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Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Von isländischen Pfannkuchenpfannen und deutschen Bürgerfesten (2)

Gestern haben wir uns also mit isländischen Pfannkuchen vollgestopft. Heute nun zu weiteren Spezialitäten aus der isländischen Bäckerei.

Tostedt, der kleine Ort zwischen Bremen und Hamburg, in dem ich lebe, hat ein Problem mit Rechtsextremen (wie hier leider schon öfter berichtet). Um dem entgegenzuwirken, hat man ein Bürgerfest initiiert, das bisher dreimal stattfand. Das Motto: Tostedt ist bunt!

    Tostedt ist bunt

Das erste dieser Bürgerfeste fand 2001 am 01.09.2001 statt. Dem folgte eines ein Jahr drauf am 24.08.2002. Das dritte Bürgerfest fand dann erst wieder 2008 (28.06.2008) statt. Sowohl beim ersten als auch dritten Bürgerfest gab es ein internationales Buffet, zu dem viele in Tostedt ansässige ausländische Bürger kulinarische Spezialitäten ihrer Heimat vorstellten, beide Male war auch unsere isländische Freundin dabei, um – wie man sich jetzt denken kann – Backwaren ihres Landes anzubieten.

Ich muss hier etwas ausholen: Bei mir vor vielen Jahren zu Hause bei meinen Eltern gab es am Wochenende öfter einmal Schmalzgebackenes, das wir Schmalzkringel nannten und die ihren Ursprung in der ostpreußischen Heimat meines Vaters haben sollten (meine Mutter selbst stammte aus Köln). Dabei wurde stinknormaler Kuchenteig flach ausgerollt und in kleine Rechtecke geschnitten. In der Mitte dieser Rechtecke wurde dann ein Schlitz geschnitten, die jeweiligen beiden Enden durch den Schlitz gezogen (einmal rechtsrum, einmal linksrum), um einen „Knoten“ zu erzeugen. Diese Kuchenstücke wurden dann in Öl frittiert und am Schluss mit Puderzucker bestäubt.

Genau solche Küchlein bot uns nun beim ersten Bürgerfest in Tostedt unsere isländische Freundin an. Kleina (plural kleinur) haben in Island eine mindestens zweihundert Jahre alte Tradition. „Ein Rezept für kleinur findet sich bereits im ersten isländischen Kochbuch, das vom Juristen und Verleger Magnús Stephensen (1762-1833) im Jahr 1800 unter dem Namen von Marta María Stephensen, der Frau seines Bruders, herausgegeben wurde.“

Der einzigste erkennbare Unterschied ist wohl der, dass in der isländischen Variante nur ein Ende durch den Schlitz gezogen wird. Ansonsten schmecken beide gleich lecker. Ja, die Welt ist klein.

Beim dritten Bürgerfest (und dem zweiten internationalen Buffet) gab es nun etwas andere kleine Kuchen aus Island: Snúðar genannt. Auch hier ist die Welt wieder klein, denn diese isländische Küchlein werden bei uns Schnecken genannt und es gibt diese z.B. mit Mohn oder Rosinen und Marzipan. Die besten Snúður (Plural) Islands soll es angeblich in Isafjordur geben. 😉 (Woher der Name kommt, ist mir nicht ganz klar – irgendwas mit Kreisel oder Drehung oder Plattenspieler … oder gar mit der griechischen Spezialität Gyros …??? 😀 – nun, Gyros steht auch für ‚Drehung‘).

Tostedt ist bunt 2008: Internationales Buffet - Willi mit Kristin & Catarina

Snúður - 'Schnecken' aus Island

Tostedt ist bunt 2008: Internationales Buffet – Willi mit Kristin & Catarina / Snúður aus Island

Nun zu Kuchen passt am besten Kaffee (das sage ich, der sonst eigentlich Tee den Vorzug gibt). Und vielleicht sind deshalb kleine Küchlein (und Pfannkuchen) in Island besonders beliebt, weil Island nämlich ein ausgesprochenes Kaffeeland ist. Laxness-Leser wissen das. Und irgendwo habe ich schon (inzwischen zweimal) die isländische Gepflogenheit erwähnt, dass Kaffee selbst in Restaurants und Cafés ohne Aufpreis mindestens einmal nachgeschenkt wird. Wie bei der Frage um Henne oder Ei, stellt sich natürlich noch die Frage, was zuerst da war: Kuchen oder Kaffee?

Nun denn: Guten Appetit! Oder wie die Isländer wohl sagen: Verði þér að góðu!

Übrigens: Für dieses Jahr ist zwar kein Bürgerfest vorgesehen, aber immerhin hat man sich aufgerafft, am Sonnabend, dem 17.11.2012 von 9.30 – 16.60 Uhr eine so genannte Open-Space-Veranstaltung ins Leben zu rufen. Die Veranstaltung wird in den Räumen der Hauptschule Tostedt, Schützenstraße 53, 21255 Tostedt stattfinden. Motto: Tostedt bunt oder braun was wollt IHR und wie? Open-Space bezeichnet eine besondere Art von Großgruppenveranstaltungen. Hierbei gibt es keine feste Tagesordnung, denn die wird durch die Themen der TeilnehmerInnen selbstbestimmt. Die Ergebnisse werden schriftlich festgehalten und später allen zugänglich gemacht. Dann entscheiden die TeilnehmerInnen, welche der Ansätze ihnen am Wichtigsten erscheinen. Diese sollen weiterverfolgt werden.

Und dann doch: Im kommenden Jahr soll erneut das beliebte Bürgerfest stattfinden. Der Termin ist Samstag, der 24.08.2013. Beginn ist 14.00 Uhr mit dem Internationalen Buffet. Das Motto des Festes lautet „Tostedt bleibt bunt“ – denn das Tostedt bunt IST, wurde bereits bewiesen!

Von isländischen Pfannkuchenpfannen und deutschen Bürgerfesten (1)

Im Frühsommer 1990 weilte ich mit meiner Frau und Freunden zu einer Rundreise auf Island. Kurz vor Abschluss unserer Reise waren wir auch im hohen Norden der Insel in Akureyri. Zeit, um Souvenirs für zu Hause zu kaufen. So fanden wir dann auch einen größeren Laden, eigentlich eine Art Lagerhalle etwas außerhalb des Ortskerns, der alles hatte, was man so aus Island hätte gern mitnehmen wollen. Natürlich viel Strickware aus guter Wolle von isländischen Schafen. Ich gönnte mir eine wollene Mütze, die heute noch irgendwie nach Schaf riecht, aber selbst bei Eiseskälte Hirn und Ohren warm hält. Natürlich gab es auch diese typischen isländischen Pullover, die bei uns fälschlicherweise oft kurz Norweger genannt werden.

Und irgendwie gab es da in diesem Verkaufslager auch eine Küchenabteilung. Uns fiel gleich eine kleine Bratpfanne auf, deren Funktion uns aber schnell klar wurde: Das war eine ganz spezielle Pfanne um Ausbacken von Pfannkuchen. Wer Halldór Laxness gelesen hat, weiß, dass Pfannkuchen in Island ein gern und oft gereichter Imbiss sind – besonders bei unverhofften Gästen. Und so kauften wir auch so eine kleine Pfannkuchenpfanne, um auch heute noch íslensk pönnukökur (isländische Pfannkuchen) zu braten.

Nun Rezepte für Pfannkuchen (pönnukökur uppskrift – wie der Isländer sagt) gibt es ziemlich viele. Und sie ähneln sich auch meist. Ob nun nach isländischer oder deutscher Art. Wir essen Pfannkuchen auch heute noch gern. Grundlage ist Mehl, etwas Fett (Butter oder Sonnenblumenöl), viele Eier und Milch, die den Teig ziemlich flüssig machen. Dazu eine Brise Salz und nicht zuviel Zucker, denn auf die Pfannkuchen kommt ja meist noch etwas drauf: von Schlagsahne bis Marmelade – mit und ohne Joghurt; mein jüngerer Sohn bevorzugt Nougatcreme mit Erdnussbutter (die Crunchy-Variante). Natürlich geht Pfannkuchen auch in einer veganen Fassung mit Sojamilch und dann eben ohne Eier.

Natürlich habe ich etwas geforscht, ob es hier bei uns auch so eine Pfannkuchenpfanne gibt. Es gibt. Da gibt es die Pfannkuchenpfanne Gusseisen Pfanne 23 cm Holzgriff Carl Victor, die zumindest optisch mit der aus Island viel Ähnlichkeit hat, auch wenn diese z.B. ‚nur’ einen Griff aus Kunststoff hat, der aber selbst nach langem Ausbacken nicht heiß wird (aber Vorsicht: die Pfanne selbst …). Die Pfanne aus Island ist übrigens genial. Man lässt sie zunächst heißt werden (aber nicht zu heiß), gibt wenig Fett (Butterschmalz oder Öl) hinzu und kann dann ohne Ende Pfannkuchen für Pfannkuchen backen. Erst die eine Seite und dann noch kurz die andere. Und das alles ohne, dass der Pfannkuchen in der Pfanne kleben bleibt. Dafür sorgen wohl klitzekleine Rillen im Pfannenboden, die spiralenförmig verlaufen.

Da kann ich nur sagen: Guten Appetit! Oder: Verði þér að góðu!

Soviel zu isländischen Pfannkuchen. Morgen mehr zu deutschen Bürgerfesten (und, um genau zu sein, isländischen Backspezialitäten!).

Martin Walser: Das dreizehnte Kapitel

    Ich bin Schriftsteller genug, dass ich auch dann noch schreibe, wenn ich weiß oder annehmen muss, dass kein Mensch mich noch liest. Im Gegenteil, nicht mehr gelesen zu werden befreit von jener nie ganz zu überwindenden Schwäche, verständlich sein zu müssen.
    Martin Walser: Das dreizehnte Kapitel (S. 181)

Zu Martin Walsers letztem Buch Muttersohn sah es die Süddeutsche so, dass Walser sich wohl „selbst genügt und ein landläufiges Gelingen gar nicht im Sinn“ habe. Und jetzt diese beiden Sätze in Walsers neuem Roman Das dreizehnte Kapitel. Will sich Walser wirklich von dieser Schwäche, verständlich sein zu müssen, befreien?

Wer sich im Walser-Kosmos halbwegs auskennt, wird sich von diesen Sätzen nicht erschrecken lassen. Walser bleibt ‚verständlich’, wenn sich mancher neue Leser von dieser Wortgewalt auch eher erschlagen fühlen dürfte, von dieser Schreib- und Empfindungskunst, die so wenig zeitgemäß erscheint. Walser versteht es auch heute noch mit 85 Jahren Sätze zu schmieden, die mehr Geist besitzen als all das Geschwätz, mit dem wir tagtäglich konfrontiert werden.

    Martin Walser: das dreizehnte Kapitel

Die meisten leiden ohne Gewinn – so steht es im Roman Das dreizehnte Kapitel, der ebendiesen Satz widerlegen will. Mit einem Festessen im Schloss Bellevue fängt es an: Ein Mann sitzt am Tisch einer ihm unbekannten Frau und kann den Blick nicht von ihr lösen. Wenig später schreibt er ihr, und zwar so, dass sie antworten muss. Es kommt zu einem Briefwechsel, der von Mal zu Mal dringlicher, intensiver wird. Beide, der Schriftsteller und die Theologin, beteuern immer wieder, dass sie glücklich verheiratet sind. Aber sie gestehen auch, dass sie in dem, was sie einander schreiben aus sich herausgehen können wie nirgends sonst und dass sie ihre Ehepartner verraten. Nur weil ihr Briefabenteuer so aussichtslos ist, darf es sein. An ein persönliches Treffen ist nicht zu denken. Die Buchstabenketten sind Hängebrücken über einem Abgrund namens Wirklichkeit.

    „Unsere Buchstabenketten sind Hängebrücken über einem Abgrund namens Wirklichkeit.“, nennt es der Schriftsteller (S. 111), was die Theologin konkretisiert: „… Unsere Brücke wird in die Luft gebaut. Sie hat drüben noch keinen festen Punkt erreicht. […] : das In-die-Luft-gestellt-Sein.“ (S. 119)

Eines Tages teilt die Theologin mit, ihr Mann sei schwer erkrankt. Während sie auf einer Fahrradtour durch Kanadas Wildnis mit ihm noch einmal das Leben feiert, wartet der Schriftsteller auf Nachrichten. Als wieder eine eintrifft, wirft sie alles um.

Martin Walsers Roman über eine Liebe, die als Unmöglichkeit so tiefgründig und lebendig ist wie kaum etwas, kreist auf schwindelerregende Weise um das Wesen der menschlichen Existenz. Und führt dabei vor Augen, dass ein Lieben ohne Hoffnung auf Hoffnung das eigene Leben erst empfindbar macht. Ein bewegender, lebenskluger, ja aufregender Roman über eine Frau und einen Mann, die gerade durch die Unmöglichkeit ihrer Liebe zu einer noch nie erfahrenen Gefühlsheftigkeit gesteigert werden.
(aus dem Klappentext zum Roman – 1. Auflage September 2012)

Oder mit eigenen Worten: Basil Schlupp, der Schriftsteller, und seine Frau Iris sind zu einem Empfang beim Bundespräsidenten eingeladen. Gefeiert werden soll der Molekularbiologe Korbinian Schneilin, der sich nicht mehr der Forschung widmet, sondern mit seiner Firma der Produktion von „Medikamenten nach Maß“ widmet. Aus der Ferne sieht Schlupp die Frau des zu Feiernden, eine Theologin, und ist fasziniert von ihr. Von Befallenheit ist später die Rede.

Schlupp wagt es, der Frau des Wissenschaftlers zu schreiben. Und, was vielleicht nicht zu erwarten ist, sie antwortet. So entwickelt sich ein Schriftwechsel, der beiden Gelegenheit zu kleinen Denkspaziergängen, Gefühlsanalysen und Reflexionen über Briefe an sich gibt. Dabei stürzt sich jener Basil Schlupp Hals über Kopf in ein irrwitziges Liebesabenteuer, das allein in seinem Kopf und auf dem Papier stattfindet. Bis auf wenige Einschübe handelt es sich bei diesem Buch also um einen Briefroman.

Die Kritiken sind überraschend wohlwollend. Selbst auf welt.de ist zu lesen: „Diesmal keine Dirty-Old-Man-Fantasie unseres Dichterfürsten, sondern ein sich von einem Brief- in einen E-Mail-Roman verwandelnder hochgeistiger Schlagabtausch zwischen Autor und Theologin. Gott sei Dank lebt die Sprache in Zeiten des Internets – noch.“

„Seit einem halben Jahrhundert ist Martin Walser unser Gewährsmann für Liebe, ehe, Glaube und deutsche Befindlichkeiten. Die Vermessung der Ausdruckswelt, des Daseins als Abfolge schwankender Empfindungen – das ist seine große Stärke.“ (Felicitas von Lovenberg – Frankfurter Allgemeine Zeitung)

„Martin Walser ist einer der wichtigsten Schriftsteller, die wir haben. Sein Gedächtnis, seine Genauigkeit in der Betrachtung von menschlichen Verhältnissen und Unverhältnissen ist unerreicht, seine sprachliche Risikobereitschaft ist beispielhaft. Er geht in jeder Hinsicht aufs Ganze. Kurz, Martin Walser ist ein Dichter.“ (Frank Hertweck, SWR)

Personen im Roman:

Basil Schlupp, Schriftsteller (Verfasser von „Strandhafer“ – arbeitet zz. an „Sternstaub“)
Iris, geborene Tobler, Ehefrau (ca. 55 Jahre alt) – Haldenberg-Projekt (TV-Jugendsendung)
Beatus Niederreither, Architekt (ehemaliger Geliebter von Iris)

Maja Schneilin, geborene Schneilin (ca. 44 Jahre alt), Theologin
Korbinian, ihr Ehemann
Roderich Wegelin, der Fahrer

Luitgard und Ludwig Froh, Freunde von Korbinian (und Maja)

Ein realer Ausgangspunkt ist die Beziehung des Theologen Karl Barth zu Charlotte von Kirschbaum, seiner Assistenten. Barth ist mit seiner existenzphilosophisch grundierten Theologie Vorbild für Maja Schneilin. Bei ihm, Karl Barth, findet sich gewissermaßen das Drehbuch für ihren Schriftwechsel mit dem Schriftsteller. „Mit ihm, dem «Lehrer aller Lehrer», wie sie sagt, imponiert sie erst dem Schriftsteller, später gesteht sie, wie sehr er sie aus allen Halterungen gerissen habe.

Es kommt noch besser: Sie lese nun, schreibt sie später, Barths Briefwechsel mit seiner Mitarbeiterin und Geliebten Charlotte von Kirschbaum. Das Buch ist ihr Offenbarung und Ansporn zugleich. Dieser neue Karl Barth mache sie «als Briefschreiber so schwach und so stark, wie ich noch nie war». Und sie empfiehlt die Lektüre auch Basil, auf dass die Briefe ihn ähnlich stimmen sollen. Und er – immerhin Katholik – noch gleichentags per Mail: Er lasse für Karl Barth eine Messe lesen. – Das sieht nach Ironie und Sarkasmus aus, doch dann folgt der entscheidende Satz, zum Zeichen, wie gelehrig er ist: «Mein Interesse für das Mögliche schrumpft.» Das Mögliche, erfüllte Liebe, physisches Zusammensein also: Es verblasst neben dem anderen, dem Imaginären, dem Unmöglichen.“ (Quelle: nzz.ch)

Walser wäre nicht Walser, wenn er nur scheinbar hochtrabend daherschriebe. Alles hat eine ironische Seite. Und manche ‚Erwähnungen’ in den Briefen, besonders die, die bezogen sind auf die Freundschaft von Majas Ehemann Korbinian zu Ludwig Froh, haben sarkastische Züge, die allein schon das Lesen des Romans lohnenswert machen.

Übrigens: das „13. Kapitel“ ist eigentlich ein Buch, ein loses Zettelwerk, an dem die Frau des Schriftstellers arbeitet. Einige dieser Zettel ‚verrät’ Basil Schlupp an die Theologin, u.a. steht dort:

„Wenn du mit niemanden offen sein kannst, bleibt nur noch das Schreiben.“ (S. 94) – oder auch der schon im Klappentext erwähnte Satz: „Die meisten leiden ohne Gewinn.“ (S. 95). Am Schluss des Romans, in dem alles umgeworfen ist, verbrennt Iris Schlupp, die Ehefrau, ihren Romanversuch, womit der Titel frei wird für den Ehemann, dem sie ihn großzügig überlässt. Frei auch als Titel für Walsers Roman.

Zuletzt noch etwas zu den Namen, die Walser immer wieder gern benutzt. Die stammen überwiegend aus dem alemannischen Sprachraum, also Walsers Heimat. Bei Basil Schlupp musste ich unwillkürlich an Nacke Dominik Bruut aus Walsers Roman Das Einhorn denken. Und Schlupp(en) gibt es auch im ‚Kinderprogramm‘.

Lesenswert ist auch die Rezension auf sueddeutsche.de/kultur: Walsers großes Werk der Liebe, in der eine Verbindung zu Franz Kafkas Korrespondenz mit seiner Verlobten Felice Bauer hergestellt wird. Dieser Briefwechsel begann am 20. September 1912. Fast auf den Tag genau einhundert Jahre später ist nun Walsers Roman erschienen.

Siehe auch meinen Beitrag: Martin Walser und die literarische Verlustanzeige
Übrigens: Walsers Tagebuch wurde bisher noch NICHT gefunden

Ein verschenkter Sieg

Eigentlich hätte die deutsche Fußballmannschaft gestern bei der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien schon (fast) die halbe Miete einfahren können. Wie bereits gegen die Iren, die den ganzen Frust der deutschen Elf, der sich nach dem Ausscheiden bei der EM im Halbfinale und nach den wenig glanzvollen ersten Siegen gegen die Färöer und in Österreich angesammelt hatte, abbekamen und 1:6 in Dublin untergingen, sah es nach 60 Minuten nach einem klaren Sieg in Berlin gegen Schweden aus. Durch schöne Kombination führte Deutschland 4:0. Aber dann wurde das Spiel zu einem Albtraum für den Torhüter. Vier Schüsse kamen auf Neuers Tor, vier Bälle waren drin. Neuer wirkte mit jedem Gegentreffer zunehmend verunsichert. Ein Abend zum Vergessen – nicht nur für ihn.

Qualifikationsspiel zur WM 2014: Deutschland – Schweden 4:4

Denn in Halbzeit zwei tauchte fast die gesamte Mannschaft unter. Und die Innenverteidigung mit Badstuber und Mertesacker schien plötzlich eingeschlafen zu sein. So verdienten sich die Schweden am Ende ein 4:4-Unentschieden und ließen in der Europagruppe C offen, wer sich direkt für die WM 2014 qualifiziert.

Erwähnenswert bleibt vielleicht der inzwischen 34-jährige Miroslav Klose, der gestern Abend seine Nationalmannschafts-Treffer 66 und 67 erzielte und nur noch einen Treffer hinter Gerd Müller, dem Rekordtorschützen, liegt. Der brauchte allerdings für seine 68 Treffer nur 62 Länderspiele (Torquote also > 1), während Klose gestern bereits sein 126. Länderspiel absolvierte.

Tanita Tikaram: Can’t go Back

Ihre Mutter stammte ursprünglich aus Borneo/Malaysia und ihr Vater von den Fidschi-Inseln. Die Eltern hatten sich in England kennen gelernt, bevor sie nach Deutschland übersiedelten. So wuchs sie im westfälischen Münster auf, wo ihr Vater in Diensten der britischen Armee stationiert war.

Malaysia – Fidschi-Inseln: Eine interessante Mischung. Und so ist diejenige, von der ich hier schreibe, nämlich die inzwischen 43-jährige Tanita Tikaram, eine überaus attraktive Frau mit einem unverkennbaren Hauch Exotik. Und mit einer Stimme …

Tanita Tikaram

Die Stimme: Ich denke, ich habe ein Faible für ‚kaputte’ Stimmen bzw. weniger glasklare Stimmen wie z.B. die von Kate Bush. So mag ich tiefe Frauenstimmen wie eben die von Joan Armatrading und weniger ‚reine’ Männerstimmen wie die von Ry Cooder und besonders Tom Waits. In diese ‚Tradition’ fällt nun auch die Stimme von Tanita Tikaram. Sie ist rau, lässt kaum Modulationen zu und klingt wie die Schwester von Tom Waits. Aber gerade daraus entsteht ein besonderes Reiz, dem ich mich auf jeden Fall kaum entziehen kann.

Ich bin in diesen Tagen durch eine Kompilation von Liedern wieder auf Tanita Tikaram aufmerksam geworden. Diese Auswahl enthielt neben Liedern von ihr auch die schönsten Lieder von Joan Armatrading: Rosie (Tanita and Joan). So wird Tanita Tikaram auch meist mit Musikerinnen und Sängerinnen wie eben Joan Armatrading, aber auch Tracy Chapman und Suzanne Vega verglichen. Unter dem Einfluss der Lieder von Joni Mitchell entschloss sie sich Ende der 80-er Jahre zu einer Karriere als Musikerin. Im Herbst 1988 erschien ihr Debütalbum „Ancient Heart“ mit dem Singlehit Twist in My Sobriety, das mit über vier Millionen verkauften Platten sehr erfolgreich war und im Alter von 19 Jahren ihren internationalen Durchbruch bedeutete:


Tanita Tikaram: Twist in My Sobriety

Twist in My Sobriety

All God’s children need travelling shoes
Drive your problems from here
All good people read good books
Now your conscience is clear
I hear you talk girl
Now your conscience is clear

In the morning I wipe my brow
Wipe the miles away
I like to think I can be so willed
And never do what you say
I’ll never hear you
And never do what you say

Look my eyes are just holograms
Look your love has drawn red from my hands
From my hands you know you’ll never be
More than twist in my sobriety

[…]

Zu Deutsch in etwa:

Alle Kinder Gottes brauchen Wanderschuhe.
Du musst das Problem von hier aus anpacken.
Alle guten Menschen lesen gute Bücher.
Jetzt ist dein Gewissen rein.

Morgens wische ich mir den Schlaf aus den Augen,
morgens will ich alles wegwischen,
morgens wäre ich gerne stark genug,
euch nicht zuzuhören.

Meine Augen sind Hologramme.
Eure Liebe hat mir das Blut
aus den Händen gesaugt.
Ihr könnt mir nichts tun,
ihr verwirrt mir nur den Verstand.

Zum Debütalbum hier ein Livekonzertmitschnitt von der Insel Bømlo, Norwegen 1990 mit Liedern von dem Album:


Tanita Tikaram: Ancient Heart live

Ein sehr schönes Lied ist auch Wonderful Shadow aus dem Jahr 1995:


Tanita Tikaram – Wonderful Shadow (2. Single vom Album „Lovers in the City“ (1995))

Nun nach längerer Pause erschien von Tanita Tikaram in diesem Jahr das neue Album „Can’t Go Back“ (empfehlen möchte ich die Special Edition mit zwei CDs – besonders die zweite mit den akustischen Stücken ….) mit der Single-Auskopplung „Dust On My Shoes“:


Tanita Tikaram: Dust On My Shoes (2012)

Weitere Videos auf dem YouTube-Konto von Tanita Tikaram.

Tikarams traurige Lieder über Verlust haben auf „Can’t Go Back“ etwas Tröstliches. „Es geht darum, die eigene Identität gefunden zu haben“, sagt die 42-Jährige, „man muss sich von den Meinungen der anderen frei machen.“ Insbesondere von denen, die immer nur an „Twist In My Sobriety“ denken. (Quelle: rollingstone.de) – siehe hierzu auch: Tanita Tikaram „Can’t Go Back“ Album Track by Track Interview 2012

Ry Cooder: Election Special

Es ist gerade ein gutes Jahr her, da hat Ry Cooder dem Protestsong neue Impulse verliehen: Pull Up Some Dust And Sit Down. Jetzt steht im Spätherbst die erneute Wahl des US-amerikanischen Präsidenten an. Und Ry Cooder veröffentlichte bereits im August d.J. eine Art musikalischer ‚Wahlsondersendung’: Election Special

Ry Cooder: Election Special (2012)

„Dass dieser Meistergitarrist, der sich politisch bis dahin zurückgehalten hatte, neuerdings so explizit wird, zeigt, wie weit es mit Amerika schon gekommen ist und was auf dem Spiel steht, falls im Herbst der Kandidat derjenigen Partei gewinnt, die, wie inzwischen nicht nur die gerne als ‚linksliberal’ verhöhnte Kulturschickeria denkt, das Land in den beiden Amtszeiten des jüngeren Bush moralisch heruntergewirtschaftet hat. Dafür legt Ry Cooder seine ganze musikalische und – als jemand, der sich nie korrumpieren ließ und lieber noch ein bescheiden verkäufliches Album mehr aufnahm, als sich beim Massengeschmack anzubiedern […] – eben auch moralische Autorität in die Waagschale.“ (Quelle: faz.net)

‚Election Special’ beginnt mit einem aus drei Akkorden bestehenden akustischen Delta Blues: „Mutt Romney Blues“. „Die Story von Mitt Romneys Hund ist so bekannt, dass sie bereits einen eigenen Wikipedia-Artikel erhalten hat: Im Sommer 1983 fuhr die Familie Romney in die Ferien – und transportierte ihren Irish Setter dabei auf dem Dach des Chevrolet-Kombis. Es waren Romneys republikanische Konkurrenten, von Newt Gingrich bis Rick Santorum, die als Erste daran erinnerten und indirekt auf ein Statement Abraham Lincolns verwiesen: «Ich gebe nicht viel auf die Frömmigkeit eines Mannes, der seinen Hund und seine Katze schlecht behandelt.»“ (Quelle: nzz.ch)


Ry Cooder: Mutt Romney Blues

Das nächste Lied, ein größtenteils auf der Mandoline gespielter Folksong, gefällt mit musikalisch am besten: leicht, ohne viel Aufwand – und doch so typisch Ry Cooder. Es geht um die Brüder Koch, die in den Staaten ein Industrie-Imperium aufgebaut haben und mit viel Geld Mitt Romney, den konservativen Präsidentschaftskandidaten, vor allem aber die libertär-konservative Tea-Party-Bewegung finanziell und organisatorisch unterstützen. Das Lied wird aus der Sicht des einen der beiden Brüder, Charles G. Koch, erzählt. Dieser schließt zusammen mit seinem Bruder David H. einen „Pakt mit dem Teufel“:


Ry Cooder: Brother is Gone

Election Special ist das wohl „ätzendste Statement, das einem amerikanischen Unterhaltungskünstler zur (nun bald wieder drohenden) Politik seines Landes bisher eingefallen ist.“ (Quelle: faz.net). Ry Cooder scheint der Kragen zu platzen.

Natürlich ist jedes Stück eine Abrechnung: „Gibt es schon eine Wall Street in deiner Stadt? Wenn nicht, gründe einfach eine. Und wenn die Polizei kommt, erkläre ihr einfach, dass du ihre Gehälter bezahlst“, singt Cooder in „The Wall Street Part Of Town“. „Guantanamo“ dagegen sei ein traditionelles kubanisches Lied, das von Frieden und Freiheit handele. „Das wird noch dauern. Gefängnisse sind ein wachsender Industriezweig“, meint Cooder sarkastisch dazu.

Wenig hält er von laschen Waffengesetzen, Lynchjustiz und Sarah Palin („Going To Tampa“, „Kool-Aid“). Kriegsführung widert ihn an. „Hier in Los Angeles kommen Armee-Rekrutierer an die Schulen. Wenn man versucht, sich zu wehren, kriegt man richtig Ärger. Mir fällt kein Begriff für solch eine ungeheuere Verschwörung ein“, erklärt er den Hintergrund von „The 90 And The 9“.

Wen Cooder im Wahlkampf mit dieser Scheibe unterstützt, ist klar, auch wenn er Obama nicht namentlich erwähnt. Vielleicht etwas lasch zeigt Cooder für den US-Präsidenten Mitgefühl: „Der Präsident läuft einsam durchs dunkle Oval Office. Bevor du ihn kritisierst und an die Wand stellst, versuche doch mal, dich in seine Haut zu versetzen“.

Ry Cooder hat die Scheibe fast im Alleingang aufgenommen. Neben Gitarre und Mandoline spielt er auch den Bass und singt natürlich die Stücke (hin und wieder unterstützt von Arnold McCuller). Schlagzeug spielt sein Sohn Joachim Cooder, der auch am letzten Stück mitgeschrieben hat: Take Your Hands Off it.

Get your dirty hands off my constitution now …
Get your greasy hands of my bill of rights …
Get your greasy stinking hands off my voting rights …
Get your greedy hands off the union now …
What’s your sanctimonious hands doin’ in my reproductive rights …
Get your bloody hands off the peoples of the world …
Take your hands off us you know we don’t belong to you.

So heißt es hier im Lied: Nehmt eure dreckigen Hände weg!


Ry Cooder: Take Your Hands Off It

Heute Ruhetag (24): Giacomo Casanova – Erinnerungen

Giacomo Girolamo Casanova (1725 – 1798) war ein venezianischer Schriftsteller und Abenteurer des 18. Jahrhunderts, bekannt durch die Schilderungen zahlreicher Liebschaften. So wurde die reale Person Casanova bereits im 19. Jahrhundert zur Figur Casanova in verschiedenen künstlerischen Werken. Heute steht Casanova ganz allgemein als Synonym für einen Frauenverführer.

Seine Memoiren mit dem Titel „Geschichte meines Lebens“ zählen dabei längst zur Weltliteratur, da sie allein schon kulturhistorisch interessant sind. Denn in dem Werk breitet sich das gesamteuropäische 18. Jahrhundert vor unseren Augen aus: Durch seine Reisen, bei denen er europäische Höfe und Metropolen besuchte, hatte er Kontakt zu bedeutenden Personen seiner Zeit. Er kannte die Päpste Benedikt XIV. und Clemens XIII., sprach mit Friedrich dem Großen und der Zarin Katharina II.. Neben den Herrschern war ihm auch die geistige Elite Europas vertraut: Da Ponte, Voltaire, Crébillon, von Haller, Winckelmann und Mengs zählten zu seinen Bekannten. Doch auch die soziale Unterschicht kommt in seinen Erinnerungen vor.

Hermann Kesten beschrieb dieses Pandämonium so: „Das ganze 18. Jahrhundert tummelt sich in seinen Memoiren und lacht, und räsoniert, und hurt, in keinem anderen Buch ist es so lebendig, so deutlich, so zum Riechen, Fühlen, Schmecken nah.“

Heute Ruhetag = Lesetag!

Vor allen Dingen erkläre ich meinem Leser, daß ich überzeugt bin, bei allem, was ich im Laufe meines Lebens Gutes oder Böses getan habe, für den guten oder bösen Ausgang selber verantwortlich zu sein. Es folgt daraus, daß ich an die Freiheit des Willens glaube.

[…]

Der Mensch ist frei; aber er ist nicht mehr frei, wenn er nicht an seine Freiheit glaubt. Je mehr Macht er dem Schicksal beimißt, desto mehr beraubt er sich selber jener Macht, die Gott ihm verlieh, indem er ihn mit Vernunft begabte. Die Vernunft ist ein Bruchteilchen der Göttlichkeit des Schöpfers. Wenn wir uns ihrer bedienen, um demütig und gerecht zu sein, so werden wir unfehlbar Ihm, der sie uns geschenkt hat, wohlgefällig sein. Gott hört nur für die auf, Gott zu sein, die sich sein Nichtvorhandensein als möglich denken können. Diese Vorstellung muß für sie die größte Strafe sein, die sie erleiden könnten.

Aber wenn nun auch der Mensch frei ist, so dürfen wir doch nicht glauben, daß er das Recht habe, zu tun, was er will. Denn er wird Sklave, so oft er sich von einer Leidenschaft zum Handeln fortreißen läßt. Nisi paret, imperat. – Wenn sie nicht gehorcht, befiehlt sie. Wer stark genug ist, seine Handlungen so lange aufzuschieben, bis er wieder ruhig geworden ist, der ist wahrhaft weise. Aber solche Menschen sind selten.

aus: Erinnerungen – Band 1 – Vorrede

Giacomo Casanova Manuskript - Kapitel 1 - Seite 1

Don Jacob Casanova, geboren zu Saragossa, der Hauptstadt von Aragonien, natürlicher Sohn Don Franciscos, entführte im Jahre 1428 Donna Anna Palafor aus dem Kloster; dies geschah einen Tag, nachdem sie ihr Gelübde abgelegt hatte. Er war Geheimschreiber des Königs Alfonso. Er floh mit ihr nach Rom, wo Anna ein Jahr im Gefängnis zubringen mußte; nach Verlauf dieser Zeit entband Papst Martin der Dritte sie von ihrem Gelübde und gab ihrer Ehe seinen Segen auf Empfehlung des Don Juan Casanova, Haushofmeisters des Allerheiligsten Palastes und Oheims des Don Jacob. Die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder starben sämtlich in zartem Alter mit Ausnahme Don Juans, der im Jahre 1475 Donna Eleonora Albini heiratete und von ihr einen Sohn, Namens Marco Antonio, hatte.

aus: Erstes Kapitel – Nachrichten aus meiner Familie – Meine Kindheit

Giacomo Casanova: Erinnerungen – Band 1Band 2Band 3Band 4Band 5Band 6

Das Museum der bedrohten Töne

Technik ist immer kurzlebiger, „zahlreiche Technologien sind längst Vergangenheit. Und mit ihnen verschwinden auch ihre spezifischen Töne. Jetzt gibt es ein Museum, das sich um die Bewahrung dieser akustischen Zeitzeugen kümmert.
Das Pfeifen eines Modems, das Rattern eines Faxgerätes oder das Klackern einer Wählscheibe: Viele Töne verschwinden still und leise aus unserer Welt. Hört man sie zufällig einmal wieder, werden Kindheitserinnerungen wach. Das Museum of Endangered Sounds bringt die Erinnerung in Form eines Online-Archives zurück. Seit April 2012 gibt es die Website, 30 Technikgeräusche aus der Vergangenheit sind dort mittlerweile versammelt.

Museum der bedrohten Töne (Museum of Endangered Sounds)

Museumsgründer ist ein gewisser Brendan Chilcutt, seines Zeichens Webdesigner, Besitzer von acht Wüstenrennmäusen, Thai Yoga-Anhänger -und ein fiktiver Charakter. Sein Foto auf der Seite zeigt einen Nerd mit großer Brille und Überbiss, der an einem Computer sitzt und über seine Schulter erschrocken in die Kamera guckt.

Hinter dem Gesicht stecken Phil Haddad, Marybeth Ledesma und Greg Elwood. Die drei Amerikaner starteten das Projekt als Studenten der Werbeschule der Virginia Commonwealth University. Mittlerweile sind sie zwischen 24 und 28 Jahre alt und haben ihr Studium abgeschlossen.“ (Quelle: blog.zdf.de/hyperland)

Ich habe in meinem Leben z.B. schon einige Drucker überlebt – vom Matrixdrucker über einen Tintenstrahl- bis hin zu einem Laserdrucker. Wer kennt heute noch dieses sirrende Geräusch eines Matrixdruckers oder das Klappern einer mechanischen Schreibmaschine? Im Museum der bedrohten Töne können wir diese Geräusche noch einmal vernehmen.

Die Technik ist heute eindeutig leiser geworden. Trotzdem bleiben wir von einer Geräuschkulisse nicht verschont. Während man einst am frühen Morgen während der Zugfahrt vom ratternden Geräusch der Räder auf den Schienen in den Schlaf geschaukelt wurde, nerven heute am Morgen die unterschiedlichsten Klingeltöne von Handys oder Smartphones, die unsere lieben Nachbarn nicht rechtzeitig aus ihren Jackentaschen bekommen.

40 Jahre TAAB

Im neuen Jahr beehrt uns Jethro Tull’s Ian Anderson noch einmal hier in Deutschland zum zweiten Teil seiner TAAB 1 & 2-Tour (Thick as a Brick, für diejenigen, die immer noch nichts mit diesem Kürzel anfangen können); u.a. kommt er mit seinen Mannen auch nach Bremen in den großen Saal des ehrwürdigen Konzerthauses Die Glocke am Mittwoch, den 1. Mai 2013 – Konzertbeginn: 20 Uhr.

Ein Grund ist natürlich der 40. Jahrestag der Veröffnung des Albums Thick as a Brick (TAAB1) im Jahre 1972, einem rund 45-minütigen Opus, das zu den Glanzstücken des Progressive Rock zählt.

Ian Anderson - TAAB-Projektion

Dieses Glanzstück hat auch nach 40 Jahren – musikalisch gesehen – nichts vom seiner Leuchtkraft verloren. Allerdings – aufnahmetechnisch gesehen – wurde es jetzt, so hoffe ich doch im Positiven, noch einmal reichlich poliert und gewienert, um als Remix und außerdem auf Musik-DVD u.a. mit 5.1 Mix DTS & Dolby Digital auf den Markt zu kommen. Das Box-Set Thick as a Brick 40th Anniversary Special Limited Edition kommt heute in drei Wochen, also am 2. November, auf den Ladentisch. Und wer sich als wirklicher Tull-Fan und –Kenner zu outen trachtet, der kommt an dieser Investition nicht vorbei.

    Jethro Tull: Thick as a Brick – Special Edition 2012

Thick as a Brick in 5.1-Ton (DTS) ist mir nicht ganz neu. Ich berichtete vor fast genau vier Jahren (am 2. November(sic!), um genau zu sein) von der Two of Us Productions (TOUP), die neben den Scheiben der Beatles eben auch Alben von Jethro Tull in ein entsprechendes Audio-Format umgewandelt hatten. Im Web gibt’s die genannte Website leider nicht mehr, wahrscheinlich sitzen die Jungs im Knast und brummen wegen Urheberrechtsverletzungen ihre Strafe ab. Dabei haben sie es doch nur gut gemeint. Egal. Natürlich wird sich das TOUP-Produkt nicht mit dem von Steven Wilson neu abgemischten Erzeugnis vergleichen lassen.

Nun, die Spannung steigt. Ähnlich wie beim Remix des Aqualung-Albums, das jetzt klarer, frischer klingt, darf man sich beim Remix von TAAB einiges an klanglicher Belebung erhoffen. Und das zusätzlich dann auch noch im surrounden Raumklang (ich habe mir jetzt erst eine kleine, aber wohl feine Heimkino-Anlage geordert). Da freut man sich doch drauf …

Es dürfte dann allerdings auch das letzte Geld sein, dass ich in Produkte des Hauses Ian Anderson stecke.

Rubbeldiekatz

Rubbeldiekatz ist eine deutsche Travestie-Komödie von Detlev Buck aus dem Jahr 2011. Die Produktion beruht auf einem gemeinsamen Drehbuch Bucks und der Autorin Anika Decker und handelt von dem Nachwuchsschauspieler Alexander Honk, gespielt von Matthias Schweighöfer, der sich auf der Suche nach dem großen Durchbruch als Frau verkleidet, um in einem NS-Film mitwirken zu können, und sich dabei ausgerechnet in seine Kollegin verliebt. In weiteren Rollen sind unter anderem Alexandra Maria Lara, Detlev Buck, Maximilian Brückner, Denis Moschitto, Max von Thun und Max Giermann zu sehen.

Matthias Schweighöfer ist zz. wohl einer der angesagtesten deutschen Schauspieler und wir kennen ihn z.B. aus den Filmen Zweiohrküken (2009) und Friendship! (2010), in denen er immer einen zwar leicht chaotischen, aber immer liebenswerten Typen gespielt hat. Richtig aufgefallen ist er mir aber in dem TV-Film Schiller (2005), in dem er als Friedrich Schiller überzeugen konnte. Alexandra Maria Lara habe ich sogar einmal – viele Jahren ist es nun schon her – zu meiner ‚Filmfrau des Jahres’ erkoren.

Rubbeldiekatz (2011)

Und allen voran Detlev Buck als Mitschauspieler und Regisseur. Da sollte es mit Rubbeldiekatz doch bestens laufen.


Rubbeldiekatz (2011)

Noch einmal zum Inhalt:
Bühnenschauspieler Alexander Honk (Matthias Schweighöfer) bekommt von seinem Bruder und Manager Jürgen (Detlev Buck) ein Vorsprechen bei einer großen Hollywood-Produktion vermittelt, die in Berlin gedreht wird. Doch dummerweise sehen die Casting-Agenten des Nazi-Dramas nur die aktuellsten Bühnenfotos von Alexander, auf denen er Frauenkleider trägt. Sie bieten ihm daher an, für eine weibliche Nebenrolle vorzuspielen. Den Gehaltsscheck im Hinterkopf überredet Jürgen sein Bruderherz, das Casting in voller Maskerade als Alexandra zu absolvieren. Und tatsächlich erhält Alexander überraschend die kleine Rolle als lesbische Geliebte von Superstar Sarah Voss (Alexandra Maria Lara). Damit hat er aber ein Problem, denn mit der schönen Sarah hatte er gerade nichtsahnend einen One-Night-Stand. Noch komplizierter wird die Lage, als Alexanders Versuch, seinen Rauswurf zu provozieren, nach hinten losgeht und sein Part plötzlich vom Regisseur (Joachim Meyerhoff) zu einer Hauptrolle ausgebaut wird. Nun heißt es für den Verkleidungskünstler, mehrere Wochen die Frau zu spielen, was immer komplizierter wird, hat er sich doch längst in Sarah verliebt, die ihrerseits aber nur Augen für Co-Star Thomas (Max von Thun) hat, während sich Alexander der Avancen von Hitler-Darsteller Jörg (Max Giermann) erwehren muss…

aus: filmstarts.de

Nun ich habe mir den Film Rubbeldiekatz letztes Wochenende angeschaut und bin etwas hin- und hergerissen. Zunächst: Matthias Schweighöfer ist als Frau wirklich überraschend glaubwürdig und überzeugt auch so in seiner Rolle. Alexandra Maria Lara ist zwar nett zu schauen, wirkt aber eher etwas hölzernd. Sieht man, wer das Drehbuch verfasst hat (nämlich Anika Decker, die auch für die Machwerke mit Til Schweiger, Keinohrhasen und Zweiohrküken, mitverantwortlich ist), dann wundert es nicht, dass selbst ein Detlev Buck als Regisseur (und eben Matthias Schweighöfer) den Film nicht vollständig retten kann. Besonders die Film-im-Film-Sequenzen wirken reichlich platt. Aber Buck rettet den Film dann insgesamt doch mit Szenen, die eigentlich nicht zur Handlung des Films gehören und Alexanders schräge Vierer-WG mit seinen Brüdern (Buck, Maximilian Brückner) und seinem besten Kumpel (Denis Moschitto) betreffen. Am Ende kommt so eine dann doch noch akzeptable Komödie heraus, die vielleicht mehr zum Schmunzeln als zum Lachen einlädt, die aber eben doch für einiges Vergnügen sorgt.