Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,
nun hat mich Lockwood doch total überrascht! Er war der Letzte, von dem ich erwartet hätte, dass er mir georgische Tänze präsentiert. Georgien liegt wohl nicht nur geographisch irgendwo zwischen Griechenland und Russland, auch Musik und Tanz scheinen mir Elemente aus beiden Kulturen zu enthalten. Die Kostüme erinnern mich stark an die Euch schon zum Überdruss bekannten pontischen Kriegstänzer. Kein Wunder, die pontischen Griechen waren ja praktisch Nachbarn.
Kurzer Einschub zum pontischen Tanz-Video, das eine Aufführung aus der Schlussfeier der Olympischen Spiele zeigt. Nach den Tänzern kommt noch kurz Jorgos Dalaras ins Bild, der gerade ein traditionelles Lied anstimmt. Mr. Dalaras, der seit mehreren Jahrzehnten als der bekannteste und beliebteste griechische Sänger gilt, ist einmal zusammen mit Ian Anderson aufgetreten, und zwar laut ministry of information am 14.05.1992 in Athen. Die Beiden trugen zusammen „John Barleycorn“ und „Ruby Tuesday“ vor. Soweit die nackten Tatsachen. Anschauungsmaterial liegt mir leider nicht vor.
Zurück zu Georgiern und Griechen – es muss da eine besondere Beziehung geben. Alle Georgier, die ich kenne, leben in Griechenland, in Deutschland habe ich noch keinen getroffen. Es scheint sich bei ihnen um so etwas wie Gastarbeiter zu handeln. So stammen z.B. sämtliche festangestellten Arbeiter am Tierheim in Chania aus Georgien. Aber das hat eigentlich alles nichts mit der Musik zu tun. Diese ist mir offen gesagt ein bißchen zu eintönig um sie ohne die für meinen Geschmack wesentlich interessanteren Tanzdarbietungen zu konsumieren.
Auch Wilfried hat uns Musik vorgestellt, und zwar ein schlichtes und einfaches Lied von Jethro Tull:
So einfach scheint es mir dann aber bei näherer Betrachtung garnicht zu sein. In E-Moll, wie Wilfried meinte, sind bestenfalls die ersten zwei Takte. Dann kommen zwei Takte in E-Dur, gefolgt von 4 Takten D-Dur. Die nächsten 4 Takte sind in C-Dur oder G-dur, anhand der vorliegenden Akkorde und der Melodie wäre beides möglich. Da aber als Grundtonart für das Lied G-Dur notiert wurde, würde ich mal von G-Dur ausgehen. Den Abschluss bilden 4 Takte in H-Dur. Das macht 5 verschiedene Tonarten in 16 Takten. Ob das nun so einfach ist? Von allein wäre ich nie darauf gekommen.
Als nächstes stechen mir diese vielen B- und F#-Akkorde ins Auge, das sind mir deutlich zuviele Barre-Griffe. Da ist mein erster Gedanke natürlich, das in eine andere Tonart zu transponieren. In eine? In fünf! Und es ist garnicht so einfach 5 passende Tonarten zu finden, in denen keine Barre-Griffe vorkommen. Genauer gesagt, es ist unmöglich. Das beste, was ich auf die Schnelle finden konnte: Einfach alles einen Ganzton tiefer spielen. Das sieht dann so aus: Dm A C G Bb F E E7 A und enthält mit Bb nur noch einen Barre-Griff. Aber damit sind meine Probleme immer noch nicht gelöst. Irgendwie komme ich mit diesen 4 Takten H-Dur (bei mir jetzt A-Dur) am Schluss nicht zurecht, ich liege ständig im Ton daneben und singe falsch.
Also wie man sieht, auch ganz einfache Tull-Songs können es ziemlich in sich haben.
Unter einem einfachen Song verstehe ich etwas anderes, ein Paradebeispiel dafür ist John Fogerty’s Rock ’n‘ Roll Girls. Das ist G-Dur par excellence in Reinkultur, wie es geradliniger nicht sein könnte. Man spielt 2 Takte G, 1 Takt C, 1 Takt D, und das ständig wiederholt über sämtliche Strophen, Refrains oder eventuelle Solos hinweg – eigentlich kann man sich nebenher schlafen legen. Besondere Konzentration ist beim Vortrag dieses Liedes jedenfalls nicht nötig. Das könnte auch Mr. Fogerty zum Verhängnis geworden sein. Im oben verlinken Video singt er die Zeile „Time out of time for you and no one else“ gleich dreimal, obwohl sie im Lied eigentlich nur einmal vorkommt. Er war wohl mit seinen Gedanken woanders – oder hatte er seinen eigenen Text vergessen? Jedenfalls finde ich es immer wieder herzerfrischend, wenn die Helden auf der Bühne auch mal Fehler machen, nicht immer nur ich…
Meine Probleme mit Barre-Griffen rühren übrigens nicht zuletzt daher, dass ich den kleinen Finger meiner linken Hand nur bedingt benutzen kann. Er ist irgendwie verkrümmt nach innen gebogen (der an der rechten Hand im Übrigen auch, aber da stört es nicht), und ich kann ihn nicht wirklich gezielt und koordiniert bewegen. Eigentlich ist es reine Glückssache, ob ich mit ihm eine Saite treffe, die Chance liegt bei höchstens 50%. Ich bin daher bemüht nur Griffe zu spielen, für die ich nicht mehr als 3 Finger brauche. Und das bringt mich – Ihr werdet es kaum glauben – auf Mr. Anderson.
Schon vor Monaten fiel mir bei einem Interview der kleine Finger seiner rechten Hand ins Auge: Bild 1 Bild 2 Bild 3. Er sieht aus als wäre er gebrochen gewesen und falsch wieder zusammen gewachsen. Der ganze Finger ist seitlich nach innen gedreht, ein Gelenk ist ständig in 90° abgewinkelt, das andere ist völlig gerade – vermutlich sind beide Gelenke so gut wie steif. Wie kann er mit diesem Finger Flöte spielen?
In diesem Zusammenhang fiel mir natürlich auch wieder die Geschichte ein, dass er niemandem die Hand gibt, da ihm sein Arzt davon abgeraten hat. An dieser Geschichte könnte durchaus etwas dran sein. Ich meine mich zu erinnern, in einem Interview von 2005 habe er gesagt, dass der Unfall etwa 15 Jahre zurückliege. Das wäre um 1990 gewesen. Ich habe daher versucht anhand von Videos aus verschiedenen Jahren den Zeitpunkt zu lokalisieren, zu dem der verdrehte Finger das erste Mal auftaucht. Und ich war erstaunt herauszufinden, dass er bereits auf dem ältesten mir bekannten Video aus dem Rock ’n‘ Roll Circus von 1968 zu erkennen ist. Der Finger war schon kaputt als Mr. Anderson erstmals zur Flöte gegriffen hat. Vermutlich ist er einmal aus dem Kinderwagen gefallen. Bleibt immer noch die Frage offen: Wie spielt er mit diesem Finger Flöte? Braucht man den nicht? Oder mit was kompensiert er das? Vielleicht weiß ja Wilfried mehr dazu.
Nun folgen meine wirklich letzten Grüße und Wünsche für dieses Jahr. Rutscht gut hinüber und feiert nicht zu doll!
bis nächstes Jahr
Kretakatze
PS.: Ich weiß garnicht, was ich hier schreiben soll … Fortsetzung folgt im Jahr 2008.
31.12.2007
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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,
hoffentlich seid Ihr gut ins neue Jahr hineingekommen, ohne Verletzungen durch Knaller und Raketen und mit (halbwegs) klarem Kopf. Mir und meinen Lieben geht es bestens, Neujahr waren wir bisschen müde zwar (wir hatten uns bei Bekannten festgequatscht und so wurde es doch reichlich spät bzw. früh am Morgen), aber sonst doch gut gemut.
Ja, Kretakatze, mit Ian Andersons kleinem Finger sind Lockwood und ich Dir zuvor gekommen. Beginnend mit einem Was ist bloß …-Artikel vor über einem Jahr haben wir auch die frühe Vergangenheit des Meisters erforscht und feststellen müssen, dass er diesen krummen Finger schon von Anbeginn seiner Musikerkarriere haben muss.
Kretakatze, doch noch einige Worte zu Deinen Beispielen der hohen Kunst des Gitarrespielens. Ich mag beide nicht. Da sind mir zu viele Effektgeräte im Spiel, auch wenn es die Jungs ganz gut drauf haben. Weniger wäre auch in diesem Fall ‚mehr’.
Okay, „We Used to Know“ ist so einfach vielleicht nicht, kein ‚normaler’ Rocktitel mit lediglich drei Akkorden. Aber es ist eines der Lieder, die man von Ian Anderson auch als Amateur noch halbwegs hinbekommt (trotz Barré-Griffe, die aber nichts mit Martin Barre zu tun haben, soviel an Lockwood). Alles in einem durchgängigen ¾-Takt. Also ohne Änderung der Taktart, für Jethro Tull fast schon untypisch.
Ich will den musiktheoretischen Anmerkungen von Kretakatze nicht unbedingt widersprechen, ich bleibe aber bei der Meinung, dass das Lied durchgehend in E-Moll gefasst ist. Die Grundstimmung ist in Moll und das Lied beginnt mit E-Moll. Wie gesagt, es ist kein handelsüblicher Rocktitel mit drei Akkorden (Grundstufe oder Tonika, Subdominante und Dominante – wie man das wohl nennt). Es ist auch richtig, dass sich E-Moll und G-Dur in der Notenniederschrift (mit einem Kreuz notiert) decken. Daher passen Dur-Akkorde der gleichen Tonleiter auch in eine Moll-Abfolge (z.B. G-, C- und D-Dur bei E-Moll). Harmonisch unaufgelöst erscheinen die beiden Fis-Akkorde, aber als ‚verminderte’ Akkorde passen sie (wie ja auch das Lied zeigt) durchaus in eine entsprechende Abfolge und werden in diesem Fall durch die Dominante H (englisch als B bezeichnet) harmonisch ‚aufgelöst’. Bisschen seltsam dann auch der Dominantenakkord H am Ende des Liedes (steht für mich wie ein Fragezeichen im Raum und ließe sich mit dem Grundakkord, eben wieder E-Moll, beantworten).
Okay, mein Wissen zur Harmonielehre ist ziemlich eingestaubt, ich bin mir daher auch nicht so ganz sicher, ob ich richtig liege. Aber wenn mein (leider nicht absolutes) Gehör nicht völlig verkalkt ist, dann ist das Lied eben in Moll.
Wie auch immer: Selbst in seiner Anfangszeit als Rockmusiker hat Ian Anderson bewiesen, nicht nur im 4/4-Takt mit drei Akkorden auskommen zu müssen. Auch wenn ich glaube, dass er sich über harmonische Abläufe seiner Lieder nicht immer (von der Theorie her) im Klaren war, so genügte sein musikalische Gehör, praxisnah die richtigen Töne zu treffen.
Hier so zusagen als Einstimmung aufs neue Jahr 2008 (was gleichzeitig 40 Jahre Jethro Tull bedeutet) aus jüngster Zeit ein reiner Instrumentaltitel zweier alter Tull-Titel: Jethro Tull mit „Sossity, You are a Woman“ und „Reasons for Waiting“ (der Übergang ist etwas holprig, aber von all dem Kram, den Ian Anderson und Co. in letzter Zeit so auf die Bühne geworfen hat, gefällt mir dieser Doppeltitel doch noch am besten – trotz der leicht nervigen Orgelei – festzustellen wäre noch: Martin Barre ist wirklich stark gealtert in der letzten Zeit):
Jethro Tull: Sossity, You are a Woman/Reasons for Waiting
Aus der News-Kiste kommt die Mitteilung, dass sich Herr Anderson jetzt ein MBE an seinen Namen hängen darf (also nicht nur Dr. h.c. vorneweg). Er hat von der Queen einen Bonbon für seine Brust bekommen und ist jetzt Member of the Order of the British Empire (eben kurz MBE). Dazu las ich den etwas ironischen Kommentar: “Aber vielleicht kann er sich demnächst mit der Anstecknadel die Weste vor dem Bäuchlein zusammenhalten…” Nun, eine Anstecknadel direkt ist es nicht, sondern ein Orden, den man sich eigentlich an die Brust heftet. Aber auf der Bühne wird er damit wohl kaum erscheinen. Mitglied des Ordens zu sein, ist wohl auch nicht ganz so toll (also nichts mit Sir Ian und so).
Wow, da hat mich die gute Kretakatze doch dazu verleitet, mich einmal wieder nur dem Herrn und Meister aller Querflöten zu widmen. Soll als Antwort für heute auch genügen.
Wegen der Cat-Stevens-Coverei muss ich erst noch einmal forschen. Die alten Stücke habe ich leider auch nur auf alten Musikkassetten vorliegen (diese sind zwar auch auf guten alten Tonbänder gespeichert, aber ich habe mich hinreißen lassen, mein altes Tonbandgerät, dessen Tonköpfe im Eimer waren, gänzlich zu entsorgen – vielleicht hätte ich bei eBay einen Käufer finden können).
Bis bald
Euer Wilfried
02.01.2008