Archiv für den Monat: Juli 2013

Frontbesuch in Tostedt

Die Auseinandersetzungen um den Neubau einer Kindertagesstätte/eines Kinderhortes in Tostedt sind weiterhin nicht ausgestanden. Inzwischen schlägt dieser Streit in den Medien auch bundesweit Wellen. So gab es gestern in der ZDF-Sendung drehscheibe Deutschland einen kurzen, daher leider auch wenig aussagekräftigen Beitrag: Dorf wehrt sich gegen Kita-Neubau. Ausführlicher ist dagegen ein Artikel in der taz vom 25.07.2013 zum Thema Rechtsanspruch auf Kita-Plätze mit dem Titel: Der Kampf um den Ortskern. Der Artikel beginnt wie folgt:

„Wir sind nicht gegen Kitas“, sagt Nadja Weippert, die selbst ein Kind hat. Sie ist nur gegen diese Kita, an dieser Stelle. Ein Frontbesuch in Tostedt.

Ja, ein Frontbesuch …, denn die Fronten sind weiterhin verhärtet. In Lüneburg ist noch eine Klage anhängig. Sicherlich kann man diesen Streit aus vielerlei Sicht sehen. Der taz-Artikel hilft vielleicht einwenig für eine klarere Sicht, denn er ist durchaus objektiv verfasst. So oder so bleibt viel Porzellan zerschlagen, weil manchmal leider auch mit Kanonen auf Spatzen geschossen wurde. Hier zunächst der Ausschnitt aus der ZDF-drehscheibe von gestern:


ZDF-drehscheibe am 30. Juli 2013: Tostedt wehrt sich gegen Kita-Neubau

Über Twitter ist dann auch der taz-Artikel einsehbar:

siehe zum KiTa-Streit auch meine weiteren Beiträge:
Seltsame Methoden
Tostedter Politposse
Der Sieg der Gleichgültigkeit

Filmklassiker: Dressed to Kill (1980)

Es gibt Filme, die wollte ich immer schon einmal gesehen haben. Aber dann ‚verliert’ man sie wieder aus den Augen … So ging es mir mit A Clockwork Orange aus dem Jahr 1971, den ich endlich nach über 40 Jahren zusammen mit meine Söhnen betrachtete. Und da ich gerade bei Stanley Kubrick bin – für den noch etwas älteren Film von ihm 2001: Odyssee im Weltraum (1968) brauchte ich 45 Jahre, bis ich den vor einigen Tagen sah (dazu aber später mehr).

Den Film Dressed to Kill, einen US-amerikanischer Psychothriller des Regisseurs Brian De Palma aus dem Jahr 1980, kannte ich allerdings dann doch schon. So bin ich jetzt nicht nur über Hitchcock, dessen Œuvre im Juni im Fernsehen auf arte ausführlich vorgestellt wurde, so auch über De Palma und diesen Film gestolpert. Denn De Palma erweist mit diesem Spielfilm seinem Vorbild Alfred Hitchcock seine ganz besondere Reverenz.

Hitchcock verbinden wir oft mit dem Begriff Nervenkitzel. Er galt als der Meister des Suspense. In seine Fußstapfen trat Brian De Palma, denn in sehr vielen seiner Filme bezieht er „sich auf Alfred Hitchcock. So orientiert sich de Palma in seinen Thrillern an Grundthemen und Motiven von Hitchcock-Filmen, zitiert Szenen und greift auf viele Strategien der filmischen Erzählung wie Plansequenzen und Nahaufnahmen in ähnlicher Weise wie Hitchcock zurück. Die Zitierung wird besonders in de Palmas Thrillern wie ‚Schwarzer Engel’ (1976), ‚Dressed to Kill’ (1980) und ‚Der Tod kommt zweimal’ deutlich, in denen er nicht nur die Grunderzählung und Filmstruktur von Filmen Hitchcocks übernimmt (in Reihenfolge: ‚Vertigo – Aus dem Reich der Toten’ (1958), ‚Psycho’ (1960), ‚Das Fenster zum Hof’ (1954)) sondern auch Filmszenen dieser und weiterer Filme deutlich zitiert.“

In seinen Filmen geht De Palma Themen wie Spannung, Mord, Besessenheit und psychischen Störungen nach. Immer wiederkehrende Themen und Motive in seinen Filmen sind Voyeurismus und Überwachung, Doppelgänger, multiple Persönlichkeiten und Gewalt.

Brian De Palma - Dressed to Kill (1980)

Am Wochenende habe ich mir nun den Film Dressed to Kill in ungekürzter Fassung angeschaut. Dieser Film ist also gewissermaßen das Pendant zu Hitchcocks ‚Psycho’ aus dem Jahre 1960.

Kate Miller (Angie Dickinson) ist eine sexuell frustrierte Hausfrau und Mutter mittleren Alters. Sie sucht regelmäßig ihren New Yorker Psychiater Dr. Robert Elliott (Michael Caine) auf, um mit ihm über Lösungen für ihr unbefriedigendes Liebesleben zu sprechen. Als sie kurze Zeit nach ihrer letzten Sitzung einem ihr völlig fremdem Mann in einem Museum begegnet, lässt sie sich in einem nahegelegenen Hotel unvermittelt auf ein sexuelles Intermezzo mit ihm ein. Doch als sie das Hotel verlassen will, wird sie im Fahrstuhl von einer blonden Frau mit Sonnenbrille brutal ermordet. Die Prostituierte Liz (Nancy Allen) wird durch Zufall Zeuge des Mordes und berichtet der Polizei von den Vorkommnissen. Doch anstatt ihr zu glauben, richtet sich der Verdacht der Beamten gegen Liz selbst, da sie als Einzige Person am Tatort gesehen wurde und gedankenlos die Tatwaffe aufgehoben hatte. Mithilfe des Sohnes der Toten (Keith Gordon) kann sie ihre Unschuld beweisen und begibt sich zu Dr. Elliott, um mit ihm über die ermordete Kate zu sprechen. Schon bald darauf wird auch Liz von einer unbekannten Person verfolgt…

aus: filmstarts.de


Dressed to Kill (1980) – englischer Trailer

Wie bei Hitchcock so spielt auch bei De Palma die Musik eine nicht unwesentliche Rolle. So beginnt der Film unter den romantischen Klängen von Pino Donaggios Musik und zeigt eine Frau in den Vierzigern, wie sie unter der Dusche steht, alles voller Dampf und diffusem Licht, und masturbiert, während sie ihren Mann beobachtet, der sich rasiert. De Palma zeigt viel nackte Haut und teils überraschend intime Aufnahmen, sodass das Ganze ein wenig wie ein sehr schick gefilmter Soft-Porno wirkt: der pure Edel-Kitsch. Man wähnt sich im falschem Film.

Der weitere Aufbau des Films ist äußerst behutsam. Wir folgen Kate Miller, einer sexuell frustrierten Ehefrau, die scheinbar in einer tiefen Midlife-Crisis steckt. Sie ist bei dem Psychiater Dr. Elliott in Behandlung und nach einem Gespräch, das ihr unzufriedenstellendes Sexualleben mit ihrem Ehemann betrifft, geht Kate ins Museum. Dort inszeniert De Palma eine seiner großartigsten Sequenzen, die minutenlang mit rein visuellen Mitteln Kates Katz- und Mausspiel mit einem für sie attraktiven Fremden zeigt. Das ist virtuose Filmkunst, die De Palma auf der Höhe seines Schaffens präsentiert. Die beiden landen in seinem Appartement, haben Sex. Dann macht Kate eine schreckliche Entdeckung, verlässt die Wohnung und jetzt passiert das im Fahrstuhl, was bei Hitchcock in der Duschkabine geschieht.

Spätestens hier ändert sich „Dressed to Kill“ schlagartig und zeigt sich in der zweiten Hälfte als ganz anderer Film. Was folgt ist Hitchcock im New York der 80er Jahre. De Palma manipuliert dabei die Zuschauer ähnlich wie der Altmeister und präsentiert eine lustvoll-sadistisch, manchmal aber auch durchaus augenzwinkernde Inszenierung. De Palma inszeniert hier keine Realität, sondern eine filmische, traumartige Zwischenwelt, die nicht auf Logik, sondern auf Atmosphäre und puren cineastischen Genuss aus ist. Was mich eben doch sehr erstaunte, ist, wie nah Da Palma dabei seinem Vorbild Alfred Hitchcock kam. Übrigens über Hitchcock mit Sir Anthony Hopkins in der Titelrolle und seinen Film „Psycho“ als Hintergrund gibt es ‚endlich’ auch einen Film: Demnächst in diesem Theater!

Wohin geht die Reise?

Am Sonntag, den 4. August, beginnt für den Fußball-Bundesligisten SV Werder Bremen mit dem DFB-Pokal-Spiel beim 1. FC Saarbrücken die neue Saison. Am 10. August spielen dann die Bremer beim Aufsteiger Eintracht Braunschweig. Gestern feierte die Mannschaft bei bestem Wetter mit seinen Anhängern den „Tag der Fans“. „Die Stimmungslage im grün-weißen Lager ist gedämpft optimistisch. So ganz genau weiß im Moment niemand, was er von Werder in der neuen Saison erwarten darf. Fest steht: Mehr denn je wirbt Werder um Verständnis und die Geduld der Fans.“ (Quelle: weser-kurier.de)

Neustart beim SV Werder Bremen mit Robin Dutt und Thomas Eichin

Ja, so recht weiß man noch nicht, wohin die Reise geht. Die Vorbereitung auf die neue Saison lief oft nicht rund. Nach vier Niederlagen in Folge gab es zum Abschluss immerhin noch zwei Siege: das 6:0 gegen den Drittligisten Rot-Weiß Erfurt und gestern das 1:0 gegen den FC Fulham aus der englischen Premier League. Vorgaben für die neue Saison gibt es nicht, außer die: besser abzuschneiden als in der letzten Saison, also besser zu sein als Platz 14 in der Bundesliga – und die 1. Runde im DFB-Pokal ungeschadet zu überstehen. Robin Dutt, Werders neuer Trainer, formuliert es so: „Wir wollen einen attraktiven Stil prägen und weniger Gegentore kriegen. Dann steht man automatisch weiter oben.“

Im Kader gab es nur wenige Änderungen. Stürmer Niels Petersen hat jetzt einen festen Vertrag. Für die bisherigen Leistungsträger Sokratis in der Innenverteidigung und Kevin de Bruyne im Mittelfeld kamen Luca Caldorola und Cedrick Makiadi. Nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Lukas Schmitz (24, Fußwurzelbruch) könnte noch ein Linksverteidiger (Markus Suttner von Austria Wien ist im Gespräch) sowie ein Stürmer oder offensiver Mittelfeldspieler zu den Grün-Weißen stoßen. Transferschluss ist der 31. August.

Werder Bremen: Wohin geht die Reise?

Wie könnte nun die Stammelf aussehen – und mit welchem System wird Werder antreten? Das gestrige Spiel gab da sicherlich erste Aufschlüsse: Vor Torwart Sebastian Mielitz verteidigten in der Viererkette Clemens Fritz, Sebastian Prödl, Luca Caldirola und Theodor Gebre Selassie. Die Doppel-Sechs bildeten Cedrick Makiadi und Mehmet Ekici, die von Zlatko Junuzovic unterstützt wurden. Für die Bremer Offensivabteilung waren Eljero Elia, Aaron Hunt und Nils Petersen zuständig. Aber auch Fritz und Gebre Selassie schalteten sich immer wieder mit nach vorne ein. Das sieht nach einem 4-2-3-1-System aus.

Welche taktischen Finessen Robin Dutt in Zukunft einsetzen wird, ließ er bisher noch offen. Die alte Werder-Raute soll aber ausgedient haben. Ein gänzlich neues Werder-System soll her – auch wenn das mit Sicherheit viel Zeit braucht.

Warum soll es den Bremern besser gehen als den Bayern mit Guardiola? Die mussten ihre erste Pleite hinnehmen (2:4 gegen Borussia Dortmund im Supercup). Hoffen wir, das Werders Pflichtspielstart erfolgreicher verläuft. Gute Ansätze sind erkennbar. Nur muss der Angriff effektiver und die Abwehr noch etwas stabiler werden. Wann und wie dann die neue Werder-Taktik kommt, ist ohne Zweifel abhängig von der bisherigen Erfolgsquote.

Gedämpft optimistisch ist also die Stimmung an der Weser. Vielleicht ganz gut so, denn wer zuviel erwartet, kann schnell enttäuscht werden. Mit Zweckpessimismus ist die Freude dann auch schon bei kleinen Erfolgen um so größer.

Heute Ruhetag (38): William Shakespeare – Richard III.

„Richard, Herzog von Gloucester – hässlich und missgebildet – kündigt an, er wolle ein Bösewicht werden. Um die Königskrone zu erlangen, müssen zunächst seine beiden Brüder: der regierende König Edward IV. und George, der Herzog von Clarence, beseitigt werden. Richard hat keine Hemmungen, da auch seine Rivalen durch Mord und Gewalt an die Macht gekommen sind. Er verleumdet Clarence beim König, dieser sperrt den Unschuldigen in den Tower. Wenig später wird Clarence von zwei Mördern im Auftrag Richards umgebracht. Inzwischen wirbt dieser um Prinzessin Anne, die aber auf sein Ansinnen empört reagiert, da sie davon ausgeht, dass Richard ihren Gatten, Prinz Edward und dessen Vater, König Heinrich VI. getötet hat. Richard macht Anne inmitten des Trauerzuges für den ermordeten König einen Heiratsantrag. Um ihr seine Liebe zu beweisen, entblößt Richard seine Brust und bietet Anne sein Schwert an. Sie zielt nach ihm, lässt das Schwert dann fallen.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Und so geht es dann weiter … Nichts als Mord und Totschlag in der eigenen Familie. Ja, der Shakespeare.

Ich komme aus einem ganz bestimmten Grund auf dieses Königsdrama in 5 Akten zu sprechen, das um 1593 entstand und an Heinrich VI., Teil 3 anschließt und damit der letzte Teil der York-Tetralogie ist.

Vor kurzer Zeit las von Javier Marías den Roman Morgen in der Schlacht denk an mich (dazu später mehr), dessen Titel sich auf dieses Drama bezieht:

„Morgen in der Schlacht denk an mich, und es falle dein Schwert ohne Scheide. Morgen in der Schlacht denk an mich, als ich sterblich war, es falle rostig deine Lanze. Möge ich morgen auf deiner Seele lasten, möge ich Blei sein in deiner Brust, und mögen deine Tage enden in blutiger Schlacht. Morgen in der Schlacht denk an mich, verzag und stirb“, heißt es im Roman (S. 210).

In Shakespeares Original lautet das u.a.:
“To-morrow in the battle think on me,
And fall thy edgeless sword. Despair and die!“

In der Übersetzung von Schlegel (siehe unten):
Denk in der Schlacht an mich, und fallen laß
Dein abgestumpftes Schwert! Verzweifl‘ und stirb!

So spricht der Geist des Clarence (George Plantagenet, Herzog von Clarence, Bruder des späteren Königs – beide aus dem Hause York). Und es treten weitere Geister auf, so auch der der Anne, die den Spruch wiederholt. – Als die Geister verschwinden, erwacht König Richard und sagt bzw. erkennt:

Ein andres Pferd! verbindet meine Wunden!
Erbarmen, Jesus! – Still, ich träumte nur.

[kurz darauf]:

Ich muß verzweifeln. – Kein Geschöpfe liebt mich,
Und sterb ich, wird sich keine Seel‘ erbarmen.
Ja, warum sollten’s andre? Find ich selbst
In mir doch kein Erbarmen mit mir selbst.
Mir schien’s, die Seelen all, die ich ermordet,
Kämen ins Zelt, und ihrer jede drohte
Mit Rache morgen auf das Haupt des Richard.

Vor vielen Jahren habe ich übrigens Wolfgang Kieling in der Rolle des Richard III. im Fernsehen gesehen.

Heute Ruhetag = Lesetag!

(Der Geist des Prinzen Eduard, Sohnes Heinrichs des Sechsten, steigt zwischen den beiden Zelten auf.)

Geist (zu König Richard).
Schwer mög‘ ich morgen deine Seele lasten!
Denk, wie du mich erstachst in meiner Blüte,
Zu Tewkesbury: verzweifle drum und stirb! –

(Zu Richmond.)
Sei freudig, Richmond, denn gekränkte Seelen
Erwürgter Prinzen streiten dir zum Schutz:
Dich tröstet, Richmond, König Heinrichs Sohn.

(Der Geist König Heinrichs des Sechsten steigt auf.)

Geist (zu König Richard).
Du bohrtest mir, da ich noch sterblich war,
Voll Todeswunden den gesalbten Leib;
Denk an den Turm und mich; verzweifl‘ und stirb!
Heinrich der Sechste ruft: verzweifl‘ und stirb!

(Zu Richmond.)
Heilig und tugendhaft, sei Sieger du!
Heinrich, der prophezeit, du werdest König,
Kommt, dich im Schlaf zu trösten: leb und blühe!

(Der Geist des Clarence steigt auf.)

Geist (zu König Richard).
Schwer mög‘ ich morgen deine Seele lasten!
Ich, totgebadet einst in ekelm Wein,
Der arme Clarence, den dein Trug verriet!
Denk in der Schlacht an mich, und fallen laß
Dein abgestumpftes Schwert! Verzweifl‘ und stirb!

(Zu Richmond.)
Du Sprößling aus dem Hause Lancaster,
Es beten für dich Yorks gekränkte Erben.
Dich schirm‘ ein guter Engel! Leb und blühe!

aus: FÜNFTER AUFZUG – Dritte Szene

Signatur: William Shakespeare

William Shakespeare: Richard III.

Joan Armatrading: Starlight (2012)

    „Daß einem etwas einfällt, was einem früher nicht hätte einfallen können.“
    Martin Walser – nach dem Alter gefragt

Nachdem ich vorhabe, mich hier in diesem Weblog nach und nach etwas ausführlicher zu Joan Armatrading zu äußern (so habe ich begonnen, ihre Studioalben zu präsentieren – beginnend mit Joan Armatrading & Pam Nestor: Whatever’s for us (1972) und Joan Armatrading: Back to the Night (1975)), möchte ich nun doch erst einmal (und endlich) ihr bisher letztes Album Starlight vorstellen.

    Joan Armatrading: Starlight (2012)

Wenn ich richtig gezählt habe, dann ist es ihr 19. Studioalbum. „Starlight“ aus dem Jahr 2012 markiert den Abschluss einer Trilogie die mit Into The Blues 2007 begann und mit This Charming Life 2010 fortgeführt wurde. Nach Blues und Rock ist dieses Album auf Jazz fokussiert. Und damit begannen für mich die Schwierigkeiten. Nicht, dass ich Jazz nicht mag. Aber Jazz hat eine enorme Bandbreite. Fusion aus Jazz und Rock gefällt mir durchaus, z.B. Zappa, Colosseum oder Mahavishnu Orchestra. Und auch Ry Cooder hat sich 1978 hörenswert mit Ragtimes und anderen archaischen Jazz-Stilen beschäftigt. Aber Joan und Jazz?

Nun ich habe die Scheibe oft genug gehört. Und von Mal zu Mal gefiel sie mir besser. Es ist nicht so ganz mein Ding, aber dadurch, dass Joan Armatrading dieses Album mit einer außergewöhnlichen Dynamik entwickelt hat, die ‚irgendwie’ ansteckend ist, kann ich gut damit leben. Überall auf der CD swingt und groovt es und es ist dabei entspannt und in sich geschlossen. Mit dieser Platte erweitert Joan Armatrading ihre Stilvielfalt um ein weiteres Genre.

Zudem hat sie die Lieder selber geschrieben, arrangiert, abgemischt und als Multi-Instrumentalistin (Gitarren, Bass, Keyboards, Gesang, Schlagzeugprogrammierung), eingespielt sowie produziert. „Das war bereits auf den vier vorausgegangenen Platten der Fall“, berichtet sie. Gemastert hat Tim Young (siehe auch: Rocktimes.de)


Joan Armatrading: Starlight

„Joan Armatrading scheint im Alter eine neue Form der Emotionalität gefunden zu haben, sowohl in ihren Texten als auch in ihrer Musik. Unverblümt erzählt sie von ihrem Alltag und steht dazu, sich immer noch zu verlieben: ‚It’s not the first time that I’ve been kissed / but I’ve never been kissed like this before’ singt sie in ‚Close to me’, und die Freude ist ihr an der Stimme deutlich anzumerken. Das sagt sie gern, das macht ihr Spaß, und sie will es nicht für sich behalten. Mit ihrer vollen Stimme und den jazzigen, mitunter auch funky ausgeklügelten Arrangements reißt sie alle Zuhörer mit, die ihren Musikgeschmack teilen. ‚Single Life’ hat einen progressiven Touch, der im Refrain gar an die alten Gentle Giant oder Frank Zappa erinnert, ‚Close To me’, ‚Back On Track’ und ‚Starlight’ sind chartfähiger Pop, ‚The Way I Think Of You’ atmet traditionellen Jazz. Bei allem tritt sie als Komponistin und Sängerin unkompliziert auf, die ihre Songs mit einem Fingerschnippen zu schreiben scheint und jeden Ton trotz ihres fortgeschrittenen Alters mühelos trifft. Mit jedem Song strahlt sie eine so positive Munterkeit aus, dass es beim Hörer ansteckend wirkt und man die Scheibe als Medikament gegen depressive Verstimmungen verschreiben möchte. Nicht jeder mag Jazz, Funk, Folk, Rock und Pop in einem Topf – aber wenn Mama Joan diesen Eintopf kocht, wird doch fast jeder mit der Zunge schnalzen. Ehrlich, positiv, musikalisch hochgradig und leicht anhörbar – ein seltenes Juwel!“

Nun ihrer Stimme merkt man inzwischen schon das ‚fortgeschrittenen Alter’ an, denn diese klingt leicht belegt, fast etwas heiser. Aber den Stücken dieses Albums kommt das eher zugute. Erstaunlich ist auf jeden Fall die Vehemenz mit der sie singt. Damit kann sie sogar jeden Rapper an die Wand singen.

Single Life

Single life is not what it appears to be

You can eat cake and even ice cream
And you can stay out really late
And you can bring home someone
To make you feel special
But it’s for a few hours
Then they go away.

Deutsche Übersetzung: Leben als Single

„Das Leben ohne Partner ist nicht so, wie es von außen scheint: du kannst alles futtern, was du willst – und dir manchmal jemand mit nach Hause nehmen – sie geben dir das Gefühl, dass du was Besonderes bist, aber nur für ein paar Stunden, bevor sie wieder abhauen…“.


Joan Armatrading: Tell Me

Nun nach anfänglichen Schwierigkeiten habe ich mich mit dem Album ‚Starlight’ versöhnt. „Daß einem etwas einfällt, was einem früher nicht hätte einfallen können.“, sagte Martin Walser. Da gilt auch für Joan Armatrading. Mit ihren gut 62 Jahren lässt sie sich immer noch etwas Neues einfallen.

Starlight bei allmusic.com bzw. rdio.com als Stream

Albert Camus: Die Pest

    Das Böse in der Welt rührt fast immer von der Unwissenheit her, und der gute Wille kann so viel Schaden anrichten wie die Bosheit, wenn er nicht aufgeklärt ist. (S. 86)

Und weiter heißt es bei Camus: Die Menschen sind eher gut als böse, und in Wahrheit dreht es sich gar nicht um diese Frage. Aber sie sind mehr oder weniger unwissend, und das nennt man dann Tugend oder Laster. Das trostloseste Laster ist die Unwissenheit, die alles zu wissen glaubt und sich deshalb das Recht anmaßt zu töten. (S. 86f.)

Es ist wohl das bekannteste Werk des Romanciers und Philosophen Albert Camus, dem ich mich in diesem Weblog schon öfter gewidmet habe. Gemeint ist der Roman Die Pest, das ich in folgender Ausgabe habe: Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg – rororo 15 – 829.-853. Tausend März 1979 (Original: La Peste, 1947 Librairie Gallimard, Paris)

Albert Camus: Die Pest

Camus war der Philosoph des Absurden, der meinte, dass man dem Leid und Elend in der Welt keinen Sinn abgewinnen kann. Der Mensch fühlt, wie „fremd“ alles ist, die Außenwelt und ihre Sinnlosigkeit bringen ihn wegen seines Strebens nach Sinn in existentielle Konflikte. In diesem Roman nun führte Camus das Element der ständigen Revolte gegen die Sinnlosigkeit der Welt ein, wie sie in seinem Essay „Der Mensch in der Revolte“ („l’homme révolté“, 1958) später voll entwickelt wird. Insbesondere kommen aber die Werte Solidarität, Freundschaft und Liebe als möglicher Ausweg hinzu, wenn auch die Absurdität nie ganz aufgehoben werden kann.

In der nordafrikanischen Stadt Oran bricht eine furchtbare Seuche aus, die längst aus zivilisierten Regionen verbannt schien. Die sich unerbittlich ausbreitende mörderische Epidemie bestimmt allmählich das gesamte Leben der von der Außenwelt abgeschnittenen Stadt und verändert es. Außerordentlich wirklichkeitsnah, ist das Werk zugleich ein großartiges Sinnbild des apokalyptischen Grauens, das den Einzelmenschen angesichts der maßlosen kollektiven Verhängnisse unserer Zeit befällt. Doch nimmt der Leser die Gewißheit mit, daß Mut, Willenskraft und Nächstenliebe auch ein scheinbar unabwendbares Schicksal meistern können.
(aus dem Klappentext)


Oran/Algerien

In seinen Tagebücher (Albert Camus, Tagebücher 1935 – 1951) schrieb Camus dazu: „Ich will mit der Pest das Ersticken ausdrücken, an dem wir alle gelitten haben, und die Atmosphäre der Bedrohung und des Verbanntseins, in der wir gelebt haben. Ich will zugleich diese Deutung auf das Dasein überhaupt ausdehnen. Die Pest wird das Bild jener Menschen wiedergeben, denen in diesem Krieg das Nachdenken zufiel, das Schweigen – und auch das seelische Leiden.“

Personen:

Bernard Rieux, Arzt und Verfasser des Berichts
Frau Rieux (†)
Mutter Rieux

M. Michel, Hauswart († – 1. Opfer)
M. Othon, Untersuchungsrichter (†)

Raymond Rambert, Journalist
Jean Tarrou, junger Mann, Tagebuchschreiber († – das letzte Opfer)
Pater Paneloux († – zweifelhafter Fall)
Joseph Grand, Angestellter der Stadtverwaltung (erkrankt) -> Liebe zu Jeanne
M. Cottard (Selbstmordversuch) -> Verhaftung

Dr. Richard, Sekretär des Ärzteverbandes (†)
Dr. Castel (stellt Serum her)

Schmuggler und Menschenschieber
Garcia / Raoul / Gonzales / Marcel & Louis

Präfekt
Asthmaischer Spanier
männlicher Katzenbespucker

u.a.

Der Roman „Die Pest“ ist als Parabel der französischen Widerstandsbewegung Résistance ein Plädoyer für die Solidarität der Menschen im Kampf gegen Tod und Tyrannei und damit „gleichzeitig eine Chronik der Kriegszeit. Die von Albert Camus gewählte Stadt Oran steht stellvertretend für das von Nazideutschland besetzte Frankreich. Durch den Ausbruch der Pest wurde Oran zu einer hässlichen von der Außenwelt abgeschlossenen Stadt. Der Arzt Rieux, der der Erzähler der Geschehnisse ist, und Tarrou machen Aufzeichnungen von den Ereignissen, auf die die Bewohner nicht vorbereitet waren. Nicht nur Rieux, sondern ebenso die anderen Hauptpersonen machen es sich nach und nach zur Aufgabe, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Pest und ihre verheerenden Folgen für die Bevölkerung vorzugehen und sich den von Tarrou aufgestellten Sanitätstrupps [Widerstandsgruppen] anzuschließen. Auch der Jesuitenpater Paneloux meldet sich als freiwilliger Helfer und sieht es als seine Pflicht an, in der vordersten Reihe seinen Dienst zu tun. Der Roman ‚Die Pest’ besitzt wie der Roman ‚Der Fremde’ eine soziale und eine metaphysische Ebene. In mehreren Gesprächen zwischen Rieux und Pater Paneloux, sowie zwischen Rieux und Tarrou wird die Frage nach dem Leid in der Welt erörtert. In seiner ersten Predigt spricht der Pater von der Pest als einer Geißel Gottes, dieser Standpunkt wird von Rieux vehement abgelehnt. Jedoch sucht Pater Paneloux in seiner zweiten Predigt nicht mehr nach einer Erklärung für das Leid. Er hat seinen Zuhörern keine Belehrungen mehr zu geben und spricht sie daher mit ‚wir’ und nicht wie in seiner ersten Predigt mit ‚ihr’ an.“ (siehe weiter: Albert Camus: das Absurde – die Wahrheit – die Revolte – Die Pest).

Der Roman endet mit einer eindringlichen Mahnung:

Während Rieux den Freudenschreiben lauschte, die aus der Stadt empordrangen, erinnerte er sich nämlich daran, daß diese Fröhlichkeit ständig bedroht war. Denn er wußte, was dieser frohen Menge unbekannt war und was in den Büchern zu lesen steht: daß der Pestbazillus niemals ausstirbt oder verschwindet, sondern jahrzehntelang in den Möbeln und der Wäsche schlummern kann, daß er in den Zimmern, den Kellern, den Koffern, den Taschentüchern und den Bündeln alter Papiere geduldig wartet und daß vielleicht der Tag kommen wird, an dem die Pest zum Unglück und zur Belehrung der Menschen ihre Ratten wecken und erneut aussenden wird, damit sie in einer glücklichen Stadt sterben. (S. 202)

Sparstrumpf Oder: Hinter den Kulissen der Finanzwelt

Auf einem Sparkonto habe ich etwas Geld aus einer kleinen Erbschaft angelegt, für das ich im letzten Jahr sage und schreibe etwa 0,24 % Zinsen bekam. Ein Witz! Genauso gut hätte ich das Geld in einem Sparstrumpf aufbewahren können. Dafür beträgt der Zinssatz für Dispositionskredite 12,3 % bzw. 16,9 % für geduldete Kontoüberziehungen. Früher hätte man das Wucherzinsen genannt. Ich erinnere mich an Zeiten, da bekam man für sein Erspartes Zinssätze um die 8 %.

Für Banken sind die Geldanlagen und die Kreditvergaben an uns ‚kleine Leute’ nur noch Kleinkram, der kaum die Portokasse deckt. Lieber macht man in großen Geschäften und jongliert mit abstrusen Finanzprodukten, jenen Derivaten. Es darf gezockt werden. Ein etwas kurioses, reichlich überspitztes Beispiel ist die Tatort-Folge Die Ballade von Cenk und Valerie aus dem vorigen Jahr, in der gewissermaßen auf den Tod des Bundeskanzlers ‚gewettet’ wurde.

Wohin diese Zockerei führt, hat uns die Finanzkrise gezeigt:

Die Finanzkrise kam über Deutschland wie ein Tsunami, von weit her und völlig unvorhersehbar. Verantwortlich sind die USA, die Leidtragenden sind wir. Diese These ist ebenso eingängig wie falsch.

Verdeutlicht wird das in der filmischen Dokumentation Banken außer Kontrolle – Wie die Politik uns in die Krise führte in der ARD. Die Autoren Julia Klüssendorf und Stefan Jäger zeigen, wie alle Regierungen in Deutschland seit den Neunzigern die vorhandenen Alarmsignale ignoriert haben. Die Autoren blicken hinter die Kulissen und zeigen, warum unsere Politiker den Bankern freie Hand ließen.

ARD: Banken außer Kontrolle (2013)

Um die deutsche Finanzwelt gegenüber dem Weltmarkt zu stärken, hatten Politiker alle Schranken, die die Geldgeschäfte hemmen konnten, fallen gelassen. Das begann in den 90er Jahren unter Helmut Kohl und setzte sich bis heute fort.

Von der Euphorie des Börsenfiebers der Neunziger ist nicht viel übrig. Quer durch die Parteien gibt es heute Befürworter einer Regulierung der Finanzmärkte. Die aber kommt nur schleppend voran.

2008 hatte ich mich bereits etwas genauer mit der Situation beschäftigt (Der Anfang vom Ende). Und nach der Finanzkrise kam dann fast zwangsläufig auch die Euro-Krise. Während für die Bankenrettung angeblich 74 Milliarden Euro aufzubringen waren (siehe Film-Doku), dürfte die Rettung des Euros den deutschen Steuerzahlern noch einmal ein Vielfaches von dem kosten (zz. haften wir für annähernd 770 Milliarden Euro).

Wohin das führt, kann man nur erahnen. Soviel ist sicher: Die Politik hat auf der ganzen Linie versagt und wird es auch in Zukunft tun, denn es fehlt ihr an Kompetenz – oder sie macht den Bock zum Gärtner (z.B. als man sich Rat bei Herrn Ackermann, Ex-Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank, holte). Sieht man, wer während der großen Koalition (Merkel als Kanzlerin, Steinbrück als Finanzminister) immer noch für eine Deregulierung der Finanzmärkte eintrat und letztendlich die Finanzkrise und deren Auswirkungen viel zu lange unterschätzte, und sieht man, wer künftig die politischen Richtlinien bestimmen will (Merkel oder Steinbrück), dann kann einem nur angst und bange werden.

Schon allein dadurch, dass betont wird, die Spareinlagen der ‚kleinen Leute’ wären sicher, zeigt sich, dass man selbst hier das Schlimmste befürchten muss (siehe Zypern – Zypern ist näher als man glaubt). Schon melden sich Propheten (Trittbrettfahrer würde ich sie eher nennen), die behaupten, das Allheilmittel zu kennen, um den Spargroschen gewinnbringend zu sichern. Sie verkünden bereits fürs nächste Jahr den totalen Crash: Euro-Zusammenbruch. Schuldenchaos. Wirtschaftskrise. Und dabei liegen sie gar nicht einmal so verkehrt. Nur muss man zuvor Ängste schüren, um dann mit dem tollen Angebot herauszurücken? Das stinkt natürlich gewaltig! Überhaupt: Welche Anlage ist überhaupt noch sicher: Viele, die glaubten, ihr Geld in Gold sicher angelegt zu haben, mussten erleben, dass selbst der Goldpreis in den Keller sacken kann. Dann doch lieber den Sparstrumpf!

Nun, ich glaube längst nicht mehr, dass es einen Markt geben wird, der sich auf sein eigentliches Geschäft besinnt, z.B. der Händler verkauft seine Ware, der Banker verleiht Geld für Investitionen. Das wäre ja einfach zu banal. Solange ich ungestraft mit dem Geld anderer spekulieren und fette Boni kassieren kann, was soll ich da kleine Brötchen backen und mit deren Verkauf meine Existenz fristen. Und wenn’s in die Hose geht, dann wird eben der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Bundestagswahlen stehen an. Ich habe immer dafür plädiert, zur Wahl zu geben, denn sonst sollte man die Klappe halten. Aber diesmal weiß ich wirklich nicht, ob ich meine beiden Kreuzlein machen werde. Das kleinere Übel ist an Übel schon zuviel. Und verarschen kann ich mich auch allein.

Absurd und zugenäht

Was unterscheidet uns vom Camus’schen Protagonisten, Jean Tarrou, dem jungen Tagebuchschreiber in Die Pest, der mit der Frage nach dem Tun, um seine Zeit nicht zu verlieren, die passende Antwort samt der zu bewerkstelligen Mittel parat hatte? Ist nicht vieles ähnlich absurd, verflixt und zugenäht in unserem Leben? Um dem Ganzen die Krone der Absurdität aufzusetzen, ließ Camus, nachdem die Pest abgeebbt war, als letzten seiner Helden jenen Jean Tarrou doch noch erkranken – und sterben.

Albert Camus: Absurd und zugenäht © Collage Wilfried Albin

„Frage: was tun, um seine Zeit nicht zu verlieren? Antwort: sie in ihrer ganzen Länge auskosten. Mittel: tagelang auf einem unbequemen Stuhl im Wartezimmer eines Zahnarztes sitzen; den Sonntagnachmittag auf seinem Balkon verbringen; Vorträge anhören in einer Sprache, die man nicht versteht; in der Eisenbahn die längsten und umständlichsten Strecken fahren, selbstverständlich stehend; am Vorverkaufsschalter eines Theaters Schlange stehen und keine Karte lösen usw. usw.“

(Albert Camus: Die Pest – Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg – rororo 15, 1979, S. 20)

IGS Hamburg 2013: Minigärten im Schlagloch

Alles begann damit, dass der junge Australier Steve Wheen sich auf dem Weg mit dem Rad zur Uni regelmäßig über die schlaglochreichen Straßen Londons ärgern musste. Also beschloss er eines Tages, sich dem Problem spielerisch zu nähern – und schaffte mit Hilfe von Pflanzen und kleinen Requisiten einen Minigarten im Asphalt.

Aus der spontanen Aktion wuchs rasch ein Herzensprojekt heran – und seitdem nutzt Steve Wheen seine Freizeit dazu, seine Umgebung mit pfiffigen Ideen zu überraschen. So entstanden unzählige Guerilla-Gärtchen, und jedes trägt sein eigenes Motto.

    Minigärten im Schlagloch – © Astrid Kieper, Tostedt

So gesehen auf der internationalen gartenschau in Hamburg. Hierzu gibt es auch das Buch von Steve Wheen: Der City-Gärtner: Minigärten im Schlagloch

Martin Walser: Ein liebender Mann

    Alle Übel der Welt sind entstanden durch Liebesmangel.
    (Martin Walser: Ein liebender Mann S. 204)

Ähnlich wie Martin Walser sich um Goethe drückte (und um Thomas Mann sowieso), so hatte ich mich bisher auch um Walsers Ein liebender Mann gedrückt. Bisher, denn noch vor meinem Sommerurlaub habe ich mir das kleine handliche Büchlein gegönnt und gelesen. Die Süddeutsche Zeitung hat ihre Kritik auch passend mit Die Leiden des alten Werthers betitelt, denn in dem Roman nimmt sich Martin Walser Goethes letzter Liebe an, die des 73-Jährigen zur 19-jährigen Ulrike von Levetzow. Immerhin verdanken wir diesem Liebeswerben die Marienbader Elegie (Text bei zeno.org), auch wenn es mit diesem Werben gehörig in die Hose ging (das Ende des Romans ist dann auch eher prosaisch als poetisch).

    Martin Walser: Ein liebender Mann

Sommer des Jahres 1823. Goethe […] ist nach Marienbad gereist, wo er, wie schon in den Jahren zuvor, auch auf Amalie von Levetzow und ihre Töchter trifft. Doch diesmal steht ihm der Sinn weniger nach der ansehnlichen und geistreichen Gesellschaft des ganzen Quartetts als ausschließlich und umfassend nach jener der Ältesten, Ulrike. (Quelle: faz.net)

„Man lässt sich bezaubert ein auf Liebes-Passion, Dichter-Gescheitheit, lebendigstes Zeitkolorit. Da übertrifft Walser, sprachmächtig, nicht nur sich selbst, sondern auch so manche berühmte Goethe-Schilderung der deutschen Literatur“, schreibt Joachim Kaiser in der Süddeutschen. Dem kann ich mich nur anschließen, auch wenn manches Wort, das Walser Goethe in den Mund legt, doch sehr nach Walser klingt (und dabei vielleicht sogar überzeugender).

Bestechend, da witzig und schön, sind die Dialoge, die Goethe mit der blutjungen Ulrike führt. Hier spürt man, wie ein ins Alter gekommener Mann sich berauschen lässt von der Jugend und sich von Amors Pfeil durchbohrt hingibt an eine Liebe, vor der bekanntlich kein Alter schützt (die törichte Liebe). Das Liebeswerben geht soweit, dass Goethe sich zu einem Heiratsantrag hinreißen lässt. In einem Schreiben an Ulrikes Mutter bekennt er dann aber doch:

Ich habe mich danach gesehnt, Sie um Entschuldigung bitten zu dürfen für eine aus Panik geborene Handlung, deren Peinlichkeit nur noch durch ihre Komik überboten ist. (S. 176)

Ja, eigentlich ist es mehr als peinlich, wenn ein ‚alter Sack’ sich an eine ‚junge Schöne’ heranwagt. Damals wie heute. Aber Martin Walser, dem man an anderer Stelle in Literatur gehüllte Altersgeilheit vorgeworfen hat, umschifft die Klippe – im Gegenteil: Er lässt uns mitleiden mit diesem alten Goethe, der am Ende um eine bisher nicht gemachte Erfahrung reicher ist, dem Lieben, ohne geliebt zu werden.

Diese Liebe, als sie voll entbrannt ist, lässt Goethe, wie sollte es anders sein, schreiben. Und so entsteht die bereits erwähnte Marienbader Elegie. Gefühl und Schreiben verknüpfen sich, werden zu einem Ganzen: Das war das Schönste beim Schreiben, besonders beim Gedichteschreiben: die vollkommene Sicherheit des Zustandekommens. Egal, was dann irgend jemand zu dem Ergebnis sagen würde, für ihn war glücksentscheidend, dass das, was nachher da stand, ganz dem Gefühl entsprach, das ihn beim Schreiben geleitet hatte. (S. 162 f.)

Ja, diese Männer, besonders diese alten Männer („Je oller, desto toller“ – kennt sich der Volksmund aus). Immerhin kommt Walser in der Gestalt Goethes zu der Erkenntnis (S. 202): Die Männer gehören in den Sandkasten und an den grünen Tisch. Die Frauen ans Ruder. (Wenn sie nicht gerade Merkel heißen).

Mit dem Rad rund um Tostedt

Meinen Sommerurlaub habe ich bereits hinter mich gebracht. Ziemlich früh in diesem Jahr. Und es war ein Urlaub auf Terrassien und Umgebung. Umgebung hieß, z.B. in der ersten Woche mit dem Fahrrad kleinere Touren rund um Tostedt zu machen. Wir hier am Rande der Nordheide können Urlaub zu Hause machen. Andere bezahlen dafür. Und Touren mit dem Rad lohnen sich, denn die Landschaft ist hier nicht nur ‚platt’, wenn auch keine größeren Anhöhen zu bewältigen sind. Weit gekommen sind wir zwar nicht; auf den drei Touren dürften wir zusammen höchstens 100 km zurückgelegt haben. Aber wir wollten ja auch eher schauen und weniger für die Tour de France trainieren.

    Rund um Tostedt

So fuhr ich bei meiner Frau zunächst bei wechselhaftem Wetter mit leichten Regenschauern am ersten Tag (Montag, den 24. Juni) von uns aus in Richtung Süden nach Welle, wir kurvten dort etwas herum, um anschließend über Otter, Riepshof und Quellen zurück nach Tostedt zu fahren. Im Ort ließen wir uns bei Kaffee und Kuchen nieder.

Den folgenden Tag (Dienstag, den 25. Juni) war es zwar meist trocken, aber eine steife Brise wehte uns um die Nase. Es ging wieder Richtung Welle, diesmal aber von der Niedersachsenstraße abbiegend zunächst nach Hoinkenbostel, einem Ort jenseits der großen Straßen in aller Ruhe. Kurz vor Welle überquerten wir dann die Landstraße Richtung Kampen. Erwähnenswert ist hier die Windmühle. Dann ging es weiter über Todtshorn und Otter zurück nach Tostedt.


Tostedt (A)/Hoinkenbostel (B)/Kampen (C)/Todthorn (D)/Otter (E)/zurück Tostedt (F)

Am 3. Tag (Mittwoch, den 26. Juni) fuhren wir Richtung Norden, zunächst am Baggersee entlang nach Bötersheim. Von dort radelten wir den Estewanderweg an der Bötersheimer Quelle vorbei, dann den ‚Butterberg’ entlang bis Drestedt, um über Triftweg und Mühlenweg zurück nach Bötersheim zu kommen. Bei der dortigen 1000-jährigen Eiche machten wir einen kurzen Halt, um zunächst Richtung Tostedt zurück dann noch einen Abstecher nach Dohren zu machen.


Tostedt (A)/Bötersheim (B)/Drestedt (C/D)/Bötersheim (E/F)/Dohren (G)/zurück Tostedt (H)

Leider lassen sich bei Google Map nicht alle Straßen (z.B. Feldwege) darstellen bzw. berechnen. Deshalb entsprechen die Streckendarstellungen oben nicht ganz den tatsächlich gefahrenen Strecken. Eigentlich wollten wir dann auch noch einmal ins Büsenbachtal, sind dann aber ‚wenigstens’ einmal mit dem Auto nach Handeloh gefahren, dort wo nicht nur die Heide, sondern auch die Nordheide-Touristik blüht.