Es hat drei Jahre gedauert, bis ich Daniel Craigs zweiten Bondauftritt in Ein Quantum Trost aus dem Jahre 2008 kurz nach Weihnachten gesehen habe. Meine Söhne und auch ich hatten nach Casino Royale kein Interesse an dem neuen Bond, der nicht mehr der James Bond alter Tage ist.
James Bond ist eine Kunstfigur besonderer Art. Mit seiner Lizenz zum Töten ist er nicht gerade ein Idol für eine friedvolle Auseinandersetzung der Völker und Kulturen. Oder wie ich hier einmal schrieb: Jede Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit wäre mehr als zufällig. Aber genau das ist es, was sie zu zeitlosen Helden macht. Sie sind zwar keine Superhelden wie Batman, Superman, Spiderman und wie sie alle heißen, aber im Grunde sind sie unschlagbar, auch wenn sie oft genug in brenzlige Situationen geraten. Durch ihre Intelligenz und ihren Spürsinn, durch ihren Charme und ihre ‚Schlagfertigkeit’ wissen sie sich immer zu helfen. Und alle drei [gemeint sind Emma Peel und John Steel aus der Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ – sowie James Bond] sind very british.
Allein dieses „very british“ vermissen meine Söhne und ich an dem neuen Bond. Ihm fehlt jegliche Selbstironie, die Briten auszeichnet. Sein Charme ist der eine Hyäne. Das Wenige an Witz, das er hervorbringt, ist lahm. Und seine Sprüche reißen keinem vom Hocker. Ausgeglichen wird das durch eine Orgie an Action und Gewalt. Aber was zu viel ist, das ist einfach zu viel. Selten habe ich mich vor dem Bildschirm so sehr danach gesehnt, dass diese endlosen Verfolgungsjagden und Schießereien endlich ein Ende finden. Das ist einfach mit der Zeit ermüdend.
Verblendung – ein Film von David Fincher (2011)
Und jetzt die Neuverfilmung von Stieg Larssons Roman „Verblendung“, dem ersten Teil der Millennium Trilogie (Verblendung – Verdammnis – Vergebung) – mit Daniel Craig. Als ich erfuhr, das die Amerikaner diesen außergewöhnlichen Kriminalroman erneut verfilmen wollten, sträubte sich einiges in mir.
Hollywood hat sich in den letzten Jahren immer wieder an Filmstoffen aus Europa bedient. Eine Zeitlang waren Neuverfilmungen französischer Filme angesagt. Jetzt sind es Plots aus Skandinavien. Soweit ich einen Vergleich hatte, haben mir die europäischen Filme immer wesentlich besser gefallen. Die Erstverfilmung von Verblendung, eine Gemeinschaftsproduktion auch mit dem ZDF, ragte besonders durch die Darstellung von Noomi Rapace der Lisbeth Salander hervor. In der amerikanischen Neuverfilmung (Regie: David Fincher) übernahm Rooney Mara diesen Part, die noch zerbrechlicher als Noomi Rapace wirkt, deren äußere Wandlung mich entgegen meinen Erwartungen doch stark überraschte.
Und Daniel Craig als kritischer Journalist Mikael Blomkvist? Ich weiß nicht, ich habe eine nicht so ganz erklärbare Antipathie gegen Daniel Craig. Vielleicht liegt es an dem Bond, den er verkörpert und den ich nicht mag. Allein sein Äußeres sagt mir nicht zu, den gedrungenen Körper und dieses dazu unpassende Gesicht … Dabei erscheint er mir ein durchaus sympathischer Typ zu sein. Immerhin hat er einige sehr gute Filme gemacht. Und in seinen Interviews redet er keinen allzu großen Käse (wie es sonst viele Schauspieler tun). Nun Daniel Craig ist ‚erträglich’ in Verblendung. Auch wenn ich mich nicht endgültig mit ihm anfreunden kann, so interpretiert er die Rolle doch auf eine neue Weise und nimmt sich sogar zurück, um „seiner jungen Kollegin eine perfekte Bühne für ihre großen Auftritte zu bereiten“.
Nun zum Inhalt des Films brauche ich nichts Neues zu sagen. Ich habe es ausführlich in meinen Beitrag zur schwedischen Erstverfilmung getan.
Entgegen meinen Erwartungen ist David Finchers Neuinterpretation des weltweit erfolgreichen Stieg-Larsson-Thrillers „Verblendung“ gelungen. Hollywood hat zwar wieder in Europas Kinolandschaft gewildert und dabei sicherlich nicht den schlechtesten Film herausgesucht. Statt einer Verwässerung des Filmstoffs nach amerikanischem Muster ist ein Film entstanden, der manchen Akzent anders setzt. Besonders Rooney Mara „verkörpert Lisbeth Salander kongenial als introvertiertes Mädchen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, das in den Ermittlungen eine Chance sieht, endlich seinen Platz in der Gesellschaft zu finden – nur um dann wieder und wieder enttäuscht zu werden. Diese verletzlichere Ausdeutung ist ganz sicher nicht so cool/kultig wie die von Noomi Rapace, erzählerisch gibt sie aber viel mehr her. Außerdem leuchtet Fincher die Beziehung zwischen Blomkvist und Salander (für ihn eine kuriose Faszination, für sie die erste große Liebe) bewusst stärker aus, was ihrer Figur noch einmal zusätzlich Tiefe verleiht.“ (aus: filmstarts.de)
Die Erstverfilmung war schon sehr krass. Wer nun glaubte, Fincher würde mit Rücksicht auf amerikanische Gemüter mit angezogener Handbremse agieren, muss sich getäuscht sehen. Seine Version der Rache von Salander an ihrem Peiniger fällt noch heftiger aus. Bei der expliziten Darstellung von Gewalt habe ich oft meine Probleme. Sie darf auf keinem Fall Selbstzweck sein, sondern sollte nur verdeutlichen, welche Bestie in manchen Menschen steckt. Denn allein dieses Wissen ist Schrecken genug. Fincher kratzt für mich leider sehr stark an dieser Grenze zum Zumutbaren.
Noch eines: Von Noomi Rapace, die die Rolle der Lisbeth Salander immerhin in drei Filmen gespielt hat, wissen wir, dass über diese Rolle ihre Beziehung zu ihrem Mann zerbrochen ist. Es ist eine Filmrolle, die eine junge Schauspielerin ganz und gar vereinnahmt und die man dann nicht zum Feierabend hin an der Garderobe abgeben kann. Wenn ich die Bilder der jungen Rooney Mara von früher mit denen von heute vergleiche, so stelle ich eine deutliche Veränderung des Gesichts und damit besonders der Mimik fest.