Also Ihren Lehmann finde ich ja ganz cool, Herr Regener. Vielleicht weil er einiges auch mit mir zu tun hat: Sielwall in Bremen, überhaupt Ostertor – dann die Bundeswehr, mir ging es ähnlich wie Herrn Lehmann – und Berlin, bin dort zwar geboren, habe später aber woanders gelebt, bin aber oft genug nach Berlin gefahren. Mit Ihrer Musik (Element of Crime) habe ich weniger am Hut. Und jetzt das: Ihre Wutrede bei Bayern 2 im Rundfunk, Ihre Stellungnahme zu Urheberrecht und Internet.
Es ist nicht so, dass ich Sie nicht verstehe. Natürlich ist YouTube ein Milliardenunternehmen und bereichert sich ohne eigenes künstlerische Zutun mit den Werken anderer. Aber Millionen Menschen gucken tagtäglich die Videos dort und erfreuen sich daran. Und es soll viele Künstler geben, die sogar freiwillig ihre Videos dort einstellen, um bekannt zu werden.
Ihr Loblied auf die GEMA kann ich aus ihrer Sicht durchaus nachvollziehen. Mich würde, so nebenbei gefragt, interessieren, wie die GEMA-Einnahmen an ihre Mitglieder ausgeschüttet werden, es soll nach einem komplexen Verteilerschlüssel geschehen. Sie, Herr Regener, werden dabei sicherlich nicht allzu schlecht abschneiden. Aber wie YouTube Positives wie Negatives einschließt, so ist auch bei der GEMA nicht alles bestens. So finde ich die Pauschalabgaben für Geräte und Medien, die das Kopieren von Musik ermöglichen, nicht okay. Warum wird damit jedem Käufer unterstellt, dass er auch urheberrechtlich geschützte Musik kopiert? Und warum kassiert die GEMA auch, wenn z.B. die evangelische Kirche bei uns im Ort so genannte Bandabende veranstaltet. Und zwar nicht gerade wenig (etwa 200 €). Kassiert wird auch dann, wenn die Bands, die übrigens kostenlos auftreten, keine Titel covern, sondern nur Eigenkompositionen vortragen. Ich nenne so etwas hanebüchen. Und wenn ein Stand auf dem Weihnachtsmarkt Weihnachtsmusik abspielt, dann kassiert die GEMA, damit auch Sie sich, Herr Regener, eine fette Weihnachtsgans leisten können. Und mit Kindergärten und Schulen war da auch noch etwas. Man kann es auf die Spitze treiben.
Natürlich sollten sich YouTube und GEMA endlich einig werden, damit nicht jedes 2. Video in Deutschland als nicht verfügbar ausgewiesen wird, „da es möglicherweise Musik enthält, für die die erforderlichen Musikrechte von der GEMA nicht eingeräumt wurden.“ Die Musiker, die die GEMA vertritt, hätten dann auch etwas vom großen Kuchen (siehe hierzu den interessanten Artikel bei spreeblick.com).
Der Unterschied zwischen Urheber- und Nutzungsrechten ist Ihnen sicherlich bekannt, Herr Regener. In unserem Bekanntenkreis gibt es einen, der vor vielen Jahr einmal ein Buch geschrieben hat, das dann auch ein Verlag herausbrachte. Jetzt hätte er es gern, dass eine Neuauflage erscheint. Der Verlag, der die entsprechenden Nutzungsrechte hält, ist aber nicht interessiert. Natürlich könnte er das Buch selbst herausbringen. Dann müsste er aber für die Nutzungsrechte des Verlags zahlen. Sein Urheberrecht, das bekanntlich nur vererbt, aber nicht veräußert werden kann, kann er sich in die Haare schmieren.
Und so wie dieses Buch also nie mehr erscheinen wird, gibt es mindestens ein Dutzend Filme, die ich gern sehen möchte, für die ich auch angemessen zahlen würde, wenn sie auf dem Markt erhältlich wären, was sie aber nicht sind (z.B. Literaturverfilmungen wie Martin Walser: Der Sturz oder Halldór Laxness: Am Gletscher; dagegen ist z.B. die für mich interessante Verfilmung von Einar Kárason: Die Teufelsinsel nur ‚illegal’ im Internet zu beziehen). Wenn Film-, Musik- oder auch Verlagsindustrie keine Kohle verdienen können, dann verschwinden Werke einfach vom Markt.
Und was halten Sie vom Wahn der Abmahnindustrie? Es kann doch auch in Ihrem Interesse nicht liegen, dass ganze Bevölkerungsteile kriminalisiert werden, Rechtsanwälte sich dabei eine goldene Nase verdienen – und am Schluss der Autor und Urheber trotzdem nichts davon hat.
Die Welt verändert sich nun einmal. Sie werden mir doch sicherlich nicht erzählen wollen, dass Sie in jungen Jahren nicht auch die eine oder andere Kopie gezogen haben? ‚Damals’ war das eben aufwändiger und mit Qualitätsverlust behaftet, z.B. eine LP auf Musikkassette zu ziehen. Heute ist das ganz einfach und es kann jeder Trottel. Nein, Ihr ‚Geschäftsmodell’ zieht nicht mehr, weil die Technik voranschreitet. Und so müssen auch Musiker wie Sie zwangsläufig umdenken.
Ich will und kann Ihnen hier kein neues ‚Geschäftsmodell’ generieren, da müssen Sie sich schon selbst den Kopf zerbrechen. Aber viele Musiker vermarkten sich im Netz inzwischen selbst, weil sie es vor allem auch satt haben, in die Taschen der Musikindustrie zu arbeiten. Wie viel bekommen sie von einer verkauften CD und wie viel verdient z.B. ein Plattenlabel wie Sony? Sicherlich ist es richtig, dass viele kleine Indie-Labels heute keine Überlebenschance mehr haben. Aber das liegt nicht nur daran, dass Musik ‚unentgeltlich’ im Netz zu haben ist.
Ihre Wutrede war sicherlich spontan und emotional getragen. Aber die war leider auch ziemlich einseitig und ohne Blick zur Seite und nach vorn. Was wollen Sie gegen YouTube & Co. und den Raubkopierern tun? Alle verbieten oder einsperren? Sicherlich nicht! Sie als Musiker (und als Buchautor) sollten sich an der öffentlichen Diskussion beteiligen. Eine fäkalträchtige Standpauke genügt da nicht. Das eigentliche Problem ist dabei nach meiner Meinung weniger das Urheber- als vielmehr das Nutzungsrecht. Trotzdem muss beides überdacht (von Denken) und auf neue Füße gestellt werden. Ich könnte Ihnen, lieber Herr Regener, noch vieles andere unter die Nase reiben. Das soll aber für heute genügen. Blieben Sie cool, Herr Regener!