Franz Kafka: Das Schloss

    Es war spätabends, als K. ankam.
    Kafka: Das Schloss – das erste Kapitel

Immer wieder stolpert der werte Leser meines Blogs über … Franz Kafka. Zu einem ist es ein Artikel über Kafka und/oder sein Werk, zum anderen ziehe ich Vergleiche mit ihm. Kafka schrieb drei Romane, die allesamt unvollendet blieben. Viele Kafka-Kenner sagen, dass diese nicht ohne Grund unvollendet blieben: Ein Ende, ein Schluss wäre nicht möglich. Open End wird das beim Film genannt.

Franz Kafka 1924
Franz Kafka 1924

Nach Kafkas Roman Der Prozess habe ich nun Das Schloss erneut gelesen. Es liest sich leicht und locker, ist gespickt mit Dialogen, ähnelt einem Drehbuch. Kafka ist eigentlich unkompliziert – aber was so real beschrieben ist, gleicht doch eher einem Alptraum: Da ist K., der Landvermesser, der gekommen ist, um seine Arbeit aufzunehmen. Er versucht, Zugang zum Schloss zu bekommen, gerät dabei in die Mühlen der Schlossverwaltung …. (soviel zur Inhaltsangabe).

Es ist viel in diesen Roman hineingedeutet worden. In der existentialistisch geprägten Interpretation von Albert Camus steht der ergebnislose Versuch K.s sich dem Schloss anzunähern für die berechtigte aber erfolglose Sinnsuche des Menschen in einer sinnentleerten Welt.

Max Brod sah in dem Roman ein theologisches Modell, nämlich den Ort göttlicher Gnade. Als enger Vertrauter und Nachlassverwalter Kafkas konnte er dies mit einer gewissen Berechtigung vorbringen. Adorno interpretierte das Werk als Darstellung von Hierarchie- und Machtstrukturen auch künftiger totalitärer Systeme. Weitere Deutungen sehen eine schwarze Satire auf Macht, Willkür und Überbürokratisierung von Behörden und Staatsapparaten. Das „Schloss“ könnte nach psychoanalytischer Deutung auch die Welt der Väter darstellen, die zu erobern der Sohn sich vergeblich bemüht. Peter Weiss erklärt in seinem Roman-Essay Ästhetik des Widerstands Kafkas Roman zu einem Proletarierroman.

In dem japanischen Film Guilty of Romance aus dem Jahre 2011 von Sion Sono wird „Das Schloss“ (japanisch: 城) von Franz Kafka zum Sinnbild für eine vergebliche Suche. Wie K., der Landvermesser aus dem Roman, finden sie nicht das ‚Tor’, keinen Zugang zum Schloss, also keinen Zugang zum eigenen Ich.

Guilty of Romance (2011) – an der Wand steht 城 – 'Das Schloss'
Guilty of Romance (2011) – an der Wand steht 城 – „Das Schloss“

Nun ich habe Kafkas Erzählungen und Romane als Gesammelte Werke – herausgegeben von Max Brod – in einer Taschenbuchausgabe in sieben Bänden – Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main – Ungekürzte Ausgabe – April 1976. Die Bildbände, die Sekundärliteratur u.v.m. zu Kafka füllen bei mir inzwischen zwei Regalreihen aus. Für mich ist er die faszinierendste Person der deutschsprachigen Literatur.

Obwohl die Anzahl der wichtigsten Protagonisten des Romans Das Schloss durchaus übersichtlich ist, so habe ich in einer Übersicht auch die Randfiguren aufgeführt:

Personen:

[das Schloß des Herrn Grafen Westwest]

K., der Landvermesser [zu Hause ‚das bittere Kraut‘ genannt]
Hans, Wirt im Wirtshaus ‚Zur Brücke‘
Gardena, Frau des Wirtes
[Kastellan Schwarzer]
Unterkastellan Fritz
Gerbermeister Lasemann
Artur – vom Schloss, Gehilfe von K.
Jeremias – vom Schloss, Gehilfe von K. – später Zimmerkellner im ‚Herrenhof“
Fuhrmann Gerstäcker

Herr Oswald, Telefonat mit dem Schloss
Barnabas, ein Bote
Barnabas‘ Eltern
Olga, Schwester Barnabas‘
Amalia Schwester Barnabas‘
Klamm, Vorstand
{der X. Kanzlei]
Wirt im ‚Herrenhof‘

Frieda, Ausschankmädchen im ‚Herrenhof‘, angeblich Geliebte von Klamm
Vorsteher im Dorf
Mizzi, seine Frau
Sordini, Referent in Abteilung B [des Schlosses]
Otto Brunswick, Schustermeister [in der Madeleinegasse] und Gemeinderat, Schwager von Lasemann, dem Gerbermeister
Hans Brunswick, sein junger Sohn, Schüler der 4. Klasse
Frieda Brunswick, Schwester von Hans

Pepi, Nachfolgerin von Frieda als Ausschankmädchen im ‚Herrenhof‘
Henriette und Elilie, Pepis Freundinnen
Momus, Dorfsekretär Klamms [und für Vallabene]

Schwarzer, Sohn des Kastellans, Hilfslehrer [liebt Gisa]
der Lehrer
Gisa, Lehrerin im Dorf

Sortini, großer Beamter [nicht mit Sordini verwandt]
Seemann, Obmann der Feuerwehr
Galater, Vertreter von Klamm
Erlanger, erster Sekretär Klamms

[Friedrich, Beamter im Schloss]
Bürgel, Verbindungssekretär zwischen Friedrich und dem Dorf

Der Roman gliedert sich in folgende Kapitel:

1. Ankommen – Gerbermeister/Kutscher
2. Telefon Errlaubnis – Barnabas, der Bote
3. Herrenhof – Frieda – Schlaf
4. Gespärch mit Wirtin – Dachboden
5. Gespräch Vorsteher
6. Gespräch Wirtin – Verschlag / Küche
7. Gespräch mit Lehrer
8. Herrenhof Kutsche – Warten auf Klamm
9. Herrenhof Verhör – Gespräch mit der Wirtin
10. Heimweg – Treffen Barnabas – Brief Klamms
11. Im Schulzimmer nachts
12. Lehrer und Lehrerin im Schulzimmer
13. Entlassung der Gehilfen – Gespräch mit Hans Brunswick – Vorwurf Friedas
14. Schwarzer – Olga – Amalia
15. Gespräch Olga über Barnabas‘ Botentätigkeit – Vorwurf
– Amalias Geheimnis
– Amalias Strafe
– Bittgänge
– Olgas Pläne
16. Gespräch mit dem Gehilfen Jeremias (Galater) – Barnabas -> Erlanger Vermittlung
17. Waren auf Erlanger
18. Gespräch mit Frieda (Abschied?)
19. Bei Erlanger – Auf dem Flur
20. Gespräch mit Pepi – Herrenhofs Wirtins Kleider
Fragmente und gestrichene Stellen

Wie ich oben erwähnte, ähnelt Kafkas Roman in großen Teilen einem Drehbuch. In meinem Beitrag Kafka, der Prozess und das Kino schrieb ich vor nun fast 10 Jahren:

Kafka interessierte sich sehr für ein neues Medium, den Cinémato- bzw. Kinematographen – also das Kino […]. Liest man die besagten gut 13 Seiten des Romananfangs [von ‚Der Prozess‘], dann fällt einem sehr bald der „filmische Blick“ des Erzählers auf. Diese Seiten (und überhaupt das gesamte Werk) weisen einen hohen Grad an Visualität auf. Besonders die vielen Gesten der Handelnden werden – ähnlich wie in einem Drehbuch – sehr präzise beschrieben und erläutert. Franz Kafka war ein stetiger Besucher von Kinos. So wiederholen sich in seinen Romanen Szenen (z.B. im Prozess), die einem Running Gag entsprechen. Und es gibt Slapstickeinlagen, z.B. auf Seite 70: „Die so lange unbeachteten Gehilfen und Mizzi hatten offenbar den gesuchten Akt nicht gefunden, hatten dann alles wieder in den Schrank sperren wollen, aber es war ihnen wegen der ungeordneten Überfülle der Akten nicht gelungen. Da waren wohl die Gehilfen auf den Gedanken gekommen, den sie jetzt ausführten. Sie hatten den Schrank auf den Boden gelegt, alle Akten hineingestopft, hatten sich mit Mizzi auf die Schranktüre gesetzt und suchten jetzt so, sie langsam niederzudrücken.“

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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