Vergessene Stücke (10): Lars Norén – Dämonen

Erst kürzlich sah ich den US-amerikanischen Film „Der Rosenkrieg“ von (und mit) Danny DeVito und mit Michael Douglas und Kathleen Turner als Ehepaar Rose. Dieser ‚Rosenkrieg’ zeigt, wie aus Liebe mit den Jahren Hass und ein Kampf bis aufs Blut, ja, bis zum Tode werden kann. Der Streitpunkt ist hier materiell, das Haus, das keiner der beiden hergeben will.

Ehedramen üben eine gewisse Faszination aus. Ein weiteres Beispiel ist Wer hat Angst vor Virginia Woolf? von dem US-amerikanischen Dramatikers Edward Albee (1962 uraufgeführt), das uns aus einer Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton aus dem Jahre 1966 bekannt sein dürfte. Hier wird ein junges Paar Zeuge eines eskalierenden Ehestreits.

Das Stück Dämonen des schwedischen Dramatikers Lars Norén (*1944 in Stockholm) ist ähnlich gelagert. Auch hier wird ein anderes Paar in eheliche Auseinandersetzungen hineingezogen. Norén begann bereits als Jugendlicher zu schreiben. 1963 erschien sein erster Gedichtband, bis 1980 von weiteren gefolgt, außerdem drei Romanen, von denen „Die Bienenväter“ 1973 auch auf Deutsch erschien.

Dämonen (Original: Demoner) – Deutsch von Angelika Gundlach – wurde am 28.04.1984 in Stockholms Stadsteater (Regie: Carsten Brandt) uraufgeführt. Die deutschsprachige Uraufführung fand am 21.11.1984 am Schauspielhaus Bochum (Regie: Claus Peymann) statt (lese hierzu: Szenen zweier Ehen – von Hellmuth Karasek in spiegel.de)

Nun so ganz vergessen ist das Stück nicht, immerhin ist mir eine letzte Inszenierung bekannt, die es in der Regie von Thomas Ostermeier an der Berliner Schaubühne im Frühjahr 2010 gab.


»Dämonen« Trailer der Schaubühne Berlin

Das Stück selbst kenne ich aus einem Band mit verschiedenen Theaterstücken (suhrkamp taschenbuch 1190 – 1. Auflage 1985) Theater heute, dessen andere Stücke ich hier bereits teilweise vorgestellt habe.

„Der schwedische Dramatiker Lars Norén (Jahrgang 1944) beschäftigt sich seit den 80er-Jahren mit dem unaufhaltsamen Untergang des ehelichen Zusammenlebens – und setzt damit eine skandinavische Tradition fort, die mit Namen wie Strindberg, Ibsen und Bergmann verknüpft ist. ‚Dämonen’ ist ein klassisches Zimmerschlacht- Stück, in dem ein Ehepaar, das Lustgewinn daraus bezieht, sich gegenseitig fertig zu machen, den Besuch eines anderen Paares dazu benutzt, die Beleidigungen und Erniedrigungen auf die Spitze zu treiben.“ (Quelle: Berliner Morgenpost)

Personen:

Katarina, 36 Jahre
Frank, ihr Mann, 38 Jahre
Jenna, Nachbarin, 36 Jahre
Tomas, ihr Mann, 37 Jahre

Ort und Zeit: Eine Stadtwohnung, 1982

„Entweder ich bringe dich um, oder du mich, oder wir trennen uns, oder wir machen so weiter“, lautet Katarinas lakonisches Fazit ihrer langjährigen Beziehung mit Frank. Und da die beiden, die sich hassen bis aufs Messer und doch nicht voneinander lassen können, nicht schon wieder einen Abend einsam zu zweit in ihrer Nobel-Wohnung verbringen wollen, bitten sie das Nachbarsehepaar herüber. In stilvollem Ambiente vollzieht sich eine gnadenlose Seelenschlacht. „Norén ist ein Großmeister des Dialogs. Die Banalitäten seiner ausgeleierten Alltagswendungen sind so raffiniert verwoben …, dass sie die unausgesprochenen Aggressionen bis in die feinsten Abschattungen verlautbaren.“ (FAZ) „Ein gespenstisches Stück über die Liebe. Oder besser: Über deren Verlust.“ (Süddeutsche Zeitung)
(Quelle: rowohlt-theaterverlag.de)

Anders als z.B. in „Der Rosenkrieg“ erleben wir hier ein Paar, das in seine im Wesentlichen sexuell begründeten Obsessionen gefangen ist. Dazu ist es ein Teufelskreis gegenseitiger Hörigkeit, aus dem beide nicht entfliehen können:

FRANK Ja, ich liebe dich. […] Aber ich mag dich nicht. […] Überhaupt nicht. Ich kann dich nicht leiden. Aber ich kann ohne dich nicht leben.

[…]

KATARINA […] Du machst mich nur unglücklich. Ängstlich … Und so verwirrt. Und leer … Ich will nur weglaufen … Zurück … Zurück.

FRANK Wohin?

KATARINA Zu dir.

[…]

KATATRINA […] Solange ich dich schlecht behandle, kommst du nicht von mir los.

Das geladene Nachbarehepaar wird in diesen Ehekrieg hineingezogen. Schnell entlarvt es sich, zeigt, dass auch bei ihnen nicht alles stimmt, dass Unzufriedenheit herrscht – und ein Begehren dem anderen Paar gegenüber. Die Situation eskaliert, wie sollte es anders sein, der innere seelische Schmerz (FRANK […] Darum geht es doch – um den Schmerz. Sie empfinden einen solchen Schmerz …) stellt sich dar als äußerer körperlicher Schmerz – und endet in einer Kreuzigungsszene. 1982 mag das schockierend gewirkt haben, heute empfindet man es wohl eher als abstoßend, zumindest als ‚übertrieben’.

Lars Norén zeigt sich allerdings in den Dialogen als Könner. Besonders die Rolle des Frank ist dermaßen spitzfindig ausgelegt, dass man sich als Zuschauer (oder Leser) selbst oftmals an den Kopf fassen möchte. Wie er das Gespräch zu drehen versteht, hat schon eine gewisse Klasse.

Ehedramen – die Faszination gesteht weiterhin und wird von unserem Voyeurismus genährt. Auch Noréns Drama bietet dafür – auch heute noch – reichlich viel Futter.

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Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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