Bei uns im Ort gibt es das Kaufhaus Bade. Bevor man in den Einkaufsbereich kommt, steht an der rechten Seite ein Regal, in dem man ausrangierte Bücher ablegen, aber natürlich auch mitnehmen kann. Die meisten dieser Bücher sind nicht interessant, aber wenn ich schon bei Bade bin, dann werfe ich doch einen Blick in das Regal und habe dann doch manche literarische Perle gefunden. So auch diese Erzählung, neben einem Band Kurzgeschichten die erste Buchveröffentlichung von Heinrich Böll: Der Zug war pünktlich (Deutscher Taschenbuch Verlag (818), München – 4. Auflage Mai 1973). Eigentlich war es meine Frau, die das Buch entdeckt hat – mehr des Titels wegen …. Urlaubszeit ist für mich auch Lesezeit. So nahm ich das Buch mit und, da inzwischen ausgelesen, liegt es wieder bei Bade für den nächsten Leser parat.
Die umfangreiche Erzählung „Der Zug war pünktlich“ – noch unter dem unmittelbaren Eindruck des Krieges geschrieben – war die erste Buchausgabe, mit der Heinrich Böll 1949 an die Öffentlichkeit trat. Die Geschichte beginnt auf dem Bahnhof einer Stadt im Ruhrgebiet. Ein Soldat sucht sich einen Platz im Fronturlauberzug, der ihn an die Ostfront zurückbringen soll. Es wird eine trostlose Fahrt. „Bald bin ich tot. Ich werde sterben, bald“, denkt der Soldat. Männer, die der Zufall zusammengewürfelt hat, spielen Skat, teilen miteinander Brot und Wurst und versuchen ihre Angst mit Schnaps zu betäuben. Andreas erinnert sich an seinen Freund, an eine Frau, in deren Augen er nur für Bruchteile einer Sekunde blicken konnte, er denkt an seine früheren Verwundungen, und er haßt alle, die den Krieg als eine Selbstverständlichkeit empfinden. In Lemberg hält der Zug. Hier begegnet Andreas einer polnischen Spionin, die als Prostituierte Nachrichten für den polnischen Widerstand sammelt. Die Frau hat Mitleid mit dem Deutschen. Sie will ihn retten. Für Andreas verstärkt sich jedoch die Gewißheit des nahen Todes. Böll hat diese Geschichte vom sinnlosen Sterben mit einem überzeugenden Realismus zu einer erbitterten Anklage gegen den Krieg verdichtet. (aus dem Klappentext)
„Es gibt Autoren, die dem Krieg einen scheinbaren Adel zugestehen, solche, die den Humor der Kämpfer und ihre elementaren Freuden gekannt haben. In keinem Werk Bölls wird man eine, auch nur einschränkende Billigung des Krieges finden; nirgendwo erscheint der Mensch anders als sein Opfer.“ (Henri Plard – siehe auch fr.wikipedia.org)
Als Publizist und Autor führte Heinrich Böll Klage gegen die Grauen des Krieges und seine Folgen, polemisierte gegen die Restauration der Nachkriegszeit und wandte sich gegen den Klerikalismus der katholischen Kirche, aus der er 1976 austrat. In den sechziger und siebziger Jahren unterstützte er die Außerparlamentarische Opposition. 1983 protestierte er gegen die atomare Nachrüstung. Insbesondere engagierte sich Böll für verfolgte Schriftsteller im Ostblock. Der 1974 aus der UdSSR ausgewiesene Alexander Solschenizyn war zunächst Bölls Gast.
Ich muss gestehen, bisher nur sehr wenig von Böll gelesen zu haben, eher kenne ich die Verfilmungen seiner Romane, so Die verlorene Ehre der Katharina Blum in der Regie von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta (den Roman habe ich dann aber auch gelesen). So ganz kann ich es mir nicht erklären, so wenig von Böll gelesen zu haben, immerhin vertrat Heinrich Böll Ideale, für die ich auch einstehe. Vielleicht war er mir insgesamt doch zu katholisch, vielleicht auch zu politisch (wahrscheinlich war es diese Mischung aus beidem). Böll erhielt ja 1972 für sein Werk den Nobelpreis für Literatur. Böll-Freunde mögen mir verzeihen. Als Böll 1972 den Nobelpreis erhielt, hätte ich mir (eben schon damals) Günter Grass als Preisträger gewünscht. Und 1999, als dann Grass den Preis erhielt, hätte ich mir Martin Walser gewünscht. Aber ich denke, Walser wird auch ohne Nobelpreis auskommen können.