Bis zur Zeit Karl des Großen wurden Sprüche, Heldenlieder und Geschichten noch mündlich überliefert. Karl der Große ordnete an, das alte Wissen zu dokumentieren, um es für die Nachwelt aufzubewahren.
So wurden im 10. Jahrhundert auch die so genannten zwei Merseburger Zaubersprüche wohl von einem schriftkundigen Kleriker, wahrscheinlich im Kloster Fulda, auf einer freigebliebenen Seite eines liturgischen Buches in karolingischen Minuskeln eingetragen. Die Verse selbst stammen aus vorchristlicher Zeit, also vor 750 n. Chr., und sind die einzigen erhaltenen Zeugen germanisch-heidnischer Religiosität in althochdeutscher Sprache.
Eiris sâzun idisi,
sâzun hera duoder.
suma hapt heptidun,
suma heri lezidun,
suma clûbôdun
umbi cuoniouuidi:
insprinc haptbandun,
inuar vîgandum.
Einmals setzten sich Idise (zauberstarke Schlachtjungfrauen, den Walküren verwandt),
setzten sich hierhin, dorthin und dahin,
manche Hafte hefteten (d.h. sie festigten die Fesseln der feindlichen Gefangenen),
manche lähmten das Herr (der Feinde),
manche klaubten um heilige Fesseln (es sind die Fesseln aus Eichenzweigen, mit denen der Priester oder König die Gefangenen umwindet, die als Opfer für die Götter bestimmt sind; diese Fesseln lockern die Idise):
Entspring den Haftbanden,
entfahr den Feinden!
Übertragung: von der Leyen
Aus: Aus deutschem Herzen – Verlag Moritz Diesterweg – 11. Auflage 1964
Von diesem ersten Merseburger Zauberspruch, der zur Befreiung von Gefangenen dienen Sollte, gibt es von der Gruppe „In Extremo“ eine sehr schöne musikalische Überarbeitung.
In Extremo: Merseburger Zaubersprüche
Zur Gruppe „In Extremo“ siehe auch meinen Beitrag: Bagpipes (Sackpfeife – Dudelsack – Quetschsack)