Der Altkanzler Gerhard Schröder bezeichnet die Berichterstattung der Medien zu Sotschi als einseitig. Russlands Präsident Putin lobte er für die gute Vorbereitung der Olympischen Spiele.
„Einst hatte er Russlands Präsidenten Wladimir Putin als ‚lupenreinen Demokraten’ bezeichnet, nun kann Altkanzler Gerhard Schröder auch den Winterspielen in Sotschi nur Gutes abgewinnen. ‚Es ist eine tolle Situation’, sagt er im Interview mit dem Sport-Informationsdienst sid. Die Kritik in Deutschland an dem Sportereignis kann er nicht nachvollziehen. ‚Die Berichterstattung, speziell bei uns, ist reichlich unfair’, sagte er. ‚Das ist ideologisch geprägt und nur sehr selten unvoreingenommen. Da sollten einige, die so berichten, mal neu nachdenken.’“ (Quelle: spiegel.de)
Wir kennen Schröders saloppe, etwas verquere Redeweise. Und sein Engagement als Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG (Ostsee-Pipeline) und damit für Gazprom, das weltweit größte Erdgasförderunternehmen aus Russland, kennen wir auch. Und wiederum damit seine freundschaftlichen Beziehungen zu Putin.
Damit wischt Gerhard Schröder in seiner Blauäugigkeit allerdings kaum die berechtigten Kritiken an Putins Spielen vom Tisch. Es wird zukünftig an den obersten Funktionären des IOC liegen, unter welchen Voraussetzungen olympische Spiele vergeben werden. Allerdings traue ich da dem neuen IOC-Präsidenten Thomas Bach kaum eine Neuausrichtung zu. Autokratisch bzw. totalitär regierte Länder werden sich auch weiterhin um die Ausrichtung von sportlichen Großereignissen bemühen, bei denen die Finanzierung keine Rolle spielt und auch IOC oder beim Fußball die FIFA auf ihre Kosten kommen.
Genug geklagt. Jetzt sind die Sportler am Zuge, auch wenn ich sie weiterhin ‚zwischen den Fronten’, gewissermaßen in Geiselhaft der Veranstalter (Putin einerseits, das IOC andererseits), sehe.
Eins schon vorweg: Bisher, da hat Gerhard Schröder wohl Recht, ist die Stimmung gut in Sotschi und der Schneeregion Krasnaja Poljana. Die Bedingungen sind bisher bestens, das Wetter spielt mit – und die Bewohner der Austragungsorte sind freundlich und zuvorkommend. Die Sportler selbst sind es, die für die nötige Stimmung sorgen. Gänsehautfeeling eingeschlossen. Und das ist auch gut so.
Trotzdem haben auch diese Olympischen Spiele weiterhin einen faden Beigeschmack für mich, auch wenn ich mich zu einem Boykott – rein persönlich (wie 2008 bei den Sommerspielen in Peking) nicht hinreißen will. Der Sport, vor allem die Sportler stehen im Mittelpunkt, ohne dass man – ich wiederhole mich – die politischen Hintergründe vernachlässigen darf.
In den Social Media des Internet wie Twitter, Facebook oder Google+ versehen die teilnehmenden Mitglieder ihre Beiträge oft mit so genannten Hashtags (Hash ist das Zeichen #, Tag ist eine Art Stichwort) wie #Sotschi2014, #Sochi2014 (englische Schreibeweise des Olympiaorts) oder #WirfuerD (D steht für Deutschland). Ich will da keinen übertriebenen Nationalismus unterstellen oder sogar Chauvinismus. Aber ich finde diesen Hashtag eher unglücklich gewählt, auch wenn mannschaftliche Geschlossenheit (‚Wir’) z.B. beim Eishockey wünschenswert ist. Ansonsten, so denke ich, sind gerade auch Wintersportler eher Individualisten. Dieses „Wir für Deutschland“ wird zudem von manchen Sportler(n/innen) ad absurdum geführt, wie bei den Auseinandersetzungen („Zickenalarm!“) bei den Rodlerinnen oder Eisschnellläuferinnen. Wer mag diesen Tag nur eingeführt haben?
Nun nach weniger als einer Woche führt die deutsche Mannschaft den Medaillenspiegel (nach 32 von 98 Entscheidungen) mit sechsmal Gold, einmal Silber und Bronze an. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen man darüber diskutiert hatte, ob ein solcher Medaillenspiegel überhaupt noch Sinn macht, vor allem wenn erst einmal nach der Anzahl der Goldmedaillen gruppiert wird. In manchem Medium gliederte man damals auch gern nach Anzahl der Gesamtmedaillen. Heute scheint das keinen mehr zu jucken. Da passt dann dieses „Wir für Deutschland“ (a la „Wir sind Papst!“) auch wieder bestens.
Trotz oder gerade wegen der bisher guten Leistung einiger deutschen Athleten hagelt es inzwischen auch harsche Kritik. Das Ziel, insgesamt 30 Medaillen (schon wieder diese runden metallenen Dinger) aus Sotschi nach Deutschland ‚heimzuholen’, sieht man jetzt schon verfehlt. Besonders bei den Biathleten läuft (und schießt) nichts nach Wunsch. Sicherlich sind wir von früher her (z.B. durch die Erfolge einer Magdalena Neuner) verwöhnt. Aber es grenzt schon an Arbeitsverweigerung, was da bisher geboten wurde. Vielleicht wird ja heute etwas?! Auch von den Leistungen der Eisschnellläufer muss man enttäuscht sein. Curling mit viel Pech? Und dann gibt es noch einige andere Sportler, die deutlich hinter ihren bisherigen Leistungen hinterherhinken.
Natürlich fragt man sich, warum so viele Sportler beim für sie wichtigsten Sportereignis plötzlich dermaßen einknicken. Die Nerven allein können es nicht sein, oder? Vielleicht sollten sie dieses „Wir für Deutschland!“ noch etwas mehr verinnerlichen …?!
Ich weiß, es ist gut meckern. Ein Sportler, der sein sich selbst gesetztes Ziel um Längen verfehlt hat, wird erst einmal untröstlich sein. Da interessiert kein „Wir für Deutschland!“, da steht er allein da mit seinem Unglück. Niemand ist enttäuschter als der Athlet selbst. Und dann muss er auch noch dusselige Fragen der Reporter beantworten. Außerdem ist sogar zu befürchten, dass dieses „Wir für Deutschland!“ zum Fluch wird, denn hinter diesem Sprüchlein stecken quasi die Gelder der Sporthilfe, die schneller versiegen als man sie zum Sprudeln bringt.
Aber noch ist ja nicht aller Tage in Sotschi Abend. Drücken wir den Sportlern die Daumen. Bekanntlich soll aber der Bessere (bzw. die Bessere) gewinnen …