Kategorie-Archiv: Reisen

AlbinZ Urlaubsreisen

Grainau 2012 (1): Entlang der Loisach

Urlaubstage vergehen viel zu schnell. Schon sind wir wieder zu Hause, zurück aus den Alpen, aus Grainau (Groana, wie wohl die Einheimischen sagen), dem Dorf unmittelbar unterhalb der Zugspitze.

Nach zwei Sommerurlaube 2002 und 2007 waren wir jetzt also die Tage vor Ostern in einer der sieben Gemeinden der ehemaligen Grafschaft Werdenfels. Und es war ein Urlaub zwischen Winter und Frühling. In den luftigen Höhen von Osterfelderkopf (2050 m) mit der Aussichtsplattform Alpspix, in der Höhen von Zugspitze (2962 m) und Wank (1780 m) lag noch jede Menge Schnee, während es in Grainau schon frühlingshaft war – nicht ganz, denn am Ostersonntag schneite es kräftig, (fast) mehr als im ganzen Winter bei uns in Norddeutschland.


Fotos © Jan Einar Albin

Mit der ZugspitzCard Gold waren wir viel unterwegs; nur den ersten Tag, den 1. April, wanderten wir entlang der Loisach, ein Wildwasser, das in der Nähe Grainaus in Richtung Garmisch-Partenkirchen fließt.

Inzwischen habe ich bereits die Videoaufnahmen auf meinen Rechner gespielt und auf knapp 50 Minuten zusammengeschnitten. Diesmal war es der ältere meiner Söhne, der für die Fotoaufnahmen ‚zuständig’ war. Von über 900 sind etwa 700 Fotos geblieben. Hier einige wenige Fotos von unserer ersten Wanderung entlang der Loisach. Leider verlieren die verkleinerten Aufnahmen etwas von ihrer Tiefenschärfe und damit von ihrem besonderen Reiz. Schön anzuschauen sind sie trotzdem. In den nächsten Tagen (und Wochen) etwas mehr von diesem wirklich erholsamen Tagen in Grainau. Und wir alle denken, dass es nicht der letzte Urlaub dort unten in dem Zugspitzdorf war.

Loisach bei Grainau

Auf zur Zugspitze

Auf in den Süden. Nur noch zwei Arbeitstage, dann habe ich Urlaub und dann geht es mit meiner Familie wieder einmal nach Grainau, dem Zugspitzdorf, in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen. Eigentlich bin ich nicht der Typ, der an einem und dem selben Ort mehrmals Urlaub macht. Ich liebe durchaus die Abwechslung. Okay, ich war öfter schon in London und natürlich auch in Schottland. Aber London ist immer wieder interessant und neu. Und Schottland ist ‚ein weites Feld’. Nach Grainau geht es jetzt bereits zum dritten Mal, immer mit der Familie und ‚komischerweise’ immer in Fünfjahresabstand; d.h. 2002 (Video in Urlaub: Grainau 2002 – 2007) war ich mit Kind und Kegel das erste Mal dort. Und dann folgte 2007 (siehe Grainau 2007: Berglandschaften und Grainau 2007: Eibsee) der nächste Urlaub in dem kleinen, aber feinen Ort unterhalb der Zugspitze. Irgendwie gefällt uns Grainau.

Wie die beiden erste Male so werden wir auch diesmal in einer Ferienwohnung in der Alpspitzstraße bei Familie Degenhart unterkommen. Vom Balkon hat man freie Sicht auf die Waxensteine und die Zugspitze.

Seit dem letzten Mal vor knapp fünf Jahren hat sich doch einiges dort ‚unten’ getan, u.a. gibt es jetzt am Osterfelderkopf am Fuße der Alpspitze die Alpspix, eine Aussichtsplattform für atemberaubende Ausblicke. Natürlich werden wir uns das nicht entgehen lassen. Ziemlich neu ist auch der Kletterwald in Garmisch-Partenkirchen, oberhalb der Talstation der Wank-Seilbahn (2011 während unseres Urlaubs in Brandenburg besuchten wir ja den Arbora Kletterwald in Bad Saarow). Und neu ist jetzt auch die ZugspitzCard Gold, die einmal eine Zugspitz-Rundreise beinhaltet.

ZugspitzCard 2011/2012

ZugspitzCard 2012/2013

ZugspitzCard 2011/2012 – gültig bis 30.04.2012 ZugspitzCard 2012/2013 – gültig ab 01.05.2012

Vor fünf Jahren gab es die ZugspitzCard auch bereits, allerdings nicht in der Version GOLD. Möchte man unbedingt auch einmal auf die Zugspitze, dann sollte man diese Version der Karte nehmen, denn der normale Fahrpreis beträgt 48 €, der Mehrpreis für die Gold-Version gerade 32 €. Und wir wollen auf jeden Fall auf die Zugspitze. Ansonsten hat man freien Eintritt ins Zugspitzbad von Grainau (morgens vor dem Frühstück oder am Nachmittag werden wir dort unsere Bahnen ziehen), kann die Garmisch-Classic-Rundfahrt buchen, um auf die Aussichtsplattform AlpspiX zu kommen. Der besagte Kletterwald ist im Preis enthalten – und auch die Eishockey-Heimspiele des SC Riessersee im weltbekannten Olympia-Eissportzentrum von Garmisch-Partenkirchen, der zz. noch in der Abstiegsrunde der 2. Bundesliga spielt.

Natürlich sind noch viele andere Leistungen ‚all inclusive’. Außerdem gibt es so genannte Bonus-Partner, bei denen man Preisermäßigungen bekommt. Die ZugspitzCard und ZugspitzCard Gold gibt es für 3, 6 oder 13 Tage. Es lohnt sich auf jeden Fall. Wir freuen uns auf jeden Fall auf die Tage in Grainau und Umgebung.

siehe auch meine Beiträge (mit Videos):
Urlaub in Grainau/Zugspitze 2007
In a Black Box: Partnachklamm 2007

Kafka „kehrt zur Natur zurück!“

Ab Mitte 1979 erschien für 20 Jahre im Wagenbach-Verlag Freibeuter, eine Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik – herausgegeben u.a. von Klaus Wagenbach. Die Nr. 16 aus 1983 hatte als Schwerpunktthema Franz Kafka nachgestellt:

Kafka geht ins Kino – Die Ostseereise – Kafka und Casanova – Erfolgreiche und weniger erfolgreiche Verwandte – Drei Sanatorien Kafkas.

Kafka war „schon viel in Sanatorien herumgekommen“, so schreibt er in einem Brief vom 1. November 1912 an seine spätere Braut Felice Bauer. Eine „allgemeine Schwäche“ oder „Neurasthenie“ nennt er als Grund. „Die Naturheilkunde – Wasser, Licht, Luft, gesundes Essen, körperliche Bewegung, ‚Reformkleidung’ – war damals nicht nur Mode, sondern eine verständliche Antwort auf die dumpfe Luft spätwilhelminischer Wohnzimmer, die riesigen, fetten Fleischmengen auf den bürgerlichen Mittagstischen, auf Wasserscheu und Sonnenangst, Fischbeinkorsett und Schnurrbartbinde, Vatermörder und Schnürstiefel. Und die ‚Neurasthenie’ war nicht nur eine Modekrankheit empfindsamer Kaufmannssöhne und -gattinnen, sondern die ‚Zeitkrankheit’ im besten Wortsinn.“ (so Klaus Wagenbach in Freibeuter 16, S. 77).

So kam es, dass Franz Kafka sich im Juli 1912 drei Wochen im Harz aufhielt und dort in Just’s Jungborn, zwischen Ilsenburg und Harzburg gelegen, Postanschrift: Just, Stapelburg (Bahnstation Eckerthal), „zur Natur zurückkehrte“.

Jungborn um 1900

Jungborn im Eckertal zwischen Bad Harzburg und Stapelburg

Jungborn im Eckertal zwischen Bad Harzburg und Stapelburg

Die Kuranstalt war am 21. Juni 1896 eröffnet worden, wurde zwischen 1943 und 1945 Kinderlandverschickungslager, 1944 auch Lazarett und wurde dann im Mai 1945 beschlagnahmt. 1964 erfolgte der Abriss im Zuge der innerdeutschen Grenzsicherung, da sich die Häuser der Kuranstalt auf dem Gebiet der DDR befanden – unmittelbar an der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland; heute ist dies die Ländergrenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Bevor Kafka nach Jungborn im Harz kam, hatte er gemeinsam mit seinem Freund Max Brod die ‚klassischen Stätten’ in Weimar besichtigt und dabei die beiden jungen Verleger Ernst Rowohlt und Kurt Wolff kennengelernt. Rowohlt zeigte ein ernsthafte Interesse, ein Buch von Kafka zu verlegen. Während seines Aufenthaltes in Jungborn überlegte er, was er dem Verleger anbieten könne. Zunächst dachte er an seinen ‚amerikanische Roman’, entschloss sich dann aber doch dazu, ältere Erzählungen zu einem Band zusammenzustellen. Daraus wurde dann „Betrachtung“, dass noch im gleichen Jahr erschien, das erste Buch Kafkas. Dafür dachte Kafka daran, den ‚Verschollenen’ (‚Amerika’) neu zu entwerfen. So schreibt Kafka in seinem ersten Brief an Max Brod: „Es gefällt mir hier ganz gut, gut, die Selbständigkeit ist so hübsch und eine Ahnung von Amerika wird diesen armen Leibern eingeblasen.“ Das Manuskript der ersten Fassung vernichtete Kafka und begann im September 1912 eine zweite, die uns überliefert ist.

„Für die Neukonzeption des Romans waren mit Sicherheit die Erlebnisse im Jungborn mitbestimmend, insbesondere die dort diskutierten panchristlichen Ideen und das dort täglich mit Nacktkultur, Lehmpackungen, Lichtlufthäuschen und vegetarischer Küche aufgeführte Naturtheater. Nicht von ungefähr heißt es in den ersten Zeilen des Romankapitels ‚Das Naturtheater von Oklahoma’: ‚Auf nach Clayton!’ Auf also nach Lehmstadt, wobei clay zugleich auch Erde heißt, Staub und irdische Hülle im religiösen Sinn – genauso wie es der Sanatoriumsinhaber Adolf Just sah (in seinem 1896 erschienenen und in zahlreichen Auflagen verbreiteten Buch ‚Kehrt zur Natur zurück!’): ‚Der Mensch ist aus Erde gemacht, alles, was er zu seinem Lebensunterhalt nötig hat, entsteht aus der Erde’, mit ausdrücklichem Verweis auf Moses 2,7 und 3,19. Deswegen empfahl Just auch Wickel mit ‚reinem, tiefgegrabenem Lehm’, Fußbäder, Gurgeln und ebenso die ‚innere Anwendung der Heilerde bei allen Krankheiten’.“ (Freibeuter 16: Jungborn, Heimstätte und Musteranstalt für reines Naturleben – Klaus Wagenbach, S. 82)

Diese biographische Konstellation widerspricht ziemlich den Worten in dem Artikel Wie Franz Kafka am Nordrand des Harzes seine Schreibkrise überwand, erschienen am 6. Dezember 2003 in der Volksstimme; u.a. heißt es dort: „Der schreibmüde Kafka fand in Justs Jungborn am Harzrand zu alter Schaffenskraft zurück.“ Sicherlich wurde Kafka während seines Aufenthalts inspiriert; Auftrieb gab vor allem die Gewissheit, bald ein eigenes Buch veröffentlicht zu sehen.

„‚Kehrt zurück zur Natur’ war das Motto des Sanatoriums, in dessen Therapie Bewegung an frischer Luft und Naturheilverfahren im Vordergrund standen. Die Kurgäste wohnten in Lufthäuschen, besuchten die Gesellschafts- und Badehäuser und nahmen ihr aus Rohkost, Obst und Nüssen bestehendes Essen in großen, lichtdurchfluteten Speisesälen ein. Gemäß der Erkenntnis ‚Gesundheit ist nicht alles – ohne Gesundheit ist alles nichts!’ absolvierte der Jungborn-Gast allmorgendlich in Luftparks, nach Geschlechtern getrennt, Freiübungen, die von Gesang und Spiel begleitet waren. Als weitere Anwendungen standen Luft- und Sonnenbäder, Heilerde-Kuren, Massagen, Gymnastik und Atemübungen auf dem Programm. Jeder Jungborn-Gast bekam seiner Veranlagung und seinem Zustand entsprechend eine besondere Kur verordnet, ausgerichtet auf die vier Urelemente Licht, Luft, Lehm und Wasser. Der Gast sollte damit zur Besinnung auf das Wesentliche geführt werden, zur Hinkehr auf die natürliche Einfachheit im Denken und Leben.“ (aus: Stapelburger Grenzgeschichten und das Eckertal)

„… Nackte liegen still vor meiner Tür. Alle bis auf mich ohne Schwimmhose“, schreibt Kafka in sein Tagebuch vom 8. Juli 1912. Der Anblick von so vielen Nackten wirkte auf ihn zunächst irritierend: „Hie und da bekomme ich leichte oberflächliche Übelkeiten, wenn ich, meistens allerdings in einiger Entfernung, diese gänzlich Nackten langsam zwischen den Bäumen sich vorbeibewegen sehe. Ihr Laufen macht es nicht besser. – Jetzt ist an meiner Tür ein ganz fremder Nackter stehen geblieben und hat mich langsam und freundlich gefragt, ob ich hier in meinem Hause wohne, woran doch kein Zweifel ist. – sie kommen auch unhörbar heran. Plötzlich steht einer da, man weiß nicht, woher er gekommen ist. – Auch alte Herren, die nackt über Heuhaufen springen, gefallen mir nicht. Abends Spaziergang nach Stapelburg. Mit zweien, die ich einander vorgestellt und empfohlen habe. Ruine. Rückkehr 10 Uhr. Zwischen den Heuhaufen auf der Wiese vor meiner Hütte einige schleichende Nackte, die in der Ferne vergehen. In der Nacht, als ich durch die Wiesen nach dem Kloset wandere, schlafen drei im Gras.“ (11. Juli 1912). Dann fand er zum gesundheitsfanatischen Treiben auf dem Gelände schnell den passenden ironischen Ton: „Wie ein wildes Tier jagt plötzlich ein Greis über die Wiese und nimmt ein Regenbad.“ (19. Juli 1912). Am 15. Juli 1912 notiert Kafka: „…Ohne Schwimmhosen. Exhibitionistisches Erlebnis… Die große Beteiligung des nackten Körpers am Gesamteindruck des Einzelnen…..“

Kafka wohnte in einer nach drei Seiten offenen Hütte: „Mein Haus heißt ‚Ruth’. Praktisch eingerichtet. 4 Luken, 4 Fenster, 1 Tür.“ (8. Juli 1912). Er half bei der Kirschenernte und auch beim Mähen des Grases (12. Juli: „Heu aufgeladen“– 13. Juli: „Kirschen gepflückt“ und 14. Juli: „Kirschen gepflückt auf Leiter mit Körbchen. Hoch im Baum oben gewesen.“). Über sein Begegnung mit dem Anstaltsleiter schreibt er am 12. Juli. „Der alte blauäugige Adolf Just, der alles mit Lehm heilt und mich vor dem Arzt warnt, der mir Obst verboten hat.“

Kafka betrachtet seine Mitpatienten, hält dieses in seinem Reisetagebuch ausführlich fest und führt auch interessante Gespräche (9. Juli 1912: „Das immerwährende grundlose Bedürfnis, sich anzuvertrauen.“). Viel anderes bleibt auch kaum zu tun, denn außer Natur ist wenig für Unterhaltung gesorgt im Jungborn. Kafka, der eigentlich ungesellige Mensch, taut hier geradezu auf. So schrieb er am 22. Juli 1912 an seinen Freund Max Brod: „Sag nichts gegen die Geselligkeit! Ich bin auch der Menschen wegen hergekommen und bin zufrieden, dass ich mich wenigstens darin nicht getäuscht habe. Wie lebe ich denn in Prag! Dieses Verlangen nach Menschen, das ich habe und das sich in Angst verwandelt, wenn es erfüllt wird, findet sich erst in den Ferien zurecht; ich bin gewiß ein wenig verwandelt.“

Am Abend des 16. Juli 1912 besucht Kafka das Schützenfest in Stapelburg. Die Erlebnisse hier fließen wie bereits erwähnt später in das Kapitel „Das Naturtheater von Oklahoma“ seines Amerika-Romans mit ein.

Übrigens gibt es das ‚neue“ vegetarische Kochbuch von Adolf Just, dem Gründer von Jungborn, im Internet: „Der Jungborn-Tisch“

Siehe auch meinen Beitrag: Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört

Heiraten in Schottland

Es gibt Steuerparadiese und es gibt, ja auch, Hochzeitsparadiese. Viele kennen Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada. Aber auch in Europa gibt es einen solchen Ort, eigentlich nur ein Dorf im Süden Schottlands: Gretna Green.

‚Hochzeit’ beim Blacksmith in Gretna Green 16.08.1985

Warum gerade Gretna Green? Auf der alten Postkutschenroute von London nach Edinburgh war Gretna Green in alten Zeiten das erste Dorf in Schottland. „Im Jahre 1753 verabschiedete das britische Parlament den Lord Hardwicke’s Marriage Act, der unter anderem für eine Heirat zwischen Minderjährigen die Einwilligung der Eltern forderte. Dieses Gesetz galt nur für England, nicht aber in Schottland. Dort durften weiterhin Jungen mit 14 und Mädchen mit 12 Jahren eine Ehe ohne elterliche Zustimmung schließen. So flohen viele minderjährige Paare aus England über die englisch-schottische Grenze – und das erste Dorf hinter der schottischen Grenze war … Gretna Green. In Gretna Green hatte sich der Schmied als Amtsperson für die Eheschließung etabliert. Die Hochzeiten fanden in seiner Schmiede statt und der Amboss bekam bei den dortigen Trauungen eine besondere Bedeutung.“

„Ab 1856 verlangte das schottische Gesetz, dass die Ehepaare vor der Eheschließung sich mindestens 21 Tage in Schottland aufgehalten haben müssen. Diese Regelung wurde 1977 wieder aufgehoben. 1929 wurde das Mindestalter für eine Eheschließung auf 16 Jahre heraufgesetzt, wobei immer noch keine elterliche Einwilligung verlangt wird.“

Heute darf eine staatlich anerkannte Trauung nur ein Standesbeamter (Registrar) ausführen. Beim Schmied heiratet man zwar auch noch, aber nur ‚der Vollständigkeit halber’, wenn man schon amtlich verheiratet ist oder – wie meine damalige Freundin und heutige Frau und ich – aus Spaß (siehe Foto oben). Allerdings hatten wir vor unserem Schottland-Urlaub 1985 tatsächlich die Absicht gehabt, auch standesamtlich in Gretna Green zu heiraten. Deshalb hatten wir uns bei der damaligen und wohl auch noch heute amtierenden Standesbeamtin in Gretna, Miss Pat Bryden, die inzwischen auch MBE, also Mitglied des Order of the British Empire ist, alle nötigen Formulare und Informationen zusenden lassen. Wenn man ab und zu aufräumt, findet man die kuriosesten Dinge: Ich fand die 1985 an meine Freundin gesandten Unterlagen wieder:

Marriage Notice - Marriage (Scotland) Act 1977 mit Umschlag/Gebührenübersicht und Anschreiben

Leaflet (Flyer): Marriage in Scotland

Marriage Notice – Marriage (Scotland) Act 1977 mit Umschlag/Gebührenübersicht und Anschreiben

Leaflet (Flyer): Marriage in Scotland

ACHTUNG: Die Unterlagen kann man heute natürlich nicht mehr verwenden. Außerdem hat sich seit 1985 auch einiges getan. So ist das Standesamt von der Annan Road 1991 in die Central Avenue umgezogen; die neue Anschrift lautet:

GRETNA REGISTRARS OFFICE
Central Avenue
Gretna
Dumfries And Galloway
DG16 5AQ


Gretna – Central Avenue (Gretna Registration Office)

Außer den neuen (auch größeren) Räumlichkeiten haben sich natürlich auch die Gebühren für eine Heirat stark nach oben verändert. Formulare und weitere Informationen gibt es natürlich heute online bei gretnaonline.net (Vorsicht: Man sollte den Internet Explorer benutzen, bei allen anderen Browsern gibt es Probleme).

Heute werden an die 5000 Ehe im Jahr in diesem kleinen Ort geschlossen. Auch viel Prominenz aus dem Ausland ist dabei. So hat vor vielen Jahren unser grüner Ex-Bundesaußenminister Joschka Fischer wohl eine seiner (sind es jetzt schon) sieben Ehen in Gretna Green geschlossen.

Deutschlandhalle Berlin – Emerson, Lake & Palmer 1972

Im Juni 1972, also vor fast 40 Jahren, war ich mit meinem Ausbildungslehrgang für fünf Tage in Berlin. Berlin war in den 70er und 80er Jahren sehr beliebt für solche Lehrgangs- und Klassenfahrten, da es durch die besondere Lage West-Berlins ziemlich hohe Zuschüsse für solche Fahrten gab. Dafür musste man sich aber mindestens einen längeren Vortrag über die Stadt im Umfeld der DDR anhören.

Emerson, Lake & Palmer: Deutschlandhalle 06.06.1972

In dieser Woche nun, gab es gleich zwei Konzerte von Emerson. Lake & Palmer (ELP) in der Stadt, eines in der Deutschlandhalle und eines draußen unter freiem Himmel in der Waldbühne. ELP war eine Supergroup des Progressive Rocks und besonders durch die Keyboards von Keith Emerson geprägt. Dieser neigte gewissermaßen zum Größenwahn, was sich nicht nur in einer übergroßen PA-Anlage und unzähligen Tasteninstrumenten auf der Bühne zeigte, sondern auch in seinem Vortrag. Trotzdem war es natürlich beeindruckend, die drei live mitzuerleben. Aus dem umfangreichen Gesamtwerk der Gruppe ragt das Livealbum Pictures At An Exhibition heraus, auf dem ELP die Bilder einer Ausstellung des russischen Komponisten Modest Mussorgski neu interpretierten.


EMERSON LAKE & PALMER (ELP) – Knife Edge


Emerson, Lake & Palmer Pictures at an Exhibition (Part 2 of 4) 12-9-70 Lyceum

Sowohl die Waldbühne wie auch die Deutschlandhalle, 1935 „größte Mehrzweckhalle der Welt“, stammen aus der Zeit des Nationalsozialismus und wurden zu den Olympischen Spielen 1936 gebaut. Die Deutschlandhalle wurde 1943 nach einem Luftangriff zerstört, nach dem zweiten Weltkrieg aber wieder aufgebaut. Obwohl die Halle unter Denkmalschutz steht, soll sie nun endgültig abgerissen werden. Mit der Sprengung der Hallendecke am 3. Dezember 2011 begann die letzte Phase der Abrissarbeiten.

Die 117 Meter lange und 83 Meter breite Stahlkonstruktion bot Platz für bis zu 10.000 Zuschauer; unter Ausnutzung des Innenraums passten bis zu 16.000 Menschen hinein. Zuvor war ich in keiner größeren Halle gewesen; empfand die Halle zwar als zweckmäßig, aber auch als reichlich steril. Die Akustik war für eine solche Halle nicht allzu schlecht. Nun ich war nur einmal in der Halle, an diesem besagten 6. Juni 1972, aber wenn man vom Abriss eines solchen Gebäudes hört, dann erinnert man sich doch an die alten Tage. Immerhin fanden neben dem ELP-Konzert hier auch viele andere Rock-Konzerte statt, so auch dreimal mit Jethro Tull: am 24. Januar 1971 zuerst, dann am 18. Januar 1972 und nochmals am 5. April 1982.


Sprengung des Dachs der Deutschlandhalle

Hier noch eine Audio-Aufnahme von einem Konzert mit Jim Hendrix vom 4. September 1970 – eben in dieser Deutschlandhalle:


Audio Recorded Love JIMI Live @ The ‚Super Concert 70‘, Deutschlandhalle, Berlin (West), Germany on September 4th 1970

Zlatá Praha (3): Prag 1982 – Bier und Kafka

Die Reise nach Prag im April 1982 könnte man als eine Tour auf den Spuren trinkbarer Erzeugnisse Pilsener Brauart bezeichnen. Auch wandelten wir in Prag auf Kafkas Spuren. Auf der Anreise machten wir Halt in Nürnberg und in Pilsen (siehe Zlatá Praha (2): Hinfahrt nach Prag 1982). Am Dienstag, den 6. April 1982 kamen dann mein Freund und ich mit unseren Rucksäcken auf den Rücken gegen 14 Uhr am Prager Hauptbahnhof (Praha hlavní nádraží) an.

Wie schon in Pilsen so war es vor 30 Jahren auch in Prag ein Problem, eine preiswerte Unterkunft zu finden. Zunächst versuchten wir es bei Čedok, einem verstaatlichten (1990 wieder privatisierten) Reiseunternehmen, das damals auch Hotels in Prag anbot. Das mit 380 Kronen (Kcs.) angeblich billigste Zimmer (fast 100 DM) war uns leider schon zu teuer. Wir versuchten es dann selbst und grasten einige Hotels in der Hybernska nahe dem Hauptbahnhof ab. Über Umwege kamen wir dann zu Pragotur, die ab 17 Uhr auch Privatunterkünfte vermittelten, was uns nicht nur preislich entgegenkam. So machten wir uns also auf, fuhren mit der Metro bis zur Station Hradčanská und von dort acht Stationen mit der Straßenbahn der Linie 20 auf der anderen Seite westlich der Moldau in Richtung Petřin(y). Ich habe versucht die Straße Dostálova ausfindig zu machen, aber wahrscheinlich wurde diese inzwischen umbenannt. Auf jeden Fall muss sich unser Quartier in der Nähe der Haltestelle Anděl am Ende der Štefánikova befunden haben. Gegen 18 Uhr trafen wir bei Magda und Václav M. ein, die uns herzlich begrüßten und uns gewissermaßen ihre gute Stube als Unterkunft überließen. Nachdem wir uns frisch gemacht hatten, kehrten wir in die Innenstadt zurück und aßen im Hotel Palace (heute ein 5-Sterne-Hotel) beim Wenzelsplatz (Václavské náměstí) zu Abend.

Privatunterkunft in Prag 6

Križovnická (Kreuzherrengasse)

Privatunterkunft in Prag 6

Křižovnická (Kreuzherrengasse)

U Fleku - Kremencova 11

U Fleků – Křemencova 11

Am Mittwoch, den 7. April 1982 ging es zunächst auf den Hradschin mit der Prager Burg und dem Veitsdom. Leider stellte sich das alles als Baustelle dar, sodass wir schon bald in Richtung Altstadt liefen. Heute dürfte das alles ‚besucherfreundlicher’ sein. Die Route in die Altstadt habe ich grob zusammengestellt:


Größere Kartenansicht
(A) Nerudova – (B) Křižovnická (Kreuzherrengasse) – (C) Kaprova – (D) Wenzelsplatz/ Národní – (E) Křemencova (U Fleků)

In der Nerudova westlich der Moldau tranken wir in einer Kneipe erst einmal zwei Prager Bierchen und kamen mit jungen englischen Touristen ins Gespräch, die ebenfalls über Pragotur eine preiswerte Unterkunft gefunden hatten. Sie beneideten uns wegen der oft guten Deutschkenntnisse der Prager. Mit Englisch kamen sie damals nicht allzu weit.

Anschließend gingen wir über die Karlsbrücke in die Altstadt – u.a. die Křižovnická (Kreuzherrengasse) längst -, dort noch einmal über den Wenzelsplatz und abends dann kehrten wir ins U Fleků in der Křemencova 11 ein. Heute ist das ein beliebtes Ziel von Touristen, die hier teilweise sogar busweise angekarrt werden. Schon vor dreißig Jahren war das Restaurant sehr voll gewesen. Zu dunklem Flekbier aßen wir zuerst einen böhmischen Schweinebraten mit Knödeln und Kraut; später gönnten wir uns noch eine Schlachtplatte u.a. mit Prager Schinken – alles zu annehmbaren Preisen; das Flekbier kostete damals 5 Kronen (also etwas weniger als 1,20 DM). Gegen 22 Uhr brachen wir wieder auf zurück in unsere Unterkunft.

Am Donnerstag, den 8. April 1982, besuchten wir im Hradschin das Museum für tschechische Literatur (Památník národního písemnictví – die Bibliothek war leider geschlossen) in der Strahovské nádvoří 1, da es draußen regnete und stürmte. Es gab einiges zu Jan Hus zu sehen, außerdem eine Ausstellung mit Buchillustrationen (Thomas Mann, Franz Kafka und u.a. zu den „Brémski muzikanti“). Als das Wetter sich etwas besserte, gingen wir wieder über die Karlsbrücke in die Altstadt.

Nun Ostern stand ja vor der Tür und so boten einige Tage vor Ostern Frauen am Ausgang der Karlsbrücke handbemalte Eier an, das Stück für 5 Kronen (knapp 1,20 DM). In Tschechien hat das Bemalen der Ostereier („kraslice“) eine lange Tradition. In christlicher Symbolik steht das Ei u.a. für Fruchtbarkeit und Auferstehung. Und diese Eier waren wirklich mit viel Liebe und handwerklichem Können gefertigt. Ich habe mir damals gleich ein halbes Dutzend dieser Eier für meine Familie gekauft. Leider sind diese im Laufe der Jahre alle zu Bruch gegangen. Das folgende Bild zeigt aber, wie diese Eier aus Prag (sie waren allerdings alle nur in roter Farbe) in etwa aussahen:

    Ostereier aus Prag

Außerdem sahen wir viele Jungen oder Eltern mit Weidenruten durch die Straßen gehen: „Nicht ganz so verbreitet wie das Eierbemalen ist der Brauch junger Männer, am Ostermontag mit selbstgeflochtenen Weidenruten Mädchen zu versohlen. Dies ist nicht unbedingt als Strafaktion zu verstehen, soll doch symbolisch die Lebenskraft des Baumes auf den Menschen übergehen. Dennoch setzen sich die Mädchen verständlicherweise zur Wehr, entweder mit Wasserkübeln oder indem sie den Jungs verzierte Eier schenken.“ (Quelle: prag-cityguide.de)

Von der Karlsbrücke gingen wir diesmal die Karlova entlang zum Altstädter Ring, sahen hier am Altstädter Rathaus die Astronomische Uhr – es war gerade 13 Uhr und wir konnten sie schlagen hören. Neben dem Jan Hus-Denkmal und dem Geburtstaghaus Kafkas warfen wir dann noch einen Blick auf den alten Jüdischen Friedhof, der leider nicht zugänglich war. In der Straße Na Příkopě beim Platz der Republik (náměstí Republiky) schauten wir dann noch in das damals größte Kaufhaus der ČSSR hinein.

Abends dann kehrten wir in der Maislova im „U Golema“ (Beim Golem) ein. Hier aßen wir nach jüdischer Art und gönnten uns statt Bier einmal einen halbwegs trinkbaren Rotwein. Alles allerdings nicht gerade preiswert. Das Restaurant heißt nach der Figur aus der jüdischen Legende, die aus Ton bestand und zum Leben erweckt wurde (siehe auch: Gustav Meyrink: Der Golem).

Abends guckten wir dann beim Bahnhof noch einmal vorbei, um zu schauen, wann unser Zug zurück nach Deutschland fuhr. Dabei lernten wir in der Bahnhofsgaststätte noch einen Typen kennen, Alois R. aus Zdounky, mit dem wir uns noch längere Zeit unterhielten, wenn auch mehr mit Händen und Gesten anstatt mit Worten. Dann ging es zurück in unsere Unterkunft.

Am Freitag (Karfreitag), den 9. April 1982 verabschiedeten wir uns bei unseren Gastgebern, die uns noch mit Kuchen, Kaffee u.a. für die Rückreise versorgten. Es war ein Händeschütteln ohne Ende. Die Tochter, die in der Schule Deutsch lernte und uns so für ihre Eltern dolmetschte, spielte noch etwas auf der Heimorgel zum Abschied, so als gingen alte Bekannte. Der Zug fuhr pünktlich um 11 Uhr 25 über Marienbad und Pilsen los, und obwohl er brechendvoll war, bekamen wir noch zwei Fensterplätze. In Cheb an der Grenze gegen 15 Uhr 30 wurde der Zug dann aber auch schlagartig leer. Von hier fuhren wir über Schirnding nach Marktredwitz. Unterwegs schneite es einwenig. In Marktredwitz übernachteten wir in einer Jugendherberge, die es heute nicht mehr gibt. Kein Wunder, denn vor dreißig Jahren waren wir zur Osterzeit die einzigsten Gäste. Am folgenden Tag ging es dann durch eine Winterlandschaft und bei Schneegestöber mit dem Zug Richtung Schnabelwald, anschließend nach Nürnberg, wo wir noch eine Nacht blieben, diesmal in der Nähe des Hauptbahnhofes in der Luitpoldstraße im Hotel Probst. In einem Braukeller gönnten wir uns zum Bier Spannferkel. Abends besuchten wir dann noch das Nürnberger Volksfest, um uns doch wenigstens einmal eine Maß Bier zu erlauben – und gerieten in ein wildes, abenteuerliches Durcheinander. Zum Einen waren nach einem Fußballspiel Fans der gegnerischen Mannschaften (DFB-Halbfinale HSV und 1. FC Nürnberg) im Festzelt eingetroffen und meinten, den Wettkampf ihrer Mannschaften hier handfest fortsetzen zu müssen. Zum Anderen waren jede Menge angetrunkener Amerikaner zugegen, die in ihrem Zustand zusätzlich für eine wilde Stimmung sorgten. Ein besonders Schlauer meinte, einer Serviererin von hinten an ihre Oberweite greifen zu müssen, was ihm schlecht bekam. Als dann die gläsernen Maßkrüge durch die Lüfte flogen, machten wir uns aus dem Staub, schließlich wollten wir am folgenden noch heil nach Hause kommen. Das Zelt wurde dann von der Polizei geräumt. Am Sonntag, den 11. April 1982 ging es dann mit dem Intercity zurück nach Hause.

In wenigen Tagen liegt diese Reise nun schon 30 Jahre zurück. So wie damals würde ich heute nicht mehr reisen wollen. Aber gerade dadurch, dass wir den Kontakt mit den ‚Einheimischen’ nicht scheuten, bekam die Reise ihren besonderen Reiz. – Fotos habe ich damals natürlich auch gemacht. Allerdings hat das entsprechende Fotoalbum ganz hinten in der Abseite im Dachzimmer seinen Platz gefunden und es bräuchte lange Zeit, es dort auszugraben. Ich denke, es gibt im Internet reichlich viele, sicherlich auch gelungenere Schnappschüsse aus Prag. – Was mich eigentlich heute noch erstaunt, war die außergewöhnliche Gastfreundschaft der Tschechen. Eigentlich hatten sie keinen Grund, uns Deutsche zu mögen. Auf Radtouren über die niederländische Grenze hinweg viele Jahre zuvor habe ich erleben müssen, wie wir als jugendliche Deutsche mit Verachtung und dummen Sprüchen gestraft wurden. Die Tschechen waren da ganz anders. Sie verstanden, dass wir als junge Menschen nichts mit den Verbrechen einer früheren Generation zu tun hatten. Vielleicht lag es auch an uns, die sich immer aufgeschlossen und gleichsam freundlich zeigten. Prag steht bei mir auf jeden Fall nach so vielen Jahren wieder ganz oben auf dem Zettel. Vielleicht werde ich spätestens im nächsten Jahr mit meinen Lieben Prag besuchen. Vielleicht auch wieder zur Osterzeit. Zlatá Praha, goldenes Prag!

siehe auch: Zlatá Praha (1)

Zlatá Praha (2): Hinfahrt nach Prag 1982

In der Vorosterzeit 1982, also vor genau 30 Jahren, fuhr ich mit einem Freund über Würzburg, Nürnberg, Karlsbad (Karlovy Vary) und Pilsen (Plzeň) nach Prag. Auf der Rückreise machten wir in Marktredwitz Halt. Das war eine ganz schön ‚harte’ Tour, aber auch sehr interessant und heute so nicht mehr möglich.

Die Reise könnte man als eine Tour auf den Spuren trinkbarer Erzeugnisse Pilsener Brauart bezeichnen. Auch wandelten wir in Prag auf Kafkas Spuren. Von Bremen kommend, am Freitag, den 2. April 1982 ging es mit dem Zug um 16 Uhr 08 los, machten wir zunächst Halt in Würzburg, um in der dortigen Bahnhofsgaststätte im Hauptbahnhof (es muss sich wohl um das Restaurant „Bürgerstuben“ gehandelt haben, das es heute nicht mehr gibt) ein „Würzburger Hofbräu“ zu genießen. Da wir in Würzburg erst kurz vor 21 Uhr ankamen, entschlossen wir uns, in der Stadt eine Unterkunft zu suchen.

Am nächsten Tag (Samstag, den 3. April 1982) ging er dann kurz vor Mittag weiter nach Nürnberg, wo wir etwas außerhalb der Stadtmitte ein Zimmer suchten und in der Pillenreuther Straße (Gasthof Cramer-Klett) preiswert findig wurden. Heute gibt es den Gasthof auch schon nicht mehr, dafür hat sich ein Cafe mit Billard in der Gaststube breit gemacht. Den späten Nachmittag verbrachten wir im Biergarten des Restaurant Burgwächter gleich bei der Nürnberger Burg. Dort kamen wir auch gleich ins Gespräch mit ‚Einheimischen’ (u.a. an Tina und Hubert kann ich mich erinnern), die uns dann zum Essen und später sogar zu sich nach Hause in die Meuschelstraße einluden. Das Ganze wurde dann doch etwas sehr feucht-fröhlich, sodass wir uns am nächsten Tag entschieden, noch eine Nacht in Nürnberg zu bleiben.

Leider hatte man in dem Gasthof wegen einer großen Familienfeier kein Zimmer für die kommende Nacht frei. So suchten wir in der Nähe eine andere Unterkunft in der gleichen Straße in der Pension Gerhard (heute Gasthof und Hotel). Den Tag über (Sonntag, den 4. April 1982) ernährten wir uns von Jägerbraten, Zwiebelsuppen, Nürnberger Bratwürsten und Bajuvator, dem dunklen Doppelbockbier der Nürnberger Tucher Brauerei. Ja, es war ja Starkbierzeit (nur zur Info: Die Starkbierzeit 2012 ist, wenn ich das richtig sehe, vom 25.02. bis 31.03. 2012 – geht also immer bis eine Woche vor Ostern – und ich so gönne mir in diesen Tagen ab und wann ein besonders kräftig-malziges Paulaner Salvator). Trotz der Nase im Bierglas ging das Weltgeschehen nicht ganz an uns vorbei: Inzwischen wurde vermeldet, dass argentinische Truppen auf den Falkland-Inseln gelandet wären. Damit begann der Falkland-Krieg.

Endlich am Montag, den 5. April 1982 ging es über die deutsch-tschechoslowakische Grenze. In Nürnberg fuhren wir um 11 Uhr 12 los. In Cheb (deutsch: Eger) kamen wir zum ersten Mal auf den Boden der ČSSR; bis zum Ende 1992 waren Tschechien und die Slowakei ja noch ein Staat (und bis 1990 auch sozialistische Republik). An der Grenze mussten wir pro 30 DM in Kronen tauschen; da wir sechs Tage bleiben wollten, bekamen wir für 180 DM pro Person 778 tschechoslowakische Kronen (Kcs.). Zwangsumtausch nannte man das damals.


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Nürnberg (A) – Prag (E) über Marktredwitz (B), Karlsbad (C) und Pilsen (D)

Bevor wir nach Prag fuhren, wollten wir auf jeden Fall einen Halt in Pilsen, der Mutter aller Pilsner Biere resp. Biere Pilsener Brauart, machen. Die Stadt ist zunächst eine Industriestadt. Denn hier wird nicht nur das berühmte Pilsner Urquell gebraut, sondern es befinden sich hier auch u.a. die Škoda-Werke. In der Ferne sah man schon sich die Schornsteine gen Himmel recken. Gegen 16 Uhr 30 kamen wir an. Die Innenstadt entpuppte sich als nicht allzu attraktiv.

Irgendwie erinnere ich mich an Lautsprecher an Straßen und Plätzen, die sozialistische Propaganda unters Volk brachten. Wir fühlten uns leicht befremdlich – wie in einem falschen Film. Die Suche nach einer preiswerten Unterkunft gestaltete sich schwierig. Aber um es gleich zu sagen: Nirgendwo sonst habe ich so viele hilfsbereite Menschen erlebt, die uns förmlich an Pilsen binden wollten und sich um eine Unterkunft für uns bemühten. Wir sprachen Polizisten an, zu denen sich schnell eine Verkäuferin gesellte, Angestellte der Bahn kamen hinzu; man ging zum nahegelegenen Postamt und telefonierte. Aber für die zwei jungen Typen mit Rucksäcken wollte sich keine günstige Schlafgelegenheit auftun. Dann wurden wir mit einem Auto zu einer Unterkunft der Bahn gebracht; im Foyer hätten wir auf Sesseln die Nacht kostenlos verbringen können, aber das wollten wir weder den Leuten hier, noch uns antun. Am Ende empfahl man uns das Hotel Škoda, ein Zimmer war für uns vorgemerkt – wir mussten nur noch mit der Straßenbahn der Linie 1 ein kurzes Stück fahren, um es am náměstí Českých bratří („Platz der tschechischen Brüder“ oder so – ist zumindest der heutige Name des Platzes) zu finden. Ein Hochhaus, nicht ganz billig, aber okay. So machten wir uns zunächst frisch und dann auf den Weg nach einem trinkbaren Pilsner. Wir fanden bald eine halbwegs gemütliche Kneipe, in der der halbe Liter umgerechnet 50 Pfennige kostete (was auch vor 30 Jahren schon spottbillig war), trinkbares Bier, wenn’s auch kein Pilsner Urquell war. Und der Hammer: Der Wirt wollte uns mit zwei Mädels verkuppeln. Das war uns fürs erste dann doch zu viel der ‚Gastfreundschaft’. Wir waren ja hier nicht als Sextouristen angereist, sondern wegen des Bieres (und auch, um auf Kafkas Spuren zu wandeln). Im Hotel spielte dann noch eine Tanzkapelle, nur tanzte keiner, dafür wir … nämlich bald ab ins Bett, nachdem wir aber noch unser Pilsner Urquell bekommen hatten (das Bier für nicht mehr ganz so preiswerte 5 Kcs.).

Am Dienstag, den 6. April 1982 war es dann endlich soweit. Nach einem guten Frühstück liefen wir zu Fuß zum Hauptbahnhof von Pilsen (Plzeň hlavní nádraží) zurück. Mit unseren Rucksäcken auf den Buckeln waren wir gewissermaßen die große Sensation in Pilsen an diesem Tag. Dann ging es mit einem Bummelzug endlich Richtung Prag, wo wir gegen 14 Uhr am Prager Hauptbahnhof ankamen. Die Gegend unterwegs gefiel uns schon einmal ganz gut, besonders Karlštejn mit seiner Burg.

Fortsetzung folgt: Zlatá Praha (3): Prag 1982 – Bier und Kafka

Klaus Wagenbach: Franz Kafka – Bilder aus seinem Leben

Er selbst nennt sich „dienstälteste Kafka-Witwe“ und beschäftigt sich seit 1950 mit Franz Kafka: Klaus Wagenbach, Gründer des Verlags seines Namens, ein kleiner, aber feiner Verlag, dessen literarischer Schwerpunkt Italien ist. Neben seiner Forschung weist Wagenbach die wohl weltweit größte Sammlung an Dokumenten zu Kafka auf. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er einen Großteil der Fotosammlung zu Kafka in einem Buch veröffentlicht hat.

Klaus Wagenbach: Franz Kafka - Bilder aus seinem Leben

Klaus Wagenbach: Franz Kafka - Bilder aus seinem Leben

Klaus Wagenbach: Franz Kafka – Bilder aus seinem Leben

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1983

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2008
veränderte und erweiterte Ausgabe

Ich habe eine broschierte Ausgabe aus dem Jahre 1983 (ISBN 3 8031 3509 5) vorliegen, damals für 29,80 DM erstanden. Inzwischen gibt es eine gebundene, veränderte und sicherlich um viele Fotos erweiterte Ausgabe für 39 € (letzter Stand: 22. April 2008). Neben diesem Bilderbuch hat Klaus Wagenbach Kafka-Lesebücher und auch eine Biografie als Monografie über den Prager Dichter veröffentlicht: Wagenbach: Kafka

„Über fünfhundert, zum größten Teil bislang unbekannte Bilder aus dem Leben des Schriftstellers, der den stärksten Einfluß auf die heutige Literatur ausübte. Ein Lesebuch mit Bildern. Ein Bilderbuch zum Lesen.“ (aus dem Klappentext zur Ausgabe 1983)

Dieser Bildband ist ein absolutes Muss für jeden, der sich halbwegs ernsthaft für Franz Kafka interessiert und ist in seiner Art unerreicht, so sehr mir die beiden anderen Bildbände Jiří Gruša: Franz Kafka aus Prag und Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört auch gefallen. Es erstaunt mich immer wieder, was Klaus Wagenbach hier mit viel Liebe zum Detail zusammengetragen hat. Wie schön, dass es noch so viele Fotos mit Franz Kafka im Mittelpunkt gibt. Dazu gibt uns Wagenbach alle notwendigen Informationen. Ansonsten darf und kann man die Bilder als solches auf sich wirken lassen. Und immer wieder in dem Bildband stöbern.

Ich mag alte Fotografien, die uns ein Tor zu einer längst vergangenen Zeit aufstoßen, so wie z.B. das Foto meiner Mutter als Kind (Die Kinder von der Schnurgass‘), dass nun auch schon fast 90 Jahre alt sein dürfte. Und mit den Fotos aus Wagenbachs Kafka-Bilderband kommen wir durch das Eintauchen in eine andere, alte Zeit auch dem Menschen Kafka um einiges näher.

Um gewissermaßen auch meinen kleinen Beitrag zum Thema Kafka & Prag zu leisten, habe ich aus den drei genannten Bilderbänden Kafkas Prager Anschriften zusammengestellt. Hierzu gibt es in den Band von Klaus Wagenbach eine sehr schöne grafische Übersicht, anhand der ich die heutigen (tschechischen) Straßennamen ausfindig gemacht habe. Hier nun einen Auszug aus dem Prager Stadtplan (Teile der Altstadt – dank mapy.cz), der die dort bestandenen Wohnanschriften Kafkas aufführt (die Nummern entsprechen den Nummern in der Wagenbach-Übersicht):

Prag (heute) mit Kafkas Adressen in der Altstadt


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(3) Geburtshaus von Franz Kafka (Geburt am 3. Juli 1883) – Haus „Zum Turm“ (27/I) – Ecke Enge Gasse (später Maiselgasse)/Karpfengasse (heute: Maiselova/Kaprova) – das Haus wurde 1897/98 abgerissen, das Portal blieb erhalten – die Straße hieß zwischenzeitlich Rathausgasse (U Radnice), heute: Náměstí Franze Kafky (Franz Kafka Platz), Praha, Česká republika

1885-1888 ist Kafka dann mit den Eltern noch dreimal umgezogen: Wenzelsplatz 56, Geistgasse V/187 und Niklasstraße 6, alle Häuser sind abgerissen (lt. Wagenbach).

08/1888-05/1889 „Sixt“-Haus in der Zeltnergasse 2 (heute: Celetná)

06/1889-09/1896 (4) Haus „Minuta“ – Kleiner Altstädter Ring 2 (heute: Malé Náměstí)

09/1897-06/1907 (7) Haus „Zu den drei Königen“ – auch Geschäft des Vaters bis 1906 in der Zeltnergasse 3 (heute: Celetná)

— 1906-1912 (8) Geschäft des Vaters in der Zeltnergasse 12 (Celetná)

— ab 1912 (6) Geschäft des Vaters im Kinsky-Palais (Staroměstské Náměstí)

06/1907-11/1913 Haus „Zum Schiff“ in der Niklasstraße 36 (heute: Pařížská) – Haus ist nicht erhalten

11/1913-07/1914 (14) Oppelthaus am Altstädter Ring 6 (heute: Staroměstské Náměstí 5)

ab 03.08.1914 für vier Wochen (12) Bilekgasse 10 (heute: Bílkova) bei Schwester Valli

09/1914-09.02.1915 Nerudagasse 48 (Polská) bei der Schwester Elli im Stadtteil Vinohrady

10.02.-15.03.1915 nochmals (12) Bilekgasse 10 (heute: Bílkova) in eigener Wohnung

ab 15.03.1915-28.02.1917 (lt. Wagenbach) (13) Haus „Zum goldenen Hecht“ in der Langenstraße 18 (heute Dlouhá 16), hier hatte Kafka ein eigenes Zimmer


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Winter 1916/1917 Alchemistengasse (auch: (Goldmachergässchen)) Nr. 22 (heute: Zlatá ulička u Daliborky)

03-08/1917 Schönborn-Palais in der Marktgasse 15 (heute: Tržiště), heute Sitz der US-Botschaft


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zuletzt 05/1918-1924 (14) wieder Oppelthaus am Altstädter Ring 6 (heute: Staroměstské Náměstí 5), Franz Kafkas letzter Wohnsitz in Prag

Wer sich also einmal nach Prag aufmachen sollte, dem empfehle ich, auf den Spuren auch von Franz Kafka zu wandeln. In der Altstadt rund um den Altstädter Ring gibt es natürlich noch vieles mehr zu sehen. Und in der Maiselova 62/8 (unweit des Geburtshauses von Kafka) gibt es das Restaurant U Golema, um sich dort zu stärken.

Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört

„… ich winde mich auf meinem Liegestuhl fast in Krämpfen, … in den Schläfen bohrt sich jedes Wort ein, die Folge dieser Nervenzerrüttung ist, daß ich auch in der Nacht nicht schlafe“, klagt er, „… fast scheint es mir manchmal, daß es das Leben ist, das mich stört; wie könnte mich denn sonst alles stören?“

(Franz Kafka, Brief an Max Brod vom 24.01.1921, Lungenheilsanatorium Matliary, Villa Tatra, siehe Briefe 1902-1924, S. 288)

Eigentlich bin ich kein Voyeur, der sich in das Privatleben eines Schriftstellers zu schleichen wünscht. Manchmal finde ich es schon erschreckend, wie sehr gerade das Privatleben Kafkas, wenn auch (fast) immer sehr dezent, in unzähligen Büchern über ihn vor dem Leser ausgebreitet wird. Aber Kafka ist ein Phänomen, sowohl als Schriftsteller als eben auch als Mensch. Und wer sich etwas mit dem Menschen Kafka beschäftigt hat, versteht vielleicht eher die Erzählungen und Romane des Prager Dichters, die heute eindeutig zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur gehören. Vielleicht ist daher Kafka gewissermaßen gemeinfrei.

Neben Jirí Gruša: Franz Kafka aus Prag habe ich jetzt Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört. Eine Dokumentation zu Kafkas letzten Jahren 1917 – 1924 – Medusa Verlag – Wien-Berlin, 1984 – ISBN 3-85446-094-5 durchgeblättert. In Grušas Fotoband lernen wir das Prag Kafkas kennen, jene Stadt, die Kafka nicht los ließ: „Dieses Mütterchen hat Krallen.“ In der Dokumentation zu Kafkas letzten Lebensjahren gelingt es ihm nun, den Krallen zu entkommen. Endlich, aber um welchen Preis:

„Sein Gehirn habe ‚die ihm auferlegten Sorgen und Schmerzen’ nicht mehr allein tragen können, schreibt Franz Kafka an Milena Jesenská; es habe sich daher an die Lunge gewandt, mit der Bitte, einen Teil der Last zu übernehmen … ‚und so wird es noch ein Weilchen gehen.’ Von den sieben Jahren, die die Lunge half, die Last zu tragen, berichtet dieses Buch.

Über dem, was Kafka an der Welt und am Leben zu leiden hatte, tritt das Physische in den Hintergrund; Kafka als ‚Patient’, als ‚klinische Fall’ ist eine Reduktion, die sinnvoll sein mag, wenn es gilt, die Biographie um einige Facetten zu bereichern. Der Dichter hat, wie er sagt, die Tuberkulose selbst ‚herbeigerufen’; zunächst schien sie ihm kaum Bedrohung, sondern im Gegenteil Befreiung von Verpflichtungen – gegenüber Beruf, Eltern, der Braut Felice Bauer (die Krankheit war Vorwand für die zweite Entlobung). So fühlt es sich denn auch nach dem ersten heftigeren Blutsturz im August 1917 ‚besser als sonst’ und lehnt ärztliche Überwachung und einen Kuraufenthalt ab. Die Krankheit aber begnügt sich nicht damit, alles Leiden in einem Punkt zu konzentrieren; sie schreitet fort und wird selbst zur Verpflichtung, vor der nicht mehr auszuweichen ist.

Die nächsten drei Jahre nimmt Kafka mehrere Krankenurlaube, verbringt sie auf dem Land, in Zürau, Schelesen, Turnau, im Frühjahr 1920 drei Monate in Meran. Ende 1920 sieht er sich gezwungen, für neun Monate das Sanatorium Matliary in der Hohen Tatra [Bild siehe unten] aufzusuchen; am Ende stehen Todesahnung und die Worte: ‚… es ist kein Platz mehr für einen neuen Versuch … kein Versuch mehr bedeutet Ende.’

1922 wird er frühpensioniert; von einem letzten Ausbruchsversuch nach Berlin kehrt er im März 1924 todkrank nach Prag zurück, geht von dort jeweils für kurze Zeit ins Sanatorium Wienerwald, an die Hals-Nasen-Ohrenklinik des Allgemeinen Krankenhauses in Wien (Klinik Hajek), schließlich in die Lungenheilstätte Kierling bei Klosterneuburg, wo er am 3. Juni 1924 an Kehlkopftuberkulose stirbt.

Die Orte, die er aufgesucht, die Menschen, die Kafka während der letzten Jahre seines Lebens umgeben haben, sind auf nahezu 300 Bildern zu betrachten. Zum Großteil noch nicht veröffentlicht und in mühsamer Recherchierarbeit zusammengetragen, illustrieren sie den äußeren Ablauf der Krankheit, vor allem das bisher noch wenig dokumentierte Ambiente der Sanatorien (Matliary, Wienerwald, Kierling) mit Mitpatienten und Ärzten. Der Autorin ist es nicht nur gelungen, ein Porträt Robert Klopstocks zu finden, des Freundes der letzten Zeit, der Kafkas Sterben sah, sie hat auch im Allgemeinen Krankenhaus in Wien die verloren geglaubte Krankengeschichte des Dichters entdeckt, die hier erstmals publiziert wird.

Rotraut Hackermüller, geb. 1943 in Wien, Lehrerin, Autorin von zwei Lyrikbänden und Erzählungen, Essays usw., die in zahlreichen in- und ausländischen Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht wurden. Verschiedene Auszeichnungen.“
(aus dem Klappentext zum Bilderband)

Rotraut Hackermüller: Das Leben, das mich stört – Kafkas letzte Jahre 1917-1924 – Umschlagfoto: Warteraum der Klinik Hajek, Wien

Matliary in der Hohen Tatra (rechts Villa Tatra) – Sanatorium – Aufenthalt von Franz Kafka von Dez. 1920 – Aug. 1921

Franz Kafka (etwa 1923/24) – Dora Diamant (1928)

Dieser Bildband ist natürlich etwas mehr als ein Krankenbericht, dürfte aber in erster Linie den Leser interessieren, der sich noch etwas mehr mit Kafka beschäftigt. Allerdings sind allein auch die Fotografien von einem besonderen Reiz. Leider ist dieses Buch nicht wieder neu aufgelegt worden und so nur im Antiquariat erhältlich. Zur Kranken- und Leidensgeschichte habe ich so die wichtigsten Stationen von Kafkas letzten Jahren in einer Übersicht zusammengefasst:


Wohnung von Franz Kafka mit Dora Diamant vom 15.11.1923 – 01.02.1924 in Berlin-Steglitz, Grunewaldstraße 13 (mit Gedanktafel)

Sept. 1917 – April 1918 Zürau bei der Schwester Ottla
Sept. 1918 Turnau (Nordböhmen) für einige Tage
Nov. 1918 – März 1919 Schelesen bei Liboch
Apr. – Juni 1920 Meran
Meran-Untermais (Pension Ottoburg)
Schloß Friedland in Böhmen
Ende Juni/Anfang Juli 1920 Wien – Treffen mit Milena
Cafe Central (Arkadenhof)
Cafe Herrenhof (Herrengasse 10)
Aug. 1920 Gemünd (Grenze Österreich/Tschechien) Treffen mit Milena
Dez. 1920 – Aug. 1921 Matliary/Hohe Tatra (in Lamnitz/Tatranske Komnica von der Bahn abgeholt)
Villa Tatra
Tschirmer See
dann wieder in Prag
Juni-Sept. 1922 Planá an der Luschnitz
Mai 1923 Dobřichovice für einige Tage
Juni-Sept. 1923 Ostseebad Müritz mit Schwester Elli
Kennenlernen von Dora Diamant (Dymant)
Zwischenhalt in Berlin
wieder in Prag
einige Tage in Schelesen
ab 24.09.1923 Berlin-Steglitz, Miquelstraße 8
15.11.1923 – 01.02.1924 Berlin-Steglitz, Grunewaldstraße 13
ab 01.02.1924 Berlin-Zehlendorf, Heidestraße 25-26
bei der Witwe von Dr. Carl Busse
17.03.1924 zurück nach Prag (mit Max Brod)
05.04. – 10.04.1924 über Bahnstation Pernitz (Niederösterreich) ins Sanatorium Wienerwald im Feichtenbachtal
(75 km südl. von Wien)
anschl. Klinik Hajek, Wien IX, Lazarettgasse 14
Laryngologische Klinik
ab 19.04.1924 Kierling (Hauptstraße 187) bei Klosterneuberg
(15 km von Wien)
Privatsanatorium Dr. Hoffmann
03.06.1924 Tod Franz Kafkas in der Mittagszeit


Sterbeort Kranz Kafkas (3. Juni 1924): Kierling (Hauptstraße 187) bei Klosterneuberg – Privatsanatorium Dr. Hoffmann

Während eines Aufenthaltes im Ostseebad Müritz (heute Graal-Müritz) mit seiner Schwester Elli lernte Franz Kafka im Sommer 1923 Dora Diamant kennen, die ihn dann bis zu seinem Ende zu Seite stand und pflegte. Dora Diamant (jiddisch: Dymant) wurde am 4. März 1898 in Pabianice nahe Lódz (Polen) geboren. Ihr Vater war Hersch Aron Dymant (geb. 1874), ein gelehrter Anhänger des Chassidismus; ihre Mutter Friedel (geb. 1873) starb bereits, als Dora etwa acht Jahre alt war. Es ist eine ganz besondere Liebesgeschichte, die in diesem Bilderband endlich die Erwähnung findet, die sie verdient:

„Nun scheint ihm Dora endlich das Gefühl zu geben, dem Anspruch an das Glück zu genügen, denn dort, wo er nun zwangsweise versagen muß, entschuldigt ihn die Krankheit, so daß er ohne Angst erleben kann, wonach er sich sehnt. Doras aufopfernde Pflege, ihre mütterliche Wärme, Selbstlosigkeit und ihre bedingungslose Bereitschaft, ihr Leben mit dem Schwerkranken zu teilen, sind Ausdruck einer Seelengröße, die alles Leid überstrahlt. Max [Brod] ist überzeugt davon, daß diese beiden Menschen ‚ganz wundervoll’ zusammenpassen. Gerührt beobachtet er ihr verspieltes ‚Familienbad’, das gleichsam zur symbolischen Handlung wird, wenn sie gemeinsam ihre Hände in dasselbe Waschbecken tauchen.“ (S. 142)

Noch kurz vor dem Tode Franz Kafkas veröffentlichte der Kurt Wolff Verlag im Prager Tagblatt vom 20.4.1924 folgende Anzeige:

„Drei Prager Dichter … Max Brod … Franz Werfel … Franz Kafka … „

„Das Prager Tagblatt schrieb über Kafka: Daß der Publikumerfolg ausblieb, ist ein Beweis gegen das Publikum. Denn diese Aufzeichnungen traumhafter Begebenheiten sind der selten geglückte Versuch deutscher Literatur, abstrakteste Geschehen konkretest zu sagen. – Stilproben, in denen kein Wort entfallen, keines hinzugesetzt werden dürfte, wenn nicht der Bau zusammenstürzen soll, von allen Ismen freigebliebene peinlich saubere deutsche Prosa: das äußere Gewand. Gebändigte Phantasie, dahinter tausendfache Bedeutung, die man nur ahnen darf.“

Am 3, Juni 1924 zur Mittagszeit starb Franz Kafka: Als sich Klopstock [ein Freund] vom Bett entfernt, um die Spritze zu reinigen, bittet er: „Gehen Sie nicht fort.“ Der Freund beruhigt ihn. „Ich gehe ja nicht fort.“ „Aber ich gehe fort“, erwidert Kafka und schließt die Augen. (lt. Max Brod)

Anton Kuh schrieb in einem Nachruf, den „Die Stunde“ sieben Tage nach Kafkas Tod veröffentlichte:

„… Später werden sie sein Leben … dem Pascals vergleichen; sie werden Zusammenhänge zwischen seinen Dichtung gewordenen Traumberichten und der Psychoanalyse aufdecken; der Name Kleist wird die Vergleiche krönen.
Heute wissen sie sich nicht einmal der Ehre würdig zu erweisen, die dieser aus Prag Stammende Wien antat, in dem er, einen Kilometer von unserer Stadt entfernt, seine letzten Tage verbrachte und starb.
Kierling bei Klosterneuburg ist durch ihn in die Literaturgeschichte gekommen.“ (in Kuh, Anton: Luftlinien, hrsg. Von Ruth Greuner, Wien, 1981 – S. 471)

Kafkas Grab, in dem auch seine Mutter Julie und sein Vater Hermann bestattet sind, befindet sich im Neuen jüdischen Friedhof im früheren Prag-Straschnitz. Das Begräbnis fand am 11. Juni 1924 statt, acht Tage nach Kafkas Tod in Kierling bei Wien. Die hebräische Grabinschrift lautet in deutscher Übersetzung:

Dienstag, Beginn des Monats Siwan 5684, starb [wörtlich: ging in seine Welt] der obengenannte, prachtvolle, unvermählte Mann, unser Lehrer und Meister Anschel, seligen Angedenkens, der Sohn des hochverehrten R. Henoch Kafka, sein Licht möge leuchten. Der Name seiner Mutter ist Jettl. Seine Seele möge eingebunden sein im Bund des ewigen Lebens.

Brauhaus Riegele, Augsburg

Zu meinem Geburtstag bekam ich eine Palette Bier geschenkt, drei Sorten Bier vom Brauhaus Riegele aus Augsburg. Augsburg kenne ich eigentlich nur von der Durchfahrt mit dem Zug nach München her. Da ich bayerische Biere mag, habe ich mich besonders gefreut, zumal ich diese Biere bisher nicht kannte (so viele bayerische Biere gibt es in Norddeutschland – bis auf die bekannten – leider nicht, höchstens in speziellen Läden). Nun ist mein Geburtstag schon einige Zeit her und ich habe alle drei Sorten durchprobiert.

    Brauhaus Riegele, Augsburg: Doppelbock Speziator - Æchtes Dunkel - Kellerbier

Die Starkbiersaison hat eigentlich noch nicht begonnen (in diesem Jahr sollte diese vom 25.02. bis 31.03.2012 gehen, geht meist gut fünf Wochen und endet am Samstag, eine Woche vor Ostern), aber natürlich gibt es einen Doppelbock (dunkel und stark) auch vom Brauhaus Riegele inzwischen ganzjährig, das Speziator mit 7,5 Vol-% (einer Stammwürze über 19 %). Wie meist Starkbiere sind, so hat auch dieses neben einer schönen dunklen Farbe einen kremigen Schaum und ist samtig, süffig-vollmundig im Geschmack. Nach meinem Geschmack vielleicht etwas zu süffig (beim Wein würde man das ‚lieblich’ nennen). Dafür schmeichelt ein dezentes Karamellaroma den Gaumen.

Wirklich lecker findet ich das Riegele Æchtes Dunkel. Mit 4,9 Vol. % (Stammwürze: 13,5 %) ist es ein Mittelgewicht und passt sehr gut zu dunklem Fleisch, Wild oder Käse, also ist gut geeignet zu einem ausgiebigen Abendbrot, einer Brotzeit nach bayerischen Verständnis. Ich liebe das malzige Aroma (das Bier wird mit doppelt gedarrtem naturdunklem Gerstenmalz eingebraut); trotzdem sollte ein Bier dieser Art seinen hopfigen Charakter nicht leugnen. Genau das tut dieses Bier (nicht leugnen!) und mundet so ausgezeichnet.

Das Riegele Kellerbier ist eine unfiltrierte naturtrübe Spezialität mit 5,0 Vol. % (Stammwürze: 13,5%), daher mit einer ausgeprägten Hefeblume und vollmundig fruchtig im Geschmack. Das Kellerbier eignet sich für alle Gelegenheiten, ist nach meinem Geschmack vielleicht einen Hauch zu ‚süffig’.

Wenn ich also einmal Halt in Augsburg machen sollte, dann weiß ich auf jeden Fall, welches Bierchen ich mir zu Gemüte führen werde. Das Brauhaus Riegele produziert natürlich auch jede Menge heller Biere und – wie sollte es für Bayern anders sein: helle und dunkle Weissbiere.