Kategorie-Archiv: Tatort

Tatort-TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Schweiger, der Rächer

Mit einer Woche Verspätung habe ich ‚ihn’ mir nun doch angeschaut – den neuen Tatort aus Hamburg mit Til Schweiger. Ich wollte nun doch wissen, ob das zuviel Schweiger oder wenigstens noch etwas Tatort geworden ist.

„Der neue Tatort aus Hamburg hatte eine Rekord-Einschaltquote – und er ist gar nicht schlecht. Nur Til Schweiger nervt halt. Die Rolle des Nick Tschiller wurde ihm so bemüht auf den Leib geschrieben, dass noch der unaufmerksamste Zuschauer mitkriegt: Dieser Kommissar ist ein ganzer Kerl, ein echter Held. Das ist leider zu viel.“ So steht’s in der Süddeutschen geschrieben.

Dem kann ich mich nur anschließen. Mit diesem neuen Tatort geht es mir wie beizeiten mit dem neuen James Bond. Dieser war nicht mehr ‚mein’ James Bond (Gerührt oder geschüttet? Der neue Bond ist da). Und der actiongeladene Tatort aus Hamburg ist nicht ein Tatort, wie ich ihn mag: nah bei der Realität. In fast jeder Szene war dieser Krimi dermaßen überzogen, dass ihn dann wohl keiner mit der Wirklichkeit verwechseln konnte. Das war wohl auch nicht die Absicht des Drehbuchautoren.

Tatort Hamburg: Willkommen in Hamburg (2013)

Til Schweiger durfte dafür den Helden spielen, der er gern sein möchte (Schweigers Motto: It’s better to have a gun and don’t need it, than to need a gun and don’t have itTrue Romance): Unerschrocken, von schönen Frauen angehimmelt, draufgängerisch – und liebevoll zu geschundenen, minderjährigen Prostituierten. Das Thema hatten wir erst vor kurzem in einer Doppelfolge Tatort, nur eine Hausnummer weiter: Wegwerfmädchen und Das goldene Band – Ende 2012 aus Hannover. Auch darin ging es um Menschenhandel, wie junge Frauen aus dem ehemaligen Ostblock zu uns gelockt und zur Prostitution gezwungen werden. Wie in Hannover so wird auch in Hamburg eine Handvoll Männer der Upperclass mit jungen Mädchen ‚bedient’.

So erschreckend dieses Thema ist und Beachtung verdient, um so bedenklicher ist es, wie Till Schweiger alias Nick Tschiller als Rächer in dieser Tatort-Folge auftritt. Schweiger hat neben einem Sohn drei noch junge Töchter. Da kann man verstehen, dass ihn das Thema Zwangsprostitution junger Frauen betroffen macht. Schweiger wäre aber nicht Schweiger, wenn er sich hier nicht zum selbstgerechten Rächer der geschundenen Mädchen aufspielen würde. Was er in der Wirklichkeit nicht schafft, muss dann eben in einem Film geschehen.

Apropos Töchter: Schweigers reale Tochter Luna spielt hier seine Filmtochter und verheimlicht gekonnt möglicherweise bestehendes schauspielerisches Talent: „Der unaufgeregte Gesichtsausdruck der 16-Jährigen ändert sich kaum und den Mund kriegt sie beim Sprechen auch kaum auf. So nuscheln Vater und Tochter in ‚Willkommen in Hamburg‘ gemeinsam vor sich hin.“ (sueddeutsche.de)

Immerhin zeichnet sich dieser Krimi neben Action durchaus auch durch einige Spritzer Humor und die speziell Schweiger’sche Selbstironie aus. Der junge Kollege Yalcin Gümer (gespielt von Fahri Ogün Yardım) ist durchaus witzig und sorgt für viele auflockernde, allerdings für einen Hauptkommissar auch recht proletenhafte Sprüchlein. Unglaubwürdig ist es allerdings, wie Gümer immer dann, wenn’s der Film erfordert, über sein privates Laptop wie ein großer Hacker all die notwendigen Informationen wie aus dem Nichts hervorzaubert. Und neben Schweigers Hommage an Schimanski (statt Scheiße das heute geläufigere Fuck als erstes Wort) gesteht er ein zu nuscheln. Und notfalls ist er sogar bereit, sich als schwul darzustellen.


Schweiger – Willkommen in Hamburg (Tatort):
Fuck … Nuscheln … Schwul!

Fazit: Ein durchaus beachtlicher Actionfilm mit etwas zu viel ‚Held’ a la Schweiger. Zu viel auch der Ballerei. Und zu viele eingetretene Türen. Aber kein Tatort, wie ihn Tatort-Fans mögen. Und nachdem Schweiger sein Thema Zwangsprostitution junger Frauen abgehandelt hat, weiß ich nicht, welches Thema für eine zweite Folge noch interessant für Schweiger sein könnte. Rückfälliger Sexualstraftäter aus der Nachbarschaft – nein, das muss nicht sein.

Willkommen im neuen Tatort Hamburg

Nick Tschiller ist sein Name, Nick wie Nick Knatterton, wohl kaum – und Tschiller vom englischen chill abgeleitet – wie frostig, kalt, entmutigend oder ‚cool’? Wer denkt sich solche Namen nur aus? Na, wer wohl …?!

Ja, morgen am Sonntag ist es soweit: Til Schweiger, der Nuschler, macht auf Tatort: Willkommen in Hamburg. Die Vorschussdisteln sind reichlich verteilt. Spiegel online hat Herrn Schweiger gehörig auf den Zahn gefühlt. Man hat den Eindruck, dass außer Til Schweiger-Fans keiner ihn wirklich in einem Tatort-Film sehen möchte. Am wenigsten eingefleischte Tatort-Liebhaber. Was soll man auch von einem Schauspieler halten, der in einer über viele Jahre laufenden Kriminalserie mitwirken darf, die er sich „eher selten“ angeschaut hat.

Tatort Hamburg: Willkommen in Hamburg (2013)

„Drei Tote in den ersten Minuten, das ist eine Revolution. Ich als Zuschauer will so etwas sehen.“, so Schweiger. Ob wir das als Tatort-Fans sehen wollen, fragt er wohlweislich nicht. Eine eingetretene Tür nach der anderen. Schweiger: „Manchmal klopfe ich auch an.“

Til Schweiger lässt es also gleich ordentlich krachen. Und sein erstes Wort sei: Fuck! Angeblich eine Hommage an Horst Schimanski alias Götz George, der in der ersten Schimanski-Folge „Duisburg, Ruhrort“ als erstes Wort Scheiße äußerte (genauer: „Vorsicht, du Idiot! Hör auf mit der Scheiße!“ zu einem Typen, der seinen Fernseher auf die Straße schmiss). Nur Tschiller ist nicht Schimanski – und Schweiger lange nicht Götz George.

Richtig gespannt muss man also nicht sein. Da Schweiger hier alt bekannte Schweigerthemen (‚Huhn-im-Wein’, ‚Schmutzengel’, ‚Schlapplachhasen’ – nur der ‚halbe Ritter mit der Kopfnuss’ wird uns erspart bleiben) miteinander derart verwurschtelt, dass am Ende … ein Schweiger-Film herauskommt, aber kein Tatort mit psychologischer Tiefe, wird keinen verwundern. Wo Schweiger draufsteht, ist NUR Schweiger drin …!

siehe auch: Eine Extrawurst für ein Riesenwürstchen?

Übrigens: In zwei Wochen, am 24. März, gibt es den nächsten Tatort aus Münster: Summ, Summ, Summ. Hauptkommissar Thiel und der Rechtsmediziner Dr Boerne stehen eigentlich für Spannung und Witz. In letzter Zeit übertreiben sie allerdings ein bisschen den Witz. Und wenn man liest, dass in dieser neuen Folge ein Schlagerstar namens Roman König im Mittelpunkt steht und dann sieht, dass dieser von keinem anderen als Roland Kaiser gespielt wird, dann … also dann verschlägt es mir doch die Sprache! Tatort, wohin willst du noch …?!

Tatort: Thiel und Boerne

Seit einigen Monaten ist der Sonntagabend wieder Tatort-Zeit bei uns zu Hause. Mein jüngerer Sohn, der zunächst kein großes Interesse an dieser deutschen Krimi-Serie bei der ARD zeigte, ist inzwischen ein großer Fan geworden. Besonders die Münsteraner Ermittler, Kriminalhauptkommissar Frank Thiel (gespielt von Axel Prahl) und Gerichtsmediziner Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers), die seit 2002 ermitteln, haben es nicht nur ihm, sondern uns allen in der Familie angetan.

Die Krimi-TV-Serie Tatort kenne ich eigentlich von Anfang an. Die erste Folge Taxi nach Leipzig habe ich genauso gesehen wie viele Folgen danach. Besonders gemocht habe ich Ermittler wie Kriminalhauptkommissar Finke (Klaus Schwarzkopf), Kriminaloberkommissar Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) mit seinem Assitenten Kriminalhauptmeister Willi Kreutzer (Willy Semmelrogge) und natürlich Kriminalhauptkommissar Horst Schimanski mit seinem Assistenten Kriminalhauptkommissar Christian Thanner. Die beiden Letzteren sind inzwischen geradezu Kult (siehe meinen Beitrag Horst Schimanski, Duisburg). Unbedingt sehenswert war und ist auch Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts). Und als Nordeutscher hatte ich eine besondere Vorliebe für die Kriminalhauptkommissare Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer), die u.a. auf der Nordseeinsel Neuwerk nach dem Mörder suchten.

Inzwischen hat die Sendereihe über 40 Jahre auf dem Buckel und zählt nach wie vor zu den beliebtesten Sendungen des deutschen Fernsehens. Tatort hat es immer verstanden, auch aktuelle gesellschaftliche Themen aufzugreifen.


Tatort Münster – Der dunkle Fleck

Wie gesagt: zu unseren Lieblingen gehören Thiel und Boerne aus Münster. Thiel stammt eigentlich aus Hamburg und ist familienbedingt nach Münster gezogen. Er ist Fan des Fußballvereins St. Pauli Hamburg und somit öfter in einem T-Shirt des Vereins zu finden. Und Radfahrer ist er auch. Also ganz salopp. Boerne ist dagegen die Eleganz persönlich. Immer gut gekleidet und reichlich arrogant. Aber doch mit viel Menschlichkeit gesegnet. Es ist einfach herrlich, wie sich die beiden streiten. Und manche Folge ist daher mehr eine Parodie als eine Tatort-Sendung. Besonders die zuletzt ausgestrahlte Folge „Der Fluch der Mumie“ (‚Tatort: Der Fluch der Mumie‘ in voller Länge) ist witzig und dabei durchaus noch spannend.

Horst Schimanski, Duisburg

Eigentlich sind es nur Reminiszenzen an alte Tage. Über 25 Jahre ist es her. Am Sonntag guckte ich öfter den Tatort im Fernsehen, den es bis heute bereits seit 1970 gibt. Viele Kriminalbeamte gaben sich da die Klinke in die Hand: Kommissar Trimmel, der Zollfahnder Kressin, Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf), Kommissar Stoever (Manfred Krug) oder Kommissar Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy)..

Und dann, 1981, wacht da in der ersten Szene eines neuen Tatorts ein gewisser Kommissar Schimanski mit dreckiger Unterhose und völlig verkatert zwischen leeren Bierflaschen auf, isst zwei rohe Eier und geht dann ungewaschen zum Dienst … Horst Schimanski, Kripo Duisburg.

Zehn Jahre bis 1991 beehrte Schimmi, wie er von Freunden genannt wird, das deutsche Fernsehpublikum. Dann hatte der Schauspieler Götz George die Schnauze voll von der Rolle, an deren Figur und Erscheinungsbild der Schauspieler maßgeblich beteiligt war. Aber Ende 1997 tauchte Schimanski auf den Bildschirmen wieder auf, jetzt in einer eigenen Fernsehreihe, von der es inzwischen 15 Teile gab. Der letzten Schimmi wurde vor gut einem Jahr ausgestrahlt, kurz vor seinem (und Götz Georges) 70. Geburtstag.

Dieser Tage nun gab es eine Wiederholung (den 13. Teil vom 26.06.2005, Titel: Sünde). Daher die Erinnerungen an alte Tage.

Man kann von Schimanski denken, was man will. Die einen halten ihn für einen unverbesserlichen Macho, die anderen für einen kulturlosen Proleten. Für mich und einige meiner alten Kumpel verbindet sich mit Schimanski ein Lebensgefühl, wie wir es damals empfunden haben. Ein Kumpel ging sogar soweit, Schimmis charakteristisches Markenzeichen, eine beige-graue M65-Feldjacke zu tragen – besser bekannt als „Schimanski-Jacke“.

Was hatten wir nun mit Schimanski gemeinsam? Mit Ruhrpott, für den Schimanski gewissermaßen steht, hatten wir schon der geografischen Ferne wegen nichts am Hut. Da schon eher etwas mit der norddeutschen Tiefebene. Aber am Ende, so sahen wir es, gleicht sich beides doch sehr.

An die Gründung einer Familie (immerhin waren wir damals Mitte zwanzig) dachte damals keiner. Wir hatten zwar einen Job, aber ein geregeltes bürgerliches Leben war uns doch eher fremd. Sicherlich schlugen wir uns so manche Nacht um die Ohren, aber doch eher an den Wochenende. Vielleicht war es ein Nicht-erwachsen-werden-Wollen, was uns umtrieb.

Nach außen hin waren wir wie Schimanski wenig kultiviert, aber nicht kulturlos. Manche Abende haben wir in Konzerten und Theatern verbrach – aber es waren eher die aufrührerischen Stücke, die uns interessierten. Wir gaben uns im Tonfall schnodderig, aber nicht aggressiv. Wenn, dann kämpften wir verbal.

Inzwischen sind wir zwar längst bürgerlich geworden, haben geheiratet und auch Kinder in die Welt gesetzt. Aber etwas Rebellisches, so denke ich, ist uns immer noch geblieben. Dafür ist die Welt nicht gut genug, um alles zu akzeptieren. Und so ist etwas von einem Schimanski auch heute noch in uns.

Da es nichts Besseres im Fernsehen gab, habe ich mir die besagte Folge aus der Schimanski-Reihe angeschaut. Schimmi ist für mich auch heute noch echt Kult. Es war ein Genuss, Schimanski wieder einmal ‚in action’ zu sehen.

siehe auch den Beitrag: Was ist bloß mit Ian los? Teil 65: Schimanski hört Tull

Was ist bloß mit Ian los? Teil 65: Schimanski hört Tull

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

Inzwischen hat sich ja eine Menge Holz angesammelt.

Komme ich zunächst auf Herman van Veen zu sprechen. Ja, der Mann hat etwas. Vom ihm kommt eine gelassene Heiterkeit herüber (siehe u.a. Videos bei youtube), die ansteckend wird. Leider hatte ich ihn in den letzten Jahren auch aus den Augen verloren. Das Album „Die Anziehungskraft der Erde“ kenne ich z.B. nicht. Dafür habe ich aber das Weihnachtsalbum von ihm, das sehr schöne Lieder enthält (vielleicht zu Weihnachten dazu etwas mehr).

Ja, es gibt u.a. durch die Geburt meiner Kinder ein schwarzes Loch in meiner Biografie, was das Interesse für Musik betrifft. Zwar habe ich auch in den 90-er Jahren die eine oder andere Scheibe gekauft, aber ich bin kaum zum Zuhören gekommen.

Der Schimanski, den Du, Lockwood, gesehen hast, war wohl der neueste: „Tod in der Siedlung“, irgendwann Ende April gesendet, oder? Ich habe nur kurz den Bericht in der TV-Zeitschrift gelesen. Es endet wohl, wie der Schimanski vor vielen Jahren begann: Alle Pfannen sind dreckig, so schlürft er ein Ei aus dem Glas … Und dazu der Tull-Titel? Nicht zu glauben.

Früher hatte ich schon einmal geforscht, in welchen Filmen die Musik von Jethro Tull verwendet wurde. Im Soundtrack (d.h. auf der CD) zu Michael Moores ‚Fahrenheit 9/11“ ist Aqualung enthalten, im Film selbst habe ich es aber nicht gefunden (Überhört? Unerhört!). Und dann gibt es mindestens noch 2, 3 Filme. Fragt mich aber nicht nach den Titeln. Kennt Ihr Filme, die im Soundtrack Tull-Musik enthalten?

Von Kretakatzes Entschwinden nach Kreta zum Tull-Konzert hatte ich im Laufi-Forum gelesen. Und Du willst es also ohne Eintrittskarte wagen? Schön mutig! Den Kreditkartentipp kann ich nur wiederholen. Ich bin alles andere als ein Freund von Plastikgeld. Aber im Laufe der Jahre hat sich so ein Kärtchen doch bezahlt gemacht, wenn es um Einkäufe außerhalb Deutschlands ging. Inzwischen gibt es da auch andere Verfahren (PayPal usw.), die wohl noch etwas sicherer sind. Leider wird das nicht überall akzeptiert. Ich drück Dir auf jeden Fall die Daumen, dass Du noch ein Ticket für das Konzert bekommst. Ich stelle mir das sehr schön vor, so im Urlaub im sonnigen Süden ein Tull-Konzert mitzubekommen. Da würde ich mir sogar die jetzige Formation antun wollen. Mit meinem Urlaub ist es noch etwas hin (und da gibt es kein Tull-Konzert).

Unser guter Lockwood hat ja wohl jegliche Anderson-Müdigkeit abgestreift mit seinem Broadsword-Ausführungen. Da sieht man Herrn Anderson tatsächlich das Schwert ergreifen und den Wikingern entgegenziehen. Sicherlich lässt sich das Lied auch anders interpretieren (die Wikinger-Horden sind heute andere), aber belassen wir es beim Bild des schwertschwingenden Flötenkobolds.

Ian Anderson & kein Breitschwert

Und überhaupt zur Anderson-Wikinger-Debatte: Ich denke, durch die Adern des Meisters fließt das Blut viele Völkerstämme. Durch die Völkerwanderungen, die auch Schottland nicht verschont haben, hat sich viel Blut gemischt. Und neben den 2-3 Liter Skotenblut werden sich mit Sicherheit auch einige Tropfen Wikingerblut finden. Wenn Neonazis heute „Deutschland den Deutschen!“ brüllen, dann stellt sich die Frage, was ist eigentlich deutsch? Vielleicht ist der Ausländer, den ein Nazi gerade den Schädel einschlägt, deutscher als er selbst. Aber warten wir die DNA-Analyse von Ian Anderson ab (Lockwood, unser Gen-Spezialist).

Nun denn, ich wünsche eine arbeitsame Woche. Und man/frau liest voneinander.

Cheerio
Wilfried

P.S. Bin nun doch fündig geworden betr. Film-Soundtracks mit Tull-Musik

21.05.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

unser guter Hermann van Veen. Mir gefällt an ihm seine leicht verträumte Art. Diese liebenswürdige Mischung aus Heiterkeit, Melancholie und Tiefgründigkeit. Seine Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, diese Beobachtungen in Liedern umzusetzen. Meist wird er heutzutage als Harlekin bezeichnet, aber in den 70er Jahren, als ich ihn für mich entdeckte, galt er als Liedermacher. Egal, unter welchem Etikett er gerade auftritt, er findet mit seinen Songs jedenfalls den Weg unter meine Haut. Und das schaffen nicht viele Sänger.

Zur Kombination Schimanski / Anderson:
Der Film hieß tatsächlich Tod in der Siedlung. Und trotz aller ungespülten Töpfe und Pfannen in Schimis Küche passte Wondering aloud zur Situation. Ich denke, der Titel ist nicht zufällig ausgewählt worden. Während Schimanski sein rohes Ei aus dem Glas schlürft, steht er am Fenster und sieht den Wagen seiner Freundin vorfahren. Das zaubert ein Lächeln auf seine markanten Züge. Dazu passen die getragenen Harmonien von Wondering aloud wunderbar. Auch inhaltlich haut der Song hin; geht es doch im Text um einen Mann, der liebevoll an seine Frau / Freundin denkt.

Ich kenne außer dem Schimanski keinen einzigen Film mit JT – Soundtrack. Auch die Filme, die Du, Wilfried, angelinkt hast, sind mir vollkommen fremd. Eigentlich seltsam, dass Mr. Anderson sich in diesem Metier so rar gemacht hat. Ich glaube, ich habe vor Monaten geschrieben, dass ich mir gut hätte vorstellen können, dass JT die Filmmusik zur Herr der Ringe – Trilogie hätten beisteuern können. Als alter normannischer Kelte hätte Mr. Anderson gut in das Tolkien-Universum gepasst.

Zu meinen Broadsword-Theorien möchte ich noch etwas sagen:
Der Text des Liedes ist -wie immer- alles andere als eindeutig. Hätte man die von mir zitierten Textstellen von einer anderen Seite beleuchtet, wäre ein ganz anderes Ergebnis denkbar. Um es auf die Spitze zu treiben: Ein armer müder Wikinger steht an seinem kargen felsigen Gestade und sieht ein Schiff voller militanter Rheinländer auf sich zukommen. Oder ein Schiff voller Narren. Oder Touristen. Ich will nur sagen: Der Text lässt viele Interpretationen zu. Je nach Weltbild und persönlicher Stimmung. Meine Theorie des Winkingerangriffs erhebt keinerlei Anspruch auf Alleingültigkeit. Aber, wie Wilfried schon gesagt hat, das Bild des wehrhaften Ian Anderson, der an der Küste seiner schottischen Heimat steht und seine Klinge mit patriotischem Zischen durch die Luft sausen lässt, erfreut jeden Tull-Fan.

Der Flötenkobold auf dem Cover trägt übrigens kein Breitschwert. Ich bin nicht sicher, ob es solche sich über die gesamte Länge verjüngenden Schwertklingen jemals gegeben hat oder ob sie eine Erfindung der Comiczeichner sind.

Eine letzte Stellungnahme von mir zur Völker-DNA:
Das deutsche Blut, wie es im Dritten Reich propagiert wurde, gibt es überhaupt nicht. Für diese Erkenntnis muss man kein Biochemiker sein, es reicht ein Blick auf die europäische Geschichte der letzten 15 Jahrhunderte. Das Volk, das sich heute „die Deutschen“ nennt, trägt einen Gen-Cocktail aus keltischen, germanischen, slawischen und asiatischen (!) Einflüssen in sich. Wie man einen solchen Salat ernsthaft mit einer einzigen Nation in Verbindung bringen kann, ist mir schleierhaft. Eines müssen wir uns vor Augen halten: Hätte es das Römische Imperium nicht gegeben, den Hunnensturm und die Völkerwanderung, würde es uns heute auch nicht geben. Es würde andere Menschen geben, aber nicht Kretakatze, Wilfired und Lockwood. Die Welt war schon immer multi-kulti, nur machten Kaiser Augustus und Attila nicht so ein Theater darum.

Ich hoffe, ich habe niemanden gelangweilt.
Lockwood

21.05.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

tut mir leid, wenn ich Euch mit meiner Wikinger-Theorie aufs Glatteis geführt habe. Ich dachte eigentlich, diese Geschichte wäre so albern, dass sie mit Sicherheit niemand ernst nehmen würde. Allerdings hatte ich auch keine Ahnung, dass jemals tatsächlich Wikinger in die Nähe von Schottland gekommen sind, geschweige denn, dass es sogar Wikinger-Überfälle gegeben hat. Da bin ich jetzt platt. Aber ein blindes Huhn trifft eben auch mal ein Korn. Ich hatte eigentlich aufgrund des „dark sail“ intuitiv immer an einen Piratenüberfall gedacht. Oder wer verwendet denn dunkle Segel?

Auf jeden Fall nochmals vielen Dank für die ausführliche Info – was Ihr alles wisst… Da lernt man doch immer gerne noch dazu. Irgendwelche historischen oder ethnologischen Kenntnisse dürft Ihr bei mir nämlich nicht voraussetzen. Auch von Musik habe ich im Prinzip keine Ahnung, ich bin kein Musiker. Ich komme zu meinen Ansichten und Behauptungen aus dem hohlen Bauch heraus, dafür aber mit umso mehr Überzeugung.

Wovon ich allerdings wirklich etwas verstehe sind blonde Griechen, und deshalb jetzt noch einmal zum Thema der Hellenen. Dazu muss ich wieder etwas ausholen.

Vor Jahren war ich mit einem Griechen befreundet, der hier an der örtlichen griechischen Schule Griechisch-Unterricht für griechische Kinder erteilt hat. Er hat mir erzählt, dass er in Athen an der Uni Deutsch gelernt hat, weil das dort Voraussetzung dafür ist, dass man Altgriechisch studieren kann. Nahezu alle Literatur zur Altgriechischen Sprache ist nämlich in Deutsch verfasst (und offensichtlich auch nie ins Neugriechische übersetzt worden). Die Wissenschaftler, die die Altgriechische Sprache erforscht haben, waren fast ausnahmslos Deutsche. Daher kommt es auch, dass das Altgiechische so deutsch klingt, es sind griechische Buchstaben deutsch ausgesprochen. Da es keine Tonbandaufzeichnungen davon gibt, wie die alten Griechen Ihre Buchstaben ausgesprochen haben, haben sich die deutschen Sprachforscher selbst etwas ihrer Meinung nach Passendes überlegt, und das hatte dann naturgemäß ziemliche Ähnlichkeit mit dem Deutschen. Ein Grieche bekommt das ohne deutsches Sprachtraining nicht über die Lippen.

Mit dem Aussehen der alten Hellenen wird es nicht anders sein. Soweit ich weiß gibt es keine 2000 Jahre alten griechischen Farbzeichnungen, die blonde Menschen mit blauen Augen darstellen. Es gibt lediglich ein paar Marmorstatuen, denen die Haar- und Augenfarbe nicht anzusehen ist. Auch hier waren es wieder vor allem deutsche und britische Archäologen, die die Kultur erforscht haben, und natürlich haben sie sich ihre Helden entsprechend dem damaligen mitteleuropäischen Schönheitsideal vorgestellt – blond und blauäugig. Sieht man sich dagegen antike Wandmalereien oder bemalte Vasen an, dann haben dort alle Menschen schwarze Haare und dunkle Augen.

Dass es in Griechenland und besonders auf Kreta heute einen nicht ganz unerheblichen Anteil blonde Menschen gibt, wird andere Gründe haben. Bereits zur Zeit der Kreuzzüge haben Mittel- und Westeuropäer auf ihrem Weg nach und von Jerusalem auf Kreta Zwischenstation gemacht. Die Franken, wie sie in Griechenland genannt werden, hatten dabei auch Teile Griechenlands unterworfen. Manche haben sich dabei die Zeit genommen Burgen zu bauen, da werden sie auch noch Zeit für anderes gefunden haben. Einige sind bestimmt auch ganz hängengeblieben. Später haben die Venetianer Kreta regiert. Im 19. Jahrhundert war ein Bayer König von Griechenland, vielleicht hat er ein paar Landsleute mitgebracht, usw..

Damit das heute nicht völlig Tull-frei wird noch kurz eine Bemerkung zu meinen Jethro Tull Ambitionen für Kreta (hätte ich mir ja eigentlich denken können, dass auch Ihr Euch bei Laufi auf dem Laufenden haltet). Ja, ich habe immernoch keine Karte für das Konzert am 23.06., und es ist mir schon bewußt, dass unter Umständen ausverkauft ist, bis ich am 17.06. nach Kreta komme. Aber wie ich schon einmal erwähnte bin ich von eher sparsamer Natur, und 28 EUR Versandkosten für ein Ticket, das in einen Umschlag zu 55 Cent passt – das widerspricht meinem Gefühl für ökonomische Relationen. In solchen Fällen neige ich dann zu der fatalistischen Einstellung, dass ich das Schicksal entscheiden lassen muss – wenn ausverkauft ist, dann musste das halt so sein. Ich habe ja noch eine zweite Chance in Calw am 21.07.. Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass dort am 02.07. (nachdem ich aus Kreta zurück bin) schon ausverkauft ist. Oder doch? Ich denke, ich werde mich meinem Schicksal fügen müssen.

In diesem Sinne liebe Grüße
Kretakatze

PS.: Jetzt arbeite ich schon seit Himmelfahrt an einem Werk über die Berührungspunkte zwischen Jethro Tull und griechischer Musik, aber bei der aktuellen Mail-Frequenz werde ich wahrscheinlich nie fertig. Mir tut der arme Wilfried leid, er wird bald unter der Flut begraben sein…

22.05.2007

English Translation for Ian Anderson