Belarus – Wohin geht der Weg?

Beim Messenger Telegram gibt es den Kanal Free Belarus News, über den unabhängige Journalisten und Menschenrechtsaktivisten aus Belarus berichten. Die Nachrichten sind auf Russisch und Englisch und auch über einen Webbrowser aufrufbar: Free Belarus News

Lukaschenko hat einen Stich
Lukaschenko hat einen Stich

Politikwissenschaftler und viele andere sind es, die über die möglichen Szenarien rätseln, die sich in dem Land ereignen könnten. Auch ich habe mir Gedanken darüber gemacht, was auf Belarus zukommen könnte, denn die Ereignisse in dem Land beschäftigen mich aus gegebenen Anlässen (siehe meinen Beitrag „Marsch der Freiheit“ in Belarus) doch sehr:

1. Lukaschenko setzt zunächst auf Zeit und hofft wohl, dass sich die Proteste gegen ihn mit der Zeit verlaufen. Dafür spricht, dass den Protestierenden das Geld ausgeht. Wer nicht arbeitet, bekommt kein Geld. Und Ersparnisse haben die meisten Belarusinnen und Belarusen nicht. Den Anführerinnen und Anführer der jetzigen Protestbewegung würde man die Ausreise gestatten. Dafür spricht, dass man z.B. Pawel Latuschko, der entlassenen Direktor des Nationalen Akademischen Janka-Kupala-Theaters, in diesen Tagen angeboten hat, per Charterflug oder diplomatischem Auto das Land zu verlassen. Verhaftungen der Oppositionsführung würden eher wieder zu erneuten Demonstrationen und Streiks führen.

2. Sollten die Proteste weiter andauern, so setzt Lukaschenko auf brutale Gewalt und lässt sogar auf die Demonstranten schießen. Das kann nicht ausgeschlossen werden. Ich denke aber, dass sich viele Polizisten und Soldaten überlegen werden, ob sie auf das eigene Volk schießen werden. Der ‚Schuss‘ würde eher nach hinten losgehen und dann endgültig zum Sturz von Lukaschenko führen.

3. Lukaschenko hat Neuwahlen nicht vollständig abgelegt. Die sollen aber erst nach einem Referendum über eine neue Verfassung (die ja erst ausgearbeitet werden müsste) stattfinden. Ob Lukaschenko das wirklich will, ist zu bezweifeln. Er will auf diese Weise nur Zeit gewinnen und hofft wie zu Punkt 1, dass die Proteste mit der Zeit abebben.

4. Wie es zz. aussieht, will Lukaschenko die Protestierenden mit kleinen Nadelstichen zermürben. Pawel Latuschko (Punkt 1) wird durch Schergen Lukaschenkos bedroht, wenn er nicht ausreist. Inzwischen kommt es wieder zu Verhaftungen – nicht von der Straße her, sondern aus den Häusern. Und der Generalstaatsanwalt kündigte die Einleitung einer strafrechtlichen Untersuchung gegen den Koordinierungsrat an, da dieser „auf die Übernahme der Staatsmacht abzielt und die nationale Sicherheit der Republik Belarus schädigt“. Das spricht für eine schrittweise Eskalation der Situation.

5. Vielleicht das Wünschenswerteste: Moskau lenkt ein, aber nicht militärisch, im Gegenteil: Putin biete Lukaschenko Asyl an und das nötige Kleingeld, damit dieser seinen Lebensabend in Ruhe verbringen kann, wenn er abdankt. Aus heutiger Sicht ist das reines Wunschdenken.

Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Situation in Belarus in der nächster Zeit entwickelt. Russland spielt dabei sicherlich eine große Rolle, soweit Lukaschenko auf Putin hören mag. Dieser wird wohl kaum auf militärische Aktionen setzen, denn damit wäre die Spitze der Eskalation erreicht.

Radtour 2020: GPS, Google Earth und mehr

1969 mit 15 Jahren machte ich meine erste längere Radtour mit Schulfreunden. Es ging von Bremen aus in Richtung Niederlande (auch über die Grenze hinweg) und wir nächtigten in Jugendherbergen. Karten hatten wir damals keine oder nur eine sehr ‚grobe‘. Die Richtung war in unseren Köpfen und dann ging es los.

    DJH: Bleibenausweis für Willi aus dem Jahr 1969
    DJH: Bleibenausweis für Willi aus dem Jahr 1969

Später benutzen wir natürlich etwas bessere Karten, aber die gaben uns auch nur die Richtung vor – und manches Mal gab es dann schon den einen oder anderen Abstecher ins Ungewisse – wir hatten uns verfahren. Oder wir standen vor einer Auffahrt zu einer Straße, die nur für Kraftfahrzeuge gedacht war. Angekommen sind wir trotzdem.

Heute sieht das natürlich alles ganz anders aus – dank GPS. Da denken natürlich viele gleich an Navis, also an Navigationsgeräte oder entsprechende Apps auf dem Smartphone oder Tablet. Das Angebot ist groß, oft auch der Preis, und der Nutzen eher klein.

    Wümme-Radweg
    Wümme-Radweg

Auf der Radtour meiner Söhne mit mir von Tostedt bis Cuxhaven vor einigen Tagen hatten wir uns feststehende Radrouten ausgesucht. Erst von uns aus den Wümme-Radweg entlang bis Bremen-Vegesack, dann links der Weser (mit der Fähre hinüber nach Lemwerder) bis Nordenham und mit der Fähre nach Bremerhaven und weiter bis Cuxhaven auf dem Weser-Radweg.

Wümme-Radweg (blau) kreuzt Weser-Radweg (7. Etappe - rot) – Fähre Lemwerder-HB-Vegesack
Wümme-Radweg (blau) kreuzt Weser-Radweg (7. Etappe – rot) – Fähre Lemwerder-HB-Vegesack

Dazu lassen sich GPS- bzw. KML-Daten aus dem Internet herunterladen. Die GPS-Dateinamen enden übrigens auf GPX. Für die GPS- bzw. GPX-Daten gibt es u.a. den GPX Viewer, der in der einfachen Version kostenlos ist (und eigentlich genügt, wenn man über Funknetz, also mobiles Internet, verfügt) und für Android-Geräte (Smartphone und Tablet) gedacht ist: App herunterladen, Menü aufrufen und mit ‚Dateien öffnen‘ die entsprechende GPX-Datei (es können auch mehrere sein) öffnen. Der GPX Viewer unterstützt auch das KML-Format, das für Google Earth gedacht ist.

Mit der Pro-Version (kostet zz. 4 € 99) lassen sich wohl auch Offline-Karten anlegen. Nur ist dann der augenblickliche Standort per GPS nicht auszumachen.

Apropos Offline-Karten: Google Maps ermöglicht das Speichern von Offline-Karten. Dazu Google Maps und das Menü öffnen: ‚Offlinekarten‘ und dann den Bereich des gewünschten Kartenausschnitts auswählen. Das gilt für Geräte (also z.B. Tablets, aber auch PCs), die nur WLAN, also kein mobiles Internet unterstützen. Diese Offline-Karten lassen sich jederzeit aktualisieren und man findet alles, was sonst auch auf Online-Google-Maps-Karten zu finden ist.

Mit meinen beiden Söhnen hatten wir natürlich mobiles Internet und haben so den GPX Viewer bestens nutzen können. Hatten wir uns wirklich einmal verfahren (und die vorgeschlagenen Radwege versuchen, größeren Straßen auszuweichen, führen dafür über landschaftlich reizvolle Strecken), so wussten wir dank des GPS-Signals, wo wir waren und konnten schnell den Weg zurück zum eigentlichen Radweg finden.

Wer schon im Vorfelde seine Radtour ‚besichtigen‘ möchte, kann dafür Google Earth und die KML-Dateien nutzen. Hierfür aufs Smartphone oder Tablet (Android-Geräte) die Google Earth-App herunterladen und die App starten. Geht natürlich auch am PC. Menü aufrufen und darin ‚Projekte‘. Über ‚Öffnen‘ können dann die gewünschten KML-Dateien geladen werden. Anschließend im Untermenü ‚Projekt anzeigen‘ anklicken. Nochmals aufs Augen-Symbol klicken: Und schon kann (natürlich nur online!) die ausgewählte Radstrecke aus der Vogelperspektive ‚besichtigt‘ werden.

Natürlich kann auch die Navigationsapp (oder ein Navigationsgerät) genutzt werden. Einfach das Ziel eingeben usw., nur wird man dabei kaum die vorgeschlagenen Radtwege finden und lediglich – wie wir anno 1969 – den möglichst direkten Weg zum Ziel anpeilen.

Es gibt mehr als viele Websites, die Radwege beschreiben und dafür auch das entsprechende Rüstzeug, also jene GPX- bzw. KML-Dateien zum Herunterladen anbieten. Was meine Radtour mit meinen Söhnen betrifft (Wümme- und Weser-Radweg), dazu im Detail bald etwas mehr (auch Bildchen und weitere Infos)!

Siehe auch:
Wenn der Vater mit seinen Söhnen …

Wenn der Vater mit seinen Söhnen …

… auf Radtour geht, dann verrät das viel über das familiäre Verhältnis der Beteiligten. Immerhin sind meine Söhne 26 bzw. 29 Jahre alt. Aber mit dem Alten trauen sie sich immer noch. Und der Vater, also ich, natürlich auch mit ihnen!

So machte ich mich mit meinen beiden Söhnen also am Sonntag, den 09. August auf, um über Rotenburg/Wümme, Bremen-Vegesack, Bremerhaven bis nach Cuxhaven zu radeln.

Start der Radtour Tostedt – Rotenburg – Bremen-Vegesack – Bremerhaven - Cuxhaven
Start der Radtour Tostedt – Rotenburg – Bremen-Vegesack – Bremerhaven – Cuxhaven

Wir hatten allerdings die heißesten Tage dieses Jahres erwischt und kamen gehörig ins Schwitzen. Alle Tage über 30 ° C im Schatten, wobei es nur sehr selten Schatten gab. Einzige Kühlung war der Fahrt-, oft auch ein starker Gegenwind, die aber alles andere als Kühlung verhießen.

Auf der Fähre Bremen-Vegesack - Lemwerder
Auf der Fähre Bremen-Vegesack – Lemwerder

Eine Erfrischung gab es dann nach über 240 km am Ziel, im Wattenmeer in Cuxhaven, wo wir dann auch zwei Nächte blieben, um uns zu erholen.

Ziel erreicht in Cuxhaven: Hinein ins Wattenmeer
Ziel erreicht in Cuxhaven: Hinein ins Wattenmeer

Aus Zeitgründen endete in Cuxhaven dann auch unsere Radtour (der ältere meine beiden Söhne musste nach Mannheim zurück). So benutzten wir den Zug, um am Freitag, den 14. August, an den Ausgangspunkt unserer Reise in Tostedt zurückzukehren.

Zum Tourverlauf: Von Tostedt aus stießen wir in Welle auf die Südroute des Wümme-Radweges. Und im Lemwerder (gegenüber von Bremen-Vegesack) auf der linken Weserseite ging es auf der 7., dann vom Bremerhaven bis Cuxhaven auf der 8. Etappe des Weser-Radweges weiter. Weiter Informationen samt technischem Hintergrund (GPS – Google Earth usw.) hier demnächst (in diesem Theater)!

Willi trinkt Cocktails

Nach rund 240 km auf dem Fahrrad erreichte ich mit meinen beiden Söhnen letzte Woche Mittwoch Cuxhaven. Von Tostedt über Rotenburg/Wümme, Bremen-Vegesack und Bremerhaven kamen wir an unserem Ziel an der Nordsee an und ließen es gemütlich angehen. Zur Radtour in den nächsten Tagen Genaueres.

Gern hätten wir die eine oder andere Nacht in einer Jugendherberge verbracht (Nicht nur Hagebuttentee – deutsche Jugendherbergen bangen um ihre Existenz), aber die möglichen in Rotenburg und Cuxhaven waren für die Tage unserer Tour ausgebucht. So fanden wir halbwegs preiswerte Hotelunterkünfte für jeweils drei Personen.

Wir hatten uns für die Fahrradtour die heißesten Tage dieses Jahres ausgesucht. Kein Tag unter 30 ° C. So gut wie kein Schatten. Es half nur viel trinken. Natürlich nichts Alkoholisches. Aber am Abend bei der Ankunft in Cuxhaven gönnten wir uns dann doch Entsprechendes. Wir fanden in Richtung Strand eine kleine Bar – open air, also der ‚Witterung‘ angemessen: Barracuda Bar.

Und so ließen wir uns dort entspannt nieder, genossen die angenehme Abendluft und natürlich auch jeder zwei Cocktails. Der eine Sohn trank einen Gin Fizz und einen Mojito (mit weißem Rum), der andere einen Moscow Mule und einen Caipiroska (beides auf Wodka-Basis – in Gedanken dabei an die sich ausbreitenden Proteste in Belarus). Ich schloss mich dem an (Bloody Mary), gönnte mir zuvor aber einen Hemingway Sour (auf Gin-Basis)

Willi trinkt einen Hemingway Sour Willi trinkt eine Bloody Mary

So ließen wir die Seelen baumeln, machten anschließend noch einen kleinen Spaziergang auf der Strandpromenade, um uns dann nach Mitternacht in unsere Kojen zu begeben.

„Marsch der Freiheit“ in Belarus

Seit 26 Jahren regiert Alexander Lukaschenko quasi als Alleinherrscher mit eiserner Hand in Belarus (Weißrussland) und gilt als „letzter Diktator Europas“. Belarus hängt an der Nabelschnur Russlands und ist wirtschaftlich fast vollständig von den Russen abhängig. Bisher haben Belarusinnen und Belarusen mit stoischer Ruhe ihr Schicksal ertragen und sich stumm mit den Verhältnissen arrangiert. Durch das Versagen der staatliche Organe und allen voran Lukaschenkos in der Coronakrise ist das Vertrauen der Bevölkerung rapide gesunken. Außerdem empfinden die Menschen die wirtschaftliche Lage so schlecht wie seit zwanzig Jahren nicht mehr.

Und jetzt die Wahl: Nach dem Motto „Alle außer einem“ – haben sich die Menschen nach Alternativen gesehnt; doch aussichtsreiche Oppositionelle wie der frühere Bankier Viktor Babariko oder der Ex-Botschafter von Belarus in den USA, Valerij Zepkalo, wurden nicht zur Wahl zugelassen. Mit Swetlana Tichanowskaja, die anstelle ihres inhaftierten Ehemanns Sergej Tichanowskij in den Wahlkampf eintrat, und ihren Mitstreiterinnen Weronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa traten „neue Gesichter“ auf die politische Bühne, die Lukaschenko unterschätzte.

'Marsch der Freiheit' in Minsk, der Hauptstadt von Belarus
‚Marsch der Freiheit‘ in Minsk, der Hauptstadt von Belarus

Der offensichtliche Wahlbetrug (angeblich erreichte Lukaschenko 80 % der Wählerstimmen, Tichanowskaja gerade 10 %) brachte nun das Fass zum Überlaufen. Die Menschen gehen auf die Straße, um gegen Lukaschenko zu demonstrieren. Und von Tag und Tag werden es mehr. Vertreter der Opposition wollen heute zudem Strafanzeige wegen Polizeigewalt gegen friedliche Bürger stellen. Und Lukaschenkos Gegner riefen zu Beginn der neuen Arbeitswoche zu flächendeckenden Streiks in den Staatsbetrieben auf.

Lukaschenko hat einen Stich
Lukaschenko hat einen Stich

Ich denke, dass sich Lukaschenko nicht mehr lange halten wird. Alles hängt jetzt von der Rolle Moskaus ab, denn Putin wird es kaum zulassen, dass sich eine pro-westliche Regierung in Belarus‘ Hauptstadt Minsk einrichtet.

Warum berühren mich die Ereignisse in Belarus in so hohem Maße? Die Lebensgefährtin meines älteren Sohnes, die wie dieser in Mannheim studiert, ist Belarusin und kurz vor der Wahl zu ihren Eltern nach Minsk gereist. Sie hat an der Wahl teilgenommen. In wenigen Tagen erwartet sie mein Sohn zurück in Deutschland. Wir hoffen alle, dass sie wohlbehalten zurückkehren wird. Mein Sohn war inzwischen auch schon einige Male in Belarus.

Willi am Baggersee

Jetzt ist sie also doch da, die große Hitze wie im letzten Jahr Ende Juli. Und was ist da am Sinnvollsten zu tun: Man begibt sich in kühlende Gewässer. Da gibt es das Freibad Tostedt in der Ortsmitte, das erst vor zwei Jahren neu erstanden ist. Die Eintrittspreise sind erträglich.

Baggersee Todtglüsingen
Baggersee Todtglüsingen

Neben dem Freibad gibt es im Ortsteil Todtglüsingen auch noch einen Baggersee, in dem gebadet werden darf und der vom TV Todtglüsingen betrieben wird. Allerdings dürfen hier nur Vereinsmitglieder baden. Für 2 € 75 im Monat geht das dann natürlich bereits.

Selfi mit Willi am Baggersee Todtglüsingen
Selfi mit Willi am Baggersee Todtglüsingen

Gestern war ich mit meinen Lieben dort und wir haben uns in dem kühlen Wasser bei rund 32 ° C Lufttemperatur im Schatten angenehm erfrischen können.

Kurz und spitz (01): Polterer

    Die Deutschen sind Polterer, ob von links oder von rechts. Es fehlt ihnen das Vermögen zur feinen Spitze, zur eleganten Ironie, die den Gegner bloßstellt, ohne ihn zu vergrößern.
    Dirk Kurbjuweit

Kurz und spitz: Polterer
Kurz und spitz: Polterer

Hier entsteht eine neue Rubrik, eine neue Kategorie (wie es in Blogs auch genannt wird), in der kurz, dafür möglichst spitz, Gedanken formuliert werden, die Anstoß zum Überdenken geben sollen.

Ja, feine Spitzen der Ironie gegen den Unverstand, die Ignoranz braucht das Land. Denn was mich immer wieder wundert, gar ärgert, ist, wie es bei uns immer wieder geschafft wird, den Gegner größer dazustellen, als er es ist. Wir müssen wohl noch einiges lernen.

Nicht nur Hagebuttentee – deutsche Jugendherbergen bangen um ihre Existenz

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, plane ich mit meinen beiden Söhnen eine Radtour von unserem Wohnort Tostedt aus längs der Wümme über Rotenburg bis Bremen-Vegesack, den sogenannten Wümme-Radweg. Dort treffen wir dann auf den Weser-Radweg, der uns über Bremerhaven (7. Etappe) bis Cuxhaven (8. Etappe) führen wird. Da wir immer noch Mitglieder der Deutschen Jugendherberge (DJH) sind, wollten wir eigentlich in Rotenburg und Cuxhaven jeweils eine Nacht verbringen.

Ich habe in alten Unterlagen gekramt und dort einen so genannten „Bleibenausweis“ auf meinem Namen für das Jahr 1969 gefunden. Also schon vor jetzt 51 Jahren war ich Mitglied bei der DJH.

    DJH: Bleibenausweis für Willi aus dem Jahr 1969
    DJH: Bleibenausweis für Willi aus dem Jahr 1969

Anlass war damals auch eine Radtour – mit Freunden in Richtung Niederlande. Dabei waren wir in den Jugendherbergen von Oldenburg in Oldenburg, Leer/Ostfriesland und Weener/Ems. In Oldenburg gibt es inzwischen einen Neubau, die in Leer war damals in einem früheren Wasserturm mit toller Aussicht auf die Stadt (jetzt in einem der ältesten Gebäude der Stadt Leer) untergebracht. Und die in Weener kurz vor der holländischen Grenze gibt es heute nicht mehr.

    DJH: Übernachtungen 1969 (Radtour Richtung Niederlande)
    DJH: Übernachtungen 1969 (Radtour Richtung Niederlande)

Obwohl die Deutschen Jugendherbergen besonders unter der Corona-Krise zu leiden hatten und z.T. noch haben, konnten wir für die geplanten Übernachtungen in der DJH Rotenburg/Wümme und DJH Cuxhaven keine freien Bette finden. Nun denn, dann eben nicht …

Dank Corona-Virus: Zwar konnten 288 der bundesweit rund 450 Häuser nach der wochenlangen Corona-Zwangspause wieder öffnen. Doch das traditionelle Kerngeschäft der Herbergen mit Klassenfahrten und Gruppenreisen ist nahezu vollständig weggebrochen. Schul- und Klassenreisen würden 40 Prozent des Umsatzes ausmachen.

111 Jahre alt ist die Idee der Jugendherbergen, doch im Jahr des Schnapszahl-Jubiläums lässt die Corona-Krise viele der Häuser um ihre Existenz bangen. Lt. DJH: „Wir gehen von mehr als 180 Millionen Euro fehlenden Einnahmen aus – und das ist der Stand, den wir bis Anfang Juni beziffert haben“. Normalerweise beträgt der Jahresumsatz laut Bundesverband etwa 385 Millionen Euro. (Quelle u.a.: zdf.de)

Gern hätten wir natürlich unseren kleinen Beitrag zum Erhalt der DJH geleistet. Es soll aber nicht sein. So haben wir uns nach anderen Unterkünften umgeschaut und sind fündig geworden:

Alles rund um die Reise: booking.com – Geldprämie im Wert von € 15

Apropos ‚Bleibenausweis‘ 1969: Ziehen wir 51 Jahre seitdem von den 111 Jahren des Bestehens der DJH 2020 ab, dann feierten die Deutschen Jugendherbergen damals ihr 60-Jähriges. Anders als damals, als uns noch Hagebuttentee zum Frühstück serviert wurde, haben Jugendherbergen heutiger Zeit den Komfort von Hotels erlangt.

Tiere im Garten (4): Bienen und Schmetterling

In unserem Garten haben wir Zierlauch (Allium oreophilum) ausgesät, dessen kugelrunde Blütenköpfe schön anzusehen, aber besonders auch bei Bienen beliebt sind. Ja, in diesem Sommer sind die Bienen wieder da. Endlich ist es begriffen worden, dass nicht jeder Randstreifen, nicht jede Wildwiese gemäht werden muss. Und eine Vielfalt an Blumen im eigenen Garten ist nicht nur eine Augenweide, sondern lockt neben den Hummeln auch wieder Bienen an.

Bienen auf Zierlauch
Bienen auf Zierlauch

Und Ende Juli/Anfang August lassen sich auch wieder vermehrt Schmetterlinge in unserem Garten nieder – so wie dieser Admiral.

Admiral (Vanessa atalanta)
Admiral (Vanessa atalanta)

Albert Camus: Der Fall (1956)

    «Wenn die Zuhälter und Diebe immer und überall verurteilt würden, hielten sich ja alle rechtschaffenen Leute ständig für unschuldig! Und meiner Meinung nach muss gerade das verhindert werden.»
    Albert Camus: Der Fall (1956)

In diesem 1957 mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Roman Der Fall schildert Camus den Fall des Pariser Anwalts Johannes Clamans, der seine Karriere als erfolgreicher und beliebter Strafverteidiger der Pariser Hautevolee freiwillig aufgibt, um als um als Winkeladvokat und „Bußrichter“ unter den Asozialen im Amsterdamer Hafenviertel unterzutauchen. Clamans war aus seiner Selbstzufriedenheit und dem vermeintlichen Einklang mit der Welt gestürzt, als er eines Nachts an der Seine den Hilfeschrei einer Selbstmörderin gehört und nicht beachtet hatte. Damit beginnt sein Gewissenskonflikt; und in einer atemberaubenden Beichte voll eisiger Ironie und lateinischer Klarheit bekennt er, daß Selbstgefälligkeit und Opportunismus die Triebfelder seines Gerechtigkeitssinnes waren. (aus dem Klappentext)

Ich habe diesen gerade einmal 120 Seiten umfassenden Roman in folgender Ausgabe vorliegen: Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg – 1044, 184.-193. Tausend Februar 1979 – aus dem Französischen übertragen von Guido G. Meister – Originalausgabe erschien unter dem Titel „La Chute“

Albert Camus: der Fall (1956)
Albert Camus: der Fall (1956)

Die Geschichte ist in Amsterdam angesiedelt und wird als Monolog vom selbsternannten „Bußrichter“ Jean-Baptiste Clamence erzählt, der einem Fremden seine Vergangenheit als erfolgreicher Anwalt offenbart. In seiner Lebensbeichte berichtet er von seiner Krise und seinem Fall, der als individuelle säkulare Version des Sündenfalls gesehen werden kann. Das Werk erkundet Themen wie Bewusstsein, Freiheit und die Sinnlosigkeit des menschlichen Lebens.

Die Besonderheit dieses Romans liegt darin, dass der Protagonist, der die Beichte ablegt, im ganzen Werk als Einziger zu Wort kommt. Der Verzicht auf einen allwissenden Erzähler, der auch Camus’ 14 Jahre zuvor erschienenen Roman Der Fremde prägt, nimmt dem Leser die Möglichkeit, das Geschehen zu objektivieren.

Nebelverhangene Grachten, kleine Brücken und unzählige Fahrradfahrer bestimmen das Bild von Amsterdam. 1954 entdeckte Albert Camus die niederländische Hauptstadt und empfand sie als klassisch und frech, aber auch düster – der ideale Konterpart zu seiner Melancholie. In Amsterdam siedelte der zukünftige Literaturnobelpreisträger seinen Roman „Der Fall“ an: die poetische Irrfahrt eines Mannes, der von der Schuld zerfressen wird. (Quelle: arte.tv)


Der Fall: Albert Camus und Amsterdam

Hier einige kurze Textpassagen, die teilweise allein für sich sprechen:

„… gepflegter Stil und Seidenhemden haben miteinander gemein, daß sie nur allzu oft einen häßlichen Ausschlag verbergen.“ (S. 8)

    „Wer keinen Charakter hat, muß sich wohl oder übel eine Methode zulegen.“ (S. 12)

„Wenn einer nicht umhin kann, Sklaven zu halten, ist es dann nicht besser, er nennt sie freie Menschen?“ (S.- 40)

    „Sie wissen ja, was Charme ist: eine Art, ein Ja zur Antwort zu erhalten, ohne eine klare Frage gestellt zu haben.“ (S. 48f.)

„Ich habe keine Freunde mehr, ich habe nur noch Komplicen. Dafür hat ihre Zahl zugenommen, sie umfaßt das ganze Geschlecht der Menschen. Und unter den Menschen kommen Sie an erster Stelle. Der just Anwesende kommt immer an erster Stelle.“ (S. 62f.)

    „… geben wir ihnen ja keinen Vorwand, […] uns zu richten!“ (S. 65)

„Glücklich und gerichtet oder freigesprochen und elend.“ (S. 67)

    „… und bliebt in einem Leben auch nur eine Lüge verborgen, verlieh der Tod ihr Endgültigkeit.“ (S. 75)

„… die Lobreden wurden mir je länger desto unerträglicher. Mir schien, die Lüge nehme damit immer mehr zu …“ (S. 76)

    „Um dem Lachen zuvorzukommen, verfiel ich also auf die Idee, mich der allgemeinen Lächerlichkeit preiszugeben.“ (S. 76)

„… es genügt nicht, sich anzuklagen, um seine Unschuld zu beweisen …“ (S. 79)

    „… der Dreck verleiht uns Haltung.“ (S. 82)

„… die Wahrheit […] ist zum Sterben langweilig!“ (S. 85)

    „… daß die echte Ausschweifung befreit, weil sie keinerlei Verpflichtung schafft.“ (S. 86)

„Es ist kein Gott vonnöten, um Schuldhaftigkeit zu schaffen oder um zu strafen. Unsere von uns selbst wacker unterstützten Mitmenschen besorgen das zur Genüge.“ (S. 92)

    „… daß die einzige Nützlichkeit Gottes darin bestünde, die Unschuld zu verbürgen …“ (S. 92)

„Es fehlt nie an Gründen, einen Menschen umzubringen. Im Gegenteil, es ist unmöglich, sein Weiterleben zu rechtfertigen.“ (S. 93)

    „Keine Entschuldigung [,,,] Ich lasse nichts gelten, weder die wohlmeinende Absicht, noch den achtbaren Irrtum, den Fehltritt oder den mildernden Umstand.“ (S. 109)

„Die Anklagerede ist zu Ende. Im selben Augenblick wird das den Mitmenschen vorgehaltene Porträt zum Spiegel.“ (S. 115)

Willis Plaudereien (8): Die ‚große Freiheit‘

    Wie Hamburg habe ich meine „Große Freiheit‘. In allem. Ich halte mich nicht einmal an den Kalender. Wieso Neujahr feiern? An jedem Tag beginnt ein neues Jahr.
    Tomi Ungerer

Der Mann hatte gut reden. Natürlich kann jeder sich, anders als die anderen, an eigene Regeln halten, und übliche Gesetzmäßigkeiten außer Acht lassen. Irgendwann soll endlich die Umstellung zwischen Sommer- und Winterzeit entfallen. Da soll es aber schon heute Leute geben, die das gar nicht interessiert. Die haben immer Winterzeit (die Normalzeit übrigens). Bei denen ist es nicht 15, sondern erst 14 Uhr. Auf diese Art leben die Guten eine Stunde ‚länger‘.

Und ab einem bestimmten Alter wollen einige wiederum nicht mehr älter werden. Die bleiben 39 oder 49 oder 59 und eines Tages ‚vergessen‘ sie ganz einfach ihren Geburtstag (entsprechende Daten bei Facebook, Twitter usw. beizeiten löschen). Und wer mit Geschenken kommt, wird erschlagen.

Willi mit Helm - unscharf (Edelsteinminen Idar-Oberstein Juli 2019)
Willi mit Helm – unscharf (Edelsteinminen Idar-Oberstein Juli 2019)

Und für viele ist jeder neue Tag nicht nur der Beginn eines neuen Jahres (wie bei Herrn Ungerer), sondern sogar der Anfang eines neuen Lebens. Da wärst Du platt, lieber Tomi!