Im Internet (hier nur einige Beispiele: [1] [2] [3] [4] [5] [6]) kursiert folgende Story: Während des Begräbnisses ihrer Mutter begegnet eine Frau einem Mann, den sie nie zuvor gesehen hat, und fühlt sich auf geheimnisvolle Weise zu ihm hingezogen. Sie glaubt, in ihm einen Seelenverwandten gefunden zu haben, und verfällt ihm sofort. Doch sie fragt ihn nicht nach seiner Telefonnummer und kann ihn, als die Beerdigung vorbei ist, nicht ausfindig machen. Wenige Tage später tötet sie ihre Schwester. Warum?
Nehmen Sie sich ein wenig Zeit, bevor Sie antworten. Denn offensichtlich lässt sich mithilfe dieses einfachen Tests feststellen, ob Sie wie ein Psychopath denken oder nicht. Welches Motiv könnte die Frau wohl haben, ihre Schwester umzubringen? Eifersucht? Findet sie ihre Schwester später mit dem Mann im Bett? Rache? Beides plausibel. Aber falsch. Die Antwort – gesetzt den Fall, Sie denken wie ein Psychopath – lautet: Weil sie hofft, der Mann würde bei der Beerdigung ihrer Schwester erneut auftauchen.
Falls dies Ihre Lösung war … keine Panik! Um ehrlich zu sein, ich habe gelogen. Natürlich bedeutet es nicht, das Sie wie ein Psychopath denken.
Ich lese zz. Psychopathen: Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann von Kevin Dutton, einem promovierten Psychologen und Professor am Calleva Research Centre for Evolution and Human Science der Universität Oxford – und Bestsellerautoren.
Den Test (eigentlich ein Lateral, also ein Rätsel, bei dem mit wenigen Informationen eine paradox oder unsinnig erscheinende Endsituation einer Kurzgeschichte vorgegeben wird) mit der etwas hergeholte Geschichte findet man im Buch auf S. 52 im Kapitel „Echte Psychopathen bitte vortreten!“. Natürlich ist es kein ‚echter’ Test. Allerdings hat Kevin Dutton diese Geschichte echten Psychopathen vorgelegt, von denen aber nicht einer auf die „Folge-Beerdigung“ kam.
Ich werde auf dieses Buch wohl noch öfter zu sprechen kommen. Sicherlich zielt es nach meinem Geschmack etwas zu sehr auf eine breite Leserschaft. Aber es enthält eine lesbare und aufschlussreiche Darstellung der Psychopathie und die provokante These, dass wir von Psychopathen ‚lernen’ können. Zunächst beginnt das Buch mit einer Darstellung dessen, was wir Persönlichkeit nennen. Die oben aufgeführte Geschichte dient gewissermaßen als Schmankerl, also als Einstieg in die Darstellung der Psychopathie.
Psychopathie (nicht zu verwechseln mit Psychopathologie) bezeichnet eine schwere Persönlichkeitsstörung, die bei den Betroffenen mit dem weitgehenden oder völligen Fehlen von Empathie, sozialer Verantwortung und Gewissen einhergeht. Psychopathen sind auf den ersten Blick mitunter charmant, sie verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen. Dabei sind sie mitunter sehr manipulativ, um ihre Ziele zu erreichen. Oft mangelt es Psychopathen an langfristigen Zielen, sie sind impulsiv und verantwortungslos. Psychopathie geht mit antisozialen Verhaltensweisen einher, so dass oft die Diagnose einer dissozialen/antisozialen Persönlichkeitsstörung gestellt werden kann (Quelle: de.wikipedia.org)