hat. Wären jetzt, ein Jahr nach der letzten Bundestagswahl, erneut Wahlen, Frau Merkel und Herr Westerwelle dürften ihre Hüte nehmen. Das ist aber auch kein Wunder, denn mir (und eben nicht nur mir) erscheint diese Bundesregierung weniger Vertreter der Bürger zu sein als Vertreter industrieller Interessen (Stichwort: Lobbyismus).

Richten wir einen Blick zurück: Da bekommt die FDP satte Spendengelder von der Hotelbranche und lässt im Gegenzug den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen senken. ‚Natürlich’ besteht zwischen beidem kein Zusammenhang, aber wer glaubt Ihnen das, Herr Westerwelle?!

Dann das Gerangel um die Gesundheitsreform mit dem Ergebnis einer unausgegorenen Reform à la Rösler. Oder die Wahl von Herr Wulff zum Bundespräsidenten. Hat man da dem Wählerwillen entsprochen? Wohl kaum!

Höhepunkt ist aber der Kuhhandel zwischen Bundesregierung und Atomindustrie. Die Laufzeitverlängerungen der Atommeiler spült viel Geld in die Kassen des Finanzministers und man faselt von ‚Brückentechnologie“, die laut Frau Merkel die Atomkraft über das Jahr 2020 hinaus notwendig macht. Nur wohin führt diese Brücke, wenn man im gleichem Zuge Kürzungen bei der Unterstützung der erneuerbaren Energien vereinbart. Der Ausstieg war beschlossene Sache und wurde auch von der Atomindustrie akzeptiert – natürlich mit dem Hintergedanken, dass unter einer schwarz-gelben Regierung der Ausstieg vom Ausstieg zu bewerkstelligen wäre, was jetzt geschehen ist. Kommt dann spätestens in drei Jahren der Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg?

Man mag mir vergeben, aber diesen Atomdeal finde ich weitaus schlimmer als den Neubau eines Bahnhofs in Stuttgart. Da eine langfristige Entsorgung des Atommülls nicht gewährleistet werden kann (und das kann sie nicht), solange ist jede weitere Nutzung dieser Energiequelle ein Frevel gegen Natur und zukünftige Generationen – zumal eine alternative Energieversorgung möglich ist.

Zu Stuttgart 21: Ähnlich wie 1967 (und da sehe ich Parallelen), als der persische Schah Deutschland besuchte, so könnte auch jetzt ein eher nebensächliches Ereignis Auslöser für ein politisches Umdenken in ganz Deutschland werden.

Das Vorgehen der Polizei letzten Donnerstag war ‚unverhältnismäßig’, wie man so schon sagt – ich meine brutal und einem Rechtsstaat nicht angemessen. Auch hier gibt es Parallelen zu 1967. Wenn es auch kein Todesopfer in Stuttgart gab, so wurden doch einige sehr schwer verletzt; mindestens ein 66jähriger Mann wurde durch den Strahl eines Wasserwerfers so schwer verletzt, sodass er für immer erblindet sein wird. Die Rechtfertigungsversuche der Politik ähnelten auch denen der in den 60er Jahren und sind kaum an Lächerlichkeit zu überbieten (wie sehr entblöden sich da Politiker wie der Innenminister von Baden-Württemberg Heribert Rech, CDU, oder der Justizminister Ulrich Goll, FDP). Sicherlich hat Bahnchef Grube ein Recht auf Meinungsäußerung. Aber seine Äußerungen tragen nicht dazu bei, den Konflikt zu entschärfen. Zudem ist er auch als Bahnchef nicht in der Position, das Widerstandsrecht der Bürger zu definieren. Übrigens war er einst als Vertrauter von Jürgen Schrempp (jahrelang Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG und der DaimlerChrysler AG, der heutigen Daimler AG) und mit diesem Befürworter der heute stark kritisierten und wieder beendeten „Welt-AG“ bei Daimler – einem Loch, in dem Milliarden versickerten!


heute-show: Schlacht im Schlossgarten

Inzwischen reagiert die Politik moderat. Aber das Bauprojekt Stuttgart ist durch die Instanzen gegangen und von der Politik abgesegnet worden. Ein endgültiger Baustopp ist nicht vorgesehen. Wie es weitergehen wird (im März sind Wahlen in Baden-Württemberg), weiß vorerst keiner zu sagen. Aber eines ist sicher: Bei solchen Großprojekten geht es in Zukunft nicht mehr ohne die Beteiligung der Bürger – ähnlich wie bei uns in Tostedt: Die Politik plante den Neubau des Rathauses – durch den ‚Druck der Straße’ wurde dieses Projekt inzwischen zurückgenommen.

Wird der 30. September 2010 zu einem historischen Datum? Es liegt an uns Bürger und Wähler. Am 27. März 2011, also in weniger als einem halben Jahr, findet die Landtagswahl in Baden-Württemberg. Die jetzige Landeregierung steckt mitten in einem Dilemma. Will sie Nägel mit Köpfen machen, dann wird sie Stuttgart 21 soweit vorantreiben, dass das Projekt bis dahin unumkehrbar sein wird. Sie riskiert damit aber endgültig, im nächsten Jahr abgewählt zu werden.

siehe hierzu auch: Die hohle Geste des Herrn Mappus

Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch drei Jahre. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Spree hinunter. Darauf hoffen Merkel und Westerwelle. Wer aber gegen die gegenwärtige Klientelpolitik der Bundesregierung ist, der wird dieser spätestens dann den verdienten Denkzettel verpassen. Ich hoffe, ich bin dann wieder im richtigen Film!

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 25

Demokratie mit dem Gummiknüppel?

Das eigentliche Thema hieß mal: neuer Bahnhofsbau in Stuttgart. Durch den überharten Polizeieinsatz von letzter Woche ist darauf eine Grundsatzdebatte zum Thema Demokratie geworden. Irgendwie erinnert mich das an alte Zeiten, als jeglicher Protest der Straße von der Politik diffamiert wurde.

Schon in den fünfziger Jahren entstanden in der Bundesrepublik Bewegungen, die sich gegen umstrittene Entscheidungen von Regierung und Parlament formierten. Der Protest gegen die Atombewaffnung, gegen die Wiederbewaffnung und gegen die Notstandsgesetze waren Massenbewegungen, die nur durch ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Kirchen, Wissenschaftlern und auch ein paar Studenten überhaupt möglich wurden. Alle Parteien standen diesen Initiativen skeptisch bis ablehnend gegenüber, die „außerparlamentarische Opposition“ gab es lange vor 1968.

Verrückte Torjubler noch nicht am Ende

In skandinavischen Ländern ersinnt man immer wieder Kuriositäten. Ich denke an Finnland und den Gummistiefel- und Handyweitwurf. Manches davon wird wohl in den sehr langen Winternächten kreiert. Aus Island kommt nun eine besondere Art des Torjubels …

Ein Tag im Jahr 2014

Wie sehen die Bildschirme der Zukunft aus, wie leben wir mit Ihnen? Die schwedische Softwarefirma TAT hat einen Blick in die Glaskugel geworden. Faszinierend. Oder erschreckt Sie das?

Christophe Huet, Fotograf?

Fotos? Eine in jeder Hinsicht beeindruckende Sammlung von Bildern findet sich auf der Homepage des in Paris beheimateten Christophe Huet. Die gestalterische Vielfalt der Motive ist beeindruckend. Neben dramatischen Effekten, die sich immer wieder in den Bilder finden lassen, ist es vor allem das Spiel mit Formen, Proportionen und den Naturgesetzen.

Fidel Castro: Zweifel am Lebenswerk

Revolutionsführer Fidel Castro zweifelt an seinem politischen Lebenswerk. Der von ihm erkämpfte Sozialismus funktioniere nicht, sagte er im US-Magazin „The Atlantic“. Und er nahm bei der Gelegenheit auch eine seiner umstrittensten außenpolitischen Positionen mit einer Breitseite gegen den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zurück. Castro kritisierte Ahmadinedschad für die Leugnung des Holocaust.

Fidel wolle seinem Bruder und Präsidenten Raúl Castro den Raum für Reformen schaffen, analysierte die Kuba-Expertin Sweig weiter, „damit dieser die notwendigen Reformen angesichts des sicheren Widerstandes der orthodoxen Kommunisten in Partei und Bürokratie in die Wege leiten kann.“

Kuba: Eigenständig im Sozialismus

Geert Haiditler Wilders vor Gericht

Eine Partei, geführt von einem rechtspopulistischen Politclown, mit einem politischen Programm, das sich lediglich auf eine islamfeindliche Haltung gründet, schafft es, in den bisher als besonders freiheitlich geltenden Niederlanden 1,5 Millionen Wähler hinter sich zu bringen. Jetzt sieht dieser zum Vollpfosten des Tages gewählte Herr Wilders die Meinungsfreiheit, seine Meinungsfreiheit gefährdet, weil er sich wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung vor Gericht zu verantworten hat. Allein seine Fratze zu sehen, bereitet mir Übelkeit: Erbärmlich …!!!

Suche möbliertes Zimmer in Göttingen

Ich suche ab sofort ein möbliertes Zimmer für meinen älteren Sohn (19) in Göttingen. Am 11.10. beginnt er eine Ausbildung zum Medizinisch-Technischen Assistenten an der MTA-Schule Labor der Universitätsmedizin Göttingen. Das Zimmer sollte möglichst auch über Internet-Zugang verfügen und max. 200 €/Monat Warmmiete kosten.

Bitte RT bei Twitter, danke!
Infos bitte über Kommentar (evtl. DM bei Twitter)

Daher der Name Bratkartoffel (3)

In der Stilistikstunde hat sie gelernt: Einen hinter die Binde gießen. HK hat erklärt, daß diese Redensart aus den 20er Jahren stammt. Genau so wie Ausgerechnet Bananen. Genau so wie Du kriegst die Tür nicht zu. Genau so wie Einen über den Durst trinken. ER flicht ein: Eins. HK besteht ganz hart darauf, daß es heiße: Einen über den Durst trinken. Und fährt fort mit Beispielen wie Au Backe, Weg vom Fenster.

aus Martin Walser: Leben und Schreiben: Tagebücher 1963-1973
Tagebuch 1973, Seite 613 – Rowohlt Taschenbuch Verlag, Februar 2009

ER ist Walser selbst, HK einer der Professoren des Middlebury College in Vermont, wo Martin Walser 1973 als Gastdozent tätig war. Wer sich mit Sprache und wer sich mit Literatur beschäftigt, kommt an Redensarten nicht vorbei. Will man eine Fremdsprache möglichst gut beherrschen, so muss man besonders ihre Redensarten kennen.

Martin Walser beschreibt hier eine Szene während eines Deutsch-Seminars. Selbst hat er immer wieder seinen Protagonisten solche Redensarten in den Mund gelegt. In seinem Roman Halbzeit lässt er den Gehilfe eines Friseurs immer wieder „Ausgerechnet Bananen“ sagen, eine Redensart, die Unmut kund tun soll, also ein Ausdruck von Enttäuschung ist. Eigentlich lässt sich hiermit aber auch alles andere, also nichts Bestimmtes sagen.

Dieser Ausspruch stammt aus einem Schlager aus den 20er Jahren. Dort heißt es im Refrain: Ausgerechnet Bananen, Bananen verlangt sie von mir. Im Original heißt das übrigens: Yes! We have no bananas, We have no bananas today. Das Lied entstammt aus einer Broadway-Revue aus dem Jahre 1922. Die deutsche Version „Ausgerechnet Bananen“ findet sich dann in Billy Wilders 1961 gedrehter Filmkomödie One, Two, Three (dt. Eins, Zwei, Drei) noch einmal.

Walser hat sich öfter mit Redensarten beschäftigt. Es hat das ebenfalls in seinem Roman „Halbzeit“ 1960 am Beispiel des Modeworts „Pattern“ sehr schön beschrieben, wie eine solche Redensart zustande kommen kann. Ganz einfach: Einer „erfindet“ sie, ganz zufällig, und die anderen plappern sie nach….“: „Pattern war um Weihnachten herum aufgetaucht. Edmund brachte immer Wörter, um die man ihn beneidete, weil diese Wörter einem sofort als unersetzlich erschienen. Man glaubte, es habe immer schon ein Bedürfnis gerade nach diesen Wörtern bestanden. Wenn Edmund auf einen Teppich zeigte und fragte: wie gefällt dir dieses Pattern? dann wagte man kaum mehr an Muster zu denken …“

Aber, um bei Martin Walser zu bleiben, er hat auch selbst Redensarten geprägt. Für Walser setzt jemand die Moralkeule ein, der Moral als Waffe benutzt, z.B. bei einer Diskussion moralisch-sittlich argumentiert, um den Gegner zu diskreditieren.

Die Liste, allein mit Beispielen anhand des Schriftstellers Martin Walser, ließe sich beliebig verlängern. So am Schluss dann noch folgendes interessante Beispiel aus Walsers Buch „Aus dem Wortschatz unserer Kämpfe“ (Düsseldorf 1971, Reinbek bei Hamburg, 1981 – S. 7-12, hier S. 9), wo er in sieben mehrseitigen „Szenen“ die Brutalität zwischenmenschlicher Beziehungen durch Dutzende von zeichenhaften Phraseologismen anprangert (aus dem Text „Kampf mit einem Überlegenen, der nichts hört“):

Menschenskind, Ihnen ist wirklich nicht mehr zu helfen. Sie sollen mich mal von der anderen Seite kennenlernen. Und nicht zu knapp. Ihnen werde ich mal zeigen, was ne Harke ist. Sie haben bei mir verschissen bis in die Steinzeit. Daß das klar ist. Sie mach ich ja so zur Sau. Sie werden sich wundern. Ihnen wird Hören und Sehen vergehen, das versprech ich Ihnen. Sie werden alle Engel singen hören, da können Sie Gift drauf nehmen. Ihnen wird der Arsch auf Grundeis gehen, das dürfen Sie mir glauben. Sie pfeifen aus dem letzten Loch. Mit Ihnen werde ich Schlitten fahren. Mann, mit Ihnen mach ich kurzen Prozeß. Sie mach ich fertig bis auf die Knochen, kurz und klein schlag ich Sie, dann werden Sie schon sehen. Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben. Was zu weit geht, das geht nicht. Da können Sie machen, was sie wollen. Mit mir nicht. Nicht mit mir. Das kann ich Ihnen sagen. Das können Sie sich gesagt sein lassen. Ein für alle Mal. Wo kämen wir denn da hin.

Übrigens: Ein erster Entwurf hierzu findet sich in „Leben und Schreiben: Tagebücher 1963-1973“ – Tagebuch 1968, S. 299 – 305 unter:

Wortschatz. Der Überlegene hört nichts. Wortgefecht …

Anmerkung zum Text: Wortschatz: „Aus dem Wortschatz unserer Kämpfe. Szenen.“ Zunächst als Hörspiel (gesendet im WDR, 22.10.1969), dann als Theaterstück für vier Personen verfaßt, Uraufführung unter dem Titel „Ein reizender Abend“ im Théàtre des Casemats, Luxemburg, am 10.7.1972. Der Text ist ein erster Entwurf der ersten Szene.

siehe auch: Daher der Name Bratkartoffel (1)
siehe auch: Daher der Name Bratkartoffel (2)

und ähnliche Beiträge:
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Was ist ein Jackpot?
You need Zugzwang
Wenn der Amtsschimmel wiehert
Typisch deutsch: Gemütlichkeit
Wörterbuch der Szenesprache

Friendship!

Friendship! (zu deutsch: Freundschaft!) ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahr 2009. Die Filmkomödie enthält Elemente eines Roadmovies und dramatische Momente. Regie führte Markus Goller, die Hauptrollen wurden von Matthias Schweighöfer und Friedrich Mücke gespielt. Der Film lief am 14. Januar 2010 in den deutschen Kinos an.

1989 bringt David Hasselhoff die Berliner Mauer zu Fall. Beschwingt von der neugewonnen Freiheit machen sich die Freunde Veit (Friedrich Mücke) und Tom (Matthias Schweighöfer) auf in die große weite Welt. Sie wollen nach San Francisco, zur Golden Gate Bridge, dem westlichsten Punkt der Welt – dahinter kommt bekanntlich nur noch Asien. Doch das Begrüßungsgeld reicht nur für Flugtickets bis nach New York, der Rest wird getrampt. Nach ersten Begegnungen der dritten Art mit amerikanischen Staatsbürgern treffen die beiden in Kentucky auf Zoey (Alicja Bachleder), die eine deutsche Mutter hat und es den beiden gehörig antut. Doch die Anmachsprüche „Ich bin ein einsamer Kommunist auf der Suche nach Liebe“ oder „Wir kommen aus der DDR, da gibt es kein Aids“ fruchten nur bedingt. Zumindest können die Kumpels ihre Reisekasse ein wenig aufbessern, indem sie gefälschte Mauerstücke verscherbeln und in einem Schwulenclub als russisches Stripteaseduo auftreten…

aus: filmstarts.de

Gerade passend zum heutigen Tag der deutschen Einheit, der sich in diesem Jahr zum 20. Mal nach der Wiedervereinigung jährt, guckte ich am Freitagabend mit meinem jüngeren Sohn die Filmkomödie, die nun auch als DVD Friendship! erhältlich ist.


Friendship! – deutscher Trailer

„Friendship!“ ist ein Road-Movie, aber auch ein Film über Freundschaft und führt die zwei ostdeutschen Helden quer durch die USA, wobei an skurrilen Charakteren und absurden Situationen wahrlich kein Mangel herrscht. Von dem vollgedröhnten Comic-Zeichner Darryl, der die Kumpels in seinem wenig vertrauenserweckenden Gefährt mitnimmt, über die leichtbekleideten Südstaaten-Schwestern Amber und Dorothy, mit denen das Bettgeflüster in einem wenig befriedigenden Coitus interruptus endet, bis hin zu einer Biker-Gang mit einer Vorliebe für Krieg der Sterne-Fan-Toys bietet „Friendship!“ ein buntes Sammelsurium an abwechslungsreichen Gastfiguren.

Der Mauerfall dient dabei lediglich als Anstoß für die weitere Handlung. Abgesehen von einigen amüsant-nostalgischen Ost-Kommentaren zu Beginn und der finalen Wendung steht nämlich weniger die DDR, als vielmehr die USA und die Freundschaft der beiden Ostküste-Westküste-Tramper im Mittelpunkt. Der Blick auf den American Way of Life streift dabei zwar immer wieder die Grenze zur Karikatur, verliert sich aber keinesfalls in plattem USA-Witz, sondern bleibt stets warmherzig und liebenswürdig. Bei der Ausleuchtung der Freundschaft, die durch Zoey auf eine harte Probe gestellt wird, gelingen immer wieder fliegende Wechsel zwischen melancholischen und humorvollen Szenen.

Der Film hinterlässt am Ende ein gutes Gefühl beim Zuschauer. Dazu trägt sicherlich bei, dass die beiden Helden aus dem Osten zwar oft genug Chaos verbreiten, an sich aber sympathische Kerle sind, die man gern in sein Herz schließen möchte. Sicherlich kann der Film nicht die ganze Zeit fesseln, aber insgesamt ist er durch seine menschliche Note doch sehr unterhaltsam. In gewisser Weise weckte der Film in mir Erinnerungen an alte Zeiten, als ich mit dem einen oder andern Kumpel zwar nicht durch die USA, aber durch deutsche Landen und angrenzende Staaten per Rad oder Auto gezogen bin. Damals hatten auch wir viel unerwartete Gastfreundschaft kennen gelernt und immer viel Spaß gehabt.

Töster Markt 2010 – Flohmarkt in Tostedt

Leider hat auch in diesem Jahr das Wetter nicht ganz mitgespielt. Zum 38. Flohmarkt in Tostedt, kurz Töster Markt genannt, stellte sich wieder Regen ein, kein Dauerregen, aber eben kein Sonnenwetter – wie es für morgen vorausgesagt wird. Aber das konnte dem Treiben keinen Abbruch tun. Neben den vielen „echten“ Flohmarktständen, die Trödel und dergleichen feilboten, gibt es immer mehr Fress- und Saufbuden, die für das leibliche Wohl sorgen.

In einem Jahr geht’s dann weiter …

Flohmarkt Tostedt 2010 - Töster Markt

Flohmarkt Tostedt 2010 - Töster Markt

Flohmarkt Tostedt 2010 - Töster Markt

Flohmarkt Tostedt 2010 – Töster Markt

Flohmarkt Tostedt 2010 - Töster Markt

Flohmarkt Tostedt 2010 - Töster Markt

Der Witzableiter (19): Von Claudias neuen Kleidern

Fortsetzung von: (18): Den können Sie echt vergessen

Im heutigen Teil (und auch im nächsten) der Kolumne „Der Witzableiter“ von Eike Christian Hirsch, die 1984 im ZEITmagazin erschien, geht es um Sexwitze, also um die Anzüglichkeiten, die gern die Herren der Schöpfung hinter vorgehaltener Hand erzählen, um dann lauthals in Gelächter auszubrechen. Der heutige Beitrag zeugt von einer gewissen Prüderie, die für das Jahr 1984 sicherlich noch typisch war.

Aus dem Brief eines Logierbesuchs: „Ich danke Ihnen sehr, liebe gnädige Frau, daß ich wieder in ihrer Mitte haben weilen dürfen.“ Ja, ich gestehe es gleich nach dieser Kostprobe, heute und das nächste Mal will ich mich den Sexwitzen zuwenden. Sie sind, meist von Männern gemacht, oft aggressiv und kränken Frauen. Für die Männer sieht die Sache etwas anders aus. Die drücken mit solchen Witzen zweierlei aus: ihre Gier nach dem weiblichen Geschlecht und zugleich ihren Haß und ihre Angst, zu versagen.

Claudia hat ein neues Kleid. Es ist schön, es sitzt phantastisch und ist auch noch selbstgemacht. Sebastian ist hingerissen. Abends bei ihr zu Hause sagt er: „Wir haben uns nun ausgiebig über das Kleid unterhalten, beim Essen, in der Theaterpause und dann auf der Fahrt hierher. Wollen wir das Gesprächsthema jetzt nicht endlich einmal fallen lassen?“

Mit dieser Art Witze habe auch ich meine Schwierigkeiten, darum habe ich andere Leute zu Rate gezogen, welche Beispiele ich überhaupt wählen soll. Die Meinungen gingen weit auseinander, auch zwischen Frauen. Wo für die einen Angst und Abscheu überwogen, dominierte bei den anderen Testlesern noch Freude und Lust.

Die junge Schauspielerin hat in ihrer ersten Rolle nur einen Satz zu sagen. Sie muß den eintretenden Diener unwillig fragen: „Was willst du schon wieder?“ Bei der Premiere hat sie einen unerwarteten Erfolg, als sie im Lampenfieber sagt: „Was, willst du schon wieder?“

Gerade Sex-Witze jedenfalls wecken durchaus unvereinbare Gefühle, die – wie Anziehung und Abstoßung – in uns heftig konkurrieren.

Der Frauenheld des Dorfes steht wegen eines Vaterschaftsprozesses vor Gericht. Die Resi ist als Zeugin geladen, ihre Freundin Zensi ist mitgegangen und wird vom Richter gefragt: „Hast du denn auch eine Ladung bekommen?“ „Nein“, antwortet sie, „mich hat er nur geküßt.“

Was passiert mit unseren Gefühlen , wenn ein Witz bei uns wirkt? Vor drei Wochen (Witzableiter 16) habe ich über das Lachen geschrieben und dabei habe ich Ihnen erzählt, daß viele Psychologen hier Herbert Spencers These von 1860 folgen. Er meinte, im Lachen reagierten wir den kleinen Schrecken ab, den uns der Witz einjage. Die psychische Energie, vom Alarm mobilisiert, werde, weil überflüssig, abgeführt.

Mißmutig sagt der Ehemann zu seiner Frau: „Manche Frauen können eben anziehen, was sie wollen, ihnen steht einfach nichts.“ Da gibt sie zurück: „Manche Männer können ausziehen, was sie wollen – da ist es genauso.“ (Immerhin ein Witz, bei dem die Frau Siegerin bleibt.)

Witzableiter (19)

Von einer „Abfuhr“ spricht auch Sigmund Freud. Aber für ihn fließt im Witz kein Schrecken ab, sondern im Gegenteil die aufgestaute Lust. Das ist nun etwas ganz anderes, leuchtet uns aber ebenfalls ein. Der verdrängte Trieb wird befreit und abgeführt. Was mir an beiden Abfuhr-Modellen von Spencer und Freud jedoch nicht ganz behagt, ist, daß der Ausdruck „Abfuhr“ nicht recht erklären kann, warum im Lachen die Gefühle zunächst einmal hochschießen, ehe sie allmählich abflauen.

„Heute nacht habe ich wunderschön von Ihnen geträumt“, sagt der Abteilungsleiter zu der neuen Kollegin. „O“, sagt sie kühl, „haben Sie?“ „Nein“, meint er bedauernd, „ich bin vorher aufgewacht.“

Um das Hochschießen der Gefühle erklären zu können, sollte man Spencer und Freud kombinieren. Ich meine, der Witz weckt sowohl Angst wie Lust. Beides! Nur weil er beide Gefühle, die sich gewöhnlich gegenseitig blockieren, zugleich weckt, kommt es zu diesem explosiven Aufschaukeln.

Angst und Lust jagen sich gegenseitig hoch. Zwischen ihnen entsteht eine „positive Rückkopplung“. Diesen Begriff übernehme ich aus der Systemtheorie und der Nachrichtentechnik. Gemeint ist damit die Rückwirkung der Ausgangs- auf die Eingangsgröße eines Systems. In der Elektroakustik kommt es dann zu den bekannten Pfeifgeräuschen. Man spricht hier auch so schön anschaulich von „Entdämpfung“ und sogar von „Selbsterregung“. (Ich glaube, mein Schwein pfeift.)

Der geschiedene Ehemann hat sich den Arm gebrochen. In seiner Not bittet er seine ehemalige Frau um Hilfe. Sie ist auch bereit, ihm in der Badewanne den Rücken einzuseifen. Als sich bei ihm etwas regt, ruft sie: „Ist das nicht süß? Er kennt mich noch.“

Etwas gewagt, aber doch ganz erwünscht. Eben Angst und Freude zugleich. Der amerikanische Psychologe John H. Willmann, den ich schon einmal erwähnt habe, hat im Jahre 1940 erklären wollen, warum sich im Witz die Gefühle Angst und Freude verstärken und nicht hemmen. Er hat sich dafür auf den russischen Physiologen Iwan Pawlow (den mit dem Hund) berufen, der das „Prinzip der positiven Induktion“ eingeführt hat. Das würde man heute als „positive Rückkopplung“ bezeichnen. Da sehen Sie es – fast alle guten Ideen waren schon mal da.

Ein Zebra besucht eine Farm in Afrika. Lang sieht es sich die Hühner an und fragt dann: „Wozu seid ihr da?“ „Wir legen Eier für die Menschen“, sagen sie. Das Zebra kommt in den Kuhstall und fragt die Kühe dasselbe. „Wir geben Milch für die Menschen“ ist die Antwort. Im nächsten Stall fragt das Zebra: „Und wer bis du?“ „Ich bin der Stier.“ „Und was machst du?“ „Zieh deinen Pyjama aus, dann zeig ich’s dir!“

Eike Christian Hirsch – Der Witzableiter (Kolumne in 25 Teilen)
aus: ZEITmagazin – Nr. 46/1984

[Fortsetzung folgt]