Witold Gombrowicz: Trans-Atlantik

Witold Marian Gombrowicz (* 4. August 1904 in Małoszyce, Polen; † 25. Juli 1969 in Vence, Frankreich) war einer der bedeutendsten polnischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Seit seinem 34. Lebensjahr lebte er im Exil.

Nach dem Mauerfall im November 1989 erlebte ich mit meiner heutigen Frau den Jahrzehntewechsel 1989/1990 in der damals eben noch real existierenden DDR, nämlich in Sachsen. Aufenthalte ‚im Osten’ habe ich immer genutzt, um mich mit Literatur, die wie Lebensmittel in der DDR subventioniert wurde, einzudecken. Vor nun über 21 Jahren kaufte ich mir so u.a. auch den kleinen Roman Trans-Atlantik von Witold Gombrowicz.

Als Satire, Kritik, Spaß und Spiel, Absurdität, doch nichts davon ganz und ausschließlich, hat Witold Gombrowicz „Trans-Atlantik“ bezeichnet, den er im argentinischen Exil schrieb und der nach seinem Erscheinen in Paris (1953) und Warschau (1957) wegen seines provokativen Charakters die widersprüchlichsten Reaktionen auslöste. Verschließt sich doch der schriftstellerische Held des Romans, der gerade mit einem luxuriösen Überseedampfer in Buenos Aires eingetroffen ist, seiner patriotischen Pflicht und verweigert die Rückkehr nach Europa, wo der zweite Weltkrieg ausgebrochen ist (der Roman spielt 1939). Bei seinen Versuchen, in Argentinien Fuß zu fassen, gerät er in die verrücktesten Situationen durch die Begegnung mit verknöcherten Diplomaten, mit ansässigen Unternehmern polnischer Herkunft, die ihre überholten Wertvorstellungen beibehalten haben und sich ununterbrochen befehden, mit einheimischen Großstadttypen, unter anderen einem homosexuellen Millionär, für den er den Sekundanten in einem lächerlichen Scheinduell spielt, denn er hält sich weder an den herkömmlichen Ehrenkodex noch an die verlogene bürgerliche Moral seiner Umwelt.

Sein Pamphlet gegen die erstarrten Traditionen untermauert der polnische Avantgardist Gombrowicz durch stilistische Brisanz. Seine Sprache ist „in Späße verwickelt, sklerotisch, barock, absurd, im Konversationsstil von vor einem Jahrhundert, aber vermischt mit anderen Wortarten, manchmal mit Worten, die ich mir ausgedacht habe.“ (Witold Gombrowicz)

Soviel aus dem Text auf dem Umschlag des Buchs.

„… denn ich strebe (wie immer) eine Verstärkung und Bereicherung des individuellen Lebens, eine Vermehrung seiner Widerstandsfähigkeit gegen das drückende Übergewicht der Masse an.“

S. 6f. aus dem Vorwort zur Warschauer Ausgabe (1957)
1. Auflage Lizenzausgabe des Verlages Volk und Welt, Berlin 1988 für die DDR
© 1987 Carl Hanser Verlag München Wien
Einbandentwurf: Volker Pfüller

Seinen Figuren, wie auch sich selbst, räumt Gombrowicz das Recht auf Individualität und geistige Freiheit ein, und zwar unabhängig von jeder Konvention. Jedes Individuum berechtigt er zur lebenslangen „Unreife“, die für ihn die Abwehr gegen die „reifen“ Formen des Lebens (herrschende Ideologien, Religionen, Nationalismen, gesellschaftliche Normen) und der Kunst (literarische und künstlerische Konventionen) symbolisiert.

Obwohl Gombrowicz von seiner Ausreise 1939 bis zu seinem Tod in der Emigration lebte, setzte er sich unermüdlich mit der Problematik seines Heimatlandes auseinander. Als Pole war er der Auffassung, dass ausgerechnet die polnische Tradition der geistigen Entwicklung seines Heimatlandes im Wege steht.

„Was für eine Kunst wollt ihr überhaupt? Eine, die euch immer nur dieselben Gemeinplätze vorbetet, oder lieber eine, die einen Schritt vorangeht? Wollt ihr, daß euch der Künstler Lesebuchgeschichten schreibt, oder wollt ihr lieber seinen Schmerz, sein Gelächter, seinen Spaß, seine Verzweiflung, seine Niederlage und Demütigung im wahrhaften Ringen mit dem jetzigen Leben mit ansehen?“ so fragt Witold Gombrowicz …

Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Buch, der u.a. auch die stilistischen Mittel aufzeigt, die Gombrowicz bei diesem inzwischen über 50 Jahre alten Roman benutzt:

Wenn in mörderischem kampfe Erde und Himmel von Feuersbrunst umfangen sich schnaubend auf die hinterbacken setzen, und Schreien, Brüllen, das ächzender Mütter und die Faust der Männer aufbricht und Ausbricht und unter getöse und klirren, im bersten von Särgen und Gräbern, in letzter empörung von welt und Natur Niederlage, Vernichtung, ach, das Ende naht, wenn Gericht gehalten wird über alles lebendige Sein, da stellt auch er, der alte, sich zum Kampfe! Mit dem feinde des Vaterlandes will er sich schlagen!

(S. 107f. der genannten Ausgabe)

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.