- „Inmitten gewalt’gen Gestöhnes
verschoss den Elfmeter der Hoeneß.
Das Spiel ist verloren …
Mit hängenden Ohren
betrachtet der Trainer, Herr Schön, es!“
Annemarie Schimmel zum katastrophale Fehlschuss des Uli Hoeneß (zz. in Haft) im Europameisterschaftsendspiel 1976
So langsam kommt die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien in die entscheidende Phase. Daher wie angekündigt heute etwas zum Thema Fußball in der Literatur.
Fußball wird allgemein als „schönste Nebensache der Welt“ betrachtet (sieht man einmal vom Sex ab). Aber längst weiß der Kundige, dass Fußball viel mehr ist, dass es Lebensphilosophie ist und als solches „Sinnbild für das Ungewisse, für das Glück und die Zukunft“ (Peter Handke).
In einem anderen Beitrag habe ich uns schon etwas ausführlicher mit den Lebensweisheiten fußballspielender Mitmenschen bekannt gemacht. Ein Beispiel mustergültiger Klarheit des Denkens gibt uns die Lösung des Problems der Quadratur des Kreises. Zwar behaupten Mathematiker, dass eine Lösung unmöglich sei, aber der frühere Reichs- und Bundestrainer Sepp Herberger wusste die Antwort: Das Runde muss ins Eckige! Welcher Scharfsinn, welche Stringenz! Da ist Einsteins Äquivalenz von Masse und Energie (kurz: E=mc2) ein Dreck dagegen.
Schriftsteller, davon geht man fälschlicherweise aus, haben keinen Sinn für Fußball. Hier und heute werde ich das Gegenteil beweisen. Von Albert Camus, von dem ich hier schon öfter berichtet habe, wissen wir, dass er in jungen Jahren Torwart beim Fußballverein Racing Universitaire d’Alger, immerhin mehrmals Meister in den französischen Gebieten Nordafrikas, war. Ein Philosoph also sogar als Aktiver. Aber eigentlich sind Philosophen weniger Fußballspieler – eher umgekehrt.
Dann gibt es natürlich auch Schriftsteller, die zumindest in jungen Jahren große Begeisterung fürs Fußballspiel zeigten: der kleine Max Frisch wollte als Erwachsener unbedingt Fußballtorwart werden (Quelle: xlibris.de – schon wieder Torwart, dabei gab es damals noch keinen Manuel Neuer, der Vorbild hätte sein können).
Aber auch genügend eher unsportliche Schriftsteller haben sich der Faszination des Rasenballsports nicht immer entziehen können. Ich will hier nicht zu sehr in die Tiefe (des Raums) gehen. Das Goethe-Institut hat sich bereits vor einiger Zeit der deutschsprachige Fußballliteratur angenommen und diverse Buchempfehlungen herausgebracht.
Aus der gleichen Zeit stammt ein Manuskript zu einem Feature von Rainer Moritz mit dem Titel Einsam stand der Dichter im Tor: Fußball und Literatur – von Joachim Ringelnatz bis Nick Hornby:
Passt der runde Ball ins Eckige, ins Buch? Oder sind Sport und Literatur generell, wie Marcel Reich-Ranicki mutmaßte, „feindliche Brüder“?
Als der Fußball in den 1920er Jahren rasant an Popularität gewann, begann sich auch die Literatur mit diesem Massenphänomen auseinander zu setzen – mal mit kritischem Witz wie in Joachim Ringelnatz Fußball (nebst Abart und Ausartung), mal mit spätexpressionistischer Angriffslust wie in Melchior Vischers Theaterstück Fußballspieler und Indianer.
Das Feature verfolgt das Sprechen (und mitunter das Singen) über Fußball, lässt Lyriker wie Friedrich Torberg, Ror Wolf oder Matthias Politycki zu Wort kommen, zitiert aus Prosaglanzstücken von Eduardo Galeano, Vladimir Nabokov, Erich Loest oder Nick Hornby, zeigt die Poesie großer Rundfunkreportagen und scheut sich nicht, analytische Betrachtungen von philosophischer, psychologischer und theologischer Seite ins (Spiel-)Feld zu führen.
Und das Gute daran ist, das Ganze lässt sich als PDF Einsam stand der Dichter im Tor herunterladen und nachlesen.
Der als Motto vorangestellte Limerick entstammt diesem 32-seitigen Text, der sich gern und gut zwischen zwei Halbzeiten und vor der nächsten Verlängerung lesen lässt. Übrigens: Selbst ein Nobelpreisträger wie Günter Grass war in jungen Jahren nicht davor gefeit, das Fußballgeschehen mit bedeutungsschwangeren Versen zu überhöhen, etwa in seinem 1955 erschienenen Gedicht „Nächtliches Stadion“:
Langsam ging der Fußball am Himmel auf.
Nun sah man, dass die Tribüne besetzt war.
Einsam stand der Dichter im Tor,
doch der Schiedsrichter pfiff: Abseits.
Nun ja, Herr Grass … Herr Handke ist bereits erwähnt worden. Der Titel seiner Erzählung Die Angst des Torwarts beim Elfmeter (ist von Wim Wenders auch verfilmt worden) wurde im Fußballsport zum geflügelten Wort, jedoch immer mit dem Zusatz versehen, dass es in Wahrheit eher der Schütze ist, der beim Schießen eines Elfmeters Angst verspürt. Also auf zum nächsten Elfmeterschießen.
Natürlich kann man das Thema auch googeln (Fußball Literatur) und bei Amazon zu dem Thema Fußball in der Literatur stöbern.