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Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Erste Wahlk(r)ämpfe

Im Herbst, genauer am 22. September, ist es wieder einmal so weit. Das Wahlvieh darf wieder an die Urnen. So wirklich ‚Lust’ dazu haben immer weniger. Liegt es vielleicht daran, dass man eigentlich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Merkel und Steinbrück, hat?

Merkel versus Steinbrück: Pest oder Cholera?!

Sicherlich schielt schon jetzt so mancher Politiker auf diese Wahl und feilt an seinem Image. Schließlich geht es um Macht, Ruhm und Ehre. Ehre? Wohl eher ums Geld.

Darf man den Umfrageergebnissen trauen, dann gibt es nach wie vor ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zwischen wen eigentlich? Schwarz-gelb versus Rot-grün? Das wohl doch nicht. Gut, Totgeglaubte leben länger (FDP). Und trotz AfD und Piraten könnten es Rainer Brüderle & Co. vielleicht doch schaffen, im Bundestag zu verbleiben. Aber Zünglein an der Waage dürfte doch Die Linke sein, oder? Und am Ende dann doch wieder eine große Koalition?

Das Neuland der Ottilie Normalbürger

Was mich erstaunt, ist die Tatsache, dass Frau Merkel weiterhin hohes Ansehen beim Bundesbürger genießt. Woher kommen diese sich geradezu übertreffenden Sympathiewerte eigentlich? Immerhin strotzt sie nicht gerade durch Kompetenz. Vielleicht ist es aber gerade das, ihr Image der Ottilie Normalbürger, für die z.B. das Internet genauso Neuland ist wie für viele andere Bürger; oder die von der Datenselbstbedienung der NSA und anderer Geheimdienste a la PRISM, Tempora & Co. auch nur aus den Medien erfahren hat. Vielleicht sollte sich Frau Merkel einmal mit den für Geheimdienste zuständigen Mitarbeitern ihres Amtes kurzschließen?

Ist das nur Mache oder gehören Merkel und viele ihrer Minister, allen voran Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), tatsächlich zu den Naiv-Ahnungslosen in unserer Republik?

Staat im Staate

Apropos Innenminister. Friedrich war ausgezogen, den Amerikanern gehörig auf die Finger zu klopfen. Herausgekommen ist eine Null-, wenn nicht gar eine Lachnummer. Statt die Verletzung der Menschenrechte durch die ungezügelt-unkontrollierte Überwachung von Telefon- und Internetverbindungen deutscher Bürger zu rügen, kam er mit der frohen Kunde aus Washington zurück, dass dank der NSA-Überwachung durch das Spähprogramm PRISM 45 Anschläge verhindert worden seien, davon fünf in Deutschland. Inzwischen ruderte sein Ministerium zurück und spricht u.a. von „Überlegungen“. Wie auch immer: Muss man deshalb Millionen von Telefonen und Internetleitungen überwachen: ohne gesetzliche Grundlage oder richterliche Anordnung? Hier scheint der Minister einige „Begriffe“ zu verwechseln und offenbart damit nur seine naive Unbedarftheit wie auch in Fragen der Vorratsdatenspeicherung.

Selbst der amerikanische Präsident scheint übrigens nicht zu wissen, was seine Geheimdienste insgesamt so treiben. Geheimdienste entwickeln sich nach meiner Meinung automatisch zu Staaten im Staat, da sie überwiegend unter dem Mäntelchen der Geheimhaltung operieren. Eigentlich sollte die Politik, auch die US-amerikanische, dankbar sein, dass, wie jetzt durch Whistleblower Edward Snowden geschehen, die unkontrollierten Überwachungspraktiken aufgedeckt werden, an denen mit Sicherheit auch deutsche Stellen wie der Bundesnachrichtendienstes (BND) beteiligt sein dürften.

Bushido: Wahlhelfer der CDU?

Von Mitgliedern der CDU wurde er in der Vergangenheit immer wieder als Musterbeispiel für eine gelungene Integration präsentiert. Bei der CDU scheint er ein- und auszugehen und hat sich dort auch mit Innenminister Friedrich zu Gesprächen getroffen. Dass man ihm Verbindungen zur organisierten Kriminalität vorwirft, dass er sich auch gern bei anderen Musikern bedient, dafür die Verbreitung der unter seinem Namen veröffentlichten Musik in Internet-Tauschbörsen mit Abmahnungen überzieht, wird beflissentlich (oder vielleicht doch eher naiv-unbedarft?) übersehen.

Wenn’s musikalisch nicht so toll ist, dann muss man sich eben auf andere Art und Weise ins Gespräch bringen. So ‚glänzt’ er jetzt mit Tötungs- und Gewaltphantasien gegen Politiker von SPD und Grünen sowie wieder einmal mit schwulenfeindlichen Parolen. Alles natürlich nicht so gemeint, klar. Weiß der Typ eigentlich, was für einen Mist er produziert?

Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck forderte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) daher auf, zu dem neuen Musikvideo Stellung zu beziehen. Beck sagte am Montag dem NDR mit Blick auf Friedrich: „Immerhin kursieren überall Fotos mit ihm und seinem guten Freund Bushido.“ (Quelle: rbb-online.de)

Ja, eigentlich ist er keine Zeile wert. Aber angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl muss man doch einmal fragen, ob CDU/CSU unbedingt die Unterstützung von dem Rapper Bushido im Wahlkampf braucht – oder ob sie sich nicht nun doch etwas distanzierter ihm gegenüber verhalten sollte?!

Noch ist Sommerpause. Das Sommerloch gähnt uns entgegen. Aber bald geht es dann wieder los. Mir kommen jetzt schon die ersten Wahlk(r)ämpfe ….!

Bremerhaven: Havenwelten (02.07.2013)

Die Arbeitswelt hat mich wieder, wenn auch mit Verspätung. Wie sollte es anders sein: Gleich am ersten Arbeitstag fiel mein Zug, der Metronom, aus (es muss wohl eine Seuche bei den Lokführern ausgebrochen sein) und ich durfte 24 Minuten auf den nächsten Zug warten. Danke!

Noch ‚schöner’ war es während meines Urlaubs, als ich mit meiner Frau einen Ausflug nach Bremerhaven unternahm. Der Zug der zwischen Bremen und Bremerhaven verkehrenden Nordwestbahn endete wegen eines Brandes auf der weiteren Strecke in Bremerhaven-Wulsdorf. Infos, wie man weiterkommt, gab es nicht. Da ich mich etwas in Bremerhaven auskenne, wusste ich, dass von Wulsdorf ein Bus Richtung Innenstadt verkehrt. So kamen wir mit 45 Minuten Verspätung an unser Ziel. ‚Bahnabenteuer’ hatten wir eigentlich nicht gebucht.

In Bremerhaven hatten wir vor, das Deutsche Auswandererhaus und das Klimahaus 8 ° Ost zu besuchen. Beide Häuser beherbergen Ausstellungen, die in ihrer Art einzigartig und daher sehenswert sind, und liegen unmittelbar neben Deutschem Schifffahrtsmuseum und dem Zoo am Meer (ja, der mit den schwulen Pinguinen) beieinander: den Havenwelten!

Bremerhaven: Havenwelten

Da wir zum einen schon etwas Verspätung hatten, sich zum anderen das Wetter an diesem Tag endlich einmal wirklich sommerlich zeigte, so entschlossen wir uns, die beiden Ausstellungen ein andermal zu besuchen und dafür den Weserdeich dem alten und neuen Hafen entlang zu schlendern. Dabei konnten wir u.a. die Funktionsweisen einer Schleuse und einer Hebebrücke genauer beobachten – wie im Video festgehalten.


Bremerhaven: Havenwelten (02.07.2013)

Auf der Rückfahrt gab es dann noch einmal mit dem Metronom-Zug Schwierigkeiten – aber das konnte uns nach diesem schönen Sonnentag nicht mehr erschüttern. Bremerhaven ist eine Reise wert. Wer Bremen besucht, sollte auch den Abstecher an die Wesermündung wagen.

In AlbinZ Garten – das ‚Video‘ 2013

Bilder aus unserem Garten habe ich schon öfter gezeigt. Jetzt während meines Urlaubs habe ich unseren Garten auch einmal im Video festgehalten. Ja, Urlaub – daher auch schon seit Tagen keine Beiträge mehr hier in meinen Blog. Auch mein Blog hat Urlaub …?! Heute ist die Ausnahme!


In AlbinZ Garten – das ‚Video‘ 2013

Unser Garten (eigentlich ist es der Garten meiner Frau, die ihn hegt und pflegt – ich darf höchstens den Rasen mähen und helfen, wenn größere Teile wie Pflanzenkübel zu schleppen sind) ist nicht der typische Garten. Hier darf auch schon einmal Unkraut wachsen, wobei zu sagen ist, dass es Unkraut gar nicht gibt. Schließlich gibt es ja auch keine Unpflanzen, oder? Kräuter – das ist okay. Und manches Kraut wandert dann auch gelegentlich in den Salat. Unser Garten hat durch das viele Durcheinander etwas von einem verwunschenen Garten – er ist haunted, wie der Angelsachse sagt. Das sagen übrigens nicht wir, sondern das sagen oft genug Gäste, die uns jetzt besuchen kommen: verwunschen! Mir gefällt’s auf jeden Fall. Und so kann man wie ich und meine Frau auch schon einmal Urlaub zu Hause und damit im eigenen Garten machen. Endlich soll ja auch das Wetter besser werden. Ansonsten sind wir mit dem Rad oder mit der Bahn zu Tagesausflügen unterwegs …

Die Musik im Video stammt übrigens von Maartin Allcock, den Fans von Fairport Convention und Jethro Tull kennen sollten. Allcock wirkte u.a. bei dem Album „Rock Island“ (1989) von Jethro Tull auf zwei Stücken als Keyboard-Spieler mit. Hier ist das Stück „Planxty Madam Crofton“ von dem Solo-Album „Maart“ zu hören. Das ist übrigens ein altes irisches Stück von Turlough O’Carolan.

Maartin Allcock: Planxty Madam Crofton (trad.)

Trauer um Onkel Günter

Es ist noch nicht lange her, da starb unser frühere Nachbar. Am Montag nun verstarb der Onkel meiner Frau völlig unerwartet. Heute findet in Buxtehude die Trauerfeier mit anschließender Beisetzung statt.

    Traueranzeige für Onkel Günter

Onkel Günter war ein ruhiger und bescheidener Mensch. Zu den zahlreichen Familienfeiern haben wir uns immer getroffen. Es war angenehm, sich mit ihm zu unterhalten. Gern erinnere ich mich auch an die Feierlichkeiten zur goldenen Hochzeit von Günter und seiner Frau Christel am 8. September 2007 in Appel/Eversen-Heide. Jetzt wird ‚noch’ ein Platz mehr für immer frei bleiben.

Appel 2007: Willi mit Günter (†) und Klaus Koslowski (†)

Günter, Dein Tod kam für uns alle so plötzlich. Heute nehmen wir Abschied von Dir. Wir werden Dich in guter Erinnerung behalten.

So schön kann Fußball sein

In Brasilien läuft zz. die Generalprobe zur Fußballweltmeisterschaft 2014, der Konföderationen-Pokal 2013 (kurz Confed-Cup genannt), eine Mini-WM mit dem Veranstalter Brasilien, dem Weltmeister Spanien und den jeweiligen Kontinental- bzw. Konföderationsmeister (Japan als Asienmeister 2011, Mexiko als Sieger des CONCACAF Gold Cup 2011 für Nord- und Mittelamerika und die Karibik, Uruguay als Sieger der Copa América 2011 für Südamerika, Tahiti als Ozeanienmeister 2012, Italien als Finalist der Europameisterschaft 2012, da Europameister Spanien als Weltmeister teilnimmt, und Nigeria als Afrikameister 2013).

Der Ball rollt also immer noch. Bemerkenswertes ist zz. noch nicht von diesem Turnier zu vermelden. Die Favoriten siegten bisher. Wenn da nicht die Mannschaft Tahitis wäre, 2012 überraschend Ozeanienmeister, weil Neuseeland, der Abonnent auf diesen Titel im Halbfinale gegen Neukaledonien patzte, die dann im Endspiel gegen Tahiti verloren. Die Amateure aus Tahiti bestritten am Montag ihr erstes Spiel gegen Nigeria, den Afrikameister und verloren erwartungsgemäß 1:6. Aber genau: Da war der eine Gegentreffer, den ein gewisser Jonathan Tehau in der 54. Minute per Kopf im nigerianischen Tor ‚versenkte’.

Confed-Cup 2013: Tahitis Tor zum 1:3 durch Jonathan Tehau (54. Minute)
Confed-Cup 2013: Tahitis Torjubel

Größer konnte die Freude nicht sein. Zuvor schlug sich Tahiti tapfer gegen den Afrikameister. Am Ende schwanden bei den Amateuren die Kräfte, und Nigeria schraubte das Ergebnis noch in die Höhe. Allein der Tahiti-Treffer von Jonathan Tehau wurde von Spielern und Betreuern wie ein WM-Siegtor bejubelt. Die 20.187 Zuschauer im Estadio Mineirao hatten sich schon früh festgelegt und feierten jede gelungene Aktion der Amateure. So schön kann Fußball sein. Heute Abend gucke ich mir so mit Sicherheit das Spiel Tahitis gegen Welt- und Europameister Spanien an. Ab 20 Uhr 55 (Anstoß: 21 Uhr) läuft das Spiel live auf Sport1.

Am Dienstag war dann noch das Endspiel bei der U-21-Europameisterschaft in Israel. Die spanische Mannschaft konnte mit einem 4:2-Sieg gegen Italien ihren Titel verteidigen und bewies, dass es mit dem Nachwuchs in Spanien bestens bestellt ist. Spieler wie Isco (FC Málaga), Álvaro Morata (Real Madrid) und Thiago Alcántara (FC Barcelona) sind natürlich längst in der ersten spanischen Liga angekommen und dürften schon bald die Nationalmannschaft Spaniens verstärken. Auch David de Gea, immerhin Stammtorhüter beim englischen Meister, Manchester United, als Nachfolger des Niederländers Edwin van der Sar, muss hier genannt werden. Alles Namen, die man sich merken sollte. Glückwunsch!

Jörg Magenau: Martin Walser – eine Biografie

    „Wenn man von etwas nicht auch das Gegenteil sagt, sagt man nur die Hälfte.“
    Martin Walser: Verteidigung der Kindheit
    „Man kann Menschen besser beurteilen nach dem, was sie verschweigen, als nach dem, was sie sagen.“
    Martin Walser: 1. Hauptsatz der ‚menschlichen Wärmelehre’

Jörg Magenaus Martin Walser-Biographie (Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, rororo 24772 – aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Oktober 2008) gewährt einen tiefen Einblick in das Schaffen eines der bedeutendsten Schriftsteller unserer Zeit und untersucht dabei Martin Walsers „spannungsvolles Verhältnis zur deutschen Geschichte und zur Öffentlichkeit. Sie erzählt von Wandlungen, Werk und Wirken, zeigt ihn als Gläubigen und Skeptiker, als heimatverbundenen Familienvater und als ewigen Reisenden, als Machtkritiker und als Freund der Mächtigen, als Lesenden und als Lobenden. Mit dem Porträt des widersprüchlichen Intellektuellen entsteht zugleich eine Kulturgeschichte der Bundesrepublik.“ So steht’s auf der Rückseite des Buchumschlags.

    Jörg Magenau: Martin Walser - eine Biographie

Diese lesenswerte Walser-Biografie war ja bereits Anlass für mich, Walser aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten: Zu Martin Walser (1): Ich bin nicht WalserZu Martin Walser (2): Links und DKP-nahZu Martin Walser (3): Erfahrungen beim Verfassen einer SonntagsredeZu Martin Walser (4): Tod eines Kritikers

Hier möchte ich auf das Schreiben von Martin Walser etwas näher eingehen. Walser ist inzwischen 86 Jahre alt und hat damit ein Alter erreicht, in dem viele schon keine Lust mehr haben, ihre Briefmarkensammlung oder was auch immer zu ordnen, sondern eher ihre letzten Tage zählen. Auch Walser ‚zählt’, denn das Schlimmste ist für ihn, „daß es aufhören könnte.“ Und das Schönste: „Daß einem etwas einfällt, was einem früher nicht hätte einfallen können.“ (S. 569 der Biografie). Oder: „Denn das Alter erlaubt eben auch, weniger Rücksicht nehmen zu müssen auf all das, ‚was sich ziemt.’ – Karl von Kahn (in ‚Angstblüte’): ‚Im Alter nimmt Verschiedenes ab. Auch die Kraft moralisch zu sein.’“ (S. 581)

So schreibt Walser bis zum Schluss: „Sein Interesse konzentrierte sich auf das eigene Bewußtsein. Hier spielt sich alles ab. Die ganze Welt ist Bewußtsein, ist Bewegung, ist Sprache, aber sie geht nicht in der Sprache auf. Deshalb entsteht Dichtung, deshalb muß man schreiben, so wie man auch atmen muß. Das Schreiben ist für Walser eine Lebensfunktion, Eine Schreibkrise kann es folglich nur im Todesfall gebe. Er schreibt einfach immer weiter.“ (S. 397 f.)

Das Schreiben, gerade auch im Alter, ist ein Abwägen: „Was kann man von sich verraten, ohne sich lächerlich zu machen? Was darf man sagen, ohne dafür gerügt zu werden? Und andererseits: Was muß unbedingt heraus, der eigenen Seelenhygiene zuliebe und ohne Rücksicht auf Verluste?“ (S. 591)

Walser, der so häufig in die Schusslinie der Kritiker geraten ist, „der weltgewandte Charmeur, der in Gesellschaft erblüht und erst im Disput über sich hinauswächst – und der Zweifler, der das Gefühl hat, was er zu sagen hätte, bliebe besser ungesagt, weil er sich damit doch nur Ärger einhandeln wird.“ (S. 443) – er weiß inzwischen, „Gegen … medialen Konjunkturen resistent zu sein und eine erfreuliche Gelassenheit entwickelt zu haben gehört zu den Vorzügen der späteren Jahre.“ (S. 573)

Schreiben ist für Walser auch Therapie, um nach Niederlagen noch Herr des Geschehens zu bleiben: „Er mußte den Verlauf […] immer wieder in Gedanken nachvollziehen und aufschreiben, was ihm widerfahren war. Es gelang ihm nicht, seinen Auftritt nachträglich mehr Glanz zu verleihen. Aber das Erzählen machte ihn zum Herrn des Geschehens, obwohl er auch auf dem Papier der Verlierer blieb.“ (S. 420) – Und es gibt die „Erkenntnis, daß es kein Scheitern gibt, sondern immer nur eine Gesellschaft, die einzelne für gescheitert erklärt.“ (S.130)

Wer wie Walser schreibt, der „… entsagt der äußeren Welt, so gut er kann, und ist damit beschäftigt, sie in seinen Romanen zu verschönern, um sie für sich erträglich zu machen. Einen ‚weißen Schatten’ soll sie werfen. Deshalb schreibt er.“ (S. 444) So „versucht [Walser] die Zumutungen des Daseins durch die Schönheit des Ausdrucks zu besiegen.“ (S. 451) – Es ist aber auch ein Schreiben gegen den Monotheismus, ein häufig benutzter „Kampfbegriff Walsers. Damit konnte er islamischen Fundamentalismus, christlich-abendländisches Missionarstum und marxismusfrommen Dogmatismus in einem Begriff zusammenfassen.“ (S. 438)

Wie aber schreibt Martin Walser? Fragen nach Zettelkästen und dergleichen beantwortet die Biografie zwar nicht, aber wir erfahren immerhin, dass es „ … ihm nicht [liegt], eine Handlung zu entwerfen und im Schreiben dann nur noch auszuführen. Die Sprache muß die Führung übernehmen. Er will sich überraschen lassen, wohin es ihn trägt, sonst wäre ihm das Schreiben langweilig. ‚Organisierte Spontaneität’.“ (S. 400)

Zuletzt die Frage nach den Themen, über die Martin Walser schreibt: „Es geht um Konkurrenzverhältnisse, um berufliche Deformationen, um Liebesversuche und Eheherausforderungen: Abhängigkeitsverhältnisse aller Art. Walser interessiert sich nach wie vor für die Anpassungsleistungen, die erforderlich sind, um den gesellschaftlichen Anforderungen zu genügen. Er verlangt seinen Helden keinen Heroismus ab. Er liebt sie, weil sie sind wie er. Das macht seine Bücher zutiefst human.“ (S. 341)

Die Biografie endet damit, dass Martin Walser Goethe mit dem Satz zitiert: „‚Wer mich nicht liebt; der darf mich auch nicht beurteilen.’ Das klingt arrogant, dient aber durchaus der Wahrheitsfindung.“ (S. 600) Dem ist von meiner Seite nichts hinzuzufügen.

Und noch ein Allerletztes zur Biografie: Auf Magenaus Rückfrage behauptete Martin Walser: „Ihr Buch ist interessant zu lesen, aber ich bin das nicht!“

Joan Armatrading: Back to the Night (1975)

Nach dem Fiasko mit Pam Nestor bei dem Aufnahmen 1972 zum ersten Album Whatever’s for us wechselte Joan Armatrading zur Plattenfirma A&M Records, wo bis in die 90-er Jahre ihre weiteren Alben produziert wurden. Im April 1975 erschien hier ihr zweites Album: Back to the Night

Die Entstehung des Albums war ziemlich schwierig. Joan wollte eigentlich nur Lieder schreiben, die andere singen sollten, nicht sie. Außerdem litt sie an der zerbrochenen Freundschaft mit Pam Nestor. So war sie oft zerstreut, verließ plötzlich das Studio, bis Pete Gage, der Produzent und musikalisch Mitwirkende (Guitar, Electric Guitar, Moogs, Percussion Effects), die Geduld verlor und Joan eine Standpauke hielt. Sie begriff endlich, dass sie mit ihrem Talent auch als Sängerin bestehen könne. Ihre Zurückhaltung war schon ein Problem. Sie wollte partout kein Foto von sich auf dem Cover der Scheibe. So kam es auf Drängen von Joan zu jenem Bild, das Joan als Silhouette zeigt, wobei ihr Gesicht unkenntlich bleibt.

    Joan Armatrading: Back to the Night (1975)

Nun Back to The Night beginnt stilistisch wie ihre erste Scheibe: „No Love For Free“ – Joan allein mit ihrer Gitarre. Dieses Lied (es geht um Prostitution) und der Titelsong beziehen sich auf einen Aufenthalt in der Bronx, New York, wo sie in einem Hotel im Times Square-Viertel wohnte und nach den Konzerten in der Nacht oft spazieren ging. Die Menschen, die sie hier traf, bilden den Hintergrund.


Joan Armatraging – Steppin’ Out

Die weiteren Stücke des Albums zeigen deutlich die musikalische Weiterentwicklung von Joan Armatrading und verdeutlichen ihr großes Talent, das diesmal neben Folk auch Elemente von Jazz, Calypso und Up-Tempo-Songs verarbeitet. Aus diesem Grund wurde eine Reihe unterschiedlichster Musikern eingestellt, um der Vielfalt der Stile Armatradings gerecht zu werden. Leider war auch dieses Album nicht allzu erfolgreich.

Trackliste des Albums:

Seite 1
1. „No Love For Free“ 3:28
2. „Travelled So Far” 3:07
3. „Steppin‘ Out“ 4:03
4. „Dry Land“ (Armatrading & Nestor) 4:19
5. „Cool Blue Stole My Heart“ 5:32

Seite 2
1. „Get In Touch With Jesus“ 3:39
2. „Body To Dust“ 4:19
3. „Back to the Night“ 4:02
4. „So Good“ 3:26
5. „Let’s Go Dancing“ 2:03
6. „Come When You Need Me“ (Armatrading & Nestor) 3:44


Joan Armatraging – Cool Blue Stole My Heart

Noch rollt der Ball

Eigentlich ist die Fußballsaison 2012/2013 beendet. Aber noch rollt der Ball. Da läuft z.B. noch die Europameisterschaft der U21-Mannschaften in Israel. Morgen ist das Endspiel zwischen Titelverteidiger Spanien und Italien. Die deutsche Mannschaft war leider in der Gruppenphase ausgeschieden. Wir erinnern uns an die EM 2009 in Schweden, als Deutschland Europameister wurde (siehe auch meinen Beitrag Mit Multikulti zur Europameisterschaft) mit Spielern wie Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Benedikt Höwedes, Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Sami Khedira und natürlich Mesut Özil – heute alles A-Nationalspieler mit Stammplatzgarantie (Andreas Beck und Dennis Aogo nicht ganz zu vergessen).

Seit dem Wochenende läuft in Brasilien dann auch noch der Konföderationen-Pokal 2013 (kurz Confed-Cup genannt), die Mini-WM der Kontinentalmeister (z.B. mit Spanien als Weltmeister, und da Spanien gleichzeitig Europameister ist, darf Italien als Vizeeuropameister spielen), die Generalprobe für die Weltmeisterschaft in Brasilien im nächsten Jahr. Begleitet wird dieses Turnier durch Demonstrationen, die sich gegen die Milliardeninvestitionen für WM, olympische Sommerspiele 2016 und deren Begleiterscheinungen wie Zwangsumsiedlungen und Fahrpreiserhöhungen im Nahverkehr richten. Kritik gab es auch im Stadion, als Staatspräsidentin Dilma Rousseff und Präsident Joseph Blatter vom Weltverband FIFA beim Eröffnungsspiel (Brasilien – Japan 3:0) minutenlang mit Schmährufen und Pfiffen bedacht worden.

Beim SV Werder Bremen ruht dagegen erst einmal der Ball bis zum 30. Juni. Dann geht es zunächst ins Trainingslager auf die Insel Norderney – wie immer in den letzten Jahren. Eine Woche darauf wird im Zillertal trainiert.

    Neuanfang beim SV Werder Bremen

Die ersten, wichtigen Weichen zum erneut angestrebten Neubeginn sind gestellt: Robin Dutt bekam seine Freigabe vom DFB und ist jetzt Cheftrainer der Bremer Bundesligamannschaft. Neben der Verpflichtung von Nils Petersen bekam jetzt auch Cédric Makiadi, bisher SC Freiburg, ein Spieler des zentralen Mittelfeldes, einen Vertrag bis Mitte 2016. Makiadi spielte bereits in Freiburg unter Trainer Robin Dutt (vielleicht kommt auch daher der Wechsel). Ansonsten suchen die Bremer noch einen Nachfolger für Sokratis, der für angeblich 9,5 Millionen € zu Borussia Dortmund gewechselt ist. Und ein offensiver Mittelfeldspieler, der Kevin de Bruyne ersetzen soll, der wohl wieder zum FC Chelsea zurückkehrt, wäre auch nicht schlecht. Noch köchelt die Gerüchteküche auf sparsamer Flamme.

Mehmet Ekici, Eljero Elia und Marko Arnautovic, die Sorgenkinder der Bremer, will Robin Dutt erst einmal behalten. Besonders auf Ekici scheint er zu setzen. Ohne Zweifel hat er (wie die zwei anderen) viel Talent. Nur konnte er es bisher kaum wirklich auf dem Rasen umsetzen. Ich bin gespannt, was der neue Trainer bewirkt. Thomas Schaaf hatte es zuletzt wohl aufgegeben.

Ansonsten tut sich schon wieder Einziges auf dem Transfermarkt, auch was den Wechsel von Topspieler betrifft. Besonders an der ‚Stürmer-Front’ ist mit einer Art Rochade zu rechnen. Radamel Falcao wechselt von Atletico Madrid zum AS Monaco, dem Aufsteiger in die 1. französische Liga. Der Verein gehört Dmitri Ribolowlew, einem russischen Oligarchen, der mit seinen Milliarden jetzt Paris St. Germain Konkurrenz machen will (siehe meinen Beitrag Der gekaufte Fußball). Weitere Mittelstürmer, die zur Disposition stehen sind Robert Lewandowski (Borussia Dortmund), der unbedingt zu den Bayern will – Mario Gómez (FC Bayern München), der ein Stürmer zuviel wäre bei den Bayern – Edinson Cavani (SSC Neapel), dem Top-Torjäger der italienischen Liga – und dann noch Fernando Torres (FC Chelsea), Edin Džeko (Manchester City), Gonzalo Higuaín (Real Madrid), Luis Suárez (FC Liverpool) usw. Wer hat noch nicht, wer will noch mal … Eine Frage des Kleingeldes, so denke ich.

Joan Armatrading & Pam Nestor: Whatever’s for us (1972)

Nach meiner ‚Einleitung’ zu Joan Armatrading komme ich heute zum ersten Album, das Joan Armatrading in Zusammenarbeit mit Pam Nestor 1972 veröffentlichte: Whatever’s for us. Das Album enthält 14 Lieder (die neu aufgelegte CD von 2001 enthält zudem noch zwei Bonus Tracks – dazu unten etwas mehr), die in den Château d’Hérouville Studios (später: Strawberry Studios), im Oise Valley in der Nähe von Paris, in den Trident Studios London und Marquee Studios London aufgenommen wurden. Die beiden jungen Frauen (Joan zählte 21, Pam 24 Lenze) hatten dabei weitaus mehr Material zu bieten. Letztendlich wurden dann von der Plattenfirma (genauer vom Produzenten Gus Dudgeon) nur Lieder ausgewählt, auf denen Pam Nestor nicht Klavier spielt bzw. nicht singt. Man wollte Joan Armatrading als Einzelkünstlerin promoten. So steht vorn auf dem Cover auch nur ihr Name. Pam Nestor wurde lediglich unten den Credits (für die ‚Lyrics’, also Texte) bedacht. Immerhin ist auf der Rückseite des Covers ein Foto von beiden zu finden (weitere Infos siehe en.wikipedia.org).

    Joan Armatrading & Pam Nestor: Whatever’s for us (1972)

Kurze (oder längere) Exkursion: Die Parallelen, die sich für mich zwischen Joan Armatrading und der Band Jethro Tull (lange meine Lieblingsband) auftun, sind doch erstaunlich. Von beiden hatte ich zunächst die zweite erschienene Scheibe gekauft (von Joan ‚Back to the Night’). Erst dann sah ich im Plattengeschäft, dass es eben auch schon jeweils ein ‚erstes’ Album gab. Auf dem ersten Album von Jethro Tull (This Was) gab es nicht nur Songs von Ian Anderson, dem Mastermind der Gruppe, sondern auch der damalige Gitarrist Mick Abrahams trug seinen Teil (ähnlich wie Pam Nestor bei Joan) an Liedern bei. Beide Debütalben weichen dann schon rein stilistisch doch stark von den Nachfolgealben ab. Aber es kommt noch besser: Bekanntlich ist die Welt klein, selbst die der Londoner Musikszene im Jahr 1972. Denn in den bereits erwähnten Château d’Hérouville Studios müssen sich Joan & Pam und Ian Anderson und Co. schon fast auf die Füße getreten haben. Bekanntlich wurden hier die Vorläufer-Bänder zu A Passion Play aufgenommen, die unter dem Namen Chateau D’isaster Tapes (Teil 1Teil 2) erst viele Jahre später das Gehör der Öffentlichkeit fanden. Joan und Pam nahmen 1972 hier auch einen Teil ihrer Lieder auf. Und eine letzte Schnittstelle gibt es z.B. durch den Schlagzeuger Gerry Conway, der in den anfänglichen 80-er Jahren bei Jethro Tull die Sticks auf den Trommeln und Blechen rührte und auf eben diesem Debütalbum von Joan und Pam seinen Teil beisteuerte.

    Joan Armatrading

Tracklist des Albums (alle Lieder wurden von Joan Armatrading and Pam Nestor als Texterin komponiert außer die 3 angegebenen von Joan):

Seite 1
1. „My Family“ 3:08
2. „City Girl“ (Armatrading) 3:58
3. „Spend a Little Time“ (Armatrading) 2:23
4. „Whatever’s for Us, for Us“ 2:11
5. „Child Star“ 2:31
6. „Visionary Mountains“ 1:49
7. „It Could Have Been Better“ 4:19

Seite 2
1. „Head of the Table“ 2:30
2. „Mister Remember Me“ 2:15
3. „Gave It a Try“ 2:08
4. „Alice“ 3:29
5. „Conversation“ (Armatrading) 2:15
6. „Mean Old Man“ 2:33
7. „All the King’s Gardens“ 2:58

Bonustracks (beide von Joan & Pam komponiert):
Lonely Lady
Together In Words And Music

Nun Joan und Pam kannten sich bereits seit drei Jahren und hatten gemeinsam über 100 Lieder geschrieben. Es war eine enge Freundschaft zwischen den beiden, die dann ihr jähes Ende eben durch diese Platten-Produktion fand. Natürlich war es nicht Joans Schuld, dass der Produzent Gus Dudgeon sie favorisierte (Näheres siehe unter en.wipedia.org nach einer Biografie von Sean Mayes über Joan Armatrading). Joan beendete nach diesem Alben dann auch die Arbeit mit diesem Produzenten. Während die Lieder, bei denen Pam Nestor Klavier spielt und singt, auf dem Album nicht berücksichtigt wurden (sie agiert lediglich als Co-Autorin, also aus Texterin bei dem Großteil der Lieder), hören wir Joan Armatrading neben ihren Gesang die Klavierparts spielen und auf der akustischen Gitarre.


Pam Nestor – Hiding & Seeking (No More) 1979 – 7”-Single (Langfassung 12”)

Pam Nestor hatte ‚genug’ und betätigte sich später weiterhin als Liedtexterin. Sie hat dann auch noch eine eigene Single veröffentlicht: „Hiding & Seeking (No More)“ (eine Reggae-Nummer) c/w „Man On The Run“, erschienen 1979. Auf dem 1975 erschienenen zweiten Album von Joan Armatrading „Back to the Night“ sind die Texte zu „Dry Land“ und „Come When You Need Me“ ebenfalls von Pam Nestor.

Viel Vorgeplänkel, kommen wir zum Album selbst. Debütalben sind immer so eine Sache. Von Erfolg war diese Scheibe nicht gekrönt. Damals wurden gerade einmal ungefähr 2000 Stück verkauft. Aber es ist schon (fast) die Joan späterer Jahre, nur noch nicht ganz so ausgereift. Aber genau das macht den Reiz dieser Lieder aus. Es klingt alles spontan mit Herzblut eingespielt, authentisch wie man so gern sagt.

Joan war Ende 1950 in Basseterre auf der Karibikinsel Saint Kitts als 3. von sechs Kindern geboren. Als sie drei Jahre alt war, zogen ihre Eltern mit den zwei ältesten Geschwistern nach Birmingham, England. Joan lebte erst einmal bei ihrer Großmutter auf Antigua. Anfang 1958 im Alter von sieben Jahren wurde sie von ihren Eltern nach England geholt. Mit 14 Jahren begann sie, ihre eigenen Lieder zu schreiben und spielte diese auf dem Klavier, das ihre Mutter als ‚Möbelstück’ gekauft hatte. Kurz danach tauschte ihre Mutter ihr eine Gitarre im Wert von 3 £ in einem Leihhaus gegen zwei Kinderwagen ein. Das Spielen brachte sich Joan selbst bei.

Das Autodidaktische lässt sich auf diesen Album sehr gut ausmachen. Es ist ein eigenwilliger Stil, den sie besonders auf der Gitarre praktiziert. Aber auch dem Klavier entlockt sie Klangfolgen, die ihr ungewöhnliches Talent zeigen. Stilistisch gesehen war es vorwiegend Folk bzw. Folkrock, aber schon gemischt mit anderen Elementen wie Blues bzw. R&B oder auch Jazz. Für ihre 21 Jahre ist sogar die Stimme schon sehr ausgereift und einfach einzigartig.


Joan Armatrading: Whatever’s for us, for us

Auf dem Album gibt es kein Stück, das man als ‚Hänger’ bezeichnen kann. Im Gegenteil zeichnet es sich dadurch aus, dass es viel Abwechslung bietet und doch eine Einheit bildet. Viele Stücke beginnen allein mit Klavier oder akustischer Gitarre. Für das Titelstück „Whatever’s for us, for us“ reicht sogar nur die akustische Gitarre. Mein liebstes Stück ist „It Could Have Been Better”, traurig-schön, Joan allein auf dem Klavier spielend, dann kommen die anderen Instrumente hinzu, zum Ende hin dann Bläser und zuletzt Streicher. Angeblich war es damals sogar eines der Lieblingslieder von Elton John. Es ist für mich noch heute eines meiner Lieblingslieder:


Joan Armatrading: It Could Have Been Better

Zuletzt kleine Ausschnitte (jeweils der Anfang) aus den zwei Bonustracks, die 1973 als Single erschienen waren. So ganz passen diese Lieder nicht auf das Album, sind also weniger repräsentativ. Im ersten hören wir eine E-Gitarre, wie sie (wenn ich mich nicht völlig verhört habe) auf keinen der 14 Lieder des Albums gespielt wird. Und das zweite Lied klingt für mich mehr nach Südsee als nach Karibik. Die Texte sind wiederum von Pam Nestor:


Joan Armatrading & Pam Nestor: Auszüge aus: Lonely Lady/ Together In Words And Music (Whatever’s for us – 1972 Bonus Tracks)

Thomas Mann: Der Tod in Venedig

Eigentlich hatte Thomas Mann nichts ‚Homo-Erotisches’ geplant – es sollte etwas über die
„Leidenschaft als Verwirrung und Entwürdigung“ werden, die Geschichte des Greises Goethe zu jenem kleinen Mädchen in Marienbad (Ulrike von Levetzow). Dem Thema nahm sich stattdessen fast 100 Jahre später Martin Walser an: 2008 veröffentlichte er mit „Ein liebender Mann“ diese Goethe-Ulrike-‚Geschichte’ (dazu später mehr). „Der Tod in Venedig“, eine Novelle von etwas mehr als 100 Seiten, entstand 1911 – und erschien 1913 im Einzeldruck.

Nachdem ich Thomas Manns Der Zauberberg gelesen habe, bot es sich an, jetzt auch (für mich zum ersten Mal) diese Novelle zu lesen – immerhin war „Der Zauberberg“ anfangs als „eine Art von humoristischem, auch groteskem Gegenstück“ zur Erzählung „Der Tod in Venedig“ gedacht. Der Roman also als ‚umgekehrtes’ Pendant zur Novelle. Die Novelle Der Tod in Venedig habe ich so als Taschenbuch (Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, Band 11266, 23. Auflage Oktober 2011 – Original S. Fischer Verlag, Berlin, 1913) vorliegen.

    Thomas Mann: Der Tod in Venedig

Der über 50-jährige Schriftsteller Gustav Aschenbach, seines Erfolgs wegen geadelt, begegnet im Mai 1911 (die Jahreszahl wird nur als 19.. abgegeben, Thomas Mann reiste mit Familie 1911 nach Venedig) auf einem Spaziergang einen seltsamen Mann in Wanderkleidung. Ihm befällt eine Art schweifender Unruhe, die er sich als Reiselust deutet. So macht er sich also auf, um über einen Umweg nach Venedig zu fahren, wo er schon einmal weilte.

Eines „Abends entdeckt von Aschenbach in der Hotelhalle am Tisch einer polnischen Familie einen langhaarigen Knaben ‚von vielleicht vierzehn Jahren’, der ihm als ‚vollkommen schön’ erscheint. Er deutet seine Faszination als ästhetisches Kennertum, eine Kunstauffassung vertretend, die die Sinnlichkeit der Kunst verleugnet. Doch mit jedem Tag, den Aschenbach den jungen Tadzio am Strand beobachtet und bewundert, verfällt der Alternde dem Anblick des Jünglings mehr und mehr.“ (Quelle: de.wikipedia.org).

Nun Thomas Mann hält sich an „ein Gleichgewicht von Sinnlichkeit und Sittlichkeit …“.

„‚Man denke sich den folgenden dichterischen Charakter. Ein Mann, edel und leidenschaftlich, aber auf irgendeine Weise gezeichnet und in seinem Gemüt eine dunkle Ausnahme unter den Regelrechten … vornehm als Ausnahme, aber unvornehm als Leidender, einsam, ausgeschlossen vom Glücke, von der Bummelei des Glücks und ganz und gar auf die Leistung gestellt.’ Was Thomas Mann 1907 noch auf Shakespeares ‚Othello’ bezog, gestaltete er selbst vier Jahre später zu Gustav Aschenbach in dieser ‚Novelle gewagten, wenn nicht unmöglichen Gegenstandes’, vom plötzlichen ‚Einbruch der Leidenschaft’ in einen homo-erotisch veranlagten Menschen. Der nicht mehr junge Schriftsteller Gustav Aschenbach – mit den Gesichtszügen Gustav Mahlers – entdeckt für sich am Lido des schwül-warmen Venedig die Gestalt des apollinisch schönen Knaben Tadzio und strebt in seinen Gedanken zu ihm, steigert sich in eine unerfüllbare Liebe und verspielt damit, nach einem Wort von Heinrich Mann, ‚was ihm das wünschenswerteste schien’.
Ohne seine eigene Intention zu verbergen, erklärte Thomas Mann später (1920 an Carl Maria Weber) Gustav Aschenbachs Sehnen nach Tadzio: ‚Es ist das Problem der Schönheit, daß der Geist das Leben, das Leben aber den Geist als ‚Schönheit’ empfindet’, denn ‚der Geist, welcher liebt, ist nicht fanatisch … er wirbt, und sein Werben ist erotische Ironie …’ Er wollte seine Novelle verstanden wissen als ‚Übersetzung eines schönsten Liebesgedichtes der Welt ins Kritisch-Prosaische, des Gedichtes, dessen Schlußstrophe beginnt: ‚Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste.’’ (Hölderlin, ‚Sokrates und Alkibeiades’)“
(aus dem Klappentext)

In dem Knaben Tadzio entdeckt Thomas Mann „… die geheimnisvolle Verbindung, welche das Gesetzmäßige mit dem Individuellen eingehen müsse, damit menschliche Schönheit entstehe.“ (S. 54). Aber er erkennt auch, „… daß das Wort die sinnliche Schönheit nur zu preisen, nicht wiederzugeben vermag.“ (S. 96)

Auch als Aschenbach erfährt, dass in Venedig die „indische Cholera“ (S. 119) grassiert, bleibt er in der Stadt. „Infiziert durch überreife Erdbeeren, die er bei einem Streifzug durch die Gassen Venedigs gekauft hatte, stirbt Aschenbach an der Cholera, während er aus seinem Liegestuhl Tadzio ein letztes Mal am Strand beobachtet. Dabei erscheint es dem Sterbenden, als lächle und winke der Knabe ihm von weitem zu und deute mit der anderen Hand hinaus aufs offene Meer. ‚Und, wie so oft, machte er sich auf, ihm zu folgen.’“ (Quelle: de.wikipedia.org). Wie heißt es in der Novelle: „… die Sehnsucht ist ein Erzeugnis mangelhafter Erkenntnis.“ (S. 94)

„Der Tod in Venedig“ ist übersät mit vielerlei Todesmotiven. Das beginnt mit der Physiognomie des seltsamen Mannes in Wanderkleidung am Anfang, deren Beschreibung an einen Totenschädel denken lässt und geht weiter über die venezianischen Gondel, deren Farbe mit der Schwärze eines Sarges beschrieben wird. Am Ende ist es der Tod selbst, der Aschenbach ereilt.

Trotz der scheinbar homo-erotischen Thematik ist die Novelle ein Versuch über die Schönheit, der später (so im Felix Krull) als die Suche nach einem androgynen Doppelwesen, ein Wesen, das Mann und Frau in sich vereinigt, zu verstehen ist.

Nun auch für diese Erzählung gilt stellenweise wieder das, was Martin Walser den „Doktor Faustus“ von Thomas Mann zu lesen aufgeben ließ, weil er diese Prosa „nicht ertagen konnte“. Besonders das zweite Kapitel, das im Wesentlichen die Herkunft, den Lebensweg und Charakter Aschenbachs beschreibt (man kann das Kapitel auch gern ‚überspringen’), ist geprägt von einem Schwulst im Stil, aber auch im Inhaltlichen, den Walser im erwähnten „Ein liebender Mann“ (im Bezug auf Goethe) als „Rokoko“ bezeichnet. Hier ein Beispiel:

„Aber es scheint, daß gegen nichts ein edler und tüchtiger Geist sich rascher, sich gründlicher abstumpft, als gegen den scharfen und bitteren Reiz der Erkenntnis; und gewiß ist, daß die schwermütig gewissenhafteste Gründlichkeit des Jünglings Seichtheit bedeutet im Vergleich mit dem tiefen Entschlusse des Meisters gewordenen Mannes, das Wissen zu leugnen, es abzulehnen, erhobenen Haupte darüber hinwegzugehen, sofern es den Willen, die Tat, das Gefühl und selbst die Leidenschaft im geringsten zu lähmen, zu entmutigen, zu entwürdigen geeignet ist.“ (S. 26)

Ansonsten ist „Der Tod in Venedig“ durchaus lohnenswert zu lesen. Und trotz Tod und Verderben, Thomas Mann mag mir verzeihen, weckt die Novelle eine gewisse Reiselust in mir. Der Sommer darf kommen ….

Übrigens: Die Novelle wurde 1971 von Luchino Visconti mit Dirk Bogarde in der Hauptrolle verfilmt. Im Film ist Aschenbach nicht Schriftsteller sondern Komponist.

Siehe hierzu auch: Tadzios schönes Geheimnis