In meinem Beitrag „Auf der Suche nach Bach“ berichtete ich u.a. über die zwei spanischen Meister der klassischen Gitarre, Andrés Segovia und Narciso Yepes, die sich immer wieder der traditionelle Musik Spaniens gewidmet haben. Und als alter Andalusien-Urlauber wäre es gar eine Sünde, die dortige Musik links liegen zu lassen: den Flamenco. Es ist gottlob nicht so, dass man an den Küsten der Costa del Sol mit Flamenco-Klängen überschüttet wird, dafür bedeutet diese Musik den dortigen Bewohnern viel zu viel, um sie vor die Säue zu werfen. Man ist als Fremder gern geduldet mitzuhören und –zusehen, aber um folkloristische Aufführungen für Touristen geht es dabei nicht.
Der Flamenco hat viele Wurzeln. Und eine Heimat ist Granada, die Stadt, über die die Alhambra, jene maurische Festung, thront, die schon aus der Ferne zu sehen ist. Nur nebenbei: Einer der Söhne dieser Stadt ist Federico García Lorca, eines der bedeutendsten Literaten Spaniens, der sich als ebenso begnadeter Musiker auch mit dem Flamenco beschäftigte.
Flamenco – das ist Tanz (Baile) im Mittelpunkt, der Gesang (Cante) und die Gitarrenmusik (Toque Guitarra). Da ich mich auf der Suche nach hervorragenden Gitarristen diese Welt über die Klassik nach Spanien verirrt habe (aber von Verirrung kann natürlich keine Rede sein), bin ich eben jetzt beim Flamenco gelandet, da die Gitarre das Instrument des Flamenco ist. Und neben Carlos Montoya u.v.a. ist besonders ein Gitarrist zu nennen, der über die Grenzen des Flamenco und des Landes Weltruhm erlangte: Paco de Lucia.
Paco de Lucía |
Carlos Montoya |
Jan Akkerman |
Larry Coryell |
Al di Meola |
John McLaughlin |
Zunächst für mich als oftmaliger Wanderer durch Málagas Gassen hier ein, nein der Malagueña, gespielt von Carlos Montoya (dieser kommt dabei auch ohne hohe E-Saite aus):
Carlos Montoya: Malagueña
Und bevor ich auf Paco de Lucia zu sprechen komme (ich lasse ihn dann auch lieber selbst sprechen – über sein Gitarrenspiel), hier einige Ausschnitte aus der TV-Sendung „Granada – Zauber aus 1001 Nacht“, die eine kleine Einleitung in den Flamenco gibt und am Schluss Paco de Lucia bei einem Auftritt in der Stierkampfarena – Plaza del Toros – zu Granada zeigt:
Granada und der Flamenco
Paco de Lucía gilt vielen als der Welt bester Gitarrist. Ich kann diese Meinung nur unterstützen. Was der Mann auf der Gitarre zaubert, ist kaum zu fassen. Die Gitarre ist seine stetige Begleiterin (auch im Bett? – sicherlich). Nun, Paco de Lucia ist nicht nur Flamencogitarrist. Er hat schon früh in anderen Revieren geräubert, von der Klassik bis zum Jazz. Dabei hat er aber nie seine Herkunft, die traditionelle Musik Andalusiens, geleugnet.
Zunächst ein erstes Video mit einem Stück „Entre dos aguas“ (was man wohl mit „zwischen den Ozeanen“ übersetzen könnte), in dem Paco de Lucia mit Begleitband bereits Rückgriffe auf moderne Musikelemente nimmt:
Paco de Lucia – Entre dos aguas (1976)
Dann ein Video (der erste Teil von zehn) von einem Auftritt 1997 in Viena (soll wohl Vienna heißen, also Wien). Hier vermengt er auf unnachahmliche Weise Elemente des Flamenco, überhaupt der spanischen Folklore, mit Klassik und Jazz. Absolut hörenswert für jeden Freund der akustischen Gitarre:
Paco De Lucia – Amor Flamenco (Viena 1996) 1/10
Und es musste kommen, wie es kam. Andere Gitarristen schlugen sich förmlich darum, mit Paco de Lucia auftreten zu können. Bereits 1970 kam es zu einem Zusammentreffen zwischen ihm und Jan Akkerman, den wir von der Gruppe „Focus“ (bereits in vielen meiner Beiträge angesprochen, u.a. Focus: Sylvia) kennen. Hier behandelt Paco den guten Jan mit einiger Nachsicht:
Jan Akkerman and Paco de Lucia: „Tres Hermanos“ Live 1970
Dann gab es immer wieder Konzerte mit Gitarrengrößen des Jazz, u.a. mit Larry Coryell, der uns bereits in meinem Beitrag „Herbie Mann: Memphis Underground“ musikalisch begegnet ist:
Larry Coryell and Paco de Lucia
Einen absoluten Höhepunkt stellt die Zusammenarbeit von Paco de Lucia mit John McLaughin und Al di Meola dar. Das Ergebnis: das Album „Friday Night in San Francisco“ aus dem Jahr 1981. John McLaughlin kennen wir bereits von dem Mahavishnu Orchestra her (siehe meinen Beitrag: Mahavishnu Orchestra: Open Country Joy). Und Al di Meola hat u.a. mit Ian Anderson von der Gruppe “Jethro Tull” in dem Projekt „Lesile Mandoki ‘s Soulmates“ zusammengearbeitet (siehe den Life-Mitschnitt Soulmates feat. Ian Anderson live Tränenpalast/Berlin 2003).
Was die drei Musiker da zaubern, ist gewaltig. Mein jüngster Sohn sagte, als wir das folgende Video gemeinsam betrachteten: Die spielen ja keine Gitarren mehr! Ich denke, er hat es auf den Punkt gebracht. Eigentlich bin ich gegenüber solcher Akrobatik auf einem Musikinstrument allergisch (ich weiß z.B. nicht, welche Ehre es sein soll, als „schnellster Gitarrist der Welt“ wie Al di Meola bezeichnet zu werden). Spätere Aufnahmen von John McLaughlin fand ich mit der Zeit tödlich langweilig, da nur noch reine Technik mit wenig Geist und kaum Gefühl präsentiert wurde. Auch diese drei Musiker liefen Gefahr, die Spieltechnik überzubewerten. Ich denke, es war Paco de Lucia, der dem Ganzen dann doch die nötigen Seele samt Geist einhauchte. Auf der anderen Seite: Hier lassen die drei Jungs wirklich ‚die Sau ’raus’; sollen sie es auch einmal:
Paco de Lucia – John McLaughlin – Al di Meola: Mediterranean Sundance