Durch die hohe Arbeitslosigkeit und dem Verfall des Mittelstandes rückt der Begriff ‚Unterschicht‘ wieder in das Medieninteresse. Dauerarbeitslose, auch solche mit hohem Bildungsstand, sehen sich plötzlich in der Unterschicht angesiedelt, während es Mitglieder der Unterschicht nach alter Definition (ausgehend von Bildung und Kultur) gelingt, gesellschaftlich aufzusteigen. Diese ’neue‘ Definition geruht aber lediglich auf dem wirtschaftlichen Aspekt.
Die Unterschicht nach alter Definition entwickelt in Deutschland zunehmend ein eigenständiges Profil, ähnlich dem ‚Klassenbewusstsein‘ der ‚lower classes‘ in den angelsächsischen Ländern. Gefördert wird dieses durch bestimmte öffentliche Medien, die in der Unterschicht einen neuen Absatzmarkt für ihre Produkte finden, indem man sich dem Bildungs- und Kulturniveau dieser Gesellschaftsklasse anpasst.
Schon immer hat sich eine Neben-, Schatten- bzw. Subkultur entwickelt, die neben der Kultur eines Bildungsbürgertums bestehen konnte. Und oft (z.B. in der populären Musik) vermischten sich Kultur und Subkultur zu einer Avantgarde, die innovativ auch auf andere Kunstarten wirkte.
Was sich aber heute abzeichnet, ist eher eine kommerzielle Vermarktung der ‚Nicht- oder Unkultur‘ der Unterschicht, die zudem nicht oder nicht oft von Mitgliedern der Unterschicht selbst geleitet wird.
Blicken wir zunächst kurz auf die heute auftretenden Unterschiede im Profil zwischen Unterschicht und höheren Gesellschaftsschichten:
Die Unterschicht ist im Wesentlichen ohne eigene Kunst bzw. eignet sich die Werke aus der Kunst höherer Schichten in vereinfachter Form an. Im Bereich der Körperkultur ‚pflegt‘ man in gehobeneren Schichten seinen Körper, Sport dient als Ausgleich. In der unteren Gesellschaftsschichten ist nur ein rudimentäres Körperbewusstsein vorhanden oder es werden vorgegebene Trends übernommen (z.B. Tattoos). Überhaupt besteht in der Unterschicht ein erhöhtes Maß an Adaption, d.h. Übernahme bei geringer individueller Anpassung von Mode usw., während in höheren Kreisen mehr Wert auf persönliche Noten gelegt wird. Kurz gesagt und stark verallgemeinert: Unterschicht will Spaß, der Gebildete Freude und Glück!
Durch das wirtschaftliche Aufsteigen von Mitgliedern der Unterschicht alter Prägung (Kultur und Bildung) öffnen sich neue Märkte. Damit wird den geringen Ansprüchen dieser Aufsteiger Rechnung getragen nach dem Motto: Man kann keinen Goethe verkaufen, wo Schwarzenegger verlangt wird! Andersherum: Mitglieder höherer Schichten mit eindeutig mehr Bildung und Kultur, die aber in wirtschaftliche Bedrängnis geraten und so auf längere Sicht im wirtschaftlichen Sinne der Unterschicht verfallen, können sich Goethe nur noch in abgespeckter Form leisten, um dieses Bild auch hier aufzugreifen.
Wohin das am Ende führen kann, ist absehbar: ein Verfall des Geschmacks, überhaupt ein Verfall der Kultur und Kunst und der Bildung! Eines Tages laufen wir alle mit tätowiertem Arsch herum, die Kanne Bier in den Klauen, trällern irgendeine Schweinemucke und sind auch sonst verblödet …?! Näch, Mann ey?!