Kategorie-Archiv: WilliZ Welt

WilliZ kleine (eigene) literarische Welt

Imaginäre Interviews (01): Willi Kojote, Schamane

I[nterviewer]: Willi Kojote, wie muss ich Sie ansprechen: Mit Namen oder mit Schamane?
W[illi Kojote]: Sagen Sie ganz einfach: Willi! Beim ‚Sie‘ dürfen Sie aber gern bleiben.

Imaginäre Interviews
Imaginäre Interviews

I: Was habe ich unter Schamane zu verstehen? Soviel ich weiß, ist ein Schamane einer mit heilenden Kräften, der die Verbindung zur Geisterwelt herzustellen versteht, oder?
W: Das Wort Schamane kommt aus der mandschu-tungusischen Sprache und bedeutet „jemand, der weiß“. Sie haben schon Recht: ein Schamane ist, wenn Sie so wollen, ein spiritueller, vielleicht auch religiöser, meist ein heilerischer, vor allem aber ein ritueller Spezialist, dem magische Fähigkeiten zugesprochen werden

I: Sie besitzen also magische Kräfte?
W: Nicht mehr als Sie!

I: Einen Schamanen stellen wir uns immer als Mann im biblischen Alter vor. Wie alt sind Sie eigentlich, wenn ich fragen darf?
W: In wenigen Tagen werde ich 267. [Pause]. Nein, ist ein Witz. Ich werde 67. Ist ja auch schon fast biblisch, oder?

I: Um Schamane zu sein, muss dieser dort gewisse Qualifikationen besitzen, bzw. eine entsprechende Ausbildung absolviert haben.
W: Das Leben ist Ausbildung genug. Wer in meinem Alter nicht die notwendige Reife erlangt hat, wer nicht den nötigen Abstand zu den Aufgeregtheiten der Zeit besitzt, der wird sich natürlich nicht zum Schamanen eignen. Aber da sind erfahrene Menschen genug, die sich zu diesem Amt eignen, ohne es zu wissen.

Willi Kojote, der Schamane
Willi Kojote, der Schamane

I: Das klingt etwa so, als könnte man sich selbst zum Schamanen erklären.
W: Könnte man, machen ja in diesen Tagen auch viele …

I: Sie sprechen da den Schamanen mit den Büffelhörnern an, der mit Gesinnungsgenossen das Kapitol in Washington besetzt hatte.
W: Der ist gerade halb so alt wie ich und denkt, die eben angesprochene Reife bereits erlangt zu haben. Ein Wicht ist das. Allein dadurch, dass er sich eine indianische Schamanen-Kopftracht mit Bisonhörnern und Kojotenfell mit zwei Schwänzen anlegt, ist er noch lange kein Schamane. Hinter diesem bison man, wie man diesen armseligen Menschen auch nennt, verbirgt sich ein aufgeblasener Dummkopf, der nur nach Aufmerksamkeit heischt, der ersten Stufe der Egomanie. Es folgen Geldgier und dann Machtbesessenheit. Trump hat übrigens die letzte Stufe erreicht.

I: Was macht dann einen Schamanen aus?
W: Ein Schamane ‚wirkt‘ wie ein Medikament. Medizin allein heilt nicht. Wenn der Körper nicht mitspielt – Stichwort: Selbstheilungskräfte des Körpers -, dann wird das nichts. So wie jeder halbwegs vernünftig denkende Mensch anderen Menschen durch Rat und Tat helfen kann, so versucht auch ein zum Schamanen Tauglicher zu helfen.

I: Das klingt ganz normal und hat wenig mit Handauflegen, Verabreichung von Kräutersäften und ähnlichem zu tun. Dinge, die wir eigentlich mit einem Schamanen in Verbindung bringen.
W: In erster Linie braucht ein Schamane das, was wir gesunden Menschenverstand nennen. Die Handlungen, die Sie eben nannten, können den Heilungsprozess unterstützen, sind aber nicht vorrangig wirksam.

I: Gesunder Menschenverstand?
W: Ich weiß: Leider ist dieser dank unserer Politiker, die sich immer wieder auf ihn berufen,
längst verpönt.Aber ich glaube an ihn. Er geht einher mit Logik. Was nicht Ergebnis einer
vernünftigen Schlussfolgerung ist, was nicht Bestand hat vor ordnungsgemäßem Denken, das taugt nichts, auch wenn es gut gemeint ist.

I: Demnach war z.B. Albert Einstein so etwas wie ein Schamane, oder?
W: Ohne Zweifel. Sein logisches Denken diente nicht nur naturwissenschaftlichen Entdeckungen und Erfindungen, sondern ermöglichte ihm auch Einsichten im Alltäglichen, wie wir sie uns vor allem von den Personen wünschen, die meinen, über uns bestimmen zu können, z.B. Politiker.

I: Ich danke Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch.
W. Ich habe zu danken!

Kurz und spitz (10): Vorgedrängelt

    In der Skisaison ist es wie im Sozialismus: Man muss anstehen und an den Fortschritt glauben. Wie man sich erfolgreich vordrängelt, bleibt aber auch in anderen Monaten des Jahres eine wertvolle Kulturtechnik. Zum Beispiel, wenn man nach dem Opernbesuch schnell ein Taxi erwischen will oder nach dem Fussballmatch das nächste Tram.
    NZZ am Sonntag

Aber:

    Wer kennt sie nicht – die Leute, die sich immer vordrängen und doch nie vorn sind.
    Johannes Gross

Kurz und spitz: Vorgedrängelt
Kurz und spitz: Vorgedrängelt

Ich bekenne mich schuldig: Auch wenn es jetzt über ein Jahr her ist, aber ich gehörte auch zu diesen Dränglern. Aber was ist eigentlich schlimmer: Die drängeln oder die, die immer im Weg stehen?

Mir ging es nicht darum, erster, ganz vorn zu sein. Am frühen Morgen, wenn ich mich auf dem Weg zur Arbeit machte, mich zeitig zum Ausgang im Nahverkehrszug begab, um diesen möglichst schnell zu verlassen, damit ich noch meinen Anschlusszug bekomme: Der Bahnsteig ist brechend voll. Da hilft nur, sich durchzuschlängeln. Und dann die Rolltreppe: blockiert durch zwei geschwätzige, aber für mich taube Gestalten! Ich will nicht drängeln, aber der Zug wartet nicht …

Oder zum Feierabend hin: Am Hauptbahnhof ankommend wird die Tür in der S-Bahn von einem Typen versperrt, der unbedingt noch per Handy ein Telefonat führen muss. Überhaupt oben auf dem Verbindungssteg die auf ihre Smartphones stierenden Käuze, die sich genau dann mir in den Weg stellen, wenn ich sie überholen will?!

Zwangsläufig wurde ich da zum Drängler, zum Hinwegschubser: Step aside, aus dem Weg, ihr Narren, der Meister hat es eilig!

Kurz und spitz (07): Jogginghose

    Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.
    Karl Lagerfeld

Kurz und spitz: Jogginghose
Kurz und spitz: Jogginghose

Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr wissen die meisten, was „waist-up dressing“ bedeutet. Also: Ab Taille aufwärts bitte ordentlich anziehen, die Bluse oder das Hemd gebügelt. Denn auch in der Videokonferenz ist Seriosität gefragt. Aber weil sich die Kamera nicht bücken kann, geht ab Taille abwärts ganz prima die Jogginghose. Auch ungebügelt. Das ist ziemlich praktisch, weil man in der Mittagspause einfach losjoggen kann, mal eben um den Block. Und es ist vor allem bequem.

Geschätzte 12 Stunden am Tag trage ich Jogginghosen. Natürlich halte ich mich während dieser Zeit im eigenem Haus, höchstens noch draußen im Garten (Laub haken, Müll hinausbringen, eine rauchen) auf. Was soll ich mich da in eine Hose zwängen, die sicherlich um einiges besser aussieht, aber nicht so bequem ist? – Ansonsten stimme ich Herrn Lagerfeld durchaus zu, wenn es darum geht, mit Jogginghose in aller Öffentlichkeit zu erscheinen. Sich so underdressed zu zeigen, zeugt von einer gewissen ‚Sorglosigkeit‘, die schnell als asoziales Verhalten zu deuten ist.

Kurz und spitz (04): Dreck

Manche machen aus Dreck Geld. Okay, es heißt: Scheiße (aus Scheiße Geld)! Dann muss ‚das Material‘ wohl an der richtigen Stelle vorhanden sein. Aber ich will hier etwas anderes sagen: Ich möchte das Wörtchen Dreck einem anderen Wörtchen gegenüberstellen: z.B. Liebe!

Zunächst das: Liebe ist natürlich positiv besetzt. Dreck dagegen negativ. ‚Komischerweise‘ haben in der Bedeutung negativ belegte Wörter meist mehr gleich- bzw. ähnlich bedeutende Begriffe als positive. Mit der Liebe ist das so ein Ding: Eigentlich gibt es nur die Liebe und schon Zuneigung, Hingabe, besonderes Interesse kommen kaum an die Bedeutung des Wortes Liebe heran. Und Gefühl, Herzenswärme, Innigkeit oder Leidenschaft sind nur Interpretationen auf niedriger Stufe.

Kurz und spitz: Dreck
Kurz und spitz: Dreck

Für Dreck gibt es dagegen eine Fülle an Synonymen, vielleicht weil das Wort Dreck auch ziemlich allgemein genutzt wird. Da gibt es Schmutz, Unrat, Unflat, Gerümpel, Kram, Mist, Gelump, Schund, Bodensatz, Abfall, Müll, Fliegendreck, Schlamm, Matsch oder mundartlich Modder (norddeutsch) bzw. Glumpert bzw. Klumpatsch. Das ließe sich ohne Ende fortsetzen.

Vielleicht liegt es daran, dass die Liebe so einzigartig ist, der Dreck aber dafür allgegenwärtig.

Willis Plaudereien (10): Der übliche Verrat der Hülle am Inhalt

    Seit ein paar Jahren, ungefähr seit Mitte vierzig, fiel mir das auf, na ja, der übliche Verrat der Hülle am Inhalt, graue Haare, Fett, das nicht mehr ablaufen kann, Ohrenhaare, die offenbar mit den Nasenhaaren zu korrespondieren beabsichtigen, aber die sind ja noch ganz lustig, trockene, schuppige Echsenhaut, dann gehen mir die Haupthaare aus, das heißt, ihre Produktionsstätten veröden, werden aufgegeben, jemand Zuständiger ist unentschuldigt weggegangen.

Willi mit Helm in grün (Edelsteinminen Idar-Oberstein Juli 2019)
Willi mit Helm in grün (Edelsteinminen Idar-Oberstein Juli 2019)

Bei Herrn Rubinowitz ist der Zeitpunkt die Mitte der vierziger Jahre, da er erkannt hat, dass es mit der Hülle nicht mehr ganz zum Besten bestellt ist. Ha, junger Mann, komm erst einmal in mein Alter, wenn die Zähne zu wackeln beginnen, die Knochen morsch werden oder die Augen stumpf. Das ist dann längst kein Verrat mehr, das ist Sabotage!

Kurz und spitz (03): Kunst und wirkliches Leben

    Kunst und wirkliches Leben
    verhalten sich zueinander
    wie Onanie und Geschlechtsliebe.

Kurz und spitz: Kunst und wirkliches Leben
Kurz und spitz: Kunst und wirkliches Leben

Gut ein Viertel Jahrhundert habe ich in Bremen gelebt. Die Hansestadt an der Weser ist umgeben von Niedersachsen in seiner rustikalen Form. Da kam es schon öfter vor, dass ich mich mit Freunden und Bekannten aufmachte, das ländliche Umfeld zu erkunden. So ergaben sich z.B. auch Dorffeste, die wir besuchten. Und da ich in einer Musikgruppe spielte, so traten wir mit der Band (siehe: Schweine-Dachboden-und-Keller-Mucke) z.B. auf Feierlichkeiten mit ‚Tanz in dem Mai‘ hin und wieder auf.

Ich will aber nicht von unseren Auftritten erzählen, sondern von diesen anderen, oft sehr merkwürdigen Dorffesten. Auch später im weiteren Familienkreis gab es solche Feste, z.B. die goldene Hochzeit meiner Schwiegereltern: Da sorgte ein einzelner Musiker für die Stimmung und für die Tanzbegleitung. Das war dann ein Organist, der mit einem umfangreichen Equipment die Bühne füllte. Die meisten Tonsequenzen hatte dieser eigentlich längst eingespielt und brauchte nur noch die ‚Konserve öffnen‘. Eigentlich war nur der Gesang live (und das auch nur teilweise).

Wie auch immer: Solche Organisten nannten wir in Musikerkreisen nur Onanisten (schon der klänglichen Ähnlichkeit wegen), denn wir hatten immer den Eindruck, als könne sich so ein Organist/Onanist bei seinem Auftritt ‚einen Affen von der Palme wedeln‘. In diesem Blog habe ich öfter schon über diese musikalische Selbstbefriedigung geschrieben. Hier nur zwei Zitate:

… in früheren Zeiten sprachen wir da nicht mehr von Organisten, sondern Onanisten, die sich gewissermaßen an ihrem Instrument selbst befriedigten …

Früher gab es ja das berühmte Schlagzeugsolo, ich erwähnte es bereits. Die richtige Zeit, um aufs Klo zu gehen. Ähnlich verhielt es sich mit schier endlosen Gitarrensoli. Die kamen manchmal einer in aller Öffentlichkeit vollzogenen Selbstbefriedigung gleich. Ein solcher Onanist war Hendrix.

Kurz und spitz (02): Weg und Ziel

Wer das Ziel erreicht, verfehlt alles Übrige.
Danilo Kiš

Kurz und spitz: Weg und Ziel
Kurz und spitz: Weg und Ziel

Da fällt mir natürlich gleich Konfuzius‘ Spruch ein: Der Weg ist das Ziel. Und der ‚alte Meister‘ des Daoismus, der Lehre vom Weg, Lao-Tse und sein „Heiliges Buch vom Weg und der Tugend“ (Tao-Tê-King) .

Der Weg ist das Tun und Schaffen, das oft sehr mühevoll sein kann. Ist das Werk vollbracht, das Ziel erreicht, dann mögen wir die Lorbeeren ernten (innere Zufriedenheit erlangen), aber das ist dann auch das ENDE. Wir müssen uns auf einen anderen Weg machen.

siehe auch:
Kurz und spitz (01): Polterer

Willis Plaudereien (9): Und und/oder oder?

Denen, die jetzt Bahnhof verstehen, sei es erklärt: Es geht um die Frage, ob jemand ein Und-Typ ist oder doch eher ein Oder-Typ – oder vielleicht beides: Ein Und-Oder-Typ. Geddit? Immer noch nicht?

Es ist ganz einfach: Es gibt die ‚berühmten‘ Fragen: Tee oder Kaffee? Meer oder Berge? Beatles oder Stones? Und derer viele mehr. Na, geht Dir so langsam ein Licht auf? Avete capito, wohin die Reise geht?

Was für ein Typ bist Du? Trinkst Du lieber Tee oder doch lieber Kaffee? Reist Du lieber ans Meer oder in die Berge? Magst Du lieber die Beatles oder doch eher die Rolling Stones?

Willi mit Helm in lila (Edelsteinminen Idar-Oberstein Juli 2019)
Willi mit Helm in lila (Edelsteinminen Idar-Oberstein Juli 2019)

Nein, ich will hier nicht in die Welt der Antonyme, der Gegensatzwörter, einsteigen, obwohl dazu natürlich viel zu schreiben wäre. Es geht hier (soviel darf doch geschrieben sein) um Antonyme im weiteren Sinne.

Was für ein Typ bist Du also? Bleiben wir bei der Frage nach Tee oder Kaffee? Der eine mag also lieber Tee als Kaffee oder umgekehrt. Manche mögen aber durchaus auch beide Getränke gern (Und-Oder-Typ). Da fällt mir natürlich gleich ein, dass ich etwas vergessen habe: die Weder-Noch-Typen, die also weder Tee noch Kaffee mögen, lieber Milch, Saft oder Wasser trinken.

O je! Wir Menschen sind schon seltsame Gebilde. Viele fragen nach dem Sinn des Lebens und stolpern schon über kleinste Kleinigkeiten wie eben diese: Was mag ich lieber? Und vor allem: Was mag meine Liebste/mein Liebster gern.

Ich weiß nicht, ob es viele dieser Deckungsgleichheiten in einer Partnerschaft geben muss, um ihr eine gewisse Dauer zu garantieren. Angeblich mögen sich Gegensätze anziehen, aber auf lange Sicht habe ich da doch meine Bedenken, was die Zeitspanne einer solchen Beziehung betrifft.

Zudem lässt es sich gut streiten, was denn nun besser (oder gesünder und/oder schöner und beglückender etc.) ist. Wie auch immer: Es ist gut, dass wir Menschen auch in solch kleinen Dingen unterschiedlich sind. Es wäre langweilig, wenn alle nur Kaffee mögen. Da käme dann aber ein Ostfriese um die Ecke (wie in der Werbung) und würde fragen: Und was ist mit Tee?!

Nein, so doch nicht … (13): In postideologischen Zeiten

    Wo man früher über Kapitalismus, Marxismus und die Qualität der Politiker stritt, geht es heute um Fleischkonsum und Vollkornrettung. Und wer meint, dass wir in postideologischen Zeiten leben, möge doch beim Elternabend vorschlagen, den Kindern beim Wandertag ein Wurstbrötchen, Vollmilchschokolade und eine Dose Cola mitzugeben, wie früher. Ebenso gut könnte man Heroin anpreisen.
    Nils Minkmar im ‚Spiegel‘

2016 wurde Minkmar mit dem Ben-Witter-Preis ausgezeichnet und geehrt als „lebenskluger Beobachter unserer kleinen Welt, der sich seinen freien Blick und sanften Spott bewahrt hat“.

Nein, so doch nicht ...
Nein, so doch nicht …

Wer ist schon frei von Ideologie? Auch wenn wir uns nicht mehr so sehr um das große Ganze streiten, so hat doch jeder sein spezielles Gedankengebäude errichtet – bei dem einen ist es eher klein, bei dem anderen eher etwas größer aufgestellt -, um gewissermaßen über die alltäglichen Runden zu kommen.

Und wenn mancher meint, die ‚große Ideologie‘ von vorgestern bemühen zu müssen, dann verbirgt sich dahinter doch ein kleinkariertes Denken, das eher Schaden anrichtet als Nutzen bringt.

So sind mir diejenigen doch lieber, Herr Minkmar, die ernährungstechnisch ins Ideologische reichende Vorstellungen haben, als solche, die Nation und Volk zu völkischem Chauvinismus verwandeln wollen.

Nein, so doch nicht … (12): Das Wörtchen ‚man‘

Kafkas Prozess beginnt damit („Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, …“), Goethe benutzte es in seinem Faust („Ich weiß, wie man den Geist des Volks versöhnt; …“). Es geht um Indefinitpronoma, also um unbestimmte Fürwörter, die sich leider nicht immer vermeiden lassen, besonders das Wörtchen ‚man‘. Die Frage, die ich hier erörtern will, ist, ob ‚man‘ frauenfeindlich ist, wenn man ‚man‘ benutzt.

In diesem Blog bemühe ich mich, das Wörtchen ‚man‘ tunlichst zu vermeiden. ‚Man‘ klingt wie Mann. Ist aber ‚man‘ mit Mann gleichzusetzen? Werden Frauen also diskriminiert, weil ’s immer nur ‚man‘ und nie ‚frau‘ heißt?

Das Wörtchen ‚man‘ ist wie jemand (siehe Kafka), alle, einer, manche, wer, etwas, einige, andere ein Indefinitpronomen, also unbestimmtes Fürwort. Pronomen treten „an die Stelle eines Nomens (Substantiv; deutsch Namenwort)“ und das Wörtchen ‚man‘ verwenden wir insbesondere dann, wenn wir etwas verallgemeinern, also nicht konkret von einer Person, Sache usw. sprechen. Und ‚man‘ taucht noch in vielen anderen Wörtern auf wie mancherlei – manchmal – mannigfach. Und gibt es da noch jedermann (Hugo von Hofmannsthal und Salzburg lassen grüßen).

Nein, so doch nicht ...
Nein, so doch nicht …: Das Wörtchen ‚man‘

Wie verhält es sich nun mit der ‚Männlichkeit? Was dafür spricht, ist das generische Maskulinum, die Benutzung der verallgemeinernden männlichen Form, z.B. Man hat sein Glück gemacht, wenn … Das Possessivpronomen (besitzanzeigende Fürwörter) ’sein‘ ist männlich (so wie: Er hat sein Glück gemacht!).

Nun habe ich aber zur Etymologie von ‚man‘ gelesen (pinkstinks.de bzw. frauensprache.com), dass ‚man‘ im ursprünglichen Altnordischen „Frau“ (engl. woman) bedeutet. Das Wort für „Mann“ war nicht ‚man‘, sondern ‚wer‘, aus der Sanskritwurzel vir, wie in wer-wulf, dem Wolfsmann. Und die englische Isle of Man war z.B. der Mondfrau geweiht, die auch als Seejungfrau daher kam. Im Europa des Altertums sei es Mana, die Mondmutter, gewesen, die die Menschen hervorbrachte. Dem widerspricht allerdings, was ich über den Namen der Isle of Man gelesen habe. Danach lehnt sich ‚Man‘ an das keltische Wort für Berg, könnte allerdings auch der Name eines Königs sein. Männlich oder weiblich? Mann oder Frau? Wer weiß es genau? Wie auch immer …

Der Duden sagt, dass die Herkunft mittelhochdeutsch, althochdeutsch sei und ‚man‘ eigentlich irgendeiner, jeder beliebige (Mensch!) meint. Oder an anderer Stelle: ‚man‘ meint irgend jemand, manche oder alle Menschen, formal sind Frauen mitgemeint, wenn MAN „man“ sagt:

Der Duden geht dann noch etwas mehr in die Tiefe und definiert ‚man‘ u.a. mit:

– jemand (sofern er in einer bestimmten Situation stellvertretend für jedermann genommen werden kann), z.B. … man nehme … (wie viele Kochbücher müssten umgeschrieben werden, wenn …)

– irgendjemand oder eine bestimmte Gruppe von Personen, z.B. … man vermutet … (es wird allgemein vermutet)

– du, ihr, Sie; er, sie (zum Ausdruck der Distanz, wenn jemand die direkte Anrede vermeiden will), z.B. … hat man sich gut erholt? …

Und im digitalen Grimm (Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm) finden MAN u.a.:

man, seit der mhd. zeit im gebrauche […], sagt ohne bezug auf ein bestimmtes subject im allgemeinen aus, was zugleich von mehreren gelten kann (gramm. 4, 220); bei dieser allgemeinheit ist eine mehrheit verstanden, man menschen, leute …

Wie gesagt: Das Wörtchen ‚man‘ verallgemeinert. Und deshalb versuche ich, es zu umgehen. Wer laufend ‚man‘ benutzt, bleibt im Unbestimmten. Wir wollen angesprochen werden (wir oder ihr statt ‚man‘).. Oder wir wollen, dass sich der Schreiber zu erkennen gibt (ich statt ‚man‘).

Auf jeden Fall finde ich die Verwendung von ‚frau/man‘ statt ‚man‘ für – na ja – unpassend. Ich bin durchaus für eine geschlechtergerechte Sprache. Aber mit diesem ‚frau/man‘ ginge der Schuss nach hinten los. Nein, so doch nicht …!

Zuletzt: Nun, ich komme aus norddeutschem Gefilde. Und da gibt es eine Eigenheit mit dem Wörtchen ‚man‘, das nur hier zu finden ist: ‚man‘ als Adverb (Umstandswort), norddeutsch umgangssprachlich für nur, mal, z.B.:

– lass man gut sein!
– na, denn man los!

Ja, richtig: Lass man gut sein, Willi!