Kategorie-Archiv: Jethro Tull

Ian Anderson und seine Jungs

Kuriose Musikinstrumente: Chapman Stick

Ich muss gestehen. Als ich zum ersten Mal einen so genannten Chapman Stick sah und hörte, war ich begeistert von den Klang und den Möglichkeiten dieses gitarrenähnlichen Saiteninstruments. Es besteht lediglich aus einem großen Griffbrett mit 8 bis 12 Saiten und ein bis zwei Tonabnehmern. Erfunden hat es sein Namensgeber, der Jazz-Gitarrist Emmett Chapman.

Chapman Stickist bei der Arbeit
Chapman Stickist bei der Arbeit

Die eingesetzte Spieltechnik ist das von (vor allem elektrischen) Gitarren und Bässen bekannte Tapping. Hierbei werden die Saiten durch Anschlag mit den Fingerkuppen auf die Bünde gedrückt und dadurch in Schwingungen versetzt. Bei Gitarren oder Bässen sind die so erzeugten Tonschwingungen gegenüber einer angeschlagenen Saite eher schwach, d.h. die Amplituden der Saitenschwingungen sind klein, und der Musiker muss mit Plektrum oder Fingerpicking nachhelfen. Um dem zu entgehen, entwickelte Chapman das sog. low-tension-Prinzip, d.h. die Saiten sind weniger stark gespannt als bei Gitarre oder Bass. Der Stick eignet sich daher wesentlich besser für die Tapping-Technik als übliche E-Gitarren und Bässe. Und man kann mit beiden Händen gleichzeitig Töne erzeugen, sodass Bass- wie Gitarrenläufe von einem Stickisten, also Stick-Spieler, erzeugt werden können.

Chapman Stick Bass mit 8 Saiten
Chapman Stick Bass mit 8 Saiten

Als ehemaliger Bassist bin ich natürlich besonders vom Stick-Bass angetan. Es ist erstaunlich, was man auf dem Instrument hervorzaubern kann; das fetzt im wahrsten Sinne des Wortes – wie auch das kurze Klangbeispiel hören lässt:


Musikbeispiel für einen 8-saitigen Chapman Stick-Bass

Aufmerksam wurde ich auf den Chapman Stick durch meine Suche nach Videomaterial zu Jethro Tull. Ich fand dabei bei youtube.com drei Stücke von Tull, die Ian Anderson ansonsten auf der akustischen Gitarre vorträgt – aber seht und hört, wie das auf einem Chapman Stick klingt:

Was ist bloß mit Ian los? Teil 56: Up the Pool

Hallo Wilfried,

da bin ich wieder. Ich habe mich bewusst in letzter Zeit am heimischen PC etwas rar gemacht; in den letzten Wochen habe ich zuviel Zeit an der Kiste verbracht. Erst vor zwei Tagen habe ich eine mehrwöchige Leseblockade beenden können. Das Internet verlangt mir ein gerüttelt Maß an Selbstdisziplin ab, wenn ich darin nicht versumpfen will.

Genug von mir, wenden wir uns der Musik zu.
Die JT – Imitatoren, die ich in meiner letzten mail ansprach, waren nicht die von Dir gelinkten Dayglo Pirates. Es war eine andere Formation, deren Namen ich bei youtube nicht ausfindig machen kann. Ihre Imitation erfolgte sicher in bester Absicht, als Tribut gewissermaßen. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob sie mit ihren Bemühungen der Musik des Mr. Anderson einen großen Gefallen erweisen.

Mein heutiges Hauptthema soll das Tampa-Video sein, für das ich mich noch einmal aufrichtig bedanken möchte. Ich habe es in den vergangenen Tagen einige Male angeschaut und ich möchte hier einige Dinge unsortiert und ungewichtet aufführen, die mir dabei aufgefallen sind:

Ich wusste bis dato nicht, dass Tampa ein Open-Air Konzert war. Ich bin davon ausgegangen, dass es in einer Konzerthalle stattgefunden hat.

Dass der Meister sich in meinen Augen Mitte der 70er Jahre auf dem Höhepunkt seines Könnens befand, habe ich bereits mehrfach erwähnt, aber ich werde nicht müde, dass zu betonen. Denn wenn ich sehe und höre, was er in den letzten 27 Jahren verbrochen hat, muss ich mir die 70er immer wieder vor Augen und Ohren führen.

Der Meister kommt in Tampa für seine Verhältnisse ziemlich bartlos daher. Lediglich die Koteletten sind ausgeprägt, der Rest der Gesichtsbehaarung ist nur wenige Tage alt. (Bevor Du mich fragst, ob ich meinen Bart in Anlehnung an Mr. Anderson trage: Nein).

Der Kameramann hat viele Großaufnahmen von des Meisters Gesicht aufgenommen. Dafür bin ich ihm dankbar, denn diese Bilder sind sehr aufschlussreich. Sie zeigen, wieviel Kraft, Energie und Konzentration ein Künstler aufbringen muss, um seine Show so lebendig und virtuos zu gestalten wie Mr. Anderson. Wenn ich in 17″-Größe sehe, wie ihm der Schweiß in die Augen fließt, kann ich das Brennen in den Augen fast selber spüren. Ich habe bei den Großaufnahmen das ein oder andere Standbild gemacht und es ein wenig länger betrachtet. Das Gesicht des Meisters, das beim Flötenspiel seine große Konzentration widerspiegelt, hat etwas Passionartiges. Es klingt in diesem Zusammenhang vielleicht etwas seltsam, aber ich habe in der Tat Abbildungen des leidenden Christus mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck gesehen. Nun ja, lassen wir die Kirche im Dorf, denn da gehört sie hin. Ich gehe davon aus, dass Mr. Anderson oder andere ambitionierte Vortragskünstler sich nicht mit Christus vergleichen, aber die erwähnten Großaufnahmen machen deutlich, dass man für eine Show Anderson’scher Ausprägung sehr fit und im besten und wörtlichen Sinne leidenschaftlich sein muss. Mit dem bloßen Wunsch nach Geldverdienen ist dieser Einsatz nicht zu erklären, da gehört schon mehr zu. Die Freude an der Darbietung, der Wunsch, dem Publikum zu gefallen und dafür sein Bestes zu geben. Eine kleine Portion Wahnsinn macht die Sache bestimmt leichter. Wahnsinn in dem Sinne, dass man seine Ratio überwindet und dadurch dem Körper ermöglicht, die üblichen Grenzen zu überwinden. Ich bin kein Mediziner, aber ich denke, ein Schuss Adrenalin im Blut ist schon nötig, um sich derart zu verausgaben. Unter diesem Aspekt kann man den ambitionierten Künstler mit einem Leistungssportler oder einem Berserker vergleichen. Man hört hin und wieder von Künstlern, die auf der Bühne zu Mr. Hyde werden und im Alltag das beschauliche Leben des Dr. Jeckyll führen. Im Rampenlicht gelten andere Gesetze als im Tageslicht. So glaube ich auch nicht, dass Mr. Anderson seinem alten Kumpel Martin auf der Straße ein Küsschen aufgedrückt hätte. Das ist das Entscheidende am Berserkerwahn: Der Betroffene unterscheidet nicht zwischen Freund und Feind.

Das Nächste, das mir aufgefallen ist, ist dass der Meister in Tampa nicht auf einem Bein zu sehen ist. Das kann an der Vielzahl der Portraitaufnahmen liegen, die einen Blick auf die Beine unmöglich machen.

Was ich noch nicht einschätzen kann ist ein Grammatikfehler des Meisters in einer seiner Ansagen, den er selber korrigiert. Es geschah bei den einleitenden Worten zu Too old for Rock’n’Roll. Hier erzählte der Meister etwas von zu langen Haaren und benutzte die Vokabel „…he growed his hair too long“, was er nachher in „…grew his hair too long“ verbesserte. Da ich davon ausgehe, dass Mr. Anderson die englische Sprache sehr viel besser beherrscht als ich, muss ich davon ausgehen, dass der Fehler absichtlich eingebaut wurde. Mir ist nur noch nicht klar, was er damit bezweckte. Vom amerikanischen Englisch habe ich noch weniger Ahnung als vom britischen, aber ich bin fast sicher, dass to grow auch im Amerikanischen ein unregelmäßiges Verb ist. Du kennst den Meister länger und besser als ich; hast Du eine Idee, was hinter diesem Phänomen stecken könnte ?

Ein Indiz für die hohe Professionalität von JT ist die Tatsache, dass sie bei ihren Konzerten nicht immer die gleichen Lieder spielen.

An anderer Stelle habe ich darüber geschrieben, dass es in unserem Städtchen eine Laiengruppe gab, die sich der britischen Folklore verschrieben hatten (diese Gruppe hatte u.a. Ye Jacobites by Name im Repertoire. Hiervon habe ich die Noten. Falls Du Interesse daran haben solltest, einfach melden). Diese Gruppe spielte bei ihren (viel zu seltenen) Auftritten fast immer die selben Lieder, dazu in immer gleicher Reihenfolge. Ich habe einen der Musiker so vorsichtig wie möglich darauf angesprochen und er klärte mich darüber aus, dass das Einstudieren eines neuen Liedes sehr aufwendig sei und dass ihnen als Amateuren die Zeit dafür fehle.

Das waren die Punkte, die mir bis jetzt aufgefallen sind. Die genaue Analyse eines Auftritts ist eine interessante Tätigkeit. Vielleicht entdecke ich im Laufe der Zeit noch einige Besonderheiten. Durch die hohe Qualität des Tampa-Videos eignet es sich wunderbar, um screenshots des Meisters zu ziehen.

Quintessenz: Sollte ich jemals vergessen, warum ich JT – Fan bin, brauche ich nur das Tampa-Video einzulegen.

Soviel für heute. Vor uns liegen Palmsonntag und die Karwoche und in meinem Fall 10 arbeitsfreie Kalendertage. Das Wetter soll gut werden und ich hoffe, dass ich einige schöne Fotos schießen kann.

Für den Fall, dass wir uns nicht mehr lesen werden, wünsche ich Dir und Deinen Lieben einen wahrhaft besinnlichen Karfreitag und ein fröhliches Osterfest ! (Es juckt mir schon wieder in den Fingern, mich über religiöse Themen auszulassen, aber dafür ist es schon zu spät, mein Buch ruft).

Also, einen schönen Start in den Frühling und bis bald !
Lockwood

31.03.2007

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Hallo Lockwood,

auch ich habe die Tage vor Ostern frei und werde nicht nur vor dem Rechner hocken, das Wetter ist zu schön dazu. Und so will auch ich die Zeit dafür nutzen, einmal wieder ein Buch zur Hand zu nehmen.

Zu den Tampa-Videos und speziell zum Meister hast Du Dich ja genügend ausgelassen. Da wäre jeder Wort von mir an dieser Stelle zu viel. Schön wie Du wieder Deine Beobachtungsgabe einsetzt und uns aufzeigst, was wir ansonsten bestimmt übersehen würden. Für mich persönlich sind die Tampa-Videos mit Ian Anderson etwas überfrachtet, also zu viel und zu dicht an des Meisters Angesicht. Aber das gleicht sich durch die Hippodrom-Videos von 1977 aus, da bekommen wir auch die Mitstreiter von Anderson zu sehen.

Für den Growed-grew-Versprecher kann ich leider auch keine Erklärung finden. Ich habe einige Dictionaries durchgesucht (online wie offline), aber growed, auch nicht in anderen Schreibweisen, lässt sich nicht finden. Growl wäre vielleicht noch möglich, ergibt aber keinen Sinn.

Zum Kommentar: Der stammt aus der Laufi-Ecke. Dort pflegt man, wie es scheint, eine Art elitäres Bewusstsein von Exklusivität. Ich habe überlegt, ob ich dazu etwas antworten soll (ich mache es hier), bin dann aber zu dem Entschluss gekommen, es zu unterlassen: Es hat keinen Zweck! Mir ist dabei nur klar geworden, warum es von Laufi schon so lange keine weiteren Videos des Monats gibt: Da gibt es Pöbel wie mich, der die Videos einfach ‚ungefragt’ bei youtube.com einstellt. Wie gut, dass es diesen Pöbel gibt, denn sonst würde das ganze Tull-Material hinter elitären Mauern verborgen bleiben. Für alle, die sich für Jethro Tull interessieren, wäre das allerdings sehr schade. Statt die Plattform von youtube.com zu nutzen, tauscht man lieber im Geheimen Scheiben untereinander im kleinen Laufi-Kreis.

Ich will mich heute kurz fassen. Trotzdem möchte ich kurz auf unsere kleine Diskussion hinsichtlich des Background-Chors (z.B. bei „Songs from the Wood“) zurückkommen, der bekanntlich aus der Konserve kommt und von Ian Anderson höchst persönlich ‚eingesungen’ wurde. Ich habe da auf meinem Rechner ein kleines Video gefunden, woher ich es habe, weiß ich schon gar nicht mehr. Es ist von einer TV-Sendung des amerikanischen Senders NBC: NBC Friday Night, also eine Art Talk-Show, vom 15.11.1996. Auch immerhin schon über 10 Jahre alt. Anderson und Mannen tragen das Lied „Up The Pool“ vor, Anfang der 70-er Jahre zusammen mit „Life is a Long Song“ als Single und dann 1972 auf dem Doppelalbum „Living in the Past“ erschienen. Leider ist es nur ein RealMedia-Video in abgehakter Daumenkino-Qualität (stammt also aus Vor-DSL-Zeiten). Aber es ist im besten Sinne unplugged. Selbst Jon Noyce spielt einen akustischen Bass – und Martin Barre die Flöte. Und: Der Chor kommt nicht vom Band, alle versuchen sich darin, ihren gesanglichen Beitrag zu leisten (Martins Stimme ist dabei unüberhörbar). Das Ganze hat ohne Zweifel einen eigenartigen Charme:

Jethro Tull: Up the Pool (NBC Friday Night – 15.11.1996)

Vielen Dank für Deine Ostergrüße. Auch ich wünsche Dir und Deiner Familie schöne, geruhsame und besinnliche Ostertage. Wir lesen voneinander.

Wilfried

03.04.2007

English Translation for Ian Anderson

WilliZ Top Ten im März 2007 bei youtube.com

Eigentlich bin ich kein Fan von Hitparaden und Top-10-Notierungen. Natürlich freute es mich zu sehen, wie man Ian Anderson von der Gruppe Jethro Tull in den 70-er Jahren in der Rubrik „sonstige Instrumente“ immer wieder auf Platz eins wählte. Aber meine musikalischen Favoriten wählte ich nicht nach irgendwelchen Platzierungen in irgendwelchen Hitlisten aus.

Trotzdem ist es interessant zu sehen, welche Musikstücke von Jethro Tull, die ich bei youtube.com eingestellt habe, den gnädigen Zuschauer finden. Hier also die Top Ten für den Monat März 2007:

Titel Anzahl Aufrufe Platz
Jethro Tull: Aqualung (5/1/2001) 7219 1
Ian Anderson (Jethro Tull): Locomotive Breath 7203 2
Jethro Tull: Trains with Locomotive Breath 6893 3
Jethro Tull: Heavy Horses (1978) 6003 4
Jethro Tull: Back to the Family (Jan. 1969) 5234 5
Jethro Tull: Ian Anderson ’s Flute Solo (07/31/1976) 5047 6
Ian Anderson (Jethro Tull): Moths 1978 3581 7
Jethro Tull: Fat Man (11/15/1983) 3300 8
Jethro Tull: Locomotive Breath/TAAB Reprise (3/10/1985) 3249 9
Ian Anderson/Jack Bruce/Fela Kuti: African Jam Session 1983 2674 10

Wie so oft, so sind nicht alle Statistiken so aussagekräftig, wie sie zunächst erscheinen. „Heavy Horses“ hat zwar bisher mit über 24000 Aufrufen die meisten Zuschauer gefunden – aber der Trend ist rückwärtig. Dagegen hat Ian Andersons Flötensolo, das erst Mitte März bei youtube.com eingespielt wurde, mit über 5000 Besuchern einen täglichen Durchschnitt von fast 300 Besuchern erreicht: bisher unerreichte Spitze!

eingestellt bei youtube.com Titel Videos bis März 2007 Ø pro Tag Platz Trend
16.03.2007 Jethro Tull: Ian Anderson ’s Flute Solo (07/31/1976) 5047 296,88 1 neu
02.11.2006 Jethro Tull: Heavy Horses (1978) 24148 159,92 2 abwärts
10.11.2006 Jethro Tull: Aqualung (5/1/2001) 16825 117,66 3 abwärts
12.02.2007 Ian Anderson (Jethro Tull): Moths 1978 4822 98,41 4 aufwärts
15.11.2006 Ian Anderson (Jethro Tull): Locomotive Breath 12465 90,33 5 aufwärts
08.11.2006 Jethro Tull: Back to the Family (Jan. 1969) 12841 88,56 6 abwärts
16.03.2007 Jethro Tull: Thick as a Brick (07/31/1976) 1450 85,29 7 neu
23.11.2006 Jethro Tull: Trains with Locomotive Breath 10968 84,37 8 aufwärts
30.11.2006 Jethro Tull: Broadsword (March 1982) 10306 83,79 9 abwärts
16.03.2007 Jethro Tull: To Cry You a Song/A New Day Yesterday (07/31/1976) 1400 82,35 10 neu

Aber genug der Zahlenspielereien …

Jethro Tull live im Amphitheater in Istanbul 13. Juli 1991: 10 Videos

So langsam gehen mir die Videos mit der Gruppe Jethro Tull aus, aber nur langsam. Hier nun 10 Videos von einem Live-Konzert am 13. Juli 1991 im Amphitheater in Istanbul/Türkei, das vom türkischen Fernsehsender TRT ausgestrahlt wurde. Leider wurde nicht das ganze Konzert übertragen; hier die Setlist zum Konzert (kursiv die nicht gesendeten Stücke):

Intro – Cross-Eyed Mary – Steel Monkey
Thick As A Brick – Farm On The Freeway – Paparazzi (inst.) – Living In The Past/Serenade To A Cuckoo – Mother Goose/Jack-A-Lynn – Budapest – Fat Man – My God (incl. Bourée, Soirée)
The Whistler (inst.) – Nothing Is Easy
Kissing Willie
Too Old To Rock’N’Roll… – Aqualung
Locomotive Breath/Black Sunday (inst.)/Thick As A Brick (reprise)

Mick Abrahams Band: Why Do You Do Me This Way

Ohne Zweifel muss man Mick Abrahams zu den größten Rock- und Bluesgitarristen rechnen, wenn seine Karriere auch mehr als holprig zu nennen ist und er eigentlich nie den großen Durchbruch erzielte.

Abrahams war mit Ian Anderson Gründungsmitglied von Jethro Tull, verabschiedete sich aber bereits nach dem ersten Album der Gruppe: „This was“, eine Bluesscheibe, bei der er neben Anderson wesentlichen Einfluss auf die musikalische Ausrichtung hatte. Er gründete 1968 mit Jack Lancaster die Formation „Blodwyn Pig“, die durch eine Mischung aus rockigen (progressiven) Blues mit Einflüssen aus dem Jazz Furore machte. Aber bereits nach zwei Alben war auch hier Schluss. 1970 gründete er dann die Mick Abrahams Band, die im Jahre 1971 zwei Alben auf dem Markt warf, die musikalisch aber nicht mehr an die vorherige Zeit anknüpfen konnten. Da half auch Jack Lancaster, den Abrahams zu den Aufnahmen fürs 2. Album holte, wenig.

A Musical Evening with Mick Abrahams

Mick Abrahams – A Musical Evening 1971
u.a. mit Bob Sargeant – Piano / Walt Monaghan – Bass / Ritchie Dharma Drums

Mick Abrahams Band – Atlast 1971
u.a. mit Bob Sargeant – Piano / Walt Monaghan – Bass / Ritchie Dharma Drums / Jack Lancaster brass

Mick Abrahams verabschiedete sich vorübergehend von der Musikszene, versuchte sich dann in einer Re-Union von Blodwyn Pig, um jetzt mehr oder weniger erfolgreich von Musikclub zu Musikclub zu tingeln. In regelmäßigen Abständen produziert er neue CDs, die aber wohl nur wenige Käufer finden dürften.


Mick Abrahams Band: Why Do You Do Me This Way

siehe hierzu auch meine Beiträge:
Blodwyn Pig: Sing Me a Song That I Know
Kuriose Musikinstrumente: Lyricon (bezieht sich auf Jack Lancaster)
außerdem Mick Abrahams/Blodwyn Pig bei myspace.com

Was ist bloß mit Ian los? Teil 55: Die Gebrüder Anderson

Hallo Wilfried,

an allererster Stelle möchte ich mich … bedanken ! Dem Tampa-Konzert gebührt ein ganz besonderer Platz in der Schmuckschatulle der JT – Fans. Ich kannte es bisher nur bruchstückhaft; es ist ein Juwel unter den Livemitschnitten. Die Jahre 1976 und 1977 sahen den Meister in der Form seines Lebens. Da stimmte einfach alles. Performance, Stimme, Gitarrenspiel, alles vom Feinsten. Er war schon ein besonderer Liebling der Musen, unser Mr. Anderson. Vielen lieben Dank für die großartige Überraschung !!

Zum Thema youtube habe ich in den letzten Tages etwas gelernt: Ich bin bisher davon ausgegangen, dass ein Video, einmal dort eingestellt, für immer seinen Platz dort hat. Weit gefehlt. Das Psalm-Video von Roxy Music ist verschwunden. Eigentlich schade. Ich fand es immer sehr…..amüsant. Das JT-Video für die tausend Mütter ist zum Glück noch da, dank der Zuverlässigkeit eines Herrn willizo.

Bei youtube habe ich Videos einer Gruppe gesehen, die JT-Stücke nachspielt oder es zumindest versucht. Der Sänger ist ein älterer Herr mit grauem Rauschebart, der sich eine Lockenperücke übergestülpt hat (seltsame Kopfbedeckungen scheinen irgendwie dazuzugehören). Dazu trägt er ein Lederwams im Stil vergangener Jahrhunderte, so wie der Meister es in den 70ern trug. Die Bemühungen dieser Gruppe führen uns deutlich vor Augen, welches Format Jethro Tull hatten. Die Bühnenshow des Mr. Anderson, die wir so schätzen, wirkt bei anderen nur peinlich, lächerlich. Ich denke, ein Künstler muss über eine gewisse Klasse verfügen, um sich bei einer so eigenwilligen Show nicht der Lächerlichkeit preis zu geben. Mr. Anderson hatte über viele Jahre hinweg diese Klasse.

Beim Zusammenwirken von Text und Musik ist es natürlich wünschenswert, dass beides zusammenpasst. In den allermeisten Fällen funktioniert das auch, nicht nur bei JT. Es kann auch auf weit niedrigerem Niveau funktionieren. Ich denke dabei an die Punkmusik, die mit wenigen Akkorden auskommt. Hier bestanden die Texte größtenteils aus einigen wenigen Schlagworten, die mehr oder weniger sinnvoll aneinander gereiht ins Mikro gekreischt wurden. Musik und Text passten zueinander. Wenn die Sex Pistols auf die Idee gekommen wäre, Werke von Lord Byron zu vertonen, hätte das nicht mehr zu ihrer Musik gepasst.

In diesem Zusammenhang hast Du eine interessante Fragestellung aufgeworfen: Was wäre, wenn JT zu ihrer Musik unakzeptable Texte gesungen hätten ? Wenn sie Rassismus, Blasphemie oder Menschenverachtung propagiert hätten ? Hätte ich die Musik weiter gehört ? Eine Zeit lang ganz gewiss, denn bei vielen Songs weiß ich erst seit einigen Monaten, wovon sie handeln. Und danach ? Ich kann es nicht sagen. Echt nicht. Stellen wir uns vor, ein Esoteriker oder Sprachwissenschaftler würde herausfinden, dass die Texte des Mr. Anderson verschlüsselte Botschaften misanthropischen Inhalts enthalten. Würden wir unsere Sammlungen deswegen entsorgen ? Ich für meinen Teil bin da nicht sicher.

Ich habe es mehrfach angedeutet: Die Texte sind mir nicht so wichtig. Bei einem Lied achte ich auf die Musik und nicht so sehr auf die Inhalte. Wenn ich mich mit Inhalten beschäftigen will, nehme ich mir ein Buch. Dass die allermeisten englischsprachigen Künstler schneller singen, als ich verstehen kann, kommt mir dabei sehr zu Gute. In diesem Zusammenhang sprach ich von Bildern, die die Musik in mir erzeugt. Da -gerade bei JT- die Lyriks meist überhaupt nicht zu diesen Bildern passen, bin ich gerne bereit, die textlichen Aussagen zu ignorieren. Allerdings kann ich bei JT kein objektives Urteil abgeben, wie ich im Falle unakzeptabler Texte reagieren würde. Dazu bin ich zu festgefahren. Falls Michael Jackson in einem seiner nächsten Songs (falls es dazu kommt) die Freuden der Pädophilie verherrlicht, sähe der Fall anders aus. Dann wäre ich mit meinem Urteil über diesen Herren keine Sekunde lang im Unklaren. (Zur Erklärung: Ich mag ihn nicht, habe ihn nie gemocht). Das wäre wieder ein Beispiel der selektiven Wahrnehmung und der kognitiven Dissonanz, Du hast es bereits angedeutet.

George Michael hat wirklich bei Queen gesungen. Da ich immer bereit bin, an die monetären Ambitionen eines Künstlers zu glauben, gehe ich davon aus, dass Mr. Michael die neu aufgeflammte Popularität der Gruppe nutzte, die nach dem Tode Freddy Mercurys einsetzte, um seinen Kühlschrank noch einmal ordentlich zu füllen. Künstlerisch passte Mr. Michael zu Queen wie Sahne auf Pizza. Aber der rollende Rubel schmirgelt manche Kanten glatt.

Robbie Williams gehört nicht zu den Menschen, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. Sein Lebensstil wirkt auf mich kindisch. Er scheint mit den Folgen seines Ruhms überfordert zu sein. Ich sehe hier Parallelen zu Mr. Jackson. Aber im Unterschied zu diesem sind Mr. Williams einige Platten gelungen, die mir gefallen.

Zur Zukunft von JT nur soviel: Ich erwarte aus dieser Ecke nichts mehr und kann also nicht enttäuscht werden. Um kommende Alben werde ich einen großen Bogen machen, unabhängig davon, was der Titel versprechen mag.

Die Aqualung-Polka bewegt sich jenseits aller Kritik.

Der Liveauftritt zu Watching me, watchin you bestätigt viele meiner Lästereien der vergangenen Monate. Ein Experiment, das in die Hose ging. Try and error, was soll’s ?

Trotz aller Lästereien: Wenn ich an JT denke, denke ich an die Gruppe in ihren 70er Jahren. Die positiven Erinnerungen überwiegen. Wir lernen: Kognitive Dissonanz ist eine Schutzfunktion des Bewusstseins, um sich gegen Einbußen der Lebensqualität zu wappnen.

Das Grönemeyer’sche Genuschel ist ein Phänomen. Er spricht klar und deutlich, aber sobald Musik erklingt, bekommt er die Zähne nicht mehr auseinander. Aber wozu gibt es das WWW ? In Zweifelsfällen können wir dort nachlesen, was wir gehört und nicht verstanden haben. Grönemeyers Musik und Texte sind nach seinen Schicksalschlägen schwerer geworden, Moll in Lyrik und Klang. Zwar glaube ich, dass er die Schläge mittlerweile verdaut hat, aber ein Lied wie Currywurst würde die Erwartungen des Publikums nicht mehr erfüllen. Auch Herr Grönemeyer lebt davon, dass er die Erwartungen seines Publikums erfüllt.

Herzliche Grüße
Lockwood

18.03.2007

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Hallo Lockwood,

wie Du vielleicht mitbekommen hast, war ich diese Woche auf Lehrgang. Da ich immer spät nach Hause gekommen bin, reichte es lediglich für allgemeine Lästereien.

Ja, das Tampa-Video … Ich hoffe Laufi & Co. sind mir da nicht allzu böse, wenn ich die einzelnen Stücke bei youtube.com eingestellt habe und es mir zudem gelungen ist, den schwarzen Rand zu entfernen. Natürlich ist die Scheibe ein Schatz, und es gibt ja auch noch einen 2. Teil des Konzertes – laut ministry-of-information.co.uk sollten das folgende Stücke (Perlen) sein: My God, Cross-Eyed Mary, Encore: Guitar Solo, Wind Up, Back-Door Angels, Locomotive Breath/Wind Up (reprise), Dambusters March/Back Door Angels (reprise. ). Leider hört man überhaupt nichts mehr davon – auch nicht im Laufi-Forum, wo zu Tullavision seit fast einem Jahr Funkstille herrscht. Das Flötensolo von Ian Anderson aus diesem Konzert ist übrigens ‚über Nacht’ zur Nummer eins aller meiner youtube-Videos (täglich rund 250 Aufrufe) avanciert (dazu später vielleicht etwas mehr).

Auch youtube.com ist nicht für die Ewigkeit. Im Gegenteil: da viele der dort eingestellten Videos (wie die auch von Jethro Tull) urheberrechtliche Bedenken hervorrufen (speziell bei den Branchen, die die Künstler eigentlich nur vermarkten), hat youtube.com inzwischen eine Milliarden-Klage am Hals. Es geht um angeblich 160.000 Videos, die bei MTV abgekupfert wurden und jetzt frei zugängig in dem Videoportal stehen. Youtube.com hat den Musik-Vermarktungsbranchen (und damit hoffentlich auch den Musikern) eine Beteiligung an den Werbeerträgen versprochen. Aber manchen ist das einfach zu wenig. Das Ganze ist ein weites Feld, auf dem sich bestimmt noch viele Rechtsanwälte eine goldene Nase verdienen werden.

Ja und die Cover-Versionen von Tull bei youtube.com. Ich weiß nicht, ob ich richtig liege, ich denke Du meinst die Gruppe Dayglo Pirates, die ich allerdings gar nicht so übel finde. Dass mit der Lockenperücke und auch sonst mit dem Outfit (Tull alter Tage) ist ja mehr als Karikatur gedacht. Auf deren Website findest Du einige MP3-Dateien, die von all dem, was ich sonst noch so an Cover-Versionen Tull’scher Titel gehört habe, am besten gefällt. Und man glaubt geradezu, Andersons Stimme zu vernehmen …

Was die Anderson’schen Texte betrifft, so habe ich mich früher auch eher beiläufig damit beschäftigt. Aber eines war mir trotzdem immer klar: Dass diese Texte nicht völlig an dem vorbei gehen, was ich weltanschaulich vertrete. Und was verschlüsselte Botschaften misanthropischen Inhalts betreffen, da sind wir alle nicht immer menschenfreundlich gesonnen. Also auch das würde ich sehr gut verstehen.

Die Aqualung-Polka ist natürlich ein Witz.

Ian Anderson

Wenn man so im Netz stöbert, stolpert man immer wieder über interessante Infos, die unseren Meister betreffen. So las ich u.a. folgenden Satz:

Skurriler Eigensinn prägt auch die Musik des Briten, der 1968 seine erste Single „Sunshine Day“ unter dem Namen „Jethro Toe“ veröffentlicht, weil er fürchtet, dass man Jethro Tull für eine Einzelperson halten könnte.

Toe, der Zeh, wie Two, also zwei? Klingt nicht ganz so plausibel. Bisher wurde das Toe als eine Art Schreibfehler hingestellt, was ich aber auch nicht für sehr glaubwürdig halte. Ich wüsste keinen Fall eines ähnlichen Fauxpas.

Im Zusammenhang mit dem „Water’s Edge Ballet“ sind wir ja auf einen Bruder von Ian Anderson gestoßen, dem Ballettmeister Robin Anderson. Inzwischen habe ich bei www.tullpress.com einen anderen Artikel gefunden, der uns einen weiteren Bruder vorstellt: Alistair! Der Artikel ist vom Oktober 1979, da war Ian Anderson gerade 32 Jahre alt, Robin dagegen bereits 49 und Alistair 44 Jahre alt. Neben dem Artikel gibt es auch zwei interessante Fotos von Robin A. mit der Queen Mom – und Anderson (Ian) mit Anderson (Jon von der Gruppe „Yes“); u.a. erfahren wir aus dem Artikel auch, dass Ian Anderson eine Zeitlang als Reinigungskraft in einem Lutoner Kino gearbeitet hat („he once worked as a cinema cleaner in Luton“). Gewissermaßen vom Tellerwäscher zum Millionär.

Robin Anderson & 'Queen Mom' Ian Anderson (Jethro Tull) & Jon Anderson (Yes)
Robin Anderson & ‚Queen Mom‘ Ian Anderson (Jethro Tull) & Jon Anderson (Yes)

Für heute genug – ich wünsche Dir eine erfolgreiche Woche mit wenig Stress. Genieße, soweit Du es kannst, das nun doch endlich schöne Wetter.

Bis bald
Wilfried

26.03.2007

English Translation for Ian Anderson

Metallica – Cross-eyed Mary – Rock am Ring 2006

Es war in dem Jahr 1988, als die Gruppe Jethro Tull, gewissermaßen als späte Anerkennung, für ihr Album „Crest of a Knave“ den einzigsten Grammy in ihrer Laufbahn erhielten, wenn auch in der unpassenden Kategorie „Best Hard Rock/Metal Performance“. Da war sogar Ian Anderson überrascht und erst recht die ebenfalls nominierte (und eigentlich favorisierte) Gruppe Metallica.

Man leitet daraus eine bis heute währende Aversion zwischen Jethro Tull und Metallica ab, die aber höchstens nur bei einigen Metallica-Fans bestehen dürfte. Auf die Preisverleihung an Jethro Tull anspielend, hatte sich Lars Ulrich, der Drummer von Metallica, später beim Gewinn des Grammys für das Album ?Metallica? scherzhaft zuerst bei Jethro Tull für das Nichtveröffentlichen eines neuen Albums in jenem Jahr bedankt.

Aber vielleicht besteht ja doch eine Art von Trauma, die Metallica dadurch zu überwinden sucht, indem sie, wie beim Rock am Ring 2006 auf dem Nürburgring, einen Tull-Titel (nämlich „Cross-eyed Mary“) in ihr Live-Programm aufnimmt. Erstaunlich ist, dass besonders das „Aqualung“-Album immer wieder für Tull-Cover-Versionen von den unterschiedlichster Hard Rock- und Heavy Metal-Gruppen herhalten muss. Hier aber die angesprochene Metallica-Version von „Cross-eyed Mary“:

Nachtrag: Da bin ich doch wirklich einem Fake ohnegleichen erlegen. Ich weiß nicht, was Metallica da auf dem Video tatsächlich spielt. Aber es ist nicht „Cross Eyed Mary“ von Jethro Tull. Die zu hörende Coverversion stammt natürlich von Iron Maiden. Diese wurde sehr geschickt dem Video unterlegt [1].

Jethro Tull: Tampa Stadium 31.07.1976 Konzertvideos

Am 31. Juli 1976 spielte Jethro Tull im Tampa Stadium zu Tampa/Florida in den USA. Von diesem Konzert gibt es einen Mitschnitt unter dem Namen TullaVision, der vor einem Jahr von Tull-Fans als DVD auf den ‚Markt‘ gekommen ist. Ich berichtete darüber. Leider fehlt die 2. Hälfte des Konzertes. Ich hoffe, dass diese eines Tages in gleicher Frische allen Tull-Fans zugängig gemacht wird.

Tullavision 1976: Jethro Tull live 1976 in Tampa/Florida

Aber immerhin der erste Teil, der gleich mit mehreren Highlights daherkommt: Für mich an erster Stelle „Minstrel in the Gallery“, dann natürlich „Thick as a Brick“, auch „Wond’rinmg Aloud“. Insgesamt habe ich die DVD in zehn Teile seziert und wer mag, kann sich diese bei youtube.com anschauen.

Was ist bloß mit Ian los? Teil 54: Aqualung-Polka

Hallo Wilfried,

Du hast es auf den Punkt gebracht: Ich lästere, pauschaliere, verurteile, sonne mich in Selbstgerechtigkeit. Und das Alles nüchtern. Ich bin mir dieser Schwächen bewusst und werde nicht das Geringste unternehmen, um sie abzustellen. Es ist einfach zu schön…

Ich glaube nicht, dass charakterliche Defizite ihre Ursache allein in bluttriefenden Horrorfilmen haben. Das hieße im Umkehrschluss, dass jemand, der nur Heidi und Sesamstraße konsumiert, sich zum moralischen Übermenschen entwickeln würde. Daran glaube ich nicht. Der Mensch ist ein Produkt aus Erbgut und Umwelt; welche dieser Faktoren für die Charakterbildung die bedeutendere Rolle spielt, hat die Wissenschaft noch nicht klären können. Ich sowieso nicht. Als Kind habe ich auch gerne Action- und Brutalofilme gesehen (meine Mutter klagt heute noch darüber), aber bis jetzt habe ich den Nachahmungstrieb erfolgreich unterdrücken können.

Deine letzte mail war wieder die reinste Linksammlung, vielen Dank dafür ! Ich kenne niemanden, der sich in der Welt der Musik so gut auskennt wie Du. Deine gelinkten Neuigkeiten (die Damen, denen Du ein Kapitel im Blog gewidmet hast), wären glatt an mir vorbeigegangen. Ehrlich gesagt, hätte ich es nicht besonders bedauert. Die Musik der Künstlerinnen trifft nicht meinen Geschmack. Irgendwie muss ich eingestehen, dass ich an Neuigkeiten aus der Musikwelt nicht mehr so interessiert bin wie in früheren Jahren. Lediglich das neue Album von Grönemeyer (diesmal ohne „h“) hat mich aufmerksam gemacht. Ich kenne zwar bisher nur die erste Singleauskopplung „Stück vom Himmel“, aber die finde ich hervorragend. Manche mögen sie als schmalzig oder wagnerhaft bezeichnen, aber mir gefällt es. (So ein bisschen barock bin ich ja auch…)

Im Spiegel las ich ein Interview mit Herrn Grönemeyer. Natürlich wurde er wie immer auf seine Texte angesprochen. Seine Aussage dazu ist glasklar: Er schreibt seine Texte nicht, damit sie vom Hörer interpretiert werden. Er verfolgt keine Aussagen mit seinen Lyrics. Das erleichtert mich sehr, denn ich kann auch keine entdecken. Ich würde mich besser fühlen, wenn Mr. Anderson zu seinen Texten eine ähnliche Aussage gemacht hätte. Hat er aber nicht und deshalb ist er jetzt Ehrendoktor.

Gerade höre ich „Zieh Deine Weg“ aus dem 12-Album. Das gefällt mir überhaupt nicht. Herr Grönemeyer scheint seine Lieder auch nach dem Baukastenprinzip zu komponieren. Auf jedem Album finden sich Lieder, die anderen Lieder auf vorangegangenen Album sehr, sehr ähnlich sind.

“Somebody to love“ zählt für mich zu den ganz großen Queen-Nummern. Allerdings nur das Original. Nach dem Tod von Mr. Mercury hat George Michael eine Weile als Sänger bei Queen ausgeholfen. Seine Version des Titels ist sehr bekannt geworden. Allerdings war er für mich kein vollwertiger Ersatz. Mr. Michael ist sicher ein großartiger Künstler, aber wenn ich Queen-Musik hören will, kann ein Dritter es mir niemals recht machen. Robbie Williams ist in meinen Augen ein großer Entertainer, aber als Sänger von Queen kann er nur verlieren. In dieser Hinsicht bin ich Purist. Und, natürlich: Trotz aller Stimmbandprobleme würde ich keinen anderen Interpreten für JT-Songs akzeptieren als Mr. Anderson.

Mein Verhältnis zum Meister ist wirklich zweischneidig: Wenn ich mir die alten Platten anhöre, sind seine „Sünden“ der letzten Jahre verziehen. Seine Folk-Alben sind wie für meinen Geschmack maßgeschneidert. Schade, dass die Entwicklung falsch herum lief.

Meine Geflügelsammlung hast Du mehr als ergänzt. Wie immer: Ich zeige Dir stolz einen Baum und Du präsentierst mir den Wald dahinter. Respekt ! “while the fool with the hour-glass is cooking his goose” wird im Songbook so übersetzt: „…während der Narr mit der Sanduhr sich selbst den Garaus macht…“ „to cook someone’s goose“ bedeutet lt. dict.cc: jemanden erledigen, fertigmachen. Wusste ich nicht.

Schönes Wochenende und Cheerio !
Lockwood

09.03.2007

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Hallo Lockwood,

wer in der Öffentlichkeit steht, muss damit rechnen, dass er zur Zielscheibe wird. Wenn es sich dabei um eine Persönlichkeit wie Ian Anderson handelt, der sich sicherlich viele Verdienste erworben hat, der aber auch manche Eigenart besitzt, die, obwohl gut ‚versteckt’, meistens doch an die Oberfläche dringt, da schlägt ‚man’ besonders gern zu. Aber wir treiben es ja eher im Sinne von „wer sich liebt, der neckt sich“, auch wenn es nur in eine Richtung geht (was würde der Meister antworten, wenn er von unserem Gedankenaustausch erführe? Mit Sicherheit nichts, dafür sind wir zu sehr ‚Fußvolk’).

Ob ich mich wirklich so gut in der Welt der Musik auskenne, bezweifle ich. Dafür ist die Bandbreite einfach zu groß. Aber ich suche nach musikalischen Schätzen, und das Internet hilft mir dabei. Nur sind solche Schätze wirklich sehr rar gesät. Hinzu kommt natürlich auch, das Musik als solches Geschmackssache ist. Darüber lässt sich bekanntlich nicht streiten (im Falle von Herrn Anderson vielleicht schon). Herrn Grönemeyer habe ich im Fernsehen gesehen. Das Lied ist wirklich nicht schlecht, aber vom Hocker reißt es mich dann auch wieder nicht. In einem hast Du recht: Er singt tatsächlich deutsch, wenigstens ansatzweise.

Man kann natürlich auch von Texten halten, was man will. Ich denke mir, dass sie immer einen bestimmten Bezug zu der Person haben, die sie schreibt. Und diese Person wird einiges von dem, was sie bewegt und interessiert, in diesen Texten verarbeiten. Manchmal ist das für andere offensichtlich, manchmal eher ‚versteckt’. Wenn nun Herr Anderson in seinen Texten z.B. permanent rassistisches Gedankengut herüberbringen wollte, dann könnte seine Musik nichts retten: er wäre für mich gestorben. In soweit spielen die Texte schon eine Rolle für mich. Das soll nun nicht heißen, dass ich als wichtigstes Kriterium die politische Gesinnung eines Künstlers heranziehe. Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine Musik gibt, die ich mag, und die dann textlich so völlig daneben liegt. Zu Jethro Tull: Mir ist die Musik natürlich wichtiger als die Lyrics von Herrn Anderson. Ich finde es aber befriedigend zu wissen, dass er keinen allzu großen Scheiß gedichtet hat.

Zu Queen und Deinen Anmerkungen kann ich leider nicht viel schreiben: Hat George Michael wirklich nach dem Tod von Herrn Mercury eine Zeitlang das gesangliche Zepter bei Queen übernommen? Kann ich mir gar nicht so richtig vorstellen. Und zu Robbie Williams äußere ich mich nun wirklich nicht, weil ich ihn einfach nicht mag (musikalisch, menschlich usw.).

Zum Purismus: Bei dem, was wir von Jethro Tull, besonders aus der Phase, die wir beide mögen (Konzept- und Folk- bzw. Folkrockalben), kennen, ist es auch für mich undenkbar, die Stimme Ian Andersons durch eine andere, wenn auch ähnliche, ausgetauscht zu hören. Aber wie soll es weitergehen mit Jethro Tull, bei den Stimmproblemen von Herrn Anderson? Soll es überhaupt weitergehen? Neben dem Acoustic Album (wieder nur eine Art „Best of“, wenn es auch die Stücke enthält, die auch für mich die besten sind), das Ende dieses Monats erscheinen soll, ist für Ende des Jahres angeblich wirklich ein neues Studio-Album geplant. Wie schon einmal erwähnt: Ich könnte mir mehr instrumentale Stücke vorstellen. Aber lasse ich mich überraschen (Dich überrascht ja wohl nichts mehr).

The Best of Acoustic Jethro Tull

Best of Acoustic Jethro Tull

Der Bekanntheitsgrad (und der der Beliebtheit) einer Band lässt sich auch daran ablesen, wie oft sie ‚gecovert’ wird. Wir hatten das Thema schon öfter angesprochen und ich hatte dich früher einmal mit einer Web-Adresse versorgt, die ich nun selbst näher erkundet habe. Das meist gecoverte Stück ist natürlich „Locomotive Breath“, von dem ich bereits einige Versionen kenne. Es ist vielleicht auch das Stück, bei dem mich eine gecoverte Version am wenigsten stört (ansonsten gilt schon das oben Geschriebene: ein Jethro Tull-Stück ohne Ian Andersons Stimme ist kein Jethro Tull-Stück). Viele Stücke, die sich über die erwähnte Web-Adresse finden lassen, sind allerdings ziemlich grausam. Zum einen mangelt es an der richtigen Aufnahmetechnik, zum anderen: wenn es instrumental noch geht, dann hapert es eindeutig am Gesang. Für mich wird dabei eines sehr klar: Die musikalische Klasse von Jethro Tull ist einfach zu hoch für die vielen Nachahmer. Nun sehe ich das natürlich auch als Amateurmusiker, der ich einmal war. Wir haben auch viel gecovert. Dabei macht es keinen Sinn, die Stücke möglichst original-getreu nachzuspielen. Dass kann nur in die Hose gehen. Wenn man seinen eigenen Stil entwickelt hat, so überträgt man das auch auf die gecoverten Lieder. Unter diesem Sichtspunkt finde ich Cover-Versionen auch von Jethro Tull ganz interessant.

Ich hatte Dir ein Stück angekündigt. Es stammt von einer Gruppe von Anfang der 70-er Jahre: CCS. Und es geht um „Living in the Past“. Also schon früh wurde Jethro Tull von einer damals allgemein bekannten Band gecovert. Hierzu aber in einen gesonderten Beitrag mehr. Hier etwas anderes und einfach köstlich anzuhören: Aqualung Polka von Scott Chapin. Da kommt doch echt Freude auf, oder? Viel Spaß damit.


Scott Chapin: Aqualung-Polka

Zuletzt noch etwas zu „The Broadsword and the Beast“: Ich habe mir die Scheibe noch einmal in aller Ruhe zu Gemüte geführt. Die beiden Titelsongs (Beastie und Broadsword) finde ich etwas zu wagnerhaft, um auf Deine Ausdrucksweise zurückzukommen. Die Stücke „Fallen on Hard Times“, „Flying Colours“ und „Slow Marching Band” dagegen gefallen wir sehr gut, weil sie langgezogene Melodiebögen enthalten, die sehr schön sind. Die Chorpassagen hat Herr Anderson alle wieder selbst gesungen, wie schwer zu überhören ist. „Watching you, watching me“ passt hier überhaupt nicht hinein (und bildet höchstens den Übergang vom „A“-Album zu „Under Wraps“). Auch der dazu gehörige Live-Auftritt von 1982 ist eher erschreckend: Stroboskop-Licht und in diesem über die Bühne schleichende Männlein (a la Sherlock Holmes?) in durch das Licht abgehakten Bewegungen. Ich bin für viele Gags zu haben, aber das hier tut nicht nur den Augen weh.

Soviel zu meinen heutigen Lästereien.

Genieße das schöne Wetter, wenn Du es kannst.
Bis bald
Wilfried

12.03.2007

English Translation for Ian Anderson

CCS (Collective Consciousness Society): Living in the Past

Es ist sicherlich ein Kriterium für den Bekanntheits- und vorallem Beliebtheitsgrad einer Band, wie oft sie „gecovert“ wird. Wenn ich selbst Musiker bin und eine Vorliebe für eine bestimmte Gruppe habe, so kommt immer einmal der Zeitpunkt, an dem ich mir überlege, eines der Stücke dieser Band nachzuspielen.

Im Jahre 1970 gab es eine Band namens CCS, die u.a. von Alexis Korner, dem Mentor des weißen Blues, gegründet wurde. Die Band zeichnete sich als Brass-Bigband aus – mit Bläsersätzen, die vorwiegend von John Cameron arrangiert wurden. Die Veröffentlichungen waren sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland überraschend erfolgreich. Gleich auf der ersten Scheibe aus dem Jahre 1970 findet sich auch eine Cover-Version von Jethro Tulls „Living in the Past“.

CCS: CCS

Damit dürfte diese Version das erste von bekannter Hand eingespielte gecoverte Jethro Tull-Stück sein, das ich kenne. Es ist eine reine Instrumentalversion und ganz im Stile von CCS angelegt:


CCS: Living in the Past (Jethro Tull)

Lyambiko: Inner Sense – Look into the Sun

Im Internet bin ich der Sängerin Lyambiko und ihrer Band schon öfter begegnet. Ende Februar veröffentlichte sie nun ein neues Album: Inner Sense und geht damit auf Deutschland-Tour. Lyambikos musikalische Heimat ist der Jazz – und anzusiedeln ist sie irgendwo zwischen Norah Jones und Diana Krall. Ihre Stimme hat viel Power und gefällt mir als solches schon sehr gut. Allerdings stehe ich insgesamt nicht so sehr auf die Musik. Warum ich Lyambiko & Band hier trotzdem erwähne? Nun es geht um mindestens eines der Lieder, die die Sängerin auf der neuen CD interpretiert: „Look into the Sun“ von Jethro Tulls „Stand Up“-Album (und für alle Queens-Fans interessant: „Somebody To Love“). Man mag von der Musik halten, was man will, die Interpretation von „Look into the Sun“, ein Lied, das mir in der Originalfassung schon sehr gut gefällt, finde ich in dieser Interpretation (im Stile des Modern Jazz) wirklich hörenswert.

Lyambiko: Inner Sense


Lyambiko: Look into the Sun