Nach und nach werde ich hier die 18 Kapitel des Romans Ulysses von James Joyce, soweit ich sie gelesen habe, aufarbeiten. Im Augenblick lese ich das 10. Kapitel, habe von den gut 1000 Seiten gerade einmal etwas über 330 Seiten (also rund 33 %, mithin 1/3 des Romans) geschafft. Gut Ding braucht Weile. Also habt etwas Geduld mit mir (das Jahr ist noch ziemlich jung).
Noch einmal für die, die zwar schon irgendeinmal etwas vom Ulysses gehört haben, aber eigentlich nicht wissen, um was es in diesem Roman geht: Joyce beschreibt im Ulysses in 18 Episoden einen Tag, den 16. Juni 1904, im Leben des Leopold Bloom, seines Zeichens Anzeigenakquisiteur bei einer Dubliner Tageszeitung. In Anlehnung an Homers Irrfahrten des Odysseus lässt er den Leser an den (Irr-)Gängen seines Protagonisten durch Dublin teilhaben.Eine weitere ‚wichtige Figur ist die des Stephen Dedalus, der schon aus Joyce‘ früherem Roman Ein Porträt des Künstlers als junger Mann bekannt ist.
Leopold Bloom entspricht dabei Odysseus, dem König von Ithaka (Ulysses steht englisch für Odysseus, von lateinisch Ulixes), einer der Helden des Trojanischen Krieges und angeblich der Erfinder des Trojanischen Pferdes.mit dessen Hilfe die Griechen Troja erobern konnten.Seine im Trojanischen Kriege vollbrachten Taten werden von Homer (nein, nicht der Simpson) in der Ilias, seine zehnjährige Irrfahrt auf der Heimreise in der Odyssee (Wanderungen des Odysseus) geschildert. Während all seiner Abenteuer zeichnete er sich vor allem durch außergewöhnlichen Verstand und listige Ideen aus. Nach seiner Rückkehr tötete er Penelopes Freier (Penelope ist Odysseus‘ Frau) und übte wieder die Regierung in Ithaka aus.
Die 18 Kapitel von Joyce‘ Roman beziehen sich mehr oder weniger auf Homers Odyssee. Übrigens die Frau von Bloom entspricht dabei der Frau des Odysseus, Penelope. Als Sohn Telemachos muss Stephen Dedalus ‚herhalten‘.
Oh, oh, die Jungs von Kilkenny … (Kapitel 3 – S. 63)
James Joyce: Ulysses (in dt. Übersetzung von Hans Wollschläger) / Penelope (The Last Chapter of
Mit Stephen Dadalus beginnt dann auch der Roman:
Inhalt des 1. Kapitels: Telemachos (Martello-Turm)
Dieses Kapitel ist im Stile eines normalen Romans verfasst.
16. Juni 1904, es ist etwa acht Uhr am Morgen. Stephen Dedalus begibt sich auf die Brüstung des Martello Tower von Sandycove, etwa 14 km vom Stadtzentrum Dublins entfernt, zu seinem Mitbewohner Buck Mulligan. In diesem Wehrturm wohnte Joyce 1904 tatsächlich für etwa eine Woche mit dem Medizinstudenten und Hobbyschriftsteller Oliver St. John Gogarty (1878–1957), der das Vorbild für Buck Mulligan darstellt. Joyce hatte Hoffnungen, die Freundschaft mit Gogarty in diesem Turm wieder aufleben zu lassen, als Künstlergemeinschaft im Sinne einer Renaissance irischen Freigeistes. Doch das erste Kapitel gibt Zeugnis von der zerbrochenen Beziehung. Den permanenten selbstverliebten Sticheleien Mulligans begegnet Stephen nur mehr mit noch mürrischerer Introvertiertheit.
Noch berührt vom kürzlichen Tod seiner Mutter, beschwert sich Stephen bei Mulligan über die nächtlichen Eskapaden des elitären Engländers Haines (ähnlich dem französischen haine, der Hass), der zu dieser Zeit ebenfalls dort nächtigt. Auch die Figur Haines’ entspricht einer realen Person: dem Studenten Samuel Chevenix Trench aus Oxford, der hier als Symbol für einen überheblich-freundlichen britischen Kolonialismus eingesetzt wird – oder wie Joyce es formuliert – „Horn eines Stieres, Huf eines Pferds, Lächeln eines Sachsen.“ Trench wurde von Gogarty hofiert, und so nutzt Joyce dieses Duo als Sinnbild für das usurpierte Irland: Mulligan als Verräter Irlands und kleingeistiger Versemacher, Haines als der nachsichtige, reiche Engländer, der Irland mit dem überheblichen Auge eines Touristen in Augenschein nimmt.
Nach einem kargen Frühstück verkündet Haines, in die Bibliothek zu gehen. Mulligan möchte erst ein Bad in der See nehmen. Nachdem alle den Turm verlassen haben, unterhalten sie sich noch einige Minuten, dann macht sich Stephen allein auf den Weg. Ihm wird klar, dass er am Abend nicht in sein Domizil zurückkehren wird. Wie Telemachos in der Odyssee bricht er auf, um – im übertragenen Sinne – seinen verschollenen Vater zu suchen, den er später in Leopold Bloom finden wird.
(Quelle: de.wikipedia.org)
Personen des 1. Kapitels
Im Ulysses verkörpert Stephen Dedalus einen modernen Telemachus, der auf der Suche nach einem geistigen Vater ist, obwohl der junge Mann selbst als Intellektueller zu beschreiben ist. Ihm fehlt viel mehr ein vaterähnlicher älterer Freund, der ihm die „Schule des Lebens“ näher bringt – diese Rolle nimmt im Verlauf des Ulysses immer stärker die eigentliche Hauptfigur des Romans, Leopold Bloom, ein. Der erste Teil des Ulysses ist Stephen Dedalus gewidmet. Die ersten drei Kapitel führen den Leser in die stark vergeistigte Gedankenwelt und die soziale Umwelt der Figur ein. In diesem ersten Teil des Werkes sind die autobiographischen Züge an Dedalus besonders hervortretend.
Buck Mulligan ist ein Medizinstudent mit einer zynischen Sicht auf den menschlichen Zustand, den er als „spöttisch und tierisch“ beschreibt. Paradoxerweise ist er auch der beständigste fröhliche Charakter in Ulysses und wird als ständiges Streben nach der nächsten Gelegenheit dargestellt, zu essen, zu trinken und fröhlich zu sein. Er gilt weithin als Held, weil er Männer vor dem Ertrinken gerettet hat, und scheint bei allen Charakteren des Buches sehr beliebt zu sein, mit Ausnahme von Stephen Dedalus (der ihn als „Bastard“ und „kontaminierten, doppelten Grobian“ abtut) und in geringerem Maße Leopold Bloom.
Haines kommt hauptsächlich in „Telemachus“ vor. Er ist ein Engländer, der bei Buck Mulligan im Martello Tower wohnt, und er hat ein Interesse an irischer Folklore und dem Landleben entwickelt. Stephen verachtet ihn von Anfang an, und Stephen ist besonders beunruhigt über einen Traum, den Haines in der Nacht zuvor hatte, in dem er von einem schwarzen Panther schwärmte. Stephen fragt wiederholt, wann Haines gehen wird, und obwohl Mulligan versucht, Stephen zu ermutigen, ist klar, dass er nicht die Absicht hat, Haines in absehbarer Zeit abzuwerfen. Haines steht stellvertretend für eine englische Haltung gegenüber den Iren, die um die Jahrhundertwende üblich war. Die Haltung wurde manchmal als „die Iren mit Freundlichkeit töten“ beschrieben. Haines ist zu Recht neugierig auf die irische Literatur und Geschichte und schlägt vor, eine Sammlung von Stephens Sprüchen zu erstellen. Haines Interesse ist jedoch rein akademisch und spekulativ. Er hält Irland für ein kurioses Studienobjekt, zeigt aber keinerlei Empathie für die Menschen dort.
Anmerkungen zu diesem 1. Kapitel
Um es gleich zu sagen: Der Roman enthält viele Zitate (z.B. aus der Bibel bzw. aus kirchlichen Texten, aus den Werken von Shakespaeare – hier besonders im 9. Kapitel) und Bezüge auf die irische Geschichte (Personen, Ereignisse), aber auch auf das damalige Zeitgeschehen (z.B. der Brand und Untergang einer Raddampfers in New York einen Tag zuvor – Kapitel 10, S. 308). Die Anzahl der erwähnten Personen ist zwar geradezu endlos lang, die meisten spielen aber keine wesentliche Rolle (z.B. Händler), sind daher eher zu ‚vernachlässigen‘.
S. 7: Introibo ad altare Dei [Gehe zum Altar Gottes]
eucharistisch [zum Abendmahl gehörig]
S. 8: Chrysostomos [Goldmund – vergl. auch Hermann Hesse: Narziß und Goldmund]
S. 9: Epi oinopa ponton [Auf weinfarbenem Meer … (weiter: segelnd zu anderen Menschen) aus: Homer: Odyssee)
S. 10: Thalatta! [Meer! als Freudenschrei]
Hyperboreer [Angehöriger eines sagenhaften nordischen Vokes]
S. 12: Caliban [Unhold bei Shakespeare: Der Sturm]
Jalapen [Abführmittel]
S. 13: … omphalos [Nabelschnur]
S. 15: Doktor Sir Peter Teazle [fiktiver Charakter aus dem Stück ‚School of Scandal‘]
Loyola [Mitbegründer der Jesuiten]
„Und nimmer geht beiseit‘ und sinn‘ …“ [Verse von W.B. Yeats]
S. 16: Fergus [urkeltischer Name -> 1. König von Galloway/Heiliger]
S. 17: Ghul [Dämon]
Liliata rutilantium. Turma circumdet. Iubilantium te virginum.[eigentlich: Liliata rutilantium te confessorum turma circumdet: iubilantium te virginum chorus excipiat“ – Möge die Schar der Beichtväter, leuchtend wie Lilien, dich umgeben. Möge der Chor der jubelnden Jungfrauen dich aufnehmen]
S. 19: Janey Mack [in Dublin Ausruf i.S.v. „Jesus“]
S. 20: In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. [Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes]
Mabinogion [Sammlung mitelalterl. walisischer Erzählungen]
Mary Ann [Gestalt aus einem derben irischen Lied]
S. 21: Wenn die mal ihre Röcke hißt [weiter: und wie ein Mann pisst!]
S. 24: Dere gewizzede biz [Gewissensbiss]
S. 27: Billy Pitt [William P., ehemaliger Premierminister von Großbritannien]
Japhet [Sohn von Noah, neben Sam und Ham Stammvater (der nordischen Völker)]
S. 28: … der in die See nickt über seinem Fuß [NICHT statt nickt aus Shakespeare: Hamlet]
Muglin [Leuchtturm]
S. 30: Famaliaris [Kofferwort aus Fama=Gerücht, Ruf – und familiaris= zur Familie gehörig]
S. 31: et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam: [und die heilige katholische und apostolische Kirche]
Missa Papae Marcelli [Musikmesse für Papst Marcellus II (1555) von Giovanni P. Da Palestrina]
Photius [im 9. Jh. Patriarch von Konstaninopel]
Konsubstantialität [Lehre von der Wesensgleichheit von Gott-Vater und Gott-Sohn]
Nom de Dieu! [im Namen Gottes]
In deutscher Sprache gibt es zwei Übersetzungen, zunächst die vom Verfasser, also James Joyce, autorisierte Übersetzung von Georg Goyert (1927) – dann die 1975 erschienene Neuübersetzung von Hans Wollschläger, auf die ich mich hier beziehe (ich habe die einmalige Sonderausgabe aus dem Jahr 1979 – 1. Auflage – Suhrkamp Verlag)
siehe auch: Abenteuer Ulysses von James Joyce (01): Vorgeplänkel