Alle Artikel von WilliZ

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Endlich wieder Urlaub: Herbsturlaub 2013

„Ich geh‘ im Urwald für mich hin… Wie schön, daß ich im Urwald bin: man kann hier noch so lange wandern, ein Urbaum steht neben dem andern. Und an den Bäumen, Blatt für Blatt, hängt Urlaub. Schön, daß man ihn hat!“

Heinz Erhardt: Urlaub

Okay, Heinz Erhardt kalauerte schon ziemlich stark, aber sein kurzes Urlaubs-Gedichtchen ist am Ende sehr einprägend. Ja, schön, dass man Urlaub hat, um einmal Arbeit Arbeit sein zu lassen und sich zu erholen. Da ich den Herbst besonders mag, mache ich auch in dieser Jahreszeit gern Urlaub. Und da gehe ich schon gern durch den Wald, wenn’s auch kein Urwald ist. Besonders die sich färbenden Blätter beeindrucken jedes Jahr aufs Neue.

    Urlaubstiet is wedder do(r) ...!

Mit dem Niederdeutschen, auch Plattdeutsch genannt, habe ich meine Probleme. Mit dem Sprechen ist es alles andere als toll. Und das Verstehen, wenn es jemand spricht, klappt auch nicht immer so ganz. Wenn ich es aber lese, dann geht es eigentlich ganz gut. Trotz mancher Schwierigkeiten liebe ich das Plattdeutsche. Außerdem ist Platt und Platt auch nicht immer das Gleiche. Dafür gibt es zwischen Kleverland und Nordmark zu viele unterschiedliche niederdeutsche Mundarten.

Meteorologisch haben wir ja bereits seit fast fünf Wochen Herbst (ab 1.9.). Wir sind also schon mittendrin. Astronomisch gesehen ist es noch nicht so lange her (ab 22.9.). Ich weiß auch nicht genau warum, aber Herbst löst bei mir ‚eigentümliche’ Gefühle hervor. Irgendwie fühle ich mich sanfter, weicher gestimmt. Das liegt sicherlich an den gesättigt herbstlichen Farben, die ich eben mehr mag als das Knallbunte. Und irgendwie weicher klingt ja auch das Plattdeutsche. In Platt lässt es sich viel leichter schimpfen als auf Hochdeutsch ( … de olte Schiet allerwegens!).

Also Herbst und Plattdeutsch. Wer vielleicht noch nicht so richtig in Herbststimmung ist (ohne Urlaub gut möglich), dem hilft vielleicht eine kurze Pause, dazu ein Becher heißen Tee und ein kleiner Auszug aus einem niederdeutschen Gedicht, die Herbstmonate September bis November betreffend:

September kümmt, de Sommer geiht, hell lüchen all de Steern,
an’n Avend gaht dörch uns’e Straat de Kinner mit Latern.

Oktoberwind, wat stürmt he dull un lett de Drachen flegen!
Dat is in’n Harvst för Jung un Oolt en bannig groot Vergnögen.

Ganz ungemütlich stellt sik in de trurige November,
de Daag sünd gries, de Stimmung ok — doch bald schon kümmt Dezember.

aus: De Kalenner vun Liane Breiholz

Hell leuchten also die Sterne und die Kinder gehen abends mit ihren Laternen durch die Straßen. Im Oktober weht der Wind stark und lässt die Drachen fliegen. Das ist im Herbst für alle ein sehr großes Vergnügen. Die Tage im traurigen November sind trüb, die Stimmung auch … So schwer ist Plattdeutsch nicht zu verstehen, oder?

    Herbst in Tostedt

Dem Herbst, besonders in seiner pflanzlichen Ausprägung, habe ich in diesem Blog schon manchen (meist kurzen) Beitrag gewidmet. Wer noch einmal Zurückblättern möchte, dann bitte hier …

Herbstzeit – Kürbiszeit

Herbsturlaub 2009: Bild des Tages (1)
Herbsturlaub 2009: Bild des Tages (3)
Herbsturlaub 2009: Bild des Tages (4)
Herbsturlaub 2009: Bild(er) des Tages (5)

Herbstimpression: Tostedt 2009
Herbst in AlbinZ Garten – September 2011
Dahlien, die Herbstblumen

Lose Blattsammlung Herbst 2012 (1)
Lose Blattsammlung Herbst 2012 (2)
Lose Blattsammlung Herbst 2012 (3)
Durch Wald, über Feld & Wiesen – Herbst 2012

Tag der deutschen Dreieinigkeit 2013

Mir sei es erlaubt, den Beitrag zum heutigen Feiertag, den ich im letzten Jahr verfasst habe, (erneut) zu wiederholen: Tag der deutschen Dreieinigkeit!. Denn jährlich einmal grüßen die deutsche Flagge von allen öffentlichen Gebäuden.

Ich kann mich noch sehr gut an die Aushänge erinnern, die zu Zeiten früherer CDU-Regierungen an Litfaßsäulen klebten und Deutschland als ein durch den Krieg dreigeteiltes Land zeigten: links (da nach Norden ausgerichtet) die Bundesrepublik, in der Mitte die SBZ (sowjetisch-besetzte Zone) und rechts die besetzten Ostgebiete. Das Motto der Parteien: 3 geteilt? – niemals! Damals war die Wirklichkeit eine andere und erst unter Willy Brandt wurde die eigentliche Realität dann ‘im Westen’ akzeptiert, auch wenn die Bild-Zeitung weiterhin unbeirrt DDR in Anführungszeichen schrieb (immerhin schrieb man schon DDR und nicht mehr SBZ).

Unteilbares Deutschland

drei geteilt - niemals

Zu Zeiten dieser Dreigeteiltheit nannte man den mittleren Teil Deutschlands auch gern Mitteldeutschland. Erst viel später wurde das in Ostdeutschland ‘umgetauft’ und seit 1990 spricht man dann bekanntlich von den ‘neuen Bundesländern’. Wie sich geographische Begriffe ändern können. Nur durch einige Vertriebenenverbänden kann man irritiert werden, wenn diese von Ostdeutschland sprechen und damit u.a. Schlesien meinen (nur liegt Schwerin nicht in Schlesien – wenn beide auch in Ostdeutschland liegen?!).

Nun heute ist unser, Deutschlands Nationalfeiertag. Und wir feiern die deutsche Einheit oder Wiedervereinigung oder Dreieinigkeit oder wie oder was …? Was auch immer! Feiern wir eben …!

Flohmarkt in Tostedt 2013 – Töster Markt

(Fast) jedes Jahr gehören zwei Beiträge in diesem Blog einem besonderen Ereignis – als Vorankündigung und Einstimmung (wie hier) und quasi als Aufarbeitung (filmisch, fotografisch usw.) des Events:

Jetzt am Samstag, den 05.10., ist es im kleinen Tostedt – halbwegs zwischen Bremen und Hamburg – wieder soweit:

Der größte Flohmarkt Norddeutschlands ist ein absoluter Höhepunkt im regionalen Veranstaltungskalender. Die Aktion zieht nicht nur Besucher aus dem Umland an. Aussteller und Gäste kommen sogar aus dem benachbarten Ausland. Dänen, Holländer und Polen gehören seit vielen Jahren zum festen Bestandteil des Töster Marktes dazu. Rund 700 Aussteller bieten auf dem Flohmarkt auf ca. 6.580 Metern Standfrontfläche ihre Waren an.

Leider sind die Wetteraussichten ausgerechnet fürs Wochenende nicht allzu gut – Regen ist (bisher) angesagt. Trotzdem auf nach Tostedt …

Hier filmische Impressionen „aus dem Handgelenk“ vom Töster Markt 2011, wie man den Flohmarkt in Tostedt nennt – unter dem Motto: Ründ üm de Kark …


Filmische Impressionen vom Flohmarkt in Tostedt 2011

Flohmarkt in Tostedt - Töster Markt 2011/ Luftbild von Markus Lohmann www.gyrocopter-fly.de

Flohmarkt in Tostedt – Töster Markt
Bilder aus den Jahren 2001, 2004, 2006, 2007, 2009 und 2010

Wenn’s das Wetter nicht allzu schlimm treibt, dann sehen wir uns vielleicht ….!

Martin Walser: Die Inszenierung

    … wenn wir endlich … die nicht gelingen könnende Liebe feiern …
    (Martin Walser: Die Inszenierung S. 128)

Augustus Baum, ein berühmter Theaterregisseur, liegt nach einem leichten Schlaganfall im Krankenhaus. Herausgerissen aus der Inszenierung der Möwe von Anton Tschechow, inszeniert er weiter, vom Krankenzimmer aus. Nicht nur das Stück, sondern auch sich selbst. Die Nachtschwester Ute-Marie, seine Frau Dr. Gerda und er sind die Personen, die er so handeln lässt, dass ein Roman draus wird.

Es ist ein Roman, der ohne Erzähler auskommt. Die Figuren handeln durch Rede und Gegenrede, mit einander und gegen einander redend handeln sie: Sie stehen auf dem Spiel, darum müssen sie sprechen. Obwohl es in der «Inszenierung» um nichts als Liebe geht, ist, was darin verhandelt wird, etwas Unerhörtes, eine Sensation: Dr. Gerda, die Ehefrau, und Ute-Marie, die Nachtschwester, sind bei aller Lebensverschiedenheit gleich gut, gleich bedeutend, gleich zurechnungsfähig und auch gleich schön. Das gibt dem Uralt-Thema eine überraschende Aktualität.

Nicht erst seit seinem flammenden Roman «Ein liebender Mann» kreist Martin Walser um Themen wie Leidenschaft, Abhängigkeit und Wahn. «Die Inszenierung» ist ein zwischen Ironie und Tragik oszillierendes Kammerspiel über das Kunstwerk der Verheimlichung, die Ehe, und das seriöseste und zugleich lächerlichste Leiden überhaupt: die Liebe.
(aus dem Klappentext)

Martin Walser hat für seinen neuen Roman Die Inszenierung (Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1. Auflage August 2013) den Dialog, die direkte Rede gewählt. Ohne Anführungsstriche unten und oben. Die wenigen kurzen Zwischentexte lassen sich wie Regieanweisungen lesen. Eigentlich ist der Roman also ein Bühnenstück. So ist Shakespeares „All the world’s a stage“, übrigens der vorletzte Satz im Roman, schlechthin Programm. Okay, da sind noch zwei längere Briefe des alten Freundes Hans Georg, der in die USA geflüchtet ist und dort als Platon-Kenner eine Dozentenstelle angenommen hat – und die zwei kurzen Antworten von Augustus Baum, dem Helden des Romans. Hier könnte man sich auf der Bühne Stimmen aus dem Off vorstellen. Diese Briefe des Freundes sind Schlüssel zur Form, denn es geht auch um Platon, dem Philosophen der direkten Rede. Platon, das ist Philosophie auf der Bühne, Denken im Dialog, so eng hängen Philosophie und Theater zusammen.

    Martin Walser: Die Inszenierung

„… das Theater …, dass es öffentlich mache, was ganz im Inneren stattfindet.“ (S. 7) heißt es im Roman – oder: „Mach nur ein Theater daraus. …“ (S. 39).

Augustus Baum war mitten in der Inszenierung zu Tschechows „Die Möwe“. So verwundert es keinen, wenn sich das, was sich nun im Krankenhaus, in dem sich Augustus Baum nach seinem leichten Schlaganfall zur Genesung aufhält, abspielt, Parallelen zu Tschechows Stück aufweist. Vom Bett aus gibt er seiner Regieassistentin Lydia Anweisungen, wie im Stück zu verfahren ist. Aber längst ist er dabei, seinen Aufenthalt in der Klinik ‚in Szene zu setzen’.

So spielt Augustus Baum, der Regisseur, die Rolle des Regisseurs und ist gleichzeitig auch Hauptdarsteller seines ‚eigenen’ Stücks. Daneben treten auf: Ute-Marie, die Nachtschwester, 29 Jahre alt und Baum durch seine geistreiche Eloquenz in Liebe verfallen, so wie er auch ihr. Baums Ehefrau Dr. Gerda, Psychologin von Beruf und seit 29 Jahren mit ihm verheiratet. Die bringt ihm jeden Morgen sein Frühstück ins Krankenhaus, weil es ohne das nicht geht. (Sie kennt ihren Augustus, dessen Lieblingszahl die Drei ist. Sein Traum: Augustus, Ute-Marie UND Gerda. Offen, ohne Betrug. Die Trinität der Liebe. Aber Gerdas neues Buch heißt „Abhängigkeit, Wahn, Wirklichkeit“, ein Kapitel: Schweigen und Verschweigen, ein anderes: Verheimlichung und Geheimhaltung) Außerdem: Lydia, Baums Assistentin und ehemalige Geliebte, und, ganz zum Schluss, Ute-Maries Verlobter, Andreas, genannt Vinze. Hier die Personen im Überblick, soweit sie selbst auftreten oder Erwähnung finden:

Augustus Baum, Theaterregisseur
Dr. Gerda Baum, geborene Schlatt
Daniel, Sohn der beiden

Ute-Marie Wiese, Krankenschwester
Andreas Vinzenz Breitenmüller, genannt Vinze, Ute-Maries Verlobter
Pfleger Robert
Professor Overath, Chefarzt

Lydia, Regieassistentin und Baums ehemalige Geliebte
Max Stallhofer, Schauspieler
Corinna, Schauspielerin

Hans Georg, Freund Baums und mittlerweile Dozent in den Vereinigten Staaten
Ursula, seine Ex-Ehefrau
Bertie, sein Ex-Liebhaber

Ähnlich wie im Stück von Tschechow geht es auch hier um die Liebe als unheilbaren Zustand. Bühnenreif wird geseufzt, es entspinnt sich ein Gesäusel und Geraune bis hin zu Baums „Immunschwäche der Seele“. Ich nenne das gern auch Liebesgesülze:

„Ich bin nicht mehr der, der ich vor dir war. Ich bin nur noch der, der ich durch dich bin. Und sein werde.“ – „Du hast mich reich gemacht. Ich bin jetzt ein Fluss, der über die Ufer tritt und Wüsten zum Blühen bringt.“ – „Vor dir war nichts. Nach dir wird nichts sein. Du bis alles, was sein kann.“ (alles auf S. 39)

Das mag peinlich klingen für den Zuhörer (oder Leser). Frau Dr. Gerda Baum, die Psychologin, sieht es eher ‚sach-, gar fachbezogen’. Fachgerecht verkürzt sie dabei den Geschlechtsverkehr auf ein Kürzel:

„Wahrscheinlich gilt Liebe als die alles erklärende und entschuldigende Ursache. Bekannt genug ist, dass GV ohne Liebe stattfinden kann. Statistisch gesehen wahrscheinlich viel häufiger ohne als mit oder durch Liebe stattfindet. Aber ebenso sicher: Liebe kann durch GV entstehen. Und noch sicherer: Was zum GV führt, ist in der Regel nicht Liebe. Liebe kann eine Folge des GV sein. Kann! Was zum GV führt, ist bekannt. Warum aber dann Liebe? Man muss jemanden, mit dem man Tennis spielt, nicht lieben. Und kann doch leidenschaftlich gern mit ihm Tennis spielen. Die Sprache, die der GV produziert, ist nicht die Sprache der Liebe. Sondern? Sondern, sagen wir einmal, die des Konsums. Also der Leistung. …“ (S. 50)

Usw. – Der Monolog endet wie folgt und wendet sich an Augustus Baum direkt:

„Auch du bis persönlich an nichts so wenig beteiligt wie am GV. Du bist beim GV nichts als der Funktionär des Geschlechts. Ich kenne die Hilfskonstruktionen, mit denen man vor sich selbst verbergen will, dass die uns am meisten beschäftigende Handlung auch die unpersönlichste ist. Das Un-Ganzsein der Individualität. Das Charisma der Agape. Oder wie Plato erzählt: Zuerst ein Doppelgesicht, dann entzweigeschnitten, dann sehnen sich die Teile zu einander, sind voller Begierde, wieder zusammenzuwachsen. Tausend solche Märchen, […] um die GV-Realität zu verklären. Die Nivellierung bis zur Unterschiedslosigkeit, die außerhalb des GVs durch alles Erdenkliche verborgen, verheimlicht, verleugnet wird. Der GV ist also ein Geschehen, dem wir unter keinen Umständen als eben unter denen des GVs entsprechen wollen und können. Die Natur will das so, die will das immer noch so. Die ganze Kultur nichts als ein Überbau, um zu verbergen, was uns das Wichtigste ist. Nämlich: keine Persönlichkeit XY zu sein, sondern ein GV-Partner, der es bringt, eine GV-Partnerin, die es bringt.“ (S. 52.)

Aber genug der wissenschaftlichen Betrachtung. Am Ende laufen Augustus Baum nicht nur die Schauspieler für die Tschechow-Inszenierung davon, sondern auch die in dem Stück, in dem Baum die Hauptrolle spielt. Schlimmer noch, die Frauen als die Vernünftigen übernehmen die Regie. In einem Monolog klagt er gegen Ute-Marie und seine Frau Gerda vor dem „Gerichtshof der Liebe. Erster und einziger Anklagepunkt: Herrschsucht.“ (S. 167)

„Die Inszenierung“ [hat] kein Happy End. Alle Paare sind verloren, die Ehen kaputt. So lässt Walser auch noch die Beziehung von Ute und Vinze scheitern. Alle sind einsam. Die Verschwörung der Vernünftigen macht keinen glücklich. Darum bleibt Augustus das letzte Wort: Badenweiler. Da, wo Tschechow gestorben ist.

Für einen Walser-Einsteiger würde ich diese kleine Büchlein nicht gerade empfehlen. Es wird viel gesprochen und nur sehr wenig gehandelt (und Tschechows Stück sollte man möglichst auch kennen). Ja, es ist eigentlich ein Bühnenstück, nur in einem Roman verpackt. Für Einsteiger eignen sich andere Walser-Romane besser. Was mich erstaunt ist, dass Walser selbst im hohen Alter immer noch etwas Neues zum alten Thema der Liebe einfällt. Sogar der Form nach. Sicherlich ist dieser Roman wie überhaupt seine letzten etwas abgehoben und dürfte in gewissen Kreisen eher Spott als Anerkennung erzeugen. Aber ich liebe diesen alten Mann vom Bodensee. Und ich freue mich, immer noch, wenn auch nur weniges Ungelesene von ihm im Bücherregal stehen zu haben.

Zum Roman siehe auch folgende aufschlussreichen und ergänzenden Rezensionen:

zeit.de: Die Immunschwäche der Seele – Das Krankenzimmer als Weltbühne: Martin Walsers Roman „Die Inszenierung“ tanzt in Dialogen um die Liebe als unheilbaren Zustand.

faz.net: Niemals schien der Graben zwischen Männern und Frauen tiefer

Siehe und höre auch: ndr.de: Martin Walser liest aus „Die Inszenierung“.

Klaus Höppner, ein Orient-Romantiker

In jungen Jahren habe ich wie viele andere Jungen Karl May gelesen. Und wie schon geschrieben, interessierten mich die Orient-Abenteuer mehr als die Abenteuer von Winnetou und Co. im Wilden Westen.

Wüsten, besonders Sandwüsten, üben eine ungewöhnliche Faszination aus. Wer zur Abendstunde, wenn die Sonne untergeht, über eine Sanddüne wandert, erlebt einen Wechsel der Farben, wie man diesen sonst nirgendwo erlebt. Strahlt der rote Sand zunächst noch im knalligstem Rot, so wechselt dieser urplötzlich in einen grau-roten Farbton, so als stürbe die Wüste. So schrieb ich einmal, um zu begründen, warum ich die Wüste zu meinen Lieblingsplätzen zähle.

In der Wochenendausgabe unseres Wochenblattes Nordheide erschien nun ein Bericht über Klaus Höppner, der „auf seinen ausgedehnten Reisen nach Afrika und Asien … insgesamt 7.000 Kilometer … während verschiedener Reisen in den Jahren 1976 bis 1987 meist auf dem Kamelrücken zurückgelegt [hat]. Er durchquerte die Thar-Wüste in Indien und die Nubische Wüste in Ägypten, begleitete die Salzkarawanen der Tuareg im Niger, trieb Kamele vom Sudan nach Ägypten und fuhr in Mali mit einer Piroge auf dem Niger bis Timbuktu.“

Schon als Kind habe ihn diese fremde Welt fasziniert. Das kann ich also sehr gut nachempfinden. Und es ist bereits viele Jahr her, meine Söhne waren noch klein, da zeigte uns Klaus an einem längeren Nachmittag einen kleinen Teil seiner Bilder (Dias) von seinen Reisen. Er hat dabei ein seltenes Talent die endlos vielen Geschichten und Anekdoten auf spannende und plastische Weise zu erzählen.

Von einer dieser Reisen mit einer Kamelkarawane durch den Sudan hat er auch vor langer Zeit ein Buch veröffentlicht: Cowboys der Wüste. Im Klappentext dazu heißt es: Wie die Cowboys im Wilden Westen treiben die Kameltreiber ihre Kamelkarawane quer durch den Sudan nach Ägypten. Klaus Höppner war einer von ihnen.Während des 1000 km langen Rittes lernte er Hitze und Kälte, Hunger und Krankheit kennen und überlebte nur, weil er sich den Bedingungen der Karawane total unterwarf. Sein fesselnder Bericht vermittelt einen lebendigen Eindruck von Land und Leuten und beweist, daß Reisen auch heute noch ein Abenteuer sein kann.

    Klaus Höppner: Cowboys der Wüste

So ganz glücklich ist Klaus Höppner nicht mit dem Bericht in der Zeitung. Zum einen sind es nicht Hunderte von Dias, die er auf seinen Reisen zwischen 1976 bis 1987 gemacht hat, sondern über 15 Tausend. Zum anderen hatte er neben dem im Bericht Erwähnten von zwei Reisen erzählt, die ihn besonders beeindruckt hatten. Davon leider kein Wort.

7.000 Kilometer durch die Wüste: Unterwegs mit der Salzkarawane im Niger © Klaus Höppner
Unterwegs mit der Salzkarawane im Niger © Klaus Höppner

Klaus Höppner ist nun dabei, diese vielen Dias zu sichten und zu Fotobüchern zu seinem ‚eigenen Vergnügen’ zusammenzustellen. Geplant sind 24 Bücher; sieben davon, beginnend mit den besonders außergewöhnlichsten Reisen, sind bereits fertig. Es ist eine mühevolle Arbeit. Viele Dias müssen vom Staub gefreit und dann am Computer nach dem Scannen aufarbeitet werden. Leider haben die Dias im Laufe der Jahre auch farblich gelitten und sind blaustichig geworden. Während der Reisen hat er natürlich Tagebuch geschrieben. Abends am Lagerfeuer schrieb er, das Büchlein auf den Knien gelehnt, seine Erlebnisse des Tages nieder, manchmal nur Stichworte, denn viel Zeit blieb ihm nicht zum Schreiben. Nach den vielen Jahren ist es heute ein besonderes Problem, das damals Niedergeschriebene wieder zu entziffern.

Klaus Höppner ist ein eher stiller Typ. Aber wenn er auf seine Reisen zu sprechen kommt, dann blüht er auf und erzählt mit einer Lebendigkeit, als wäre das Geschehene erst vor kurzer Zeit passiert. Es muss ein kaum zu beschreibendes Gefühl sein, wenn in einem die für einen Europäer ungewöhnlichen Erlebnisse wieder wach werden. Wer einmal die Wüste ‚erlebt’ hat, den lässt sie das weitere Leben nicht mehr los.

Willkommen im Club der alten Schachteln

Astrid, die Freundin meiner Frau, feiert heute ihren 50. Geburtstag (gestern vollendete sie ihr 50. Lebensjahr). Da sie diesen u.a. mit uns „in einer besonderen Andacht begehen“ möchte und uns zu ihrer „Gedenkfeier“ eingeladen hat, haben ihr meine Frau und einige anderen Damen einen kleinen Geburtstagskranz geflochten – ganz dem Anlass gemäß! Dazu können wir alle nur sagen:

Liebe Astrid: Willkommen im Club der alten Schachteln!

    Geburtstagskranz zum 50. Geburtstag von Astrid

(Ja, man wird eben nicht jünger, nur reifer … wie herbstliches Obst 😉 )

Die Bürokratie, sie lebe hoch

Es stimmt schon: Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare! Formulare! Es ist immer wieder ein Graus, wenn die Einkommensteuererklärung oder der Fragebogen der Krankenkasse ‚fällig’ wird. Man könnte sich in der Zeit mit Sinnvollerem beschäftigen. Immerhin geht es um das Geld im eigenen Portemonnaie.

Dann gibt es allerdings auch Dinge, die vielleicht in Schilda geschehen konnten, bei uns aber nicht geschehen sollten. Es geht um einen Fall von Kindergeld, das von den Familienkassen bei der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt wird und das man als Elternteil mindestens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres eines Kindes bekommt.

Positiv ist es natürlich, wenn die Familienkasse von sich aus anfragt, ob weiterhin ein Kindergeldanspruch besteht, z.B. wenn das 18-jährige Kind sich noch in schulischer Ausbildung befindet. Da füllt man gern ein Formular aus.

Wenn denn das Kind aber eine Erstausbildung beendet hat, um dann vielleicht eine Berufstätigkeit aufzunehmen, dann weiß ‚jedes Kind’: Der Kindergeldanspruch ist erloschen. Nun bin ich vielleicht manchmal ein überkorrekter Mensch. Da mein älterer Sohn in dieser Woche mit der mündlichen Prüfung seine Ausbildung beendet hat und, da er keinen Studienplatz zum Wintersemester bekommt, eine ‚Erwerbstätigkeit’ aufnimmt (er hat das heute seltene Glück, gleich nach der Ausbildung in seinem Beruf einen interessanten Job zu finden), habe ich ‚von mir aus’ versucht, der Familienkasse dieses mitzuteilen. So habe ich online ein entsprechendes Formular ausgefüllt – und kam dabei bereits ins Staunen: Das Formular konnte ich nicht online verschicken, sondern hätte es ausdrucken und dann per Post versenden müssen. Außerdem wollte die Familienkasse eine Kopie des Arbeitsvertrages. Warum eigentlich? Glaubt man, ich wolle ‚freiwillig’ auf meinen Kindergeldanspruch verzichten?

Um mir das Porto zu sparen, versuchte ich die Formalien per Fax zu versenden. Fehlanzeige! Die Faxnummer der für mich und meinen Sohn zuständigen Stelle, so wie sie auf der Website steht, stimmte nicht. So schrieb ich (ohne Formulare, da mein Sohn bisher weder ein Abschlusszeugnis noch einen unterschriebenen Arbeitsvertrag vorweisen konnte) formlos per Mail.

    Familienkasse Niedersachsen - Bremen

Als Antwort erhielt ich per Post die Aufforderung, eine „Erklärung zu einer abgeschlossenen Erstausbildung und Erwerbstätigkeit“ für meinen Sohn auszufüllen. Diesmal wollte man ‚nur’ einen Nachweis, „dass die Schulausbildung beendet ist.“

Und so stand weiterhin in dem Schreiben: „… über Ihren Anspruch auf Kindergeld kann noch nicht bzw. noch nicht endgültig entschieden werden …“. Und am Schluss mit einer Fristsetzung: „Sollten Sie … nicht antworten …., muss die Festsetzung des Kindesgeldes aufgehoben werden.“

Oh, meine Herren und Damen von der Familienkasse, eigentlich will ich als pflichtbewusster Staatsbürger nichts ANDERES, als dass „die Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben wird“. Zumindest für den älteren meiner beiden Söhne. Also brauche ich nicht zu antworten? Insgesamt fürchte ich, dass die Damen und Herren jetzt vielleicht auch das Kindergeld für meinen jüngeren Sohn ‚streichen’, wenn ich nicht antworte. Für den habe ich nämlich noch einen Kindergeldanspruch.

Ry Cooder and Corridos Famosos – live in San Francisco 2011

Zu Ry Cooder habe ich hier schon vieles geschrieben. Er ist für mich die musikalische Verkörperung eines besseren Amerika. Wie er heute über Obama, den er letztes Jahr mit seinem Album Election Special indirekt im Wahlkampf unterstützt hatte, denkt, weiß ich nicht. Er dürfte ähnlich enttäuscht sein wie viele hier bei uns. Aber wir haben ja auch erst eine Wahl hinter uns und harren jetzt der Dinge, die da auf uns zukommen werden (es stinkt nach großer Koalition, was wohl das Beste wäre). Genug …

Ry Cooder, inzwischen auch schon 66 Jahre alt, ist immer noch nicht der Typ, der sich zurücklehnt. Und sollte es dann doch einmal etwas ‚Luft’ geben, dann füllt er diese auf andere Weise. Da hat er also vor gut zwei Jahren am 31. August und 1. September 2011 zwei Konzerte in der ehrwürdigen Great American Music Hall in San Francisco gegeben und sich nun entschlossen, einen Zusammenschnitt als seine bisher erst zweite offizielle Live-CD auf den Markt zu bringen: Ry Cooder & Corridos Famosos live – und gottlob ist es nicht einfach ein Zusammenschnitt, sondern es „ist ein Konzertalbum alter Schule: Kleine Unsauberkeiten werden nicht im Mix versteckt, Beifall und Zwischenansage sind in voller Länge zu hören. Das klingt als säße man zuhause auf dem Sofa nur ein paar Meter vor der Bühne – und das bei einem der schönsten Konzerte, das Ry Cooder je gegeben hat.“ (Quelle: br.de)


Größere Kartenansicht
Great American Music Hall – San Francisco, O’Farrell Street

Corridos Famosos hat Ry Cooder seine Begleitband für dieses Live-Projekt genannt, was man in etwa mit ‚berühmte Asylanten’ (Flüchtlinge) übersetzen könnte, aber auch mit ‚bekannte Romanzen bzw. Moritaten’ (siehe das Lied „El Corrido de Jesse James“). Corridos sind ein „musikalisches Genre, das vor allem in der mexikanischen Mestizenkultur weit verbreitet ist. Es hat seine Ursprünge in den spanischen Romanzen des 15. Jahrhunderts.“ Das erste kann man als deutlichen Seitenhieb auf die Flüchtlingsproblematik der USA an der mexikanischen Grenze deuten und ist damit auch an Obama gerichtet (wenn der jetzt noch seine Gesundheitsreform ‚in die Tonne tritt’, dann ist er fast soweit wie bei seinem Amtsantritt vor nun fast fünf Jahren, nur das er jetzt auch noch Syrien ‚an der Backe’ hat; wofür hat der noch einmal den Friedensnobelpreis bekommen?).

    Ry Cooder and Corridos Famosos – live in San Francisco 2011

„Neben alten Weggefährten zählen zu Cooders Begleitband auch sein Sohn Joachim am Schlagzeug, der Bassist Robert Francis und die 11-köpfige Blaskapelle La Banda Juvenil, die zwischendurch immer mal wieder mächtig Gas gibt, etwa in dem zweisprachig gesungenen Walzer ‚El Corrido de Jesse James’“. (Quelle nochmals: br.de) Und das halbe Familienkonzert wird durch Juliette Commagere vervollständig, Ehefrau von Joachim Cooder (hier auch seine Facebook-Seite) und damit Schwiegertochter von Ry.

Hier die gesamte Mannschaft der Konzerte im Überblick:

Ry Cooder / Guitar. Mandola, Vocal
Joachim Cooder / Drums
Robert Francis / Bass

Flaco Jimenez / Accordion
Terry Evans / Vocal auf „Dark End of the Street“, Chorus
Arnold Mcculler / Vocal auf „Dark End of the Street“, Chorus
Arturo Gallardo / Alto Sax, Baritone Sax, Clarinet
Juliette Commagere / Vocal auf „Volver Volver” (auf Spanisch)

& die mexikanische ‘Blaskapelle’ La Banda Juvenil

Hier dann auch gleich die Playlist des Live-Albums:

1. „Crazy ‚Bout an Automobile (Every Woman I Know)“
2. „Why Don’t You Try Me“
3. „Boomer’s Story“
4. „Lord Tell Me Why“
5. „Do Re Mi“
6. „School Is Out“
7. „Dark End of the Street“
8. „El Corrido de Jesse James“
9. „Wooly Bully“
10. „Volver Volver“
11. „Vigilante Man“
12. „Goodnight Irene“

Zunächst eine Aufnahme, die nicht auf der Scheibe erschienen ist, aber doch bei den beiden Konzerten aufgezeichnet wurde:


Ry Cooder and Corridos Famosos: No Banker Left Behind

Nach „Crazy ‚Bout an Automobile“ am Anfang, einem alten Haudegenstück, das wie all die anderen Lieder gewissermaßen mit Ry Cooder ‚verwachsen’ ist, hören wir:


Ry Cooder and Corridos Famosos: Why Don’t You Try Me

So sehr mir die Scheibe gefällt, so vermisse ich doch (ich bin nun einmal ein visueller Typ) die laufenden Bilder. Auch wenn diese reichlich verwackelt sind (eigentlich hasse ich diese verquasten Handyaufnahmen), so ist es dann doch besser als nichts – zu „Why Don’t You Try Me“ also ein Video mit laufenden Bilder (die Bläser sind stark!).

Auch „The Dark End of the Street“ haben wir oft schon gehört. Terry Evans und Arnold Mcculler geben hier aber wieder einmal ihr Bestes bei dieser langsamen Soul-Nummer:


Ry Cooder and Corridos Famosos: The Dark End of the Street

Und hier geht nun wirklich die Post ab. Manch einer wird da an Bayernzeltstimmung denken. Ich bitte doch sehr. Natürlich fließt hier einiges zusammen, was man All American Roots Music – also eine Art amerikanische Volksmusik des 20. Jahrhunderts – nennen könnte. Warum sollte da keine ausgelassene Stimmung aufkommen?


Ry Cooder and Corridos Famosos: El Corrido de Jesse James

Und da es gerade fetzt, folgt der alter Rock and Roll-Standard „Wooly Bully“, bei dem ich die Bläser einfach ‚geil’ finde. Hier wieder mit zwar verwackelten laufenden Bildern, aber immerhin laufen die Bilder:


Ry Cooder and Corridos Famosos: Wolly Bully

Ry Cooder ohne ein Lied von Woody Guthrie wäre wie eine Suppe ohne Salz. Dessen „Vigilante Man” ist längst Teil von Ry Cooders Musikerbiographie geworden. Hier interpretiert Cooder das Lied ganz sacht, zupft mal hier, mal dort eine Saite an. Das Gitarrensolo, wenn man es noch so nennen kann, wird so zur „Gospelpredigt“.

Und er interpretiert diese Songs nicht nur, er lebt sie gewissermaßen, sie sind inzwischen Teil seiner Musikerbiographie. Da kann – wie bei Woody Guthries „Vigilante Man“ – ein Gitarrensolo auch mal zur Gospelpredigt werden.


Ry Cooder and Corridos Famosos: Vigilante Man

Das Konzert (und damit dieses Live-Album) endet mit dem schon fast obligatorischen „Goodnight Irene“. Zwei stimmungsvolle Konzerte finden ihren Abschluss. Man mag von Ry Cooder halten, was man will. Für mich ist er der Hüter US-amerikanischer Musiktradition. Er weiß dabei, dass sich diese Tradition multikulturell entwickelt hat. So bilden Folk und Rock ’n‘ Roll, Soul, Blues, Tex Mex und ich weiß nicht, was sonst noch, die Wurzeln dieser Musik, die wesentlich auch unsere heutige Musik prägen. Ich mag den Mann mit der heiseren, etwas kaputten Stimme und ich mag sein Gitarrenspiel. Ich wäre gern bei einem der beiden Konzerte dabei gewesen.

Ach ja, noch eins: Ich finde es immer toll, wenn die Künstler selbst (oder wie hier die Plattenfirma) ein Video eines ihrer Lieder bei Youtube einstellen und die Dumpfbacken bei der GEMA das dann für Deutschland sperren: Ry Cooder & Corridos Famosos – Lord Tell Me Why (Live)

Faltenwurf

Mit Stoffen habe ich eigentlich nichts am Hut. Ich trage noch nicht einmal eine Mütze. Dafür verarbeitet meine Frau mit Nadel und Faden so manchen Stoff zu Tragbarem. Und selbst mein älterer Sohn greift zu Schere, Nähmaschine und Stoffen, um seine Stofftierkreationen zu erschaffen. Er hat extra mehrere Nähkurse besucht und sich u.a. auch schon einmal eine Hose selbst gefertigt.

Als unsere beiden Söhne noch klein waren, hat meine Frau oft genug Kleidungsstücke für die beiden Stöpke genäht (ich muss einmal in alten Fotoalben stöbern, um einmal eine ‚Mustersammlung’ vorstellen zu können). Und manches ausrangierte Hemd wurde umgenäht, um es etwas artfremd z.B. als Nachthemd wieder aufleben zu lassen.

So gehört ein Besuch in der Stoffe-Abteilung eines Kaufhauses durchaus auch zu meinem Alltag. In Hamburg ist es wohl das Alsterhaus, das mit einer größeren Auswahl dienen kann. Aber es gibt auch einen Groß- und Einzelhandel in Hamburg-Hamm mit einer geradezu gigantischen Auswahl an Stoffen: mahler.stoffe.

Faltenwurf bei mahler.stoffe

„Wir laden Sie herzlich ein zu einem Besuch unseres Stoffgroß- und Einzelhandels.
In unserem 400qm großen Verkaufsraum finden Sie alle Stoffarten, vom günstigen Deko-Stoff bis zum hochwertigsten Seidenbrokat…“

Ich will hier eigentlich keine Werbung machen. Aber es gibt nun einmal ganz besondere Geschäfte, die nur der Eingeweihte kennt und die es verdienen, dass man sie an Interessierte weiterempfiehlt.

Mir persönlich gefällt übrigens die Website der Firma. Eigentlich nichts Großes: Via Flash-Video werden hier Stoffe im ‚Faltenwurf’ dem werten Betrachter zugeworfen. Und dank eines kleinen Videofilms kann man einen ersten Eindruck von der großen Auswahl des Geschäfts gewinnen.

Joan Armatrading: Sleight of Hand (1986)

Ein Jahr nach ihrem Album Secret Secrets (1985) erschien 1986 Sleight of Hand, das zehnte Studioalbum von Joan Armatrading.

Sleight of Hand war die erste Scheibe, die in ihrem eigenen, den Bumpkin Studios, einem Studio mit einem 24-Spur-Aufnahmegerät, aufgenommen wurde – und die sie nicht nur selbst komponierte, sondern auch produzierte. Lediglich das Abmischen der Tracks überließ sie dann Steve Lillywhite, dem Produzenten ihrer Alben Walk Under Ladders und The Key. Wie schon zuvor, so gab es auch jetzt wieder einigen Ärger mit ihrer Plattenfirma A & M Records, denen das Album nicht kommerziell genug erschien. Am Ende erreichte es aber Platz 34 der UK Album Charts und Platz 70 in den USA.

    Joan Armatrading: Sleight of Hand (1986)

Trackliste des Albums:
(alle Lieder wurden von Joan Armatrading komponiert, arrangiert und produziert)

1. “ Kind Words (And A Real Good Heart)“ – 3:46
2. „Killing Time“ – 3:54
3. „Reach Out“ – 4:15
4. „Angel Man“ – 3:41
5. „Laurel and the Rose“ – 3:46
6. „One More Chance“ – 5:14
7. „Russian Roulette“ – 4:33
8. „Jesse“ – 3:26
9. „Figure of Speech“ – 3:25
10. „Don Juan“ – 5:14

Auch dieses Album ist in meinen Augen (und Ohren) reichlich ‚überproduziert’. Weniger wäre mehr. Oft nervt ein eintöniger, zu sehr im Vordergrund stehender Bass. Und die Keyboards sind mir besonders in den ersten Stücken zu schrill. Aber das ist sicherlich Geschmackssache – und auch in diesem Fall der damaligen Zeit geschuldet.

Das Album beginnt mit einem eigentlich ganz guten Stück, das aber für mich zu disco-mäßig vorgetragen wird. Es erschien auch als Single und erreichte Platz 81 in den UK Singles Chart bzw. sogar Platz 37 in den US Billboard Mainstream Rock Chart:


Joan Armatrading – Kind Words (And A Real Good Heart)

„Killing Time“ nervt mich auch ziemlich durch das Keybord-Gedröhne und einen Bass aus der ‚Retorte’:


Joan Armatrading – Killing Time

„Reach Out“ wurde ebenfalls als Single veröffentlicht. Das Lied verweist nach Aussage von Joan Armatrading auf die Motown-Hitsingle „Reach Out I’ll Be There“ der Four Tops aus dem Jahr 1967. Das Lied von Joan swingt durch das knackige Gitarrenspiel und einem schönen Saxophon-Solo. Hier eine sehr seltene Aufnahme, die anlässlich einer Rock Gala zugunsten des The Prince’s Trust von Prinz Charles 1986 aufgenommen wurde, bei der 1982 bereits Jethro Tull aufgetreten war (mehr dazu in meinem Beitrag Illustre musikalische Gesellschaft). Hier präsentiert sich Joan u.a. mit Rockgrößen wie Eric Clapton, Mark Knopfler, Elton John und Phil Collins. Das ganze Konzert gibt es in leider minderer Qualität bei Youtube zu sehen und zu hören:


Joan Armatrading: Reach Out (1986)

Die Idee zum vierte Lied „Angelman“ kam ihr durch ein Drehbuch, das Joan zugesandt wurde und durch die Tatsache, dass ihr jüngerer Bruder, der Schauspieler Tony, in der TV-Serie „Angels“ mitspielte (Tony ist auch in einer Nebenrole als Security-Mann in dem Spielfilm Notting Hill zu sehen). Ich finde das Lied etwas sehr theatralisch. Es klingt mir irgendwie sehr nach Jennifer Rush und ist eine Mischung aus Disco und New Wave. Auch hier stört mich der etwas ‚stumpfe’ Bass.

    Tony Armatrading (geboren 1961), Schauspieler, Bruder von Joan

Es folgt ein langsames Stück: „Laurel and the Rose“, das ganz okay ist. Hörenswert ist der kurze Mundharmonika-Part (gespielt von Joan). Äußerst dramatisch geht es dann weiter mit „One More Chance“, das mich im mittleren Teil an den Obertongesang eines Michael Jackson oder gar Prince erinnert. Hörenswert sind hier auf jeden Fall das Saxophonsolo in der Mitte und das Gitarrensolo am Ende des Liedes.

Bei „Russian Roulette“ passt der Bass. Auch das Schlagzeug klingt, wie es nach meinem Geschmack sein soll: Ein hörenswert rockiges Stück. Und die gesanglichen ‚Triller’ erinnern mich etwas an Nina Hagen.

„Jesse“ ist ein langsames Stück mit Chor-Geträller, nichts wirklich Aufregendes. Joan Armatrading mochte das Lied wohl nicht besonders. Es erschien ebenfalls als Single mit „The River’s on Fire“ auf der B-Seite, ein Lied das nicht auf diesem Album erschien (und das ich bis heute noch nicht gehört habe).


Joan Armatrading – Jesse (You can do magic)

In „Figure of Speech” wird der Walgesang nachempfunden. Auch dieses Lied hat ein wenig zuviel Dramatik, kommt dabei aber nicht so richtig in die Gänge.

Und wieder ist auch auf diesem Album das letzte Lied ein langsames: „Don Juan“. So ganz war wohl selbst Joan Armatrading mit diesem Album nicht zufrieden. Dieses letzte Lied war dann auch ihr Lieblingslied von dieser Scheibe, wohl weil es romantisch, ein schönes,
sentimentales Liebeslied ist („romantic … a nice, soppy love song … and I like that“). Ja, etwas schnulzig ist es schon …

Mit “Sleight of Hand” endet für mich Joan Armatradings zweite musikalische Schaffensphase (zu der Übersicht der vier ‚Perioden’ siehe meinen Beitrag Joan Armatrading: If Women Ruled The World), die mit Me Myself I im Jahr 1980 begann, also im Wesentlichen die 80-er Jahre umfasste. Joan hatte mit A & M Records eine Plattenfirma gefunden, die sicherlich ihr Können früh erkannte, die aber auch auf kommerziellen Erfolg aus war. So waren Konflikte vorprogrammiert. Ohne Zweifel erzielte Joan Armatrading Erfolge mit ihren Alben und Singles in dieser Zeit. Aber der ganz große Durchbruch blieb aus. Dafür war und ist sie musikalisch einfach zu individuell, um im Mainstream mitschwimmen zu wollen.

Die 80-er Jahre waren geprägt vom Stil des New Wave, der zwischen Synthie-Pop- und Electro-Wave einerseits und der New-Romantic-Bewegung andererseits hin- und herschwappte. Analog entwickelte sich in Deutschland in dieser Zeit die Neue Deutsche Welle. Um Erfolg zu haben, musste man also auf dieser ‚Welle’ mitschwimmen. Jethro Tull und voran ihr Masterhead Ian Anderson beschäftigte sich zu dieser Zeit auch mit Elektronik, siehe hierzu z.B. Andersons Soloalbum Walk into Light (1983). Und irgendwie war es geradezu zwangsläufig, dass sich auch Joan Armatrading dem Zeitgeist ergab.

Ich muss gestehen, dass die 80-er Jahre an mir mehr oder weniger vorbeigerauscht sind. Es gab für mich nichts Neues zu entdecken. Punk und New Wave ließen sich zwar hören, interessierte mich aber nicht weiter. Außerdem hatte ich anderes genug um die Ohren (sic!). Ich kaufte mir fast schon aus reiner Gewohnheit die Platten meiner Lieblinge (dazu gehörte nun einmal neben Jethro Tull auch Joan Armatrading), hörte in die Scheiben hinein, um sie bald wieder wegzulegen. Erst viel später (und jetzt wieder in den letzten Wochen) habe ich mich ausführlicher mit der damaligen Musik beschäftigt. Weggelegt habe ich die Platten damals, weil sie mich enttäuschten. Und diese Enttäuschung ist nicht gewichen.

Joan Armatradings zweite musikalische Schaffensphase ist für mich bis heute also enttäuschend. Mit Beginn der 80-er Jahre verlor sie zum großen Teil ihre Ursprünglichkeit. Natürlich blieb immer noch ein ‚Rest’. Immer noch gab es zwei, drei Lieder, die weniger dem Zeitgeist als ihrer ureigenen Kreativität geschuldet waren. So kann man die fünf Alben der 2. Phase auf maximal zwei Scheiben reduzieren und hat dann noch etwas übrig, was sich dann mit dem 11. Album gottlob fortsetzte: Die Rückkehr zu ihren Wurzeln. Aber dazu später mehr. Ich habe in den letzten Wochen, gar Monaten genügend Joan Armatrading gehört. All die Scheiben mehrmals und immer wieder. Jetzt wird es Zeit, einmal etwas anderem zu lauschen. Nein, Jethro Tull wird das bestimmt NICHT sein.

Verzockt, Frau Merkel?

Frau Merkel ist promovierte Physikerin. Sie kann also rechnen. Als die FDP nach dem Wahldebakel in Bayern zur Bundestagswahl wieder auf Zweitstimmenfang ging, hielt Frau Merkel dagegen: Keine Zweitstimme von CDU/CSU! Sie brauchte sich nur die Zahlen zur Bundestagswahl 2009 anzuschauen, um festzustellen, dass bis zu 80 % der Wählerstimmen für die FDP Leihstimmen der Union waren. Bei Prognosen von 40 % plus und Rückgewinn fast aller FDP-Leihstimmen (bei gleichzeitigem Scheitern der Liberalen an der 5 %-Klausel), so errechnete Frau Merkel, ist sogar eine absolute Mehrheit für sie drin.

Frau Merkel trinkt auf ihren Wahlsieg 2013

Bedenkt man nun, dass rund die Hälfte der 4,8 %, die die FDP gestern erzielte, immerhin auch noch auf Leihstimmen von der CDU/CSU zurückzuführen ist, dann sieht man, wie knapp Frau Merkel, die zeitweise den Hochrechnungen zufolge die absolute Mehrheit vor Augen hatte, diese mit erzielten 41,5 % verpasst hat.

Nun der britische Premierminister David Cameron gratulierte inzwischen Frau Merkel zum Sieg und twitterte: „Ich freue mich darauf, weiterhin eng mit ihr zusammenzuarbeiten“. Herr Cameron hat dabei übersehen, dass Rot-Rot-Grün (SPD, Die Linke und die Grünen) zusammen eine Mehrheit von 319 zu 311 Bundestagsmandaten haben und Frau Merkel als Bundeskanzlerin abwählen könnten. Denn die ansonsten möglichen Koalitionen, Schwarz-Grün oder große Koalition, sind noch lange nicht zustande gekommen. Steinbrück hat vor der Wahl ganz klar gesagt, dass er für eine große Koalition nicht zur Verfügung steht. Und die Positionen zwischen Union und Grünen sind geradezu diametral entgegengesetzt. Okay, die SPD will auch nicht mit der Linken, aber irgendwelche Mehrheiten müssen sich nun einmal finden.

Noch ein kleines Rechenbeispiel am Rande (wenn wir schon beim Rechnen sind): Die CDU/CSU hat zusammen tatsächlich die „Partei“ der Nichtwähler (28,5 %) überholt. Die Wahlbeteiligung lag gestern bei 71,5 %, also leider nur geringfügig höher als beim Rekordtief 2009 (70,8 %). Rechnet man noch die ungültigen Stimmen mit ein (bei den Zweitstimmen 1,3 %), dann komme ich für CDU/CSU auf 29,3 % der gesamten Wahlberechtigen. Also nicht einmal jeder dritte Wahlberechtigte hat wirklich Frau Merkel gewählt.

Ich finde, man kann die Nichtwähler nicht einfach ignorieren. Rein symbolisch könnte man ihnen ihrem Anteil entsprechend „freie“ Plätze im Plenarsaal des Bundestages einrichten (dazu wäre dieser aber dann doch zu klein – da schon mit Symbolik: mindestens EIN leerer Platz wäre auch nicht schlecht). Möglich wäre die Einführung einer Wahlpflicht. Wer nicht wählen geht, zahlt ein Bußgeld. Insgesamt hätten wir dann sicherlich einen sehr hohen Anteil an ungültigen Stimmen, was auch keiner will.

Zu den Neo-Liberalen: Es ist ohne Zweifel eine historische Zäsur, die die FDP mit diesem Wahlergebnis erlebt. Die Partei ist bereits aus vielen Länderparlamenten geflogen und hat dann auch den einen oder anderen Wiedereinzug geschafft. Seit Bestehen des Bundesrepublik war sie aber bisher immer Mitglied des Bundestages. Nun ist es auch damit vorbei. Zuletzt hing die Partei nur noch am Tropf der Union (siehe oben: Leihstimmen). Jetzt ist damit Schluss. In gewisser Hinsicht hat Frau Merkel mit ihrer Zweitstimmenleihverweigerung den Neo-Liberalen den Todesstoß verpasst. Aber natürlich sind es in erster Linie Rösler, Brüderle und Westerwelle, die ihre eigentliche Klientel, die kleinen und mittelständigen Unternehmer, zugunsten des Großkapitals verraten haben und die dafür endlich die Rechnung kassiert haben. Ob sich die FDP wieder erholt, wird sich zeigen. Ein Neuanfang mit anderen Gesichtern ist aber unumgänglich. Hinzu kommt natürlich, dass die Partei der Euro-Kritiker AfD unterschätzt wurde. Ich kann mich dabei des Eindrucks nicht erwehren, dass die AfD in den Prognosen vor der Wahl bewusst niedrig gerechnet wurde.

Auch die Grünen haben nach einem verkorksten Wahlkampf zurecht Federn lassen müssen. Zwei ein halb Jahre nach Fukushima ist das Wahlergebnis von 8,4 % ziemlich kläglich. Schuld trägt sicherlich die unnötige Steuerdebatte, die die Grünen zu führen meinten. Und Ausschlag gaben wohl dann auch die unseligen Pädophilie-Vorwürfe aus der Vergangenheit gegen Trittin und Co., Vorwürfe die nach meiner Meinung bewusst lanciert wurden. Inzwischen hat Trittin genügend Stellung dazu bezogen. Ein Schlussstrich ist zu ziehen. Und die Zweitstimmenkampagne a la FDP war dann auch eher ein Schuss in den Ofen. Auf jeden Fall wird es Frau Merkel gefreut haben, wenn ihre Rechnung (FDP draußen, die Grünen weit unter 10 %) dann leider im Endergebnis doch nicht ganz aufging (d.h. absolute Mehrheit verpasst). Auch die Grünen sollten einen Neubeginn wagen. Die ewig gleichen Gesichter (Trittin, Roth, Künast) können selbst Wähler der Grünen kaum noch sehen.

Man darf jetzt natürlich gespannt sein, welche Sondierungsgespräche zu Koalitionsverhandlungen geführt werden. Sicherlich hat Frau Merkel nach dem sehr guten Ergebnis der Union das erste Recht, hierzu einzuladen. Für mich roch es schon vor der Wahl nach großer Koalition (wenn Steinbrück das auch ausschloss, dann eben ohne ihn). Denkbar ist auch eine schwarz-grüne Koalition. Frau Merkel wäre nicht unbedingt abgeneigt. Aber noch sehe ich Frau Merkel nicht am Ziel, ihre Kanzlerschaft fortzusetzen. Die Standpunkte sind einfach zu weit auseinander. Sollte es dann doch zu einer rot-rot-grünen Koalition kommen, dann hätte sich Frau Merkel aber total verzockt. Ich bin gespannt. Allerletzte Konsequenz, wenn nichts zusammenpassen sollte, wären Neuwahlen. Für die FDP wäre das allerdings eine unverdient neue Chance: Neuwahlen wären wirklich der letzte Ausweg, denn heute mit Sicherheit keiner will.

Hier die Ergebnisse der Bundestagswahl vom 22.09.2013: Bundewahlleiter
Hier die Ergebnisse meines Wahlkreises 36 Harburg, der übrigens mit zwei Politikern im neuen Bundestag vertreten sein wird (Direktkandidat: Michael Grosse-Brömer (CDU) und über die Landesliste der SPD: Svenja Stadler).