Kategorie-Archiv: Weihnachten

Frohe Weihnachten allen Leut‘

Vorweihnachtszeit 2012 (16): Weiße Weihnacht im Norden?

Die Frage, die sich jedes Jahr aufs Neue stellt, ist die Frage nach dem Wetter zu Weihnachten, insbesondere zu Heiligabend. In den letzten Tagen gab es zwar reichlich Prognosen, die aber immer wieder durch neue und andere überholt wurden. Interessant ist natürlich zunächst, wie das Wetter an den Tagen vor Weihnachten ist. Schnee hatten wir ja bereits einigen, aber seit dem letzten Wochenende regnet es immer wieder bei Plus-Temperaturen um die 5 ° C – lediglich einige vor Tagen aufgetürmte Schneehaufen präsentieren sich heute noch als geschrumpfte Eisklumpen.

Wetter in Norddeutschland – 24.12.2012 (Heiligabend)

Wie wird also das Wetter? Für mich interessiert natürlich in erster Linie das Wetter an meinem Wohnort irgendwo zwischen Bremen und Hamburg in der norddeutschen Tiefebene (richtiger soll die Bezeichnung norddeutsches Tiefland sein – ich bleibe und liebe aber nun einmal den Begriff Tiefebene). Nach dem heutigen Stand könnte es ab morgen Abend bei leichtem Dauerfrost schneien und der Schneefall bis zum Sonntagabend anhalten (d.h. nicht, dass es andauernd schneien wird). Entgegen der Prognose von gestern steigen die Temperaturen am Heiligabend aber wieder in den Plus-Bereich mit Sprühregen, ab ersten Weihnachtstag sogar wieder mit Dauerregen. Danach soll es größtenteils trocken bleiben. Der Winter findet wohl wieder woanders statt.

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Mit Glück werden wir hier im Norden also am Heiligabend etwas Schnee liegen haben. Aber so ganz sicher ist bis heute noch nichts. Im Westen bleibt es dagegen regnerisch und milde. Lassen wir uns also überraschen. Am Wetter eine Schraube drehen können wir nicht. Ist dann aber auch besser so …

Nachtrag: Die Wettervorhersage wurde schon wieder ‚angepasst‘: Bereits am Sonntag (23.12.) wechselt das Wetter von Schnee zu Regen – an weiße Weihnachten ist also auch im Norden Deutschlands kaum zu denken.

Vorweihnachtszeit 2012 (15): Karl May – Weihnachten

Ich komme noch einmal auf Karl May zu sprechen, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 170. Mal jährt. Außerdem wird seines 100. Todestages gedacht (siehe meine Beiträge Karl May: Durch die Wüste und Karl May-Filme (1): Die Sklavenkarawane (1958) – Der Löwe von Babylon (1959)). Karl May hat nämlich eine längere Erzählung verfasst, in der er uns u.a. als bekannter Held, Old Shatterhand, über den Weg läuft. Der Wilde Westen also im weihnachtlichem Gewand. Hier zum Abschluss des Karl May-Jahres die Erzählung:

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Welch ein liebes, liebes, inhaltsreiches Wort! Ich behaupte, daß es im Sprachschatze aller Völker und aller Zeiten ein zweites Wort von der ebenso tiefen wie beseligenden Bedeutung dieses einen weder je gegeben hat noch heute giebt. Dem gläubigen Christen ist es der Inbegriff der heißersehnten Erfüllung langen Hoffens auf die Erlösung aller Kreatur, und auch für den Zweifler bedeutet es eine alljährlich wiederkehrende Zeit allgemeiner Festlichkeit, der Familienfreude und der strahlenden Kinderaugen. Jenem leuchtet in der tiefsten Tiefe seines Herzens der Wahrspruch »Jesus Christus gestern und heut und derselbe in alle Ewigkeit!« und dieser stimmt wohl unwillkürlich auch mit ein oder läßt wenigstens seine Kinder einstimmen in den Frohgesang

»Welt ging verloren,
Christus ward geboren;
Freue dich, o Christenheit!«

Unter Palmen ging der längst erwartete Zweig Isais, des Bethlehemiten, auf, und über Bethlehem strahlte der Stern, welcher die Weisen aus dem Morgenlande zu der Weihnachtskrippe leitete. »Ehre sei Gott in der Höhe!« sangen die himmlischen Heerscharen über diese Stadt, von welcher ein Strahl des Lichtes ausgangen ist, der alle Welt erleuchten und beglücken soll. »Friede auf Erden!« erklang es nach dem himmlischen Gloria, und der Friede, dessen Sinnbild noch heut die Palmen sind, hat sich von dorther ausgebreitet über alle Länder und in alle Herzen, welche seinem Einzuge offen standen. Und wo im Norden keine Palmen wehen, da haben ihre Wedel sich in Tannenzweige verwandelt, welche Sterne und Lichter tragen in der schönen seligen Zeit, welcher die Worte des Propheten gelten: »Mache dich auf, und werde Licht, denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht über dir auf!« Da glänzt der Weihnachtsbaum im Palaste und in der Hütte; da schallen Glockenklänge, um die Geburt des Erlösers zu verkünden, durch die stille Nacht, und von allen Kanzeln und Altären, von Mund zu Mund erklingt der Engelsruf: »Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allen Nationen widerfahren wird, denn Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Davidsstadt!«

[…]

Karl May: Weihnachten

Vorweihnachtszeit 2012 (14): Robert Walser – Die kleine Schneelandschaft

„25. Dezember 1956. Eine trockene Kälte durchflutet den Abend. Eine Lautlosigkeit fällt wortkarg zu Boden. In grau-müdem Weiß liegt Stille über der Natur. Die Tannen des Waldes haben schwer zu tragen. Bedeckt von Schnee und Eis halten sie ihre hängenden Glieder in den flüchtenden Tag. Ehrfürchtig, schüchtern, gleichwohl verwegen und still. Ein Pfad zeichnet sich mühsam ordnend durch die Willkürlichkeit des Waldes. Abseits des Weges liegt eine Gestalt im Schnee. Es ist Robert Walser. Er liegt friedlich am Boden. Allein. Erfroren. Keinerlei Fußspuren, die seinen Werdegang bezeugen könnten. Walsers letzter Spaziergang wird Teil des eigenen literarischen Schaffens, Walser selbst wird an seinem letzten Tag zu seiner eigenen Romanfigur.

Robert Walser beschreibt diese Art des Todes bereits in dem 1907 erschienenen Roman ‚Geschwister Tanner’. Dort ist es der Dichter Sebastian, der von einem Spaziergang nicht mehr heimkehrt, sondern schneebedeckt im Wald aufgefunden wird. Allein mit sich und der Natur. ‚Die beste Musik für einen’ schreibt Walser, ‚der kein Gehör und kein Gefühl mehr hat’.“ (Quelle: cicero.de)

Wir müssen uns hier im Norden Deutschlands wohl wieder auf ein Weihnachtsfest ohne Schnee einstellen. Der Regen des Wochenendes hat den Schnee der letzten Woche erst schrumpfen lassen. Jetzt ist er fast völlig dahin …

So greife ich auf eine Prosadichtung des Schweizers Robert Walser zurück, dem Sonderling und eigenartigen Poeten, dessen Erzählungen „durch die zeitlose Anmut ihres Vortrags, durch die zart und absichtslos spielende Magie“ bezaubern, wie Hermann Hesse schrieb (siehe meinen Beitrag Heute Ruhetag (17): Robert Walser – Der Gehülfe). Er beschreibt in wundersamen Worten eine Schneelandschaft. So nehmen wir die Phantasie zu Hilfe und erträumen uns mit Walsers Unterstützung eine winterlich-weihnachtliche Landschaft, in der die Sonne sich im Schnee reflektiert, Eisblumen an den Fenster ‚blühen’ und Kinder eine Schneeballschlacht veranstalten.

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Gestern haben wir Schnee bekommen, und heute in der Morgenfrühe ging ich hinaus zur sorgsamen und ruhigen Besichtigung der Schneelandschaft. Niedlich, wie ein artiges Kätzchen, das sich geputzt hat, liegt jetzt das reiche, liebliche Land da. Jedes Kind, sollte ich meinen, kann die Schönheit einer Schneelandschaft im Herzen verstehen, das feine saubere Weiß ist so leicht verständlich, ist so kindlich. Etwas Engelhaftes liegt jetzt über der Erde, und eine süße, reizvolle Unschuld liegt weißlich und grünlich ausgebreitet da. Ich freute mich über meine Aufgabe, über das Amt, über die angenehme Pflicht, die mir vorschrieb, sorgfältig und aufmerksam Notiz vom Schnee und seinen Reizen zu nehmen. Wunderbare Feinheit und Schönheit lag darin, daß das Gras so artig und mit so zarten Spitzen aus der Schneefläche herausschaute. Ich ging wieder zu meinem alten unverwüstlichen, gütigen Zauberer, zum Wald, und zum Wald wie im Traum wieder hinaus, und da lag es da, das Kinderland in seiner Kinderfarbe. Die Bäumchen und Bäume schienen einen graziösen Tanz auf dem weißen Felde aufzuführen, und die Häuser hatten weiße Mützen, Kappen, Kopfbedeckungen oder Dächer. Es sah so appetitlich, so lockig, so lustig und so lieb aus, ganz wie das zarte, süße Kunstwerk eines geschickten Zuckerbäckers. Noch ein Morgenlicht leuchtete in einem Fenster, und ein anmutig Haus stand in einiger Entfernung, das hatte Fenster wie Augen, welche fröhlich und listig blinzelten. Das Haus war wie ein Gesicht, und die fünf grünen Fenster waren wie seine Augen. Geh doch hin, lieber Leser, noch steht das zauberische Landbild da, mit Schnee auf seinem lieblichen Antlitz. Man darf nur nie zu träge sein und sich vor ein paar hundert Schritten nicht fürchten, zeitig aus dem Faulenzerbett aufstehen, sich auf die Glieder stellen und nur ein wenig hinauswandern, so sieht sich das Auge satt, und das freiheitsbedürftige Herz kann aufatmen. Geh hin zu der artigen Schneelandschaft, welche dich wie mit einem schönen freundschaftlichen Munde anlächelt. Lächle auch du sie an und grüße sie von mir.

Robert WalserDie kleine Schneelandschaft

Vorweihnachtszeit 2012 (13): Erich Kästner – Weihnachtslied, chemisch gereinigt

Emil Erich Kästner (1899 – 1974) war ein deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor und Verfasser von Texten für das Kabarett, der vor allem wegen seiner humorvollen, scharfsinnigen Kinderbücher und seiner humoristischen bis zeitkritischen Gedichte bekannt geworden ist. Wie Kurt Tucholsky war er freier Mitarbeiter der Zeitschrift Die Weltbühne. Sein „Weihnachtslied, chemisch gereinigt“ lässt sich auf der Melodie von „Morgen, Kinder, wird’s was geben!“ auch gesanglich anstimmen. Ja, Morgen (in einer Woche) wird’s was geben …

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht so weit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bißchen durch die Straßen!
Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen –
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt’s an Holz!
Stille Nacht und heil’ge Nacht –
Weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Wer nichts kriegt, der Kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit …
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Erich KästnerWeihnachtslied, chemisch gereinigt
(Nach der Melodie: „Morgen, Kinder, wird’s was geben!“)

Vorweihnachtszeit 2012 (12): Nachdenken über Weihnachten

Nur noch zehn Tage bis zum Heiligen Abend. Fieberhaft machen sich noch viele auf den Weg nach Geschenken für die Lieben. Und wer im Einzel- oder Großhandel arbeitet, weiß auf eigene Weise, was die Vorweihnachtszeit ihnen beschert: vermehrt Arbeit, denn das Geschäft blüht! Der Dezember ist ein Spitzenmonat, in dem ein Vielfaches von dem umgesetzt wird als sonst in den anderen Monaten. Nicht nur der Kunde gerät in Stress, sondern natürlich auch der Verkäufer. Überstunden, wegen der Witterung zeitlich verlängerte Wege zwischen dem Arbeitsplatz und dem Zuhause, summa summarum weniger Freizeit und weniger Möglichkeit zum Entspannen.

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Und gerade die Vorweihnachtszeit sollte eine Zeit der Muße, der Besinnung, des Nachdenkens sein. Aber es wird nur darüber nachgedacht, welche ‚Freude’ man den Lieben mit welchen Geschenken machen kann.

Und nicht nur der Handel ist betroffen; z.B. in öffentlichen Einrichtungen beginnt schon Wochen zuvor, was man schlechthin als Herbstfieber bezeichnet und das bis in die Zeit vor Weihnachten reicht: Gelder müssen bis zum Jahresende ausgegeben werden, denn das Problem ist, dass nicht genutztes Geld nicht einfach auf später übertragen werden kann. Es verfällt. Und im nächsten Jahr gibt’s dann vielleicht sogar weniger Geld für Anschaffungen, die eigentlich dringend nötigt sind. Also wuselt man herum, eröffnet kurzfristig Ausschreibungsverfahren, die sich schon so schleppend genug dahinquälen. „Abends werden die Faulen fleißig“, heißt es, und wenn der Herbst beginnt.

Und meist kommt es noch schlimmer. Endlich ist Heiligabend erreicht. Die Geschäfte sind überfüllt, weil viele noch die letzte Einkaufsmöglichkeit nutzen wollen. Und dann zu Hause muss der Weihnachtsbaum aufgestellt, das Essen gekocht und die letzten Geschenke verpackt werden. Ich kenne die Statistik nicht, aber denke, dass die meisten Familienstreitigkeit am Heiligabend ausgetragen werden. Mit oder ohne Verletzte.

Ist es da verwunderlich, dass viele Weihnachten einfach hassen?

Man muss nicht unbedingt ‚Systemkritiker’ sein, um diese Art von Weihnachten zu verachten. Dieser Rummel passt nicht zum ‚Fest der Liebe’. Aber auch mit dem sprichwörtlichen ‚Friede, Freude, Eierkuchen’ sollte Weihnachten möglichst wenig zu tun haben. Tannenduft und Kerzenrauch – sicherlich gehört das schon traditionell zu Weihnachten. Und wenn’s nicht übertrieben wird (ich denke da an die blinkenden, bonbonfarbenden Lichterketten, mir wird schlecht davon), dann sieht’s nicht nur schön aus, sondern erfreut auch die Seele.

Mit Weihnachten wird gewissermaßen die letzte Runde des alten Jahres eingeläutet und damit eine Zeit, die geeignet ist, das Jahr einmal Revue passieren zu lassen. Es muss nicht ein Jahresrückblick sein, wie es die Fernsehsender zur Genüge ausstrahlen. Es wird eher ein persönliches Resümee sein, das zum Nachdenken anregen sollte, um aufzuzeigen, was wir im nächsten Jahr anders, vielleicht sogar besser machen könnten, ohne uns gleich mit zu vielen ‚guten Vorsätzen’ zu belasten.

In diesem Sinne, mit Besinnung, aber auch heiterer Gelassenheit, sollten wir Weihnachten feiern. Und wenn’s nicht gerade die Geschenke sind, die wir uns gewünscht haben, so können wir vielleicht den guten Willen zählen lassen, der sich hinter der Bescherung verbirgt.

Tief Luft holen und durch … Schöne Bescherung, meine Lieben!

Vorweihnachtszeit 2012 (11): Kurt Tucholsky – Groß-Stadt-Weihnachten

Kurt Tucholsky zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. Als politisch engagierter Journalist und zeitweiliger Mitherausgeber der Wochenzeitschrift Die Weltbühne erwies er sich als Gesellschaftskritiker in der Tradition Heinrich Heines. Zugleich war er Satiriker, Kabarettautor, Liedtexter, Romanautor, Lyriker und Kritiker (Literatur, Film, Musik). Er verstand sich selbst als linker Demokrat, Sozialist, Pazifist und Antimilitarist und warnte vor der Erstarkung der politischen Rechten – vor allem in Politik, Militär und Justiz – und vor der Bedrohung durch den Nationalsozialismus. (Quelle: wikipedia.org)

Sein Gedicht „Groß-Stadt-Weihnachten“ führt uns ins Berlin der Zeit vor dem ersten Weltkrieg (1913), ist also genau 99 Jahre alt, und hat etwas von ‚Berliner Schnauze’. Das Ende des Gedichtes verheißt nichts Gutes:

Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden …
»Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug.«

1913 sollte das letzte Weihnachten in Frieden sein.

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Nun senkt sich wieder auf die heim’schen Fluren
die Weihenacht! die Weihenacht!
Was die Mamas bepackt nach Hause fuhren,
wir kriegens jetzo freundlich dargebracht.

Der Asphalt glitscht. Kann Emil das gebrauchen?
Die Braut kramt schämig in dem Portemonnaie.
Sie schenkt ihm, teils zum Schmuck und teils zum Rauchen,
den Aschenbecher aus Emalch glasé.

Das Christkind kommt! Wir jungen Leute lauschen
auf einen stillen heiligen Grammophon.
Das Christkind kommt und ist bereit zu tauschen
den Schlips, die Puppe und das Lexikohn,

Und sitzt der wackre Bürger bei den Seinen,
voll Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn,
dann ist er mit sich selbst zufrieden und im reinen:
»Ach ja, son Christfest is doch ooch janz scheen!«

Und frohgelaunt spricht er vom ›Weihnachtswetter‹,
mag es nun regnen oder mag es schnein,
Jovial und schmauchend liest er seine Morgenblätter,
die trächtig sind von süßen Plauderein.

So trifft denn nur auf eitel Glück hienieden
in dieser Residenz Christkindleins Flug?
Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden …
»Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug.«

Kurt TucholskyGroß-Stadt-Weihnachten
(Erstveröffentlichung unter dem Pseudonym Theobald Tiger in „Die Schaubühne“, 25.12.1913, Nr. 52, S. 1293) – auch als Podcast zu hören: Groß-Stadt-Weihnachten

Vorweihnachtszeit 2012 (10): Die schönsten Weihnachtsmärchen der Welt

Schnee haben wir ja bereits, auch wenn zu befürchten ist, dass dieser spätestens am Wochenende durch Regen dahinschmelzen wird. Die Wetteraussichten für Weihnachten sind noch nicht eindeutig, vieles deutet für uns hier im Norden daraufhin, die Festtage eher im Grünen zu verbringen.

Nun wer sich nicht allzu sehr vom vorweihnachtlichen Stress gefangen nehmen lässt, wer sich trotz Arbeit und der Widrigkeiten, die Schnee und besonders Glatteis auf den Straßen und Gleisen verursachen, nicht ‚beeindrucken’ lässt, wer spätestens am Abend etwas Muße findet, um zu entspannen, wird vielleicht im Bücherschrank die Lektüre finden, die ihn und sie zur ‚Besinnung’ kommen lässt.

Immer wieder gehören zu einer vorweihnachtlichen Lektüre auch Märchen der Advents-, Weihnachts- und Winterszeit. Dazu müssen nicht unbedingt kleine Kinder im Hause sein. Aber natürlich ist das noch schöner, den Kleinen solche Märchen vorzulesen. Online im Netz gibt es dazu das Projekt Gutenberg-DE! bei Spiegel Online oder das angelsächsische Pentant Project Gutenberg (natürlich auch mit deutschen Texten). Allein das Kramen und Suchen hier macht schon viel Spaß.

Beim deutschen Gutenberg-Projekt gibt es eine Sammlung solcher Märchen, die sich mit der Winter- und Weihnachtszeit befassen. Es sind gesammelte Märchen u.a. von den Brüder Grimm (in diesen Tagen vor 200 Jahren erschien ja der erste Band ihrer gesammelten „Kinder- und Hausmärchen“) und Ludwig Bechstein – oder Kunstmärchen von Hans Christian Andersen, Wilhelm Hauff und Theodor Storm. Und es gibt hier Volksmärchen aus aller Herren Länder von Irland über Island bis Sibirien – und auch auf Niederdeutsch (Plattdeutsch) …: Die schönsten Weihnachtsmärchen der Welt

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Eines der kürzesten Märchen, die ich kenne, findet sich hier auch. Vielleicht hat es nur wenig mit Winter und noch weniger mit Weihnachten zu tun. Was mit der Mutter wurde, ist nicht klar – aber in der Kürze liegt hier die Würze und es endet strahlend …

Eine junge Königstochter hieß Schneeblume, weil sie weiß wie der Schnee war und im Winter geboren. Eines Tages war ihre Mutter krank geworden, und sie ging in den Wald und wollte heilsame Kräuter brechen. Wie sie nun an einem großen Baum vorüberging, flog ein Schwarm Bienen heraus und bedeckten ihren ganzen Leib von Kopf bis zu den Füßen. Aber sie stachen sie nicht und taten ihr nicht weh, sondern trugen Honig auf ihre Lippen, und ihr ganzer Leib strahlte ordentlich von Schönheit.

Brüder Grimm: Schneeblume

Vorweihnachtszeit 2012 (9): William Butler Yeats – Die Anbetung der heiligen drei Könige

William Butler Yeats (1865 – 1939) war ein irischer Dichter. Er gilt als einer der bedeutendsten englischsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. 1923 erhielt er den Literaturnobelpreis. In romantischen Stimmungsbildern schilderte er die alten Kelten und ihre Mythen, wie er sie sah. Seine Werke sind gekennzeichnet von verträumter Atmosphäre und irischer Folklore. Kein Wunder also, wenn seine Erzählung von der Anbetung der heiligen drei Könige geprägt ist von wundersamen Dingen, die das christliche Motiv in ein gälisches Märchen verwandeln.

Besonders beeindruckend finde ich den Schluss der Erzählung mit dem Gebet in gälischer Sprache – und den Gedanken, mit den drei alten Männern auch wieder den Unsterblichen begegnet zu sein. Das ist fernab des weihnachtlichen Einkaufstrubels. Dafür gönne ich mir (ähnlich den drei alten Männer: „Nacht für Nacht im Winter trugen ihnen gälische Märchenerzähler über einem Krug Whiskey alte Dichtungen vor“) abends einen wee dram of whisky … wenn’s auch kein irischer, sondern ‚nur’ ein schottischer ist (single malt versteht sich): Slàinte mhath!

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Nicht lange nach meiner letzten Begegnung mit Aherne war es, als ich spät nachts, in meine Bücher vertieft, ein leises Klopfen an meiner Haustür vernahm. An der Schwelle fand ich drei sehr alte Männer mit dicken Stöcken in den Händen, die sagten, es sei ihnen mitgeteilt worden, daß ich auf sei und daß ich bereit sei, und sie hätten mir wichtige Dinge zu sagen.

[…]

Das ist alles, was mir die Alten erzählt haben, und wenn ich mich ihrer Rede und ihres Schweigens entsinne, ihres Kommens und Gehens, dann bin ich fast überzeugt, ich hätte, wenn ich nach ihnen das Haus verlassen, keine Fußspuren im Schnee gefunden. Nach allem, was ich oder irgend jemand hierüber sagen kann, mögen sie selber Unsterbliche gewesen sein, unsterbliche Dämonen, gekommen, um meinem Geiste eine unwahre Geschichte einzugeben, zu einem Zweck, den ich nicht kenne. Wer immer sie gewesen sein mögen, sicherlich habe ich einen Weg eingeschlagen, der mich von ihnen und der Chymischen Rose entfernen wird. Nicht länger mehr lebe ich ein sorgfältiges und hochmütiges Leben, sondern bin bestrebt, mich unter den Gebeten und den Sorgen der Menge zu verlieren. Am liebsten bete ich in den Kirchen der Armen, wo grobe Kittel mich streifen, wenn ich niederknie; und wenn ich ein Stoßgebet gegen die bösen Geister verrichte, dann wiederhole ich ein Gebet, das, ich weiß nicht vor wieviel Jahrhunderten, gelispelt worden, um irgendeinem gälischen Mann oder einer Frau beizustehen, die an einem Leiden gleich dem meinen gelitten.

Seacht b-páidreacha fó seacht
Chuir Muire faoi n-a Mac,
Chuir Brighid faoi n-a brat,
Chuir Dia faoi n-a neart
Eidir sinn ’san Sluagh Sidhe
Eidir sinn ’san Sluagh Gaoith.

Sieben Patres siebenmal
Senden Marien durch ihren Sohn,
Senden Brigitt durch den Mantel,
Senden Gott durch seine Kraft
Zwischen uns und die Zauberschar,
Zwischen uns und die luftgen Geister.

William Butler Yeats: Die Anbetung der heiligen drei Könige (aus: Erzählungen und Essays)

Vorweihnachtszeit 2012 (8): Joachim Ringelnatz – Die Weihnachtsfeier des Seemanns Kuttel Daddeldu

Bevor Joachim Ringelnatz (eigentlich Hans Gustav Bötticher) eine Laufbahn als Kabarettist und Schriftsteller begann, war er als Seemann unterwegs. Meist mit weniger guten Erfahrungen. Aber daraus resultiert eine Kunstfigur, die des Seebären Kuttel Daddeldu, die Hauptfigur in diversen schwarzhumorigen Balladen und Moritaten von Ringelnatz. Weihnachten kommt bei Kuttel Daddeldu auch vor, wenn auch ‚nordisch herb’, aber herzlich, wie eben bei Seeleuten üblich:

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Die Springburn hatte festgemacht
Am Petersenkai.
Kuttel Daddeldu jumpte an Land,
Durch den Freihafen und die stille heilige Nacht
Und an dem Zollwächter vorbei.
Er schwenkte einen Bananensack in der Hand.
Damit wollte er dem Zollmann den Schädel spalten,
Wenn er es wagte, ihn anzuhalten.
Da flohen die zwei voreinander mit drohenden Reden.
Aber auf einmal trafen sich wieder beide im König von Schweden.

Daddeldus Braut liebte die Männer vom Meere,
Denn sie stammte aus Bayern.
Und jetzt war sie bei einer Abortfrau in der Lehre,
Und bei ihr wollte Kuttel Daddeldu Weihnachten feiern.

Im König von Schweden war Kuttel bekannt als Krakehler.
Deswegen begrüßte der Wirt ihn freundlich: »Hallo old sailer!«
Daddeldu liebte solch freie, herzhafte Reden,
Deswegen beschenkte er gleich den König von Schweden.
Er schenkte ihm Feigen und sechs Stück Kolibri
Und sagte: »Da nimm, du Affe!«
Daddeldu sagte nie »Sie«.
Er hatte auch Wanzen und eine Masse
Chinesischer Tassen für seine Braut mitgebracht.

Aber nun sangen die Gäste »Stille Nacht, Heilige Nacht«,
Und da schenkte er jedem Gast eine Tasse
Und behielt für die Braut nur noch drei.
Aber als er sich später mal darauf setzte,
Gingen auch diese versehentlich noch entzwei,
Ohne daß sich Daddeldu selber verletzte.

Und ein Mädchen nannte ihn Trunkenbold
Und schrie: er habe sie an die Beine geneckt.
Aber Daddeldu zahlte alles in englischen Pfund in Gold.
Und das Mädchen steckte ihm Christbaumkonfekt
Still in die Taschen und lächelte hold
Und goß noch Genever zu dem Gilka mit Rum in den Sekt.
Daddeldu dacht an die wartende Braut.
Aber es hatte nicht sein gesollt,
Denn nun sangen sie wieder so schön und so laut.
Und Daddeldu hatte die Wanzen noch nicht verzollt,
Deshalb zahlte er alles in englischen Pfund in Gold.

Und das war alles wie Traum.
Plötzlich brannte der Weihnachtsbaum.
Plötzlich brannte das Sofa und die Tapete,
Kam eine Marmorplatte geschwirrt,
Rannte der große Spiegel gegen den kleinen Wirt.
Und die See ging hoch und der Wind wehte.

Daddeldu wankte mit einer blutigen Nase
(Nicht mit seiner eigenen) hinaus auf die Straße.
Und eine höhnische Stimme hinter ihm schrie:
»Sie Daddel Sie!«
Und links und rechts schwirrten die Kolibri.


Blick in die Mattentwiete/Hamburg

Die Weihnachtskerzen im Pavillon an der Mattentwiete erloschen.
Die alte Abortfrau begab sich zur Ruh.
Draußen stand Daddeldu
Und suchte für alle Fälle nach einem Groschen.
Da trat aus der Tür seine Braut
Und weinte laut:
Warum er so spät aus Honolulu käme?
Ob er sich gar nicht mehr schäme?
Und klappte die Tür wieder zu.
An der Tür stand: »Für Damen«.

Es dämmerte langsam. Die ersten Kunden kamen,
Und stolperten über den schlafenden Daddeldu.

Joachim RingelnatzDie Weihnachtsfeier des Seemanns Kuttel Daddeldu

Vorweihnachtszeit 2012 (7): Günter Grass – Advent

Heute feiern wir bereits den 2. Advent. In dieser Vorweihnachtszeit lese ich Das Weihnachtsbuch, das mit alten und neuen Geschichten, Gedichten und Liedern aufwartet, die Besinnliches, aber auch manch Kritisches enthalten.

Mit ‚Krieg im Kinderzimmer’ könnte man Günter Grass’ Gedicht „Advent“ betiteln. Grass, der erst in diesem Jahr mit einem Israel-kritischen Gedicht („Was gesagt werden muss“) für Aufregung sorgte. Aus welchem Grund auch immer erinnert mich das Gedicht „Advent“, wenn auch mit einem Augenzwinkern mehr, an Weihnachten bei Hoppenstedts von Loriot.

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Wenn Onkel Dagobert wieder die Trompeten vertauscht
und wir katalytisches Jericho mit Bauklötzen spielen,
weil das Patt der Eltern
oder das Auseinanderrücken im Krisenfall
den begrenzten Krieg,
also die Schwelle vom Schlafzimmer zur Eskalation,
weil Weihnachten vor der Tür steht,
nicht überschreiten will,
wenn Onkel Dagobert wieder was Neues,
die Knusper-Kneißchen-Maschine
und ähnliche Mehrzweckwaffen Peng! auf den Markt wirft,
bis eine Stunde später Rickeracke . . . Puff . . . Plops!
der konventionelle, im Kinderzimmer lokalisierte Krieg
sich unorthodox hochschaukelt,
und die Eltern,
weil die Weihnachtseinkäufe
nur begrenzte Entspannung erlauben,
und Tick, Track und Trick,
das sind Donald Ducks Neffen, –
wegen nichts Schild und Schwert vertauscht haben,
ihre gegenseitige, zweite und abgestufte,
ihre erweiterte Abschreckung aufgeben,
nur noch minimal flüstern, Bitteschön sagen,
wenn Onkel Dagobert wieder mal mit den Panzerknackern
und uns, wenn wir brav sind, doomsday spielt,
weil wir alles vom Teller wegessen müssen,
weil die Kinder in Indien Hunger haben
und weniger Spielzeug und ABC-Waffen,
die unsere tägliche Vorwärtsverteidigung
vom Wohnzimmer bis in die Hausbar tragen,
in die unsere Eltern das schöne Kindergeld stecken,
bis sie über dreckige Sachen lachen,
kontrolliert explodieren
und sich eigenhändig,
wie wir unseren zerlegbaren Heuler,
zusammensetzen können,
wenn ich mal groß und nur halb so reich
wie Onkel Dagobert bin,
werde ich alle Eltern, die überall rumstehen
und vom Kinder anschaffen und Kinder abschaffen reden,
mit einem richtigen spasmischen Krieg überziehen
und mit Trick, Track und Tick, –
das sind die Neffen von Donald Duck,
eine Familie planen,
wo bös lieb und lieb bös ist
und wir mit Vierradantrieb in einem Land-Rover
voller doll absoluter Lenkwaffen
zur Schule dürfen,
damit wir den ersten Schlag führen können;
denn Onkel Dagobert sagt immer wieder:
Die minimale Abschreckung hat uns bis heute, –
und Heiligabend rückt immer näher, –
keinen Entenschritt weiter gebracht.

Günter Grass: Advent
Aus: Gedichte und Kurzprosa © Steidl Verlag, Göttingen 1993/2007

Vorweihnachtszeit 2012 (6): Das Christkind & das Finanzamt

Unter dem Motto „Spaßige Weihnachten“ hier ein Gedicht, das die Probleme aufzeichnet, die das Christkind mit dem Finanzamt haben könnte, wenn alles nach Recht und Gesetz ginge.

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Weihnachtsgedicht vom Finanzamt

Denkt Euch ich habe das Christkind gesehen,
es war beim Finanzamt zu betteln und fleh´n.
Denn das Finanzamt ist gerecht und teuer,
verlangt vom Christkind die Einkommensteuer.

Das Amt will noch wissen, ob es angehen kann,
dass das Christkind so viel verschenken kann.
Das Finanzamt hat so nicht kapiert,
wovon das Christkind dies finanziert.

Das Christkind rief: „Die Zwerge stellen die Geschenke her“,
da wollte das Finanzamt wissen, wo die Lohnsteuer wär.
Für den Wareneinkauf müsste es Quittungen geben,
und die Erlöse wären anzugeben.

„Ich verschenke das Spielzeug an Kinder“, wollte das Christkind sich wehren,
dann wäre die Frage der Finanzierung zu klären.
Sollte das Christkind vielleicht Kapitalvermögen haben,
wäre dieses jetzt besser zu sagen.

„Meine Zwerge besorgen die Teile,
und basteln die vielen Geschenke in Eile“
Das Finanzamt fragte wie verwandelt,
ob es sich um innergemeinschaftliche Erwerbe handelt.

Oder kämen die Gelder, das wäre ein besonderer Reiz,
von einem illegalen Spendenkonto aus der Schweiz.
„Ich bin doch das Christkind, ich brauche kein Geld,
Ich beschenke doch die Kinder in der ganzen Welt.“

„Aus allen Ländern kommen die Sachen,
mit denen wir die Kinder glücklich machen.“
Dieses wäre ja wohl nicht geheuer,
denn da fehle ja die Einfuhrumsatzsteuer.

Das Finanzamt, von diesen Sachen keine Ahnung,
meinte dies wäre ein Fall für die Steuerfahndung.

Mit diesen Sachen, welch ein Graus,
fällt Weihnachten dieses Jahr wohl aus.
Denn das Finanzamt sieht es so nicht ein,
und entzieht dem Christkind den Gewerbeschein.

Quelle: weihnachten.machtspass.com