Kategorie-Archiv: Machtgier

Frustrierendes aus Politik und Wirtschaft

50 Jahre deutsch-französische Freundschaft

Am 22. Januar 1963 wurde im Pariser Élysée-Palast der als Élysée-Vertrag bezeichnete deutsch-französische Freundschaftsvertrag von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle unterzeichnet. Dieses Abkommen über die deutsch-französische Zusammenarbeit hat die beiden Nachbarn in Europa nach langer „Erbfeindschaft“ und verlustreichen Kriegen seitdem immer mehr zusammengeführt.

Unterzeichnung des Élysée-Vertrag durch Konrad Adenauer und Charles de Gaulle

Es sollte noch fast zehn weitere Jahre dauern, bis durch Willy Brandts weltweit beachteten Kniefall von Warschau am 7. Dezember 1970 am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1943 die Entspannungspolitik mit dem Osten eingeleitet wurde, die in die Ostverträge mit Polen und der Sowjetunion mündete. Hinzu kam der Grundlagenvertrag mit der DDR.

Neonazi-Laden in Tostedt schließt zum Monatsende

Man mag es kaum glauben, aber Stefan Silar wird mit Ende dieses Monats seinen Neonazi-Laden in Tostedt schließen. Er habe den Mietvertrag aus freien Stücken gekündigt, der Online-Handel gehe nur solange weiter, bis er seine Restbestände los geworden ist. Es brauche auch niemand Angst haben, dass er woanders ein neues Geschäft eröffne, so Silar.

Ist Silar auf dem Weg vom Saulus zum Paulus, wie es die Kreiszeitung – Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt in seiner Ausgabe vom 12. Januar 2013 verkündet?

aus: Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 12. Januar 2013

Zunächst ist die Schließung nicht ganz so freiwillig, wie Silar meint. Der Vermieter, der zuvor vergeblich versucht hatte, die Immobilie, die Silars Ladengeschäft einschließt, zu verkaufen, wird künftig die Räume als Wohnungen nutzen.

Mit Schließung des Ladens dürfte fürs erste der Treffpunkt der rechtsextremen Szene in Tostedt entfallen. Ob damit ‚das Problem’ allerdings auf lange Sicht gelöst ist, muss bezweifelt werden.

Ob nun freiwillig oder nicht – Silar zieht sich als Galionsfigur der rechten Szene in Tostedt zurück. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Sicherlich ist ein Grund die manchmal bitter erfahrene Ausgrenzung Silars und seiner Familie in Tostedt. Natürlich ist es nicht hinzunehmen, wenn ein Kind der Familie Silar auf Betreiben anderer Eltern im Kindergarten isoliert bzw. von anderen Kindern gemieden wird, was ohne Zweifel geschehen ist. Dass man um Herrn Silar selbst einen großen Bogen macht, ist nicht verwunderlich, so lange dieser für ein Gedankengut einsteht, das nicht akzeptabel ist.

Ob nun Herr Silar vielleicht ein in die rechtsextremistische Szene tätiger V-Mann ist, wie ich einmal an anderer Stelle spekuliert habe (Kleinkrieg in Tostedt?), und der jetzt ‚zurück gepfiffen’ wird, erscheint unwahrscheinlich, denn dann hätte er mehr Schaden in Tostedt angerichtet als Nutzen bewirkt. Aber wer weiß das schon. Heute ist vieles möglich, auch das schier Unmögliche.

Was sind also die Gründe? Dazu müsste sich Stefan Silar schon selbst äußern. Von Einsicht oder gar Reue sehe ich bis heute nichts.

Im Zusammenhang mit der Berichterstattung zur Schließung des Neonazi-Ladens wurde ich auf eine Stellungnahme von Herrn Erwin Hilbert aufmerksam gemacht, der „zu einem liebevollen Umgang mit sogenannten ‚schwarzen Schafen’ ermuntern“ möchte. In dem Web-Artikel „LIEBE gegen RECHTS!“ Der etwas andere Umgang mit politisch Andersdenkenden! führt das Erwin Hilbert näher aus.

Nun Erwin Hilbert scheint Herrn Silar sehr gut zu kennen. Ob Stefan Silar und seine Familie die „wunderbaren und wertvollen Menschen“ sind, wie Hilbert behauptet, vermag ich nicht zu beurteilen. Seine Taten sprechen da doch eindeutig gegen ihn. Natürlich gestehe ich ihm zu, sich zu wandeln. Und sicherlich sollte er darin die Unterstützung finden, die man allen ‚Gestrauchelten’ angedeihen lässt. Also nichts gegen christliche Nächstenliebe. Nur fürchte ich, dass Herr Hilbert da einiges zu blauäugig sieht, um es gelinge auszudrücken. Meine Frau hat Herrn Hilbert in seinem Atelier „Hinterm Diekhof!“ in Tostedt kennengelernt und war doch etwas verwundert über ihn. Vielleicht muss man ‚etwas abgedreht’ sein, um Verständnis für Menschen wie Silar entstehen zu lassen. Wahrscheinlich fehlt mir das als ‚Gutbürger’, wie Herr Hilbert etwas kritischer denkende Menschen zu nennen pflegt. Gutbürger = Gutmensch, ein Terminus, den übrigens die rechte Szene gern verhöhnend verwendet.

Stefan Silar, dass sollte doch betont werden, ist kein unbedarfter Mitläufer der Neonazis. Er hat sich aufgeschwungen zu einer regionalen Größe, hat sich als Obernazi feiern und bestaunen lassen – und hat im übrigen durch seinen Laden nicht schlecht daran verdient, ein Neonazi zu sein. Wer ein Gedankengut propagiert, das Menschenverachtung beinhaltet, es tut mir Leid, Herr Hilbert, kann für mich kein wunderbarer Mensch sein. Aber vielleicht steckt in Herrn Silar doch noch einiges Gutes, dass endlich seinen Weg nach Außen zu bahnen sucht. Herr Hilbert, helfen Sie Herrn Silar dabei. Vielleicht zeigt sich Herr Silar eines Tages auch mir und den Bürgern Tostedts als der wertvolle Mensch, den Sie bereits heute in ihm sehen.

Noch eines am Schluss: Ich möchte mich zu einem Kommentar eines M[ichael] Grau in diesem Zusammenhang äußern, den ich so nicht stehen lassen kann: „Auch ist es einfach gegen etwas zu demonstrieren was andere vorgeben.“ Gemeint sind die über 1000 Tostedter Bürger, die im Februar 2012 gegen rechte Gewalt demonstriert hatten. Ich glaube kaum, dass man vielen von denen ‚etwas vorgeben’ muss, um gegen den rechten Spuk auf die Straße zu gehen. Es ist eine Verunglimpfung, die Sie da betreiben, M. Grau, die leider den Gepflogenheiten rechter Kreise sehr ähneln. Eher sind es die Rechten selbst, den von Leute wie Silar und z.B. auch Sebastian Stöber ihre Vorgaben erhalten (haben) und sich als blinde Mitläufer zeigen. Mich mit solchen Leuten verglichen zu sehen, ist dann doch ein sehr starkes Stück.

Zwischen den Jahren 2012 auf 2013

Diesmal hat es mich zwischen den Jahren erwischt: Ich muss die beiden ‚verbleibenden’ Werktage zur Arbeit. Als ‚zwischen den Jahren’ bezeichnet man die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr (die Nächte, die längsten des Jahres, nennt man Raunächte). Aber da ich noch einige Überstunden abzubummeln habe, sind die Tage (gestern und heute) nicht ganz so lang ….

Ein Jahr geht zu Ende, ein neues Jahr steht vor der Tür. Zeit, um auf das zu Ende gehende Jahr zurückzublicken. Aus meiner Sicht war es wieder ein ‚durchwachsenes’ Jahr. Positiv muss man die Wiederwahl Barack Obamas werten. In Syrien dagegen wütet immer noch ein Bürgerkrieg, dem bereits viele Tausend Menschen zum Opfer fielen. Ein Ende der korrupten Wirtschaftspolitik und der Sturz der Baath-Regierung von Präsident Baschar al-Assad ist weiterhin nicht in Sicht. Und Ägypten ist nach dem Sturz Husni Mubaraks ein zerrissenes Land. Europa kämpft weiterhin mit der Euro-Krise.

Im nächsten Jahr stehen diverse Neuwahlen an. Bereits am 20. Januar wählt Niedersachsen einen neuen Landtag. Nach letzten Umfragen dürfte die CDU zwar wieder die stärkste Fraktion bilden, die schwarz-gelbe Koalition unter Ministerpräsident David McAllister sollte aber wohl durch eine rot-grüne Regierung abgelöst werden. Ähnlich verhält es sich im Bund. Die Wahl zum 18. Deutschen Bundestag wird voraussichtlich im September oder Oktober 2013 stattfinden. Eine Fortsetzung der jetzigen Regierung unter Angela Merkel dürfte nur möglich sein, wenn die FDP dann doch noch die 5 %-Hürde schafft.

Auch für mich persönlich hatte dieses Jahr einige Höhen und sicherlich auch einige Tiefen. Die sicherlich schönsten Tage verbrachte ich bereits in der Zeit vor Ostern bei einem erneuten Aufenthalt mit meiner Familie in Grainau. Von solchen Tagen zehre ich immer lange.

Blick vom Zugspitzplatt Ende März 2012

Was nun das neue Jahr tatsächlich bringt, steht in den Sternen. Wichtig ist und bleibt, dass wir auch das neue Jahr gesund überstehen. Daher wünsche ich Euch allen viel Gesundheit für 2013. Alles andere wird sich schon von selbst regulieren.

Drei Herren und neue Denkmäler für Tostedt

Die Samtgemeinde baut ein Polizeidienstgebäude in der Schützenstraße. Innenminister Uwe Schünemann legte den Grundstein (siehe den ganzen Artikel aus abendblatt.de – und auch den Beitrag auf tostedt.de)

    Grundsteinlegung – Polizei Tostedt

v.l.n.r. Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann, Innenminister Uwe Schünemann, Mitglied des Landtages und stellv. Landrat sowie Geflügelzüchter Heiner Schönecke, Polizeipräsident Friedrich Niehörster, 1. Kriminalhauptkommissar Karl Langner und ein Mitarbeiter der Firma Rosebrock (Polier Krause) © bim/kreiszeitung.net

Da haben sich ja die Richtigen zusammengefunden: die Herren Schünemann, Bostelmann und – warum auch immer – Schönecke. Letzterer bestimmt der Schnittchen wegen, die gereicht wurden. Und vielleicht bekam er auch ein Gläschen Grauburgunder oder zwei zum Hinunterspülen. Dirk wird schon mehrere Fläschchen aus dem Rathauskeller ob seines trockenen Halses kredenzt haben („Warum baut die Samtgemeinde Tostedt völlig aufgabenwidrig der Polizei ein neues Dienstgebäude? Dirk Bostelmann bekommt bei dieser Frage einen trockenen Hals: ‚Ich habe schon so oft etwas dazu gesagt, dass mir die Sätze mittlerweile im Hals stecken bleiben’, sagt er und räuspert sich.“ – Grauburgunder hilft gegen trockene Hälse!)

Ja, Anlass der Veranstaltung war die Grundsteinlegung zu einem Polizeidienstgebäude in der Schützenstraße zu Tostedt, das wie erwähnt von der Samtgemeinde Tostedt gebaut und dann an die Polizei vermietet wird. Es ist eines von vielen umstrittenen Bauobjekten der kommenden Zeit – trotz der hohen Verschuldung Tostedts.

Neben einem Neubau einer Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße und eines Parkhauses am Bahnhof für die Pendler ist dann das Polizeigebäude die dritte ‚Investition’ in Immobilien, die unser Samt- und Seidebürgermeister aus dem Hut zu zaubern gedenkt. Dann wird natürlich für ein Freibad nichts mehr bleiben.

Ja, Herr Bostelmann schafft sich Denkmäler. Die Tostedter Bürger werden seiner noch lange nach seiner Amtszeit als Samtgemeindebürgermeister gedenken, wenn sie für die dann noch immer bestehenden Kosten aufkommen dürfen. Apropos Denkmäler! Ich plädiere dafür, dass der Name Bostelmann auch in Zukunft weiterhin in aller Munde bleibt. So sollte man das Polizeigebäude „Dirk Bostelmann-Polizeiwache Tostedt“ taufen. Und die oberste Ebene des Parkhauses vielleicht etwas legerer „Bostelmanns Parkdeck“. Eine Kinderkrippengruppe könnte „Die Bostelmännchen“ heißen. Und auch Herr Feindt (SPD) sollte nicht zu kurz kommen: „Die Feindte“. Immerhin bläst er ins gleiche Horn wie unser Bostelmännchen. Da fragt man sich, warum man in Tostedt auf Kommunalebene überhaupt SPD wählen soll, wenn man gleich die CDU wählen kann.

Nun, ich hoffe der Grauburgunder ist gut bekommen. Die nächsten Grundsteinlegungen sind geplant. Die Firma Werner Behrens Architekten Ingenieure GmbH & Co KG in Rotenburg/Wümme wird’s freuen …

Design for Obama

2008 führte Obama den Wahlkampf der Zukunft. Nie war der Grad des Involvements sowie der kreative Ausstoß seitens der Wähler so hoch, nie zuvor engagierten sich derart viele junge Menschen basisdemokratisch. Auf designforobama.org luden tausende prominente Grafiker, Street Artists, Designer oder Zeichner ihre Plakatentwürfe hoch. Dieser Band hat die besten ausgesucht. Von Shepard Faireys ikonischem Hope-Plakat bis zu Ron Englishs Entwurf von Obama als Abraham Lincoln im Warhol’schen Pop-Art-Stil – eine Sammlung historischer Dokumente. Text Englisch, Deutsch, Französisch. 200 Abbildungen. 182 Seiten. Großformat 24 x 28 cm: Design for Obama

The Incredible Obamas
The Incredible Obamas

siehe auch meine Beiträge: Ry Cooder: Election SpecialRy und ‚Sandy’ sei Dank? Obama bleibt US-Präsident!

Seltsame Methoden

Eigentlich sollte die Politik froh sein, mündige Bürger zu haben. Aber unser Herr Bürgermeister der Samtgemeinde Tostedt, Dirk Bostelmann, hat wohl genug von der Einmischung der Bürger in seine Entscheidungen und die des Samtgemeinderates. Nach einem ersten Bürgerentscheid in Tostedt 2007, in dem die Bürger gegen die zuvor getroffene Entscheidung der Politik votierte, kam der Samtgemeinderat einem weiteren Bürgerentscheid 2010 zuvor und hob einen Ratsbeschlusses zur Rathauserweiterung (Abriss und Neubau des Rathauses Tostedt) auf. In diesem Jahr durften die Bürger über den Erhalt des Freibades abstimmen. Und nun erdreisten sich Tostedter Bürger, ein Bürgerbegehren gegen den Bau eines Kindergartens in die Wege zu leiten: historisches-tostedt-erhalten.de

Hierzu einige Informationen aus der Presse in diesem Zusammenhang:

18.10.2012: Mütter wollen neue Kita verhindern – Mithilfe eines Bürgerbegehrens soll der geplante Neubau einer Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße in Tostedt gestoppt werden. (vollständiger Text)
Quelle: (Hamburger) abendblatt.de

07.11.2012: Verschuldung in Tostedt explodiert – Die Grünen erneuern ihre Kritik an dem Neubau der Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße (vollständiger Text)
Quelle: (Hamburger) abendblatt.de

08.11.2012: Tostedt in der Schuldenfalle? – Tostedts Grüne schlagen Alarm: Die Samtgemeinde werde bis Ende 2016 bei einem Schuldenstand von 22 Millionen Euro angelangt sein. Die Schuldenentwicklung war bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs im Finanzausschuss aufgezeigt worden. (vollständiger Text)
Quelle: han-online.de

11.11.2012: Tostedt – Kindergartenstreit spitzt sich zu – Die Samtgemeinde Tostedt wird sich in den kommenden Jahren massiv verschulden. Die Grünen, die – wie berichtet – dazu auffordern, alle Investitionen nochmals hinsichtlich ihrer Notwendigkeit zu überprüfen, finden bei den anderen Fraktionen wenig Verständnis. Insbesondere bei der Debatte um den an der Dieckhofstraße geplanten Kindergarten mit Krippe. Die Grünen sehen dafür keine Notwendigkeit, da der Kindergartenbedarfsplan des Landkreises Harburg mit weniger Kindern rechne als die Samtgemeinde. (vollständiger Text)
Quelle: han-online.de

weitere Pressemitteilungen siehe unter tostedt.de

Den Initiatoren geht es übrigens nicht darum, neue Kindergarten- und Krippenplätze zu verhindert, sondern sie halten den Standort für unglücklich und die Investitionen (2,5 Mio, Euro) für zu hoch. Das Familienservicebüro der Gemeinde versucht indessen zu suggerieren, dass sich die Initiatoren gegen den Kindergartenneubau generell aussprechen, was nicht stimmt.

„Ziel des Bürgerbegehrens ist es, den historischen Ortskern von Tostedt zu erhalten. Die Tösteniederung zwischen dem Sand, der Kirche und der Dieckhofstraße macht den besonderen Charakter von Tostedt aus und darf nicht durch eine Überbauung der weit über 100 Jahre alten Wegverbindung Stegen entwertet werden.

Der genaue Antragstext des Bürgerbegehrens lautet:

Sind Sie dafür, dass der Samtgemeinderatsbeschluss vom 11.09.2012 (Kindertagesstätten/Kinderkrippenbau am Standort Dieckhofstraße) aufgehoben wird und damit verbunden keine Kindertagesstätte/Kinderkrippe am Standort Dieckhofstraße erstellt wird?“ (Quelle: historisches-tostedt-erhalten.de)

Jetzt hat „der Bürgermeister […] Schreiben an Arztpraxen, Geschäfte und andere Stellen verschickt, wo die für das Bürgerbegehren nötigen Unterschriften gesammelt werden sollten. Er bittet darin, die Auslegung der Listen zu überdenken. Stattdessen sollen sich Ärzte und Geschäftsleute im Rathaus über die Gründe informieren, die den Gemeinderat zur Entscheidung für einen Kindergartenneubau im Ortskern bewogen haben.“ (Quelle: Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012)

    Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012 – Seite 1

Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012 – Seite 1

Herr Bostelmann „verweist auf die niedersächsische Kommunalverfassung, nach der er die Bürger über wichtige Angelegenheiten informieren müsse. ‚Wie ich das mache, steht da nicht.’“.

Herr Bostelmann, es geht Ihnen doch nicht darum die Bürger zu informieren, dann hätten Sie das lange vor dem Samtgemeinderatsbeschluss vom 11.09.2012 tun müssen. Sie wollen das Bürgerbegehren verhindern. Und dafür setzten sie auf Kosten der Bürger den Verwaltungsapparat ein. Nein, natürlich wollen sie niemanden unter Druck setzen oder gar nötigen. Komisch nur, dass das bei einigen Geschäftsleuten etwas anders aufgefasst wird. So bat ein Geschäftsmann darum, die Unterschriftslisten nicht auslegen zu lassen, weil er fürchtete, weiterhin vielleicht keine Aufträge mehr von der Gemeinde zu erhalten.

Inzwischen sind auch bereits vollgeschriebene Unterschriftslisten aus zwei Tankstellen und einem Geschäft verschwunden. Ich denke, solche ‚Unterstützung‘ wird auch Herr Bostelmann nicht mögen.

Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012 – Seite 8
Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012 – Seite 8

So oder so sind es mehr als problematische Mittel, die Herr Bostelmann glaubt, anwenden zu müssen, um das Bürgerbegehren zu verhindern. Welchen politischen Schaden er damit anrichtet, ist ihm bisher leider nicht klar geworden. Dass er sich zu einer Entschuldigung gegenüber den Initiatoren des Bürgerbegehrens aufrafft, damit ist nicht zu rechnen. Es ist nur zu hoffen, dass jetzt genügend Unterschriften (rd. 2300 müssen es sein) zusammenkommen, damit ein Bürgerentscheid durchgeführt wird.

Ry und ‚Sandy’ sei Dank? Obama bleibt US-Präsident!

Barack Obama bleibt für weitere vier Jahre Präsident der USA. Der Wahlsieg fiel am Ende deutlicher aus, als zuvor angenommen. Es waren besonders die Frauen und jungen Menschen, die Obama gewählt haben – und sicherlich die Afro-Amerikaner und Latinos – meist arme Menschen. Aber es waren auch gebildete Bürger mit Promotion, die vorrangig in Obama ihren Präsidenten sehen. Zwar steht das Ergebnis aus Florida noch aus, aber jetzt schon hat Obama mit 303 Wahlmännern mehr als die erforderlichen 270.

Übrigens: Hätten die Deutschen die Wahl zwischen Obama und Mitt Romney gehabt, so wäre die Zustimmung für Obama mehr als eindeutig: 90 % sehen in ihm den gewünschten Präsidenten.

Was hat am Schluss diesen dann doch klaren Vorsprung für Obama ermöglicht? Ry Cooders geradezu wütende Statements gegen Romney dürften nur minimal zum Erfolg beigetragen haben. Vielleicht Zünglein an der Waage war das Krisenmanagement Obamas nach den schlimmen Verwüstungen des Hurrikans Sandy. Hier konnte sich der alte und nun neue US-Präsident zuletzt noch einmal auszeichnen.

Sicherlich hat Obama in den letzten vier Jahren vieles von dem, was er zuvor versprochen hat, nicht einhalten können. Jetzt hat er weitere vier Jahre Zeit, sich der Pläne anzunehmen. Wünschen wir ihm ein glückliches Händchen dazu.

Ist Steinbrück die richtige Wahl?

Nächste Woche ist es wieder soweit. Die US-Amerikaner wählen ihren Präsidenten. Anders als bei uns im nächsten Jahr ist die Wahl in den USA richtungsbestimmend. Da ist der amtierende Präsident Barack Obama, der für ein modernes Amerika steht – und da ist sein Herausforderer Mitt Romney, erz-konservativ und besonders in der Außenpolitik unbedarft. Man mag Obama vorwerfen, nicht all seine geplanten Vorhaben in den letzten vier Jahren umgesetzt zu haben. Wen ich aber wählen würde, wäre ich US-Bürger, ist für mich klar wie klare Kloßbrühe: Obama. Bis jetzt sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Den Ausschlag dürften wieder einmal die so genannten Swing States, die Schaukelstaaten, geben, die sich einmal für Links, dann für Rechts entscheiden. Besonders hart umkämpft ist dabei Florida. Wer hier die Mehrheit der Wähler für sich gewinnt, ebnet sich den Weg ins Weiße Haus.

Ganz anders sieht es bei uns aus. Da kommt man bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 wahrlich vom Regen in die Traufe. Die Wahl hat man zwischen Pest und Cholera, zwischen Merkel und Steinbrück. Es hat etwas gedauert, bis die SPD ihren Kanzlerkandidaten gekürt hat. Und die Wahl fiel auf Steinbrück im Wesentlichen auch deshalb, weil er die größeren Chancen auf einen Wahlsieg versprach. Wen sollte die SPD auch sonst nehmen: Gabriel, der sich gern links-populistisch gibt, oder Steinmeier, den etwas Staubtrockenen?

Ist Steinbrück nun die richtige Wahl? Im Grunde aus Sicht der SPD ja, wären da nicht die andauernden Diskussionen um seine Nebeneinkünfte. Da frage ich mich eigentlich, warum Steinbrück es sich antun will, Kanzler zu werden. Die Einkünfte eines Kanzlers dürften kaum die Einkünfte aus seinen Vorträgen usw. erreichen.

Nur zwei Wochen nach dem Hoch, das die Kanzlerkandidaten-Entscheidung der SPD bescherte, ist sie wieder auf ihr altes Niveau gefallen. Wäre jetzt Bundestagswahl, erhielten lt. ZDF Politbarometer CDU/CSU 39 Prozent (plus eins), die SPD käme jetzt wieder nur noch auf 29 Prozent (minus zwei). Im direkten Vergleich hat sich der Vorsprung von Merkel gegenüber Steinbrück deutlich vergrößert: Gefragt, wen die Deutschen lieber als Regierungschef/-in hätten, sprechen sich jetzt 52 Prozent (plus drei) für Angela Merkel und nur 37 Prozent (minus drei) für Peer Steinbrück aus (weiß nicht: elf Prozent).

    Merkel versus Steinbrück (Quelle: Archivfoto von 2008 – Spiegel Online)

Immerhin können die Grünen wieder leicht zulegen. Mit ihnen plant Herr Steinbrück ja eine Koalition in einem Jahr. Und da weder die FDP noch die Piraten den Sprung in den Bundestag schaffen würden, blieben lediglich noch die Linken, die dann allerdings das berühmte Zünglein an der Waage spielten – was bekanntlich keiner will (außer die Linken).

Herrn Steinbrück gilt als eloquent und in Wirtschaftsfragen kompetent. Manchmal ist er vielleicht zu redegewandt, denn ihm rutschen oft genug Sachen heraus, die ihn im Nachhinein reuen dürften. Selbst in eigenen Reihen hat man ihn vorgeworfen, die sich abzeichnende Finanzkrise und deren Auswirkungen viel zu lange unterschätzt zu haben. Und ich gestehe, gegen Steinbrück auch höchst persönlich meine Bedenken zu haben (z.B. die Steuerpflicht für Tagesmütter betreffend).

Aber deshalb die Merkel und ihre Vasallen wählen? Pest statt Cholera? Gottbewahre!

Nun bis zur nächsten Bundestagswahl fließt noch viel Wasser die Spree und Havel hinunter. Aber der Trend ist eindeutig: CDU/CSU vor der SPD, da mag Herr Steinbrück noch so viel in die Waagschale werfen wollen. Es werden die kleinen Parteien sein, die den Ausschlag geben werden. Und da kann sich noch einiges tun. Ob die FDP, um es vielleicht doch noch zum Einzug in den Bundestag zu schaffen, mit Leihstimmen aus dem Unionslager rechnen kann, ist heute eher mit nein zu beantworten. Aber wer weiß … Alle anderen Parteien dürften tendenziell eher die SPD unterstützen. Kommt es dann am Ende wieder zu einer großen Koalition, die Steinbrück heute noch vehement ablehnt?!

Ry Cooder: Election Special

Es ist gerade ein gutes Jahr her, da hat Ry Cooder dem Protestsong neue Impulse verliehen: Pull Up Some Dust And Sit Down. Jetzt steht im Spätherbst die erneute Wahl des US-amerikanischen Präsidenten an. Und Ry Cooder veröffentlichte bereits im August d.J. eine Art musikalischer ‚Wahlsondersendung’: Election Special

Ry Cooder: Election Special (2012)

„Dass dieser Meistergitarrist, der sich politisch bis dahin zurückgehalten hatte, neuerdings so explizit wird, zeigt, wie weit es mit Amerika schon gekommen ist und was auf dem Spiel steht, falls im Herbst der Kandidat derjenigen Partei gewinnt, die, wie inzwischen nicht nur die gerne als ‚linksliberal’ verhöhnte Kulturschickeria denkt, das Land in den beiden Amtszeiten des jüngeren Bush moralisch heruntergewirtschaftet hat. Dafür legt Ry Cooder seine ganze musikalische und – als jemand, der sich nie korrumpieren ließ und lieber noch ein bescheiden verkäufliches Album mehr aufnahm, als sich beim Massengeschmack anzubiedern […] – eben auch moralische Autorität in die Waagschale.“ (Quelle: faz.net)

‚Election Special’ beginnt mit einem aus drei Akkorden bestehenden akustischen Delta Blues: „Mutt Romney Blues“. „Die Story von Mitt Romneys Hund ist so bekannt, dass sie bereits einen eigenen Wikipedia-Artikel erhalten hat: Im Sommer 1983 fuhr die Familie Romney in die Ferien – und transportierte ihren Irish Setter dabei auf dem Dach des Chevrolet-Kombis. Es waren Romneys republikanische Konkurrenten, von Newt Gingrich bis Rick Santorum, die als Erste daran erinnerten und indirekt auf ein Statement Abraham Lincolns verwiesen: «Ich gebe nicht viel auf die Frömmigkeit eines Mannes, der seinen Hund und seine Katze schlecht behandelt.»“ (Quelle: nzz.ch)


Ry Cooder: Mutt Romney Blues

Das nächste Lied, ein größtenteils auf der Mandoline gespielter Folksong, gefällt mit musikalisch am besten: leicht, ohne viel Aufwand – und doch so typisch Ry Cooder. Es geht um die Brüder Koch, die in den Staaten ein Industrie-Imperium aufgebaut haben und mit viel Geld Mitt Romney, den konservativen Präsidentschaftskandidaten, vor allem aber die libertär-konservative Tea-Party-Bewegung finanziell und organisatorisch unterstützen. Das Lied wird aus der Sicht des einen der beiden Brüder, Charles G. Koch, erzählt. Dieser schließt zusammen mit seinem Bruder David H. einen „Pakt mit dem Teufel“:


Ry Cooder: Brother is Gone

Election Special ist das wohl „ätzendste Statement, das einem amerikanischen Unterhaltungskünstler zur (nun bald wieder drohenden) Politik seines Landes bisher eingefallen ist.“ (Quelle: faz.net). Ry Cooder scheint der Kragen zu platzen.

Natürlich ist jedes Stück eine Abrechnung: „Gibt es schon eine Wall Street in deiner Stadt? Wenn nicht, gründe einfach eine. Und wenn die Polizei kommt, erkläre ihr einfach, dass du ihre Gehälter bezahlst“, singt Cooder in „The Wall Street Part Of Town“. „Guantanamo“ dagegen sei ein traditionelles kubanisches Lied, das von Frieden und Freiheit handele. „Das wird noch dauern. Gefängnisse sind ein wachsender Industriezweig“, meint Cooder sarkastisch dazu.

Wenig hält er von laschen Waffengesetzen, Lynchjustiz und Sarah Palin („Going To Tampa“, „Kool-Aid“). Kriegsführung widert ihn an. „Hier in Los Angeles kommen Armee-Rekrutierer an die Schulen. Wenn man versucht, sich zu wehren, kriegt man richtig Ärger. Mir fällt kein Begriff für solch eine ungeheuere Verschwörung ein“, erklärt er den Hintergrund von „The 90 And The 9“.

Wen Cooder im Wahlkampf mit dieser Scheibe unterstützt, ist klar, auch wenn er Obama nicht namentlich erwähnt. Vielleicht etwas lasch zeigt Cooder für den US-Präsidenten Mitgefühl: „Der Präsident läuft einsam durchs dunkle Oval Office. Bevor du ihn kritisierst und an die Wand stellst, versuche doch mal, dich in seine Haut zu versetzen“.

Ry Cooder hat die Scheibe fast im Alleingang aufgenommen. Neben Gitarre und Mandoline spielt er auch den Bass und singt natürlich die Stücke (hin und wieder unterstützt von Arnold McCuller). Schlagzeug spielt sein Sohn Joachim Cooder, der auch am letzten Stück mitgeschrieben hat: Take Your Hands Off it.

Get your dirty hands off my constitution now …
Get your greasy hands of my bill of rights …
Get your greasy stinking hands off my voting rights …
Get your greedy hands off the union now …
What’s your sanctimonious hands doin’ in my reproductive rights …
Get your bloody hands off the peoples of the world …
Take your hands off us you know we don’t belong to you.

So heißt es hier im Lied: Nehmt eure dreckigen Hände weg!


Ry Cooder: Take Your Hands Off It

Tag der deutschen Dreieinigkeit 2012

Mir sei es erlaubt, den Beitrag zum heutigen Feiertag, den ich im letzten Jahr verfasst habe, zu wiederholen: Tag der deutschen Dreieinigkeit!

Ich kann mich noch sehr gut an die Aushänge erinnern, die zu Zeiten früherer CDU-Regierungen an Litfaßsäulen klebten und Deutschland als ein durch den Krieg dreigeteiltes Land zeigten: links (da nach Norden ausgerichtet) die Bundesrepublik, in der Mitte die SBZ (sowjetisch-besetzte Zone) und rechts die besetzten Ostgebiete. Das Motto der Parteien: 3 geteilt? – niemals! Damals war die Wirklichkeit eine andere und erst unter Willy Brandt wurde die eigentliche Realität dann ‘im Westen’ akzeptiert, auch wenn die Bild-Zeitung weiterhin unbeirrt DDR in Anführungszeichen schrieb (immerhin schrieb man schon DDR und nicht mehr SBZ).

Unteilbares Deutschland

drei geteilt - niemals

Zu Zeiten dieser Dreigeteiltheit nannte man den mittleren Teil Deutschlands auch gern Mitteldeutschland. Erst viel später wurde das in Ostdeutschland ‘umgetauft’ und seit 1990 spricht man dann bekanntlich von den ‘neuen Bundesländern’. Wie sich geographische Begriffe ändern können. Nur durch einige Vertriebenenverbänden kann man irritiert werden, wenn diese von Ostdeutschland sprechen und damit u.a. Schlesien meinen (nur liegt Schwerin nicht in Schlesien – wenn beide auch in Ostdeutschland liegen?!).

Nun heute ist unser, Deutschlands Nationalfeiertag. Und wir feiern die deutsche Einheit oder Wiedervereinigung oder Dreieinigkeit oder wie oder was …? Feiern wir eben …!

Breivik und Wagner

Am vergangenem Freitag, den 24. August 2012, wurde Anders Behring Breivik vom Osloer Amtsgericht entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft für zurechnungsfähig erklärt und wegen Mordes an 77 Menschen zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Es ist ein Urteil, das der Attentäter von Oslo und Utøya gewollt hat. Breivik nahm den Urteilsspruch im Gerichtssaal mit einem Lächeln auf. Der Angeklagte selbst hatte sich im Prozess vehement dagegen gewehrt, für unzurechnungsfähig erklärt zu werden. Mit diesem Urteil fand das Verfahren mehr als ein Jahr nach Breiviks Anschlägen ein Ende.

    Anders Behring Breivik

Zum Fall Breivik habe ich mich an anderer Stelle etwas ausführlicher geäußert (Zurück zur Normalität?), besonders zur Frage der Schuldfähigkeit. Unabhängig davon, ob Breivik jetzt ins Gefängnis muss oder bei zugestandener Unzurechnungsfähigkeit in die Psychiatrie gekommen wäre, er gilt für nicht heilbar und wird vermutlich nie wieder frei kommen. Das Ende der Sicherungsverwahrung ist zwar nicht festgelegt, wird aber in regelmäßigem Abstand überprüft werden. Das Gericht kann sie verlängern, „wenn die zeitlich begrenzte Strafe zum Schutz der Gesellschaft nicht ausreicht“.

Im genannten Beitrag schrieb ich u.a. auch: „Der forensische Psychiater Norbert Leygraf sieht Parallelen zum Fall Ernst August Wagner, der erste Fall in der württembergischen Rechtsgeschichte, bei dem ein Prozess wegen Unzurechnungsfähigkeit eingestellt wurde.“ Danach hält Leygraf den Attentäter Breivik also für unzurechnungsfähig.

Zum Fall Ernst August Wagner: Am Abend des 4. September 1913 tötete der Hauptlehrer Ernst August Wagner seine Frau und seine vier Kinder mit einem Knüppel. Später erschoss er dann zwölf (anderen Quellen nach: neun) weitere Menschen. Dieser Wagner spielt in der Erzählung Klein und Wagner von Hermann Hesse eine nicht unbedeutende Rolle.

    Ernst August Wagner, 1934

Noch einmal zum Tathergang: Am Abend des 4. September 1913 tötete der damals als Lehrer tätige Ernst August Wagner in Degerloch seine Frau und seine vier Kinder mit einem Knüppel. Er begründete die Morde damit, er wolle seiner Familie die Folgen seiner geplanten Tat und die folgenden Schrecken ersparen. Danach fuhr er mit dem Fahrrad nach Stuttgart und von dort mit der Bahn weiter nach Mühlhausen bei Vaihingen an der Enz. Auf dem Weg nach Mühlhausen gab Wagner noch mehrere Briefe auf. Nachts zündete er vier Häuser an verschiedenen Stellen an und wartete, bis die Menschen vor den Flammen flüchteten. Er erschoss dann wahllos zwölf Menschen, acht weitere wurden schwer verletzt. Wagner wurde schließlich überwältigt und in Heilbronn inhaftiert. Bei den folgenden Ermittlungen stellte sich heraus, dass Wagner noch plante, seine Schwester und deren Familie umzubringen und schließlich das Schloss in Ludwigsburg niederzubrennen und sich dabei im Bett der Herzogin selbst zu verbrennen. (Quelle: de.wikipedia.org)

Ähnlich wie Breivik hatte Wagner seine Taten lange vorbereitet. Und wie Breivik schrieb er ein seitenlanges Pamphlet, nämlich eine 300 Seiten lange Autobiographie. Wagner erklärte darin u.a.:

„Überall aber täte eine Sanierung der Menschheit not. […] Nach meinem Beobachten und Ermessen müsste ein starkes Drittel dran glauben, ja, ich meine, wir hätten dann erst das Gröbste weg. Wir schiffen zu sehr in übelriechenden Niederungen und müssen jetzt endlich den Ballast abwerfen, um in reiner, gesunder Region zu schweben. Ich habe ein scharfes Auge für alles Kranke und Schwache, bestellt mich zum Exekutor und kein Kommabazillus soll durchschlupfen. 25 Millionen Deutsche nehme ich auf mein Gewissen […].“

Im Prozess in Heilbronn stellten die Gutachter den Verfolgungswahn von Wagner fest. Man beschrieb Wagner als einen ernsten, gramgebeugten, aber höflichen und gebildeten Mann. Aus den jahrelangen Untersuchungen schloss man, „dass Wagners unterdrückte Homosexualität, die er gleich nach der Tat offenbarte, zu dessen pathologischen Ekel vor der Welt geführt habe. Statt zum Tode verurteilt zu werden, wurde Wagner am 4. Februar 1914 in die Heilanstalt Winnenthal bei Winnenden [sic!] eingewiesen. Erstmals in der württembergischen Rechtsgeschichte wurde damit ein Prozess wegen Unzurechnungsfähigkeit eingestellt.“

Während Breivik als Motiv für die Anschläge angab, Norwegen gegen den Islam und den „Kulturmarxismus“ verteidigen zu wollen, begründete Ernst August Wagner seine Taten mit der „geschlechtlichen Unnatur“, gegen die er ankämpfte. Er bezichtigte sich dabei der Sodomie, verweigerte aber jegliche Aussage zum Wie und mit Wem (Homosexuelle Praktiken, Unzucht mit Tieren oder doch nur Masturbation?). Die psychiatrischen Gutachten dürften aus heutiger Sicht umstritten sein und wirken „wie eine unfreiwillige Parodie auf gewisse Auswüchse der Psychoanalyse“ der damaligen Zeit.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf einen sehr interessanten Artikel von Hans Schmid, der nicht frei ist von ironischen Untertönen: Schwaben-Amok, oder auch: Ich bin Sodomit. Und auch Mühlhausen, der Stadt des Wagner’schen Amoklaufs, gedenkt der ‚Mordbrennerei’ vom 4. September 1913 mit vielen Bildern (und weiterführenden Links).

Die Grenze zwischen Fanatismus und Wahn ist in Fällen wie denen des Ernst August Wagner und des Anders Behring Breivik kaum auszuloten. Eine gerichtliche Entscheidung ist also kaum eindeutig zu treffen, muss aber getroffen werden. Ein Urteil muss her. Im Fall Breivik spielen dann vielleicht auch ‚politische’ Überlegungen bei der Urteilsfindung eine Rolle. Nicht unbedeutend ist dabei, wie die Angehörigen von Breiviks Opfers den Richterspruch aufnehmen. Diese wirkten zwar nach Urteilsverkündung mitgenommen, aber zufrieden. „Dass Breivik für zurechnungsfähig erklärt wurde, ermöglicht den Familien, mit dem Geschehenen abzuschließen“, sagte Frode Elgesem, ein Anwalt der Hinterbliebenen.