Kategorie-Archiv: Tatort

Tatort-TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Tatort (952) aus Stuttgart: Der Inder (2015)

Der neueste Tatort (952) aus Stuttgart Der Inder entpuppte sich als schwäbischer Politthriller, also etwas gemächlich, aber auch als durchaus spannend. Im Mittelpunkt: Stuttgart 21, einem in Bau befindliches Verkehrs- und Städtebauprojekt zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart. Kernstück ist der Umbau des Kopfbahnhofes Stuttgart Hauptbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Die Zulaufstrecken werden in Tunneln verlegt und die frei werdenden Gleisflächen der Stadtentwicklung zur Verfügung gestellt. Trotz der Auseinandersetzung mit den aktuellen wirtschaftspolitischen Vorgänge ist diese Tatort-Folge ein Krimi: Kurz nach seinem Auftritt vor einem Untersuchungsausschuss wird ein für den Bahnhofsbau zuständiger früherer Staatssekretär ermordet; selbst der abgewählte Ministerpräsident gerät ins Visier der Ermittler. Diesen wollte man anfangs wohl etwas mehr in den Mittelpunkt stellen, was dann aber unterblieb. Trotzdem dürfte sich Herr Mappus in Gestalt des Rubert Heinerle (von Ulrich Gebauer wunderbar gespielt) als machtbesessener Politiker wiedererkannt haben, der es nicht verstehen kann, dass man ihn nicht wiedergewählt hatte.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Zunächst wirkt der Film etwas unübersichtlich, da er fortwährend zwischen verschiedenen zeitlichen Ebenen hin- und herhüpft. Nach und nach entsteht aber so wie bei einem Puzzle das Gesamtbild. So öffnet am Anfang des Films im Beisein der beiden Kommissare Lannert und Bootz der Gerichtsmediziner einen in Plastik verschweißten Koffer, der eine maßgerecht zerstückelte Männerleiche freigibt. Erst am Ende erfahren wir, um welche Person es sich bei dem Toten handelt.

Bei ersten Ermittlungen stoßen die beiden Kommissare rasch auf den Architekten Busso von Mayer, mit dessen Namen sich ein großer Skandal der Vergangenheit verbindet: Der Architekt hatte auf dem Stuttgart-21-Gelände ein millionenschweres, visionäres Bauprojekt geplant, für dessen Finanzierung sich ein indischer Investor fand – der sich jedoch letztlich als Hochstapler entpuppte (daher auch der eher etwas irreführende Titel der Folge, denn ‚der Inder‘ spielt eigentlich keine weitere Rolle).

Eben dieser inhaftierte Architekt (Thomas Thieme verleiht der Rolle ‚volles Gewicht‘) rückt immer mehr ins Geschehen. Besonders reizvoll sind die Dialoge zwischen ihm und dem Ermittler Lannert, z.B. wenn Mayer die Stadt Stuttgart beschreibt: „Schauen Sie sich Stuttgart an: ein Drecksloch, ein städtebaulicher Irrtum, ein zubetonierter Talkessel, der von den Abgasen einer ewig im Stau stehenden Blechlawine aufgeheizt wird.“


Tatort (952) aus Stuttgart: Der Inder (2015)

Ein Geflecht von Macht und Manipulation zeichnet sich ab. Geht es um mehr als Wirtschaftskriminalität? Spuren deuten darauf hin, dass ein professioneller Auftragskiller die tödlichen Schüsse auf den ehemaligen Staatssekretär abgab und: Der Täter wurde verletzt. Nur wer gab den Auftrag? Und wo ist der Killer?

Man kann die Handlung dieses Tatorts nicht unbedingt mit den wirklichen Ereignissen um Stuttgart 21 in Beziehung setzen, auch wenn es im ‚wirklichen Leben‘ sicherlich Kungeleien, vielleicht auch Bestechung gab. Denn schließlich geht es bei solchen Großprojekten (wie auch bei den ewigen Baustellen Flughafen Berlin-Brandenburg oder der Elbphilharmonie in Hamburg) um viel, zu viel Geld. Es wundert mich fast, dass es so lange dauerte, bis Stuttgart 21 in einem Tatort thematisiert wurde. Denn Deutschlands Großbaustellen scheinen sich für Tatort-Krimis (zuletzt in Berlin) als Location bestens zu eignen.

Neben der gewiss interessanten Thematik punktet diese Tatort-Folge besonders durch eine abwechslungsreiche Bildsprache, die durch viele Details besticht und voll und ganz im Dienst der Geschichte steht. Die Musik tut ihr Übriges dazu (siehe auch tittelbach.tv). Und der Film hat zudem seine humorvollen Seiten. Dabei fügt sich alles Stein für Stein – eher noch wie ein Mosaik zu einem Gesamtbild zusammen. Das Drehbuch stammt von Niki Stein, der auch Regie führte und der schon für andere außergewöhnliche Tatort-Folgen verantwortlich zeichnete.

Gegen den Strom – Tatort (951) aus Bremen: Windparks, SuedLink und Y-Trasse

25 Jahre habe ich in Bremen gelebt. Das ist inzwischen auch schon wieder über 32 Jahre her. Aber natürlich habe ich immer noch einige ‚heiße Drähte‘ zu der Stadt an der Weser, nicht nur dass ich Anhänger des SV Werder Bremen bin. Und als Fan der Tatort-Reihe habe ich natürlich auch zu den Bremer Kommissaren Inga Lürsen und Nils Stedefreund ein ‚besonderes Verhältnis‘.

Am Sonntag lief die neueste Folge aus Bremen: Wer Wind erntet, sät Sturm. Der Titel, man ahnt es, ist eine Ableitung des biblischen Zitats Wer Wind sät, wird Sturm erntet aus Hosea 8,7. Hosea war ein Prophet, der etwa zwischen 750 und 725 v. Chr. im Nordreich Israel wirkte. Das ihm zugeschriebene gleichnamige Buch eröffnet die Reihe der Zwölf kleinen Propheten. – Man erahnt aber auch sogleich die Thematik dieser Tatortfolge: Es geht um die Gewinnung von Windenergie (Wind ernten) und den Widerstand dagegen (… sät Sturm).

Tatort (951) aus Bremen (2015): Wer Wind erntet, sät Sturm – Windpark in der Nordsee

Die Bremer Tatorte beschäftigten sich schon öfter mit Themen, die etwas mit dem Meer, also der Seefahrt und jetzt mit dem Betreiben von Offshore-Windparks, zu tun haben. Sicherlich ist die Gewinnung von Windenergie eine ‚saubere‘ Sache, greift aber stark in die Natur ein. Wer durch Gegenden mit hohen Windstärken fährt (z.B. die Küstenlandschaft Norddeutschlands) wird zwangsläufig auf jede Menge Windkraftanlagen mit riesigen Rotoren stoßen. Das sieht nicht besonders gut aus. Und dass solche Anlagen gerade dort, wo Zugvögel in großen Scharen vorbeiziehen, für diese zur tödlichen Falle werden (‚Vogelschredder‘), kann man sich denken. Das ist dann auch der Ausgangspunkt der Bremer Tatortfolge.

Aber bleibe ich noch etwas beim Thema Windkraft. Auf dem Festlandssockel der deutschen Nordseeküste ist eine riesige Windparklandschaft im Entstehen. Der hier gewonnene Strom reicht aus, um große Teile Deutschlands damit zu beliefern. Aber noch fehlt es an Leitungen von Nord nach Süd, um diesen Strom zu übertragen. Natürlich ist auch das längst in Planung und trägt den Namen Südlink (SuedLink). So wie sich Widerstand gegen die Windparks regt, so formiert sich Widerstand gegen diese Stromtrasse.

Ich wohne 70 km von Bremen, auf halben Weg Richtung Hamburg, entfernt. Und genau vor unserer Haustür ist so eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Leitung (HGÜ) mit einer Übertragungskapazität von 10 Gigawatt geplant. Elektrosmog für die Anwohner inklusive. Dem nicht genug: Ebenfalls vor unserer Haustür ist die so genannte Y-Trasse geplant, eine Erweiterung des Schienenverkehrs, die zunächst der zeitlichen Verkürzung des Personenverkehrs Richtung Süden dienen sollte, jetzt verstärkt für den Gütertransport bereitgestellt werden soll. Laut einer Prognose würden angeblich bis 2025 im Hamburger Hafen und in den Bremischen Häfen dann doppelt so viele Container umgeschlagen wie jetzt. Auch wenn bei uns keine neuen Schienen verlegt werden, so bedeutet das aber trotzdem einen Zuwachs von mindestens 200 Güterzügen am Tag (und in der Nacht natürlich auch). Prost, Mahlzeit! Noch denken wir (meine Familie und ich) nicht über einen Wegzug nach …

Aber zurück zum Krimi aus Bremen: Es geht zunächst um den Mord an einem Umweltaktivisten, der mit drei Schüssen niedergestreckt wurde. Ein weiterer Aktivist ist verschwunden. Ins Visier der Fahnder rückt schnell der Betreiber eines Windparks, der aber andere Sorgen hat, z.B. mit seiner Hausbank, die plötzlich wegen der Ereignisse den vereinbarten Kredit nicht herausrücken will. Zudem ist ein Hedgefonds-Unternehmen an ‚Claims‘ (Ansprüche auf Gebiete im Meer) interessiert, um eigene Windparks errichten zu lassen. Eine undurchsichtige Rolle spielt dabei auch jene Karin Lorenz (Annika Blendl), die sowohl mit dem Windparkbetreiber als auch dem verschwundenen Umweltaktivisten bestens bekannt ist. Als Vizechefin einer Umweltschutzorganisation vergibt sie Zertifikate gegen Geld an Unternehmen, um gewissermaßen deren Umweltverträglichkeit zu attestieren. Am Ende des Krimis haben wir (wenn ich mich nicht verzählt habe) ein halbes Dutzend Tote.


Tatort (951) aus Bremen: Wer Wind erntet, sät Sturm (2015)

Das ist natürlich ‚viel Holz‘ für 90 Minuten Tatort. Und es bleibt dann auch nicht aus, dass sich einige Protagonisten mancher Plattitüde bedienen („Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zur Quelle“), um das Thema möglichst schnell auf den Punkt zu bringen. Am Ende kommt aber ein Kriminalfall heraus, der das Betrachten lohnt: Für Spannung ist bis zum Schluss gesorgt. Und wenn man die Thematik Windpark eigentlich auch nur anreißen kann, so macht diese Tatort-Folge doch sehr nachdenklich.

Bitte mitmachen! Noch etwas zur Y-Trasse – Wer in unmittelbarer Nähe von Bahnhöfen oder Bahnstrecken wohnt (gilt besonders für die Strecke Bremen – Hamburg bzw. die Bereiche Seevetal, Buchholz/Nordheide, Rosengarten, Tostedt, Jesteburg, Hanstedt, Buxtehude, Horneburg und Stade), der kann sich unter laermaktionsplanung-schiene.de an einer Befragung des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) zum Thema Bahnlärm beteiligen. Die Phase der ersten Öffentlichkeitsbeteiligung läuft noch bis zum 30. Juni – Weiteres siehe kreiszeitung-wochenblatt.deBitte mitmachen! Anmelden, Immissionsort (eigene Anschrift), Emissionsort (Bahnstrecke/Bahnhof) angebe, dann die wenigen Fragen beantworten mit Ankreuzen – das war’s dann schon …

Tatort (300) aus München: … und die Musi spielt dazu (1994)

Auf Schloss Elmau, auf halbem Weg zwischen Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald im wunderschönen Werdenfelser Land, fand am Sonntag und Montag das Treffen der G7, also der Staats- und Regierungschefs der bedeutendsten Industrienationen der westlichen Welt, statt, um wieder einmal über das Schicksal des ganzen Planeten Erde zu bestimmen. US-Präsident Obama hatte zwar seine ‚Lederhosen‘ vergessen, grüßte aber das Volk mit einem zünftigen ‚Grüß Gott‘ (immerhin gab er sich nicht als Bayer aus wie einst einer seiner Vorgänger glaubte, ein Berliner zu sein: Ish bin ein Bearleener).

Im Rahmenprogramm dieser Veranstaltung, die dem Steuerzahler angeblich 360 Millionen Euro kostete (und somit weit mehr als die Bunderegierung bisher bereit ist, für die Flüchtlingshilfe auszugeben), gab es reichlich Blasmusik und Männer mit Sepplhosen und Tirolerhut samt Gamsbart (die armen Gämse). Jetzt weiß auch der letzte US-Amerikaner, dass die Deutschen des Tags und des Nachts in Lederhosen und Dirndl herumlaufen.

Apropos Lederhosen und Dirndl: Am Dienstag sendete das Bayerische Fernsehen eine Wiederholung des Tatorts … und die Musi spielt dazu aus dem Jahr 1994. Es ermitteln darin die Münchener Kommissare Batic und Leitmayr mit Hilfe ihres Assistenten Carlo Menzinger. Es ist der 300. von bis dato 950 Tatort-Folgen. Sollte es da etwa ein Zusammenhang mit dem G7-Treffen geben?

Der Film spielt in der Welt der volkstümlichen Musik. In guter Columbo-Manier (‚howcatchem‘) wissen alle bis auf die Ermittler der Münchener Mordkommission, wer der Täter ist. Daraus entwickelt sich schnell eine muntere Mörderhatz.


Tatort (1994): Herz ist Trumpf (Und die Musi spielt dazu) [leider nur ein kleiner Ausschnitt]

Spätestens wenn das Seemannsquintett „Andi Frege und seine Wasserratten“ in Matrosenanzügen zu sehen ist (Matrosenanzüge als norddeutsches Pendant zur Bayerntracht), wissen auch die letzten Zuschauer, dass hier diese Art von Volksmusik gehörig durch den Kakao gezogen wird. Kenner der Musikszene sind gleich im Bild: Andi bzw. Andreas Frege ist der Realname von Campino, dem Sänger, Frontmann und Songwriter der deutschen Musikgruppe Die Toten Hosen. Und auch Franz Josef Strauß scheint mir in der Figur eines Sängers posthum sein Fett abzubekommen. Man achte übrigens auch auf manch gelungenes Bonmot (wenn diese vielleicht auch in der bayerischen Mundart für uns Norddeutsche etwas untergehen).

Tatort (300) München (1994): … und die Musi spielt dazu – ‚Andi Frege und seine Wasserratten‘ aka Campino und Die Toten Hosen

Nun ja, dieser Tatort aus München kommt ziemlich bayerisch gemächlich daher (ähnlich wie der letzte 950. Tatort Gier, in dem die Wiener Kollegen Eisner und Fellner dem Täter auf die Pelle rückten). Auf jeden Fall ist es ein Spaß für Freunde UND Feinde der Volksmusik.

Etwas ‚versteckt‘ habe ich nun auf Youtube doch das gesamte Video der Folge finden können:


Tatort (300) aus München: … und die Musi spielt dazu (1994)

Tatort (949) aus Münster: Erkläre Chimäre (2015)

Am Sonntag lief die bisher 27. Tatort-Folge aus Münster (damit die 949. Folge insgesamt in der ARD) mit den Lieblingen der deutschen Tatort-Fans: Kriminalhauptkommissar Frank Thiel und dem Rechtsmediziner Professor Dr. Karl-Friedrich Boerne. Ergänzt werden die beiden weiterhin durch Thiels Assistentin Nadeshda Krusenstern und Silke Haller, der Assistentin von Prof. Boerne, der Staatsanwältin Klemm und dem Vater von Thiel, Herbert Thiel, dem Taxifahrer. In dieser Folge kam gerade auch den Nebenrollen etwas mehr Spielzeit zu, sodass sich das Ganze zu einem flotten, vielleicht nicht ganz so spannenden Reigen entwickelte: Erkläre Chimäre.

Man mag vom Münster-Tatort halten was man will. Im Mittelpunkt steht immer wieder das Duo Thiel/Boerne und damit die verbale Auseinandersetzung dieser beiden grundverschiedenen Typen. Und damit steht meist auch der Spaß im Vordergrund. Aber natürlich wird die Spannung, die einen Krimi ausmacht, nicht ganz vergessen. Wer’s nicht mag, der findet sicherlich in anderen Tatorten das, was er sucht.

Assistentin Krusenstern (Friederike Kempter) ist zur Kommissarin befördert worden, was sie mit Hauptkommissar Thiel und dem Rechtsmediziner Boerne ausgiebig feiert.

In Wodka-Laune bietet Boerne Thiel ein Kanapee an, das diesem im Hals stecken bleibt. Nur ein beherzter Luftröhrenschnitt rettet den Kommissar, der daraufhin ein paar Sprachprobleme hat.

Der geübte Münster-Tatort-Zuschauer ahnt schon: Der arme Kommissar wird noch oft genug an die Lebensrettung erinnert werden.

Kaum wieder auf den Beinen, müssen sie sich um eine Leiche kümmern: Ein etwa 30-jähriger Brasilianer ist mit einem Schnitt durch den Hals getötet worden. Die zunächst einzige Spur führt zu einem alteingesessenen Weingut. Doch die Besitzer mauern und Thiel hat schnell einen noch dickeren Hals.

Diesmal wird es ganz pikant. Boerne will seinen Erbonkel (Christian Kohlund) davon überzeugen, dass er schwul ist und geheiratet hat. Und da er außer Thiel kaum einen kennt, muss der – sozusagen als Dank für die Lebensrettung – herhalten.
Hochzeitsfoto Thiel und Boerne (Tatort Münster 2015: Erkläre Chimäre)

Und es klappt tatsächlich. Erbonkel Gustav ist auch ganz begeistert von dem propperen Kerlchen. Boerne und Thiel sind wirklich ein süßes Pärchen. Dazu kommt in dem Fall noch, dass fast alle Hauptakteure im Krankenhaus landen und sich da auch etliche komische Szenen ergeben.

(Quelle: swr.de)


Tatort (949) aus Münster: Erkläre Chimäre (2015)

Wenn dieser Fall auch nicht so ganz an die ersten Folgen des Münsteraner Duos herankommt, so bot er doch Unterhaltung genug. 13 Millionen Zuschauer können sich nicht irren.

Tatort (944) aus Köln: Dicker als Wasser (2015) und mehr

Hätte nicht Armin Rohde in dem neuesten Kölner Tatort mitgespielt, die Folge (944) Dicker als Wasser würde man schnell wieder vergessen. Denn irgendwie zog sich das Alles gehörig in die Länge. Da half auch der neue Assistent Tobias Reisser (gespielt von Patrick Abozen) wenig, der bereits in einer früheren Folge (nach dem Tod von Franziska Lüttgenjohann, Assistentin der Kriminalhauptkommissare Ballauf und Schenk von 2000 bis 2014) zu sehen war:

Laura Albertz findet ihren Freund Oliver Mohren nachts tot vor seinem Szenelokal „Sax Club“ auf. Bei der Befragung durch Max Ballauf und Freddy Schenk verwickelt sich Laura schnell in Widersprüche. Auch der ehemalige enge Freund von Oliver, Erik Trimborn, gerät unter Verdacht.

Nach und nach greift der Vater von Erik Trimborn (gespielt eben von Armin Rohde) ins Geschehen ein, ein Tyrann, wie er im Buche steht. Dieser wird auch gleich von Kommissar Freddy Schenk aufs Korn genommen, der aber schnell ins Hintertreffen gerät. Am Schluss muss Schenk froh sein, mit halbwegs heiler Haut davongekommen zu sein.

Rohde reißt förmlich jede Szene an sich, in der er auftritt. Spiegel online erweist ihm berechtigterweise in einer Hommage ganze Ehre: Diese Pranken können liebkosen. Und würgen. Manchmal beides zusammen. So viel Zärtlichkeit, so viel Zerstörungswille, wie der 100-Kilo-Koloss Armin Rohde am Sonntag in der ansonsten eher unterkühlten Kölner „Tatort“-Episode „Dicker als Wasser“ verstrahlte, kriegt man selten in ein und derselben Rolle zu sehen.


Tatort (944) aus Köln: Dicker als Wasser (2015)

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, das eben jener Armin Rohde in einer anderen Tatortfolge (937), diesmal aus Frankfurt, brillierte: Das Haus am Ende der Straße. Auch hier spielt er seinen Gegenpart, in Gestalt des Frankfurter Ermittlers Steier.(gespielt von Joachim Król) in seinem leider letzten Fall, an die Wand. Und das will schon einiges heißen, dann Król legte als Steier, der mit Alkoholproblemen zu kämpfen hat, immer eine sehenswerte Performance hin. Diese Tatort-Folge ist einerseits wortgewaltiges Kammerspiel, anderseits ein Thriller der Extraklasse. Vielleicht nichts für schwache Nerven, ansonsten wirklich sehenswert:


Tatort (937) aus Frankfurt: Das Haus am Ende der Straße (2015)

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Letzte Woche habe ich hier den ersten Tatort aus Nürnberg vorgestellt und damit den Schauspieler Fabian Hinrichs. Dieser war ja erst 2012 in dem Tatort (856) aus München: Der tiefe Schlaf als neuer Assistent Gisbert Engelhardt zu sehen gewesen, der die Hauptkommissare Batic und Leitmayr gehörig nervte – und am Schluss selbst Opfer eines Mordes wurde. Hinrichs hatte bekanntlich 2009 einen Auftritt im Kieler Tatort Borowski und die heile Welt als gewaltbereiter Vater Thies Nowak. Letztes Wochenende habe ich mir diese Folge noch einmal angeschaut. Axel Milberg als Kommissar Borowski (Bester Schauspieler Hauptrolle) und Fabian Hinrichs (Bester Schauspieler Nebenrolle) waren für den Deutschen Fernsehpreis 2009 nominiert.

Beide Schauspieler glänzen in einem Fall, den man ohne weiteres zu den besten dieser Fernsehreihe zählen darf. Borowski ist erschüttert vom Tod eines kleinen Mädchen. Hinzu kommt, dass die Polizeipsychologin Frieda Jung ihren Abschied verkündet. Sie hat ein lukratives Arbeitsangebot aus der Schweiz. Borowski und Jung haben ein ambivalentes Verhältnis miteinander. Beide fühlen sich zueinander hingezogen. Und doch kommen sie nicht zusammen. Borowski ist enttäuscht, als er erfährt, dass Frieda Jung ihn ‚verlassen‘ will. Erst, als er ihr ziemlich am Schluss sagt, dass er sie braucht (er meint es eigentlich rein dienstlich), da wirft sie den bereits unterschriebenen Arbeitsvertrag in den Papierkorb.

Tatort Kiel: Kriminalhauptkommissar Klaus Borowski und Polizeipsychologin Frieda Jung

Selten habe ich mit einem Protagonisten so empfunden wie mit Thies Nowak, brillant gespielt von Fabian Hinrichs. Als ehemaliger Knasti hat er sich hochgearbeitet, eine Familie gegründet und ein Restaurant eröffnet. Immer wieder werden ihm Steine in den Weg gelegt, immer wieder versucht er sich trotz aller Probleme zu beherrschen („innerlich bis drei zählen“), was ihm nicht immer gelingt. Mir würde sicherlich auch der Kragen platzen.

Bei diesem Fall handelt es sich mehr um ein Familiendrama als um einen Kriminalfilm. Es geht um die Diskrepanz zwischen Täuschung und Wahrheit, zwischen Liebe und Selbstbetrug in Beziehungen. Eingefangen wurde das ohne jede Effekthascherei, ganz sensibel. Ich mag Axel Milberg als Klaus Borowski. Wunderbar sein mimisches Repertoire. In diesem Fall wird er ganz an seine Grenzen gedrängt. Welche Erleichterung muss es für ihn sein zu hören, dass Frieda Jung ihm erhalten bleibt.


Tatort (732) aus Kiel: Borowski und die heile Welt (2009)

Am Ostermontag gab es die neue Folge (942) der Ermittler Falke und Lorenz, dem ersten Tatort-Ermittlerteam der Bundespolizei: Frohe Ostern, Falke. Dieser Fall erinnert mich sehr an eine Folge (843) aus Bremen: Hochzeitsnacht (2012). Auch hier stürmen bewaffnete und maskierte Männer eine feiernde Gesellschaft.

So interessant der Bremer Fall war, so „an den Hasenohren herbeigezogen“ wirkt dieser, wie Holger Gertz in der Süddeutschen Zeitung schrieb. Es ist schon abstrus, einen Auftragsmord zu kaschieren, indem man eine zuvor friedliche Aktivistengruppe in eine solche Geiselnahme hineinzieht. Alle Action zum Trotz, das war nichts, Herr Falke.


Tatort (942) aus Hamburg: Frohe Ostern, Falke (2015)

Leid tut mir dabei Petra Schmidt-Schaller (in dem Tatort die Kommissarin Lorenz), die ich Tage später in dem Fernsehfilm Die kalte Wahrheit gesehen habe. Hier spielt sie die junge Ärztin Helen Liebermann, die an einem kalten, nebligen Wintermorgen auf der Landstraße einen jungen Mann anfährt und tötet. Obwohl sie von aller Schuld entlastet wird, macht sie sich auf, die Hintergründe dieses Unglücks zu erforschen: der junge Mann war ohne Jacke und ohne Schuhe unterwegs. Der Film ist ein „Psychodrama um das Thema Schuld und Schuldbewältigung“, in dem Petra Schmidt-Schaller „die Zweifel und Gewissensbisse der Helen Liebermann geradezu körperlich spürbar“ werden lässt:


Die kalte Wahrheit – Fernsehdrama 2015

Fünf Filme – das dürfte ‘Material’ genug sein für die nächsten sonnendurchtränkten Abende. Und die nächsten Tatort-Folgen warten ja bereits auf uns. Viel Spaß beim Gucken!

Tatort (943) aus Nürnberg: Der Himmel ist ein Platz auf Erden (2015)

Die neuen Tatort-Ermittler aus der ARD-Krimireihe geben sich in diesen Wochen die Klinke in die Hand. Nach den Neuen aus Berlin, die mich eher enttäuschten, sind es nun die Kriminalhauptkommissare Felix Voss und Paula Ringelhahn aus Nürnberg, die Unterstützung durch die Kommissare Wanda Goldwasser und Sebastian Fleischer erhalten. Felix Voss wird von Fabian Hinrichs gespielt und ist den Tatort-Freunden kein Unbekannter. Erst 2012 war er in dem Tatort (856) aus München: Der tiefe Schlaf als neuer Assistent Gisbert Engelhardt zu sehen gewesen, der die Hauptkommissare Batic und Leitmayr gehörig nervte – und am Schluss selbst Opfer eines Mordes wurde.

Für diese Rolle erhielt Fabian Hinrichs sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien und sozialen Netzwerken. Sicherlich ein Grund, warum wir ihn jetzt im zweiten (nach dem Münchener) Tatort-Team des Bayerischen Fernsehens sehen. Aber es gab noch weitere Tatort-Auftritte von Hinrichs, u.a. in dem Tatort (732) aus Kiel (2009): Borowski und die heile Welt als gewaltbereiten Vater Thies Nowak (werde ich mir in den nächsten Tagen wohl noch einmal angucken – ich weiß nur noch, dass Hinrichs auch diese Rolle meisterlich bewältigte).

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Aber kommen wir auf das neue Ermittler-Team aus Nürnberg zurück, dessen erster Fall (Tatort-Folge 943) Der Himmel ist ein Platz auf Erden am letzten Sonntag gesendet wurde:

Kriminalhauptkommissar Voss kommt zu seiner neuen Arbeitsstelle nach Nürnberg und lernt seine Kollegen am Tartort kennen. Der Professor der Erlanger Universität Christian Ranstedt wird in seinem Auto im Wald tot aufgefunden. Der verheiratete Vater zweier Kinder wurde mit Kopfschüssen aus nächster Nähe geradezu hingerichtet. Offensichtlich hatte er Sex im Wagen; beide Türen stehen offen, der Fahrersitz mit dem toten Ranstedt ist weit zurückgeschoben.

(Video tgl. ab 20 Uhr) | Video verfügbar bis 19.04.2015
Tatort (943) aus Nürnberg: Der Himmel ist ein Platz auf Erden

„Färberböck [der Regisseur und Mitautor des Drehbuchs] wagt die Revolution im modernen Tatort: Er bringt Ermittler, die keinen an der Klatsche haben. Sie sind eher warm als innerlich erfroren, eher linkisch als cool. Und berührbar von dem, was passiert. […] Dieser Fall […] hat ein paar Längen, aber die Geschichte nimmt Fahrt auf, sie findet einen Sound, und tatsächlich alle Darsteller sind mit Liebe ausgesucht“, schreibt Holger Gertz in der Süddeutschen Zeitung.

Auch mein jüngster Sohn, inzwischen längst Tatort-Spezialist, fand die neuen Tatort-Kommissare äußerst sympathisch. Dem schließe ich mich gern an. Dabei erinnert mich Felix Voss aka Fabian Hinrichs doch sehr an den Saarbrücker Kommissar Jens Stellbrink (gespielt von Devid Striesow), nicht nur äußerlich. Und Paula Ringelhahn kommt der Bremer Kommissarin Inga Lürsen ziemlich nah, in ihrer Art, vom Aussehen und auch vom Alter her.

Ähnlich wie im letzten Berlin-Tatort so ist auch in dem ersten Nürnberger Fall die Stadt eine der Hauptfiguren des Films. Und es ist eine Frau, die geradezu unauffällig ins Zentrum der Handlung rückt, die Nachbarin des Mordopfers, gespielt von Ulrike C. Tscharre, die ebenfalls schon in mehreren, früheren Tatort-Folgen zu sehen war. Diese weibliche Figur zeigt sich sowohl verletzlich wie verletzend und wird vom Regisseur einmal von nah, dann von fern in Szene gesetzt, ohne ihr letztes Geheimnis zu offenbaren. Sie ist der Schlüssel zur Auflösung des Falles.

Trotz mancher Längen (die dann irgendwie sogar Sinn machten) gefällt mir dieses neue Ermittlerteam. Und es entspricht besonders einem der drei Tatort-Grundregeln, Kriminalfälle regional anzusiedeln: Nürnberg und das fränkische Umland, sowohl Land wie Leute, stehen im Mittelpunkt. Ich habe gar nicht gewusst, dass Franken manchmal so schweigsam sind …

Tatort (941) aus Kiel: Borowski und die Kinder von Gaarden (2015)

Ich mag Borowski, den Kieler Kriminalhauptkommissar der ARD-Tatort-Reihe. Ich mag seine nordische Brummigkeit, seine Distanz und Sturheit. Sein „Ich höre …“, wenn er sich am Telefon meldet, erweitert er jetzt schon auf den Tatort, wenn er seine Kollegin Sarah Brandt nach dem Stand der ersten Ermittlungen fragt und die ihm in ihrer akribischen Art bis hin zum möglichen Tatmotiv alles haargenau erläutert.

Borowski wird kongenial dargestellt von Alex Milberg. Manchmal frage ich mich, wer eigentlich wer ist: Milberg Borowski oder umgekehrt? Seine Kollegin Sarah Brandt, dargestellt von Sibel Kekilli, die Milberg höchst persönlich für die Rolle ausgesucht haben soll, ergänzt sich auf eine wundersame Art mit ihm.

Klaus Borowski (Axel Milberg) und Frieda Jung (Maren Eggert)
Klaus Borowski (Axel Milberg) und Frieda Jung (Maren Eggert)

Klaus Borowski hat so seine Probleme mit Frauen (mit Sicherheit später einmal noch etwas mehr dazu). Er ist geschieden und hat eine Tochter, die in den ersten Folgen mit ihm öfter zu sehen war. Gleich in seinem ersten Fall (Tatort Nr. 549) Väter aus dem Jahr 2003 hat Borowski Ärger mit seinen Vorgesetzten, weil er eine anerkannte Lokalgröße in der Rotlichtszene nackt auf dem Dach eines Bordells angekettet hat. Er entgeht gerade noch einer Suspendierung, muss dafür aber ein Gespräch mit der Betriebspsychologin Frieda Jung führen. Mit Frieda Jung entwickelt sich so über viele Folgen eine Hassliebe, die in der Tatort-Episode 741 Borowski und die Sterne (2009) sogar in einer gemeinsamen Übernachtung in einem Hotelzimmer (mit allem Drum und Dran?) endet. Diese krisenreiche Beziehung endet dann tatsächlich in Folge 761 Tango für Borowski (2010) in Finnland. Es stellt sich die Frage, was aus den beiden werden soll. Darauf sagt Frieda Jung, dass sie beide doch heiraten könnten. Borowski antwortet sinngemäß mit der Frage: Aber wen denn? Am nächsten Morgen ist Frieda Jung für immer verschwunden. Ach, Borowski, diesen dummen Spruch verzeiht keine Frau. In Folge 873 Borowski und der brennende Mann gibt es ein typisch Borowski‘sches Missverständnis mit der dänischen Kollegin, Kommissarin Einigsen. Und in Folge 892 Borowski und der Engel (2013) scheint es gar, als habe sich unser Kieler Ermittler in eine Tatverdächtige verliebt. Zu seiner jungen Kollegin Sarah Brandt hat Borowski ein eher väterliches Verhältnis. Man kommt halt in die Jahre.

Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli)
Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli)

Auch wenn es nicht groß gefeiert wurde, aber Borowskis neuester Fall, der am vergangenen Sonntag ausgestrahlt wurde, war sein inzwischen 25. Glückwunsch!

In einem Kieler Arbeiterbezirk wird der 60-jährige Alkoholiker Onno Steinhaus erschlagen aufgefunden. Steinhaus war wegen Pädophilie vorbestraft und lebte, wie Borowski und Brandt schnell herausfinden, völlig isoliert. Ausgerechnet eine Gruppe Kinder jedoch schien bei dem Toten ein- und ausgegangen zu sein. Anscheinend haben sie das Begehren des Toten ausgenutzt, aber – wie sie zumindest behaupten – dessen Wünschen nie entsprochen. Der für den Bezirk zuständige Polizist Thorsten Rausch scheint angesichts der sozialen Verwahrlosung seines Viertels kapituliert zu haben.

Sarah Brandts Ermittlungen bringen ein Video zu Tage, dass einen Jungen – Timo Scholz – in einer verfänglichen Situation mit Onno Steinhaus zeigt. Timo bestreitet, missbraucht worden zu sein. Borowski muss beobachten, dass Sarah Brandt auffällig häufig die Nähe zu dem Polizeikollegen Rausch sucht … (Quelle: tatort-fundus.de)

Ohne Zweifel war dieser Fall, der im Kieler Problemstadtteil Gaarden spielt, nicht der beste der jetzt also bereits 25 Tatortfolgen mit Borowski aus Kiel (übrigens gab es bereits 2002 eine Borowski-Folge in der damals neu aufgelegten TV-Serie Stahlnetz mit dem Titel PSI, in der ein fast unglaublicher Entführungsfall gelöst wird – und der damals noch in Hannover spielte). Das oft sehr hohe Niveau der Kieler Fälle (z.B. in Borowski und der Engel) lässt sich nicht auf ewig durchhalten. Und doch ist der Fall nicht nur sehenswert, sondern auch von seiner Konstellation her äußerst interessant, ist es ein Krimi aus dem Geiste eines realistischen Sozialdramas. Allerdings ist diese soziale Enge offensichtlich nicht der Raum, „in dem einer wie Borowski zur ganz großen Form aufläuft. Dieser Kommissar, der undenkbar ist ohne seinen Darsteller Axel Milberg, bleibt einer für das Weite im weitesten Sinne: für die Freiheit der Gedanken, für (kranke) Phantasien, für merkwürdige Interaktionen, für (nordische) Landschaft. Unrecht, Ignoranz oder Dummheit können Borowski ungeheuer wütend machen, aber Moral & Betroffenheit stehen anderen Kommissaren besser.“ (Quelle: tittelbach.tv)

So bekommt Borowski „zu spüren, dass seine Beamtenautorität hier nichts zählt; schon gar nicht im Umgang mit strafunmündigen Kindern.“ Borowski hat also auch ein Problem mit Kindern. Erstaunlich dann aber doch, wie er in diesem Fall das Problem löst: Er lässt sich mit den Kindern in einen mit Drahtverhau vergitterten Sportplatz einsperren, zeigt Geduld und kommt so am Ende doch zu den Antworten auf seine Fragen. Und auch mit dem jugendlichen Timo Scholz, von dem alle glauben, dass er der Täter ist, kommt der Kommissar überraschend klar, „ist er vor allem einer, der sich Gedanken macht: ‚Du kannst entweder alles falsch oder ganz falsch machen; richtig gibt’s hier nicht.‘ Dieser ‚kleine Philosoph‘ imponiert Borowski. Kann so einer ein Mörder sein?!“ Am Ende hält er sogar ein Kind im Arm. Nur gegenüber seiner Kollegin Sarah Brandt geht er auf leichte Distanz, als auch sie sich an seine Schulter anlehnt: „Ich ruf Ihnen jetzt ein Taxi und dann schlafen Sie Ihren Rauschi aus.“

Ja, ich liebe diesen Borowski!


Tatort (941) aus Kiel: Borowski und die Kinder von Gaarden

Tatort (940) aus Berlin: Das Muli (2015)

Am Sonntagabend haben sich die neuen Tatort-Ermittler aus Berlin vorgestellt: Nina Rubin (gespielt von Meret Becker) und Robert Karow (gespielt von Mark Waschke): Das Muli, die 940. Tatort-Folge.

Natürlich müssen die neuen Protagonisten erst einmal vorgestellt werden. Das wirkte noch ziemlich unausgegoren: Kriminalhauptkommissarin Rubin, die es außerehelich mit einem Kollegen treibt (die schnelle Nummer im Biergarten der Disko war ziemlich abgeschmackt) und zu Hause dadurch Probleme mit ihrem Mann und den beiden Söhnen hat (sie wirkt eher wie ein in die Jahre gekommener Single, dem man über Nacht zwei Kinder untergeschoben hat). Und der Kriminalhauptkommissar Karow, neu abgestellt, nachdem er bei der Drogenfahndung seinen Kollegen, der auf bisher unaufgeklärte Weise verstarb, verloren hat (er soll undurchsichtig wirken, tut’s aber irgendwie nicht).

Das Tatort-Team Berlin (2015): Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke)

Ähnlichkeit mit dem Ermittlerteam aus Dortmund (Faber und Bönisch) sind nicht zu übersehen, wobei die Dortmunder aber weitaus authentischer, echter erscheinen. Auch ist gleich der erste Fall nicht neu: Mulis bzw. Bodypacker, also Personen, die Drogen durch Verschlucken in ihrem Körper transportieren, gab es schon im Kölner Tatort (841): Fette Hunde (2012). Auch dort starb einer der Kuriere, weil ein mit Rauschgift gefülltes Kondom im Magen geplatzt war. Und auch dort wurde das Opfer anschließend ‚ausgeweidet‘. Übrigens: Die Bodypackerin aus ‚Fette Hunde‘ spielt im neuen Berliner Tatort die Rechtsmedizinerin Nasrin Reza (dargestellt von Maryam Zaree). Und der Bruder der jungen Johanna (in ‚Das Muli‘) spielte im Kölner Tatort den Sohn des Afghanistan-Heimkehrers (gespielt von Theo Trebs). Ist schon seltsam.

Schnell war geklärt, um was es bei dem Fall geht, sodass so etwas wie Spannung nicht aufkommen konnte. Spannung erzeugte lediglich das undurchsichtige Handeln von Kommissar Karow, bei dem man nicht so recht wusste, ob er nun auf der Seite der Guten steht oder nicht. Aber auch das wirkte eher gekünstelt. Wenig nachvollziehbar war für mich, dass man gleich vier Menschen (und einen Wachhund) töten musste, um an Drogen im lächerlichen Wert von rund 40.000 € zu gelangen. Im Drogengeschäft geht es um weitaus mehr Geld.


Tatort (940) aus Berlin: Das Muli (2015)

Ein durchaus bedeutender Pluspunkt war für mich die Tatsache, dass mehr als bei dem Vorgängerteam Ritter und Stark die Stadt Berlin optisch in den Vordergrund gestellt wurde. Regisseur Stephan Wagner, rettete so, was zu retten war (Wagner inszenierte zuvor die absoluten Tatort-Highlights Borowski und die Frau am Fenster (2011) und Gegen den Kopf (2013) mit dem Berliner Ermittlerteam Ritter und Stark). So gab auch einen Abstecher zum neuen Flughafen Berlin Brandenburg (BER) , der zum Mittelpunkt des Showdowns wurde.

Schwachpunkt für mich ist das Drehbuch von Stefan Kolditz, der zuvor hauptsächlich Drehbücher für die Polizeiruf 110-Serie geschrieben hat. Da konnten auch die Schauspieler nicht viel richten. Erwähnenswert ist dabei neben dem bereits erwähnten Theo Trebs als liebevoll für die Schwester sorgenden Bruder Carolyn Genzkow als junge Hospitantin Anna Feil, die wesentlich zur Auflösung des Falles beitrug. Allein die Namen (Rubin und Karow – statt Rubin war zunächst Rothe geplant – warum nicht Diamant und Viereck?) sind bescheiden.

Das Open End des Falles lässt vermuten, dass uns diese Drogengeschichte (samt Vorgeschichte zu Kommissar Karow) noch eine weitere Episode verfolgen wird. Es kann dann eigentlich nur besser werden.

Okay, dieser Tatort kam reichlich rasant daher. Allein die Eingangssequenz von rund 13 Minuten wartete mit mehr als einem Dutzend Spielorten und mit noch mehr Akteuren auf. Aber ein Aktionsgewitter macht noch keinen wirklich guten Tatort aus. Ähnlichkeiten mit den Till-Schweiger-Tatorten (z.B. Schauplatz Bauruine Elb-Philharmonie hier, Schauplatz Bauruine BER dort) sind nicht von der Hand zu weisen. Psychologische Schärfe geht dabei verloren oder zeigt sich nur plakativ. Zeichnet sich so ein Generationswechsel beim Tatort ab? Warten wir die anderen neuen Teams ab, die sich bereits in den Startlöchern befinden (Nürnberg/Franken mit dem Team Voss/Ringelhahn/Goldwasser/Fleischer am 12. April, Frankfurt mit Brix/Janneke am 17. Mai und danach Dresden mit den Ermittlern Gorniak/Sieland/Mohr/Schnabel).

Nicht, dass ich Ritter und Stark unbedingt nachtrauere. Der groß gewachsene Großstadtcowboy Till Ritter und sein eher klein geratener Kollege mit dem Sportrad, Felix Stark, hatten deutlich mehr Charisma als die neuen Tatort-Ermittler aus Berlin. Und mit der Folge ‚Vielleicht‘ hatte Boris Aljinovic als Felix Stark (Dominic Raacke hatte schon zuvor das Handtuch geworfen) auch noch einen interessanten, vielleicht starken Abgang.

Tatort (407): Starkbier (1999)

Es ist wieder vorösterliche Fastenzeit – und damit ist es auch wieder Starkbierzeit, nicht nur in Bayern. Aber aus Bayern kommen besonders leckere Starkbiere (Doppelbockbiere), wie z.B. das auch im hohen Norden bekannt-beliebte Paulaner Salvator aus München mit satten 7,9 % Vol. In Anlehnung an dieses älteste Doppelbockbier enden die Namen dieser Biere meist auf den Endsilben -ator (Palmator, Optimator, Helyator, Celebrator, Triumphator, Maximator usw.).

Dieses Jahr habe ich das Speziator mit 7,5 % Vol des Brauhauses Riegele, Augsburg, verkostet. Während das Salvator der Paulaner Brauerei von der Farbe her eher ein mittelbräunliches Rot aufweist und im Geschmack zwar malzig ist, aber auch den Hopfen nicht vernachlässigt, ist dieses Augsburger Gebräu von fast schwarzes Farbe. Der Schaum ist überraschend kremig, fast wie Eischnee, der Geschmack sehr malzig mit dezentem Karamellaroma. Die Hopfennote tritt eindeutig zurück. Dafür ist dieses Bier insgesamt samtig, aber auch von süffig-vollmundigem Geschmack. Eben etwas anderes.

Salvator 7,9 % Vol – Paulaner Brauerei, München Speziator 7,5 % Vol - Brauhaus Riegele, Augsburg

Kein Wunder ist es, wenn das Starkbier nicht auch einmal eine Hauptrolle im Münchener Tatort übernommen hat. Tatort, jeder weiß es, ist die wohl erfolgreichste Kriminalreihe des (nicht nur) deutschen Fernsehens und kommt oft genug mit viel Lokalkolorit daher. Allerdings müssen wir ins Jahr 1999 zurückkehren, als die Kommissare Batic und Leitmayr noch von ihrem Kollegen Carlo Menzinger begleitet wurden, der in der Folge Starkbier dann sogar die Hauptrolle übernimmt. Aber Freunde von Batic und Leitmayr kommen trotzdem nicht zu kurz.

Am Anfang dieser Tatort-Folge steht der Starkbieranstich, der in Realität am Nockherberg stattfindet.

Dr. Maximilian Meindl, der Marketing-Direktor der Benedictus-Brauerei, wird tot in seinem Auto an der Isar aufgefunden. Die Ehefrau bezweifelt sofort, dass es ein Unfall war, da ihr Mann sein einiger Zeit Unregelmäßigkeiten innerhalb der Brauerei auf der Spur war. Sie verdächtigt den Generaldirektor Conrad Eisinger etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun zu haben. Dieser will die Firma verkaufen und so gab es zwischen den beiden erhebliche Differenzen. Die Ermittler untersuchen den Fall im Umfeld der Brauerei, denn es war offensichtlich, dass der Unfall einen Mord tarnen sollte. Die rechtsmedizinischen Befunde sprechen ebenso für eine Brauerei als näheres Todesumfeld. Für eine Täterschaft von Generaldirektor Eisinger kann jedoch kein Indiz gefunden werden. Batic und Leitmayr stellen dagegen Zusammenhänge fest zwischen dem Angestellten Jiri Hasek, dem Verwaltungschef Giesek und dem Getränkegroßhändler Anton Irlbeck. So hat jemand offensichtlich versucht Hasek bei einem Fahrradsturz aus dem Weg zu räumen. Giesek indessen wird mit aufgeschnittenen Pulsadern in seiner Badewanne gefunden.

Sicherlich ist das nicht die beste Episode der Münchener Kommissare, die es bis dato auf 69 Fälle, so viele wie kein anderes Tatort-Ermittlerteam, gebracht haben. Aber allein das Thema ist es wert, die Folge zu schauen. Es ist nun einmal Starkbierzeit. Und ein kräftigendes Starkbier sollte man sich beim Gucken dann schon gönnen …


Tatort (407): Starkbier (1999) aus München (Batic, Leitmayr und Menzinger)

Ein vielleicht starker Abgang

Das war VIELLEICHT ein STARKer Abgang, Herr Kriminalhauptkommissar Felix STARK (gespielt von Boris Aljinovic). Zuletzt musste er in der Tatort-Episode VIELLEICHT ohne Partner Till Ritter (Dominic Raacke) auskommen, dem Großstadtcowboy, der sich bereits eine Folge zuvor vom Publikum ‚verabschiedet’ hatte. Statt Ritter und Stark ermitteln ab nächstem Jahr Nina Rubin und Robert Karow (Meret Becker und Mark Waschke) in Berlin. Die erste Folge (Das Kuli) soll voraussichtlich am 22. März 2015 ausgestrahlt werden. Im Vorfeld gab es wegen des Wechsels einigen Zoff beim Sender rbb, weshalb Dominic Raacke eben schon eine Folge früher seinen Job an den Nagel hängte.

KHK Stark muss sich in seinem letzten Fall mit Präkognition beschäftigten. Trude, eine norwegische Psychologiestudentin, die seit einem Jahr in Berlin lebt und studiert, hat einen schrecklichen Alptraum. Als zwei Monate später eine Studentin erwürgt aufgefunden wird, hat sich der Mord aus ihrem Traum leider bewahrheitet. Doch bald schon gibt es eine weitere Vision, die auch Kommissar Stark betrifft.

    Lise Risom Olsen als Trude Bruun Thorvaldsen in der Tatort-Folge ‘Vielleicht’, Berlin 16.11.2014

Seherinnen sind bei den germanischen Völkern und Kulturen in der Zeit von der Antike bis zum Hochmittelalter bezeugt. Und aus noch nördlicheren Regionen kennen wir Völva aus der „Weissagung der Seherin“. Da wundert es mich nicht, dass die Hauptfigur dieser Tatort-Folge aus dem hohen Norden kommt. Die Norwegerin Lise Risom Olsen beeindruckt als ‚nordische Seherin’ durch ihr überaus glaubwürdiges Spiel auf ganz besondere Weise.

Natürlich fragt man sich, ob eine Vorhersage zukünftiger Ereignisse wie hier möglich ist. Wenn ja, dann spielen sich präkognitive Kontakte mit Gedanken über Ereignisse ab, nicht mit den Ereignissen selbst. Trude besitzt gewissermaßen eine Art kombinatorischen Instinkt, den sie dank einer außergewöhnlichen Beobachtungsgabe zum Lesen von Menschen und Situationen nutzt. Es hat etwas mit ‚Gedankenlesen’ zu tun. Trude hatte Kontakte zu beiden Tätern und hat die ‚negative Aura’ der beiden in sich aufgenommen.

Wer kennt es nicht, die Sympathie oder Ablehnung auf dem ersten Blick (‚Liebe auf dem ersten Blick’). Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle: Aussehen, Sprache, dabei Mimik und Gestik – sicherlich auch ‚Geruch’ („den oder die kann ich gut riechen“ oder „den oder die kann ich gar nicht riechen“). Warum sollte es nicht auch Menschen geben, die darüber hinaus noch ‚etwas mehr’ wahrnehmen können?

Sicherlich übersteigert dargestellt ist es, wenn Trude, die immerhin nicht den Zeitpunkt bestimmen kann, die Räume beschreibt, wo ihre Visionen stattfinden. Kaum wird sie z.B. ‚wissen’, wie die beiden Toten aus der 2. Vision in dem Restaurant drapiert sein werden. Diese Übertreibung wird man als künstlerische Freiheit dem Autoren und Regisseur (Klaus Krämer) dieser Tatort-Folge zugestehen müssen.

Ob man das alles nun für Humbug hält oder nicht. Die Wahrheit liegt bekanntlich meist in der Mitte. Auf jeden Fall lässt einen diese Tatort-Folge nicht ohne Weiteres kalt.


TATORT Berlin (16.11.2014): Vielleicht

Nun am Ende wird auch Kriminalhauptkommissar Stark Opfer eines Mordanschlags. Das Ende bleibt dabei für alle Zeit offen: Auf die Frage an den behandelnden Arzt, ob Stark überleben wird, antwortet dieser: VIELLEICHT!

Diese Tatort-Episode ist ruhig, aber sehr eindringlich erzählt. Keine unnötige Action stört den bis zum Ende spannend bleibenden Ablauf. Und trotz der mystischen Elemente vermittelt dieser Tatort einen Realismus, der die Dramatik eher noch erhöht.

In 44 Jahren Tatort haben schon viele Ermittler(teams) den Dienst quittiert. Bei tatort-fundus.de wurde recherchiert und in Bye, bye Tatört lässt sich das Ergebnis nachlesen.

25 Jahre Tatort Ludwigshafen mit Lena Odenthal

Am Sonntag löst Lena Odenthal in Ludwigshafen mit der Tatort-Folge Blackout nicht nur ihren 60. Fall in der ARD, sondern feiert gleichzeitig damit ihr 25. Dienstjubiläum (… hatte da nicht EIN ANDERER Anfang des Monat ebenfalls 25. Arbeitsjubiläum?).

    Ulrike Folkerts als Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal im Einsatz

Damit ist sie derzeit die ‚dienstältestes’ Tatort-Ermittlerin. Die erste Folge Die Neue wurde am 29.10.1989 erstaufgeführt. Seit der Folge 10 (rund sieben Jahre später) steht Kollege Mario Kopper an Lena Odenthals Seite. Die bisher meisten Folgen haben allerdings die Münchner Kollegen Batic und Leitmayr (bisher 68 Folgen) abgedreht, die sich seit dem 01.01.1991 auf Mörderjagd befinden und die Kölner Ballauf und Schenk (61 Folgen seit dem 05.10.1997), wobei Kriminalhauptkommissar Max Ballauf bereits ab 17.05.1992 als Kriminalhauptmeister zusammen mit Hauptkommissar Bernd Flemming und Kommissarin Miriam Koch bei der Kriminalpolizei Düsseldorf gearbeitet hatte. Im Dienstalter folgen von den heute noch ermittelnden Kriminalbeamten Inga Lürsen (Bremen) seit dem 28.12.1997 und Moritz Eisner (Wiener Mordkommission) seit dem 17.01.1999.


Tatort Folge 882 (Ludwigshafen: Odenthal/Kopper): Freunde bis in den Tod

Lena Odenthal ist nicht die einzige Frau, die im Tatort ermittelt. Allerdings dauerte es über sieben Jahre seit Start des Tatorts bis zum 29.01.1978, bis mit Oberkommissarin Buchmüller aus Mainz in der 84. Folge der Tatort-Reihe die erste Frau als Hauptermittlerin auftrat.

siehe: weitere Tatort-Folgen mit Lena Odenthal bei youtube.