Kategorie-Archiv: Geistesblitze

Vom Denken und Dichten – Von Philosophie, Wissenschaft bis Religion

Sütterlin

Vor kurzer Zeit starb eine (angeheiratete) Tante von mir, die mir durch ihre für mich unleserlichen Briefe in Erinnerung bleiben wird: sie schrieb bis zuletzt in der Sütterlin-Schrift. Einiges konnte ich ziemlich schnell entziffern, anderes durch Vergleich mit ähnlichen Teststellen. Es dauerte aber seine Zeit, bis ich den Brief so halbwegs (dem Sinn nach) entschlüsselt konnte. Dabei hatte ich in frühen Schuljahren selbst für kurze Zeit diese Schrift noch lernen müssen. Aber da ich ansonsten keine weiteren Texte (bis auf die gelegentlich eintreffenden Briefe meiner Tante) in dieser für mich besonderen Schrift las, verlernte ich dieses auch schnell wieder.

Die Schrift wurde von dem Grafiker und Pädagogen Ludwig Sütterlin entwickelt und diente ab 1915 in Preußen als Ausgangsschrift an Schulen. Während der Nazi-Zeit wurde sie verboten.

Sütterlin-Schrift

Von Archaismen und Neologismen

Wie vieles im Leben, so ist auch die Sprache etwas Wandelbares. Und so wie Tier- und Pflanzenarten leider für immer aussterben, so verschwinden auch Wörter mit der Zeit. Aber dank eines Darwinismus in der Linguistik entstehen immer wieder neue Arten, d.h. Wörter, die unseren Wortschatz erweitern, zumindest den Schwund der Wörter, die untergegangenen, kompensieren.

Wörter, bei denen die Gebrauchshäufigkeit abnimmt bzw. die als altmodisch empfunden werden, nennt man Archaismen. Untergegangene Wörter haben dagegen bereits das Zeitliche gesegnet (welch ein Archaismus). Wortneuschöpfungen nennt man sprachwissenschaftlich Neologismen. Interessant dabei ist, dass es zu diesem Thema bisher wenig Literatur gibt. Besonders das Problem des Wortunterganges im Deutschen ist sehr stiefmütterlich behandelt.

Untergegangene Wörter

1. Komme ich zunächst auf die untergegangenen Wörter zu sprechen. Es gibt hierzu ein kleines Büchlein als Taschenbuch: Kleines Lexikon untergegangener Wörter. Wortuntergang seit dem Ende des 18. Jahrhunderts – hrsg. von Nabil Osman, mit einem Verzeichnis vieler Wörter, die heute nicht mehr im Sprachgebrauch zu finden sind. Hier nur einige Beispiele und deren Bedeutung:

Tändelwoche – Flitterwoche
Brast – Gram (stellt fast selbst einen Archaismus dar), Sorgen
strack, z.B. stracker Weg – gerade, noch als schnurstracks vorhanden
Absatz – in der Bedeutung von Kontrast
anhaltsam – ununterbrochen, beharrlich, anhaltend
anheute – heute
Aufkunft – Genesung (auch: Aufkommen, Anfang)

Es gibt dabei eine größere Menge an Wörtern, die heute poetisch klingen, während ihre jetzigen Statthalter (Archaismus für Stellvertreter) eher prosaisch klingen, z.B. Kleine für Kleinheit, Süße für Süßigkeit. Auch klingen die alten Monatsnamen sehr poetisch:

Brachmonat – Juni
Christmonat – Dezember
Erntemonat – August
Hornung – Februar
Heumonat – Juli
Lenzmonat – März
Ostermonat – April
Windmonat – November
Wintermonat – November
Wonnemonat – Mai

Heute sprechen wir höchstens noch vom Wonnemonat Mai, was sprachwissenschaftlich eigentlich eine Tautologie respektive ein Pleonasmus (weißer Schimmel) ist.

Es gibt viele Gründe für den Untergang von Wörtern, hier nur einige: Misslungene Verdeutschung – Scherz- und Schimpfwörter – Euphemismen – Sprachökonomie – Etymologische Isolierung und Semantisches Verblassen des Grundwortes (was man auch immer darunter verstehen mag).

2. Für die Archaismen, also den bedrohten Wörtern, gibt es im Internet bereits eine Aktion Artenschutz. Wer in meinem Alter ist, dürfte mit den folgenden Wörtern sicherlich noch keine Erklärungsschwierigkeiten haben. Aber es wird deutlich, was Ursache der Bedrohung sein könnte. Aber schauen wir einmal:

Kreiswehrersatzamt
Bandsalat
Butterberg

Diese Wörter sind bedroht, weil deren Existenzgrundlage abhanden gekommen ist oder kommen wird. Wer noch ein Tonbandgerät kennt, weiß was Bandsalat ist. Heute kennen wir das höchstens noch von VHS-Video-Kassetten her.

Backfisch
Brummi
Damenwahl

Das sind Wörter, die z.B. heute durch andere Wörter ersetzt sind (Backfisch = Girlie, Teenie, Kid o.ä.) oder deren Euphemismus nicht mehr tragbar ist (Brummi -> Laster = LKW). Und der Damenwahl fehlt die Grundlage, die Damen, die wählen.

Bückware (Ware, die unterm Ladentisch verkauft wird)

Dieses Wort und ähnliche hatten bis 1990 lediglich eine regionale Verbreitung (DDR, späterhin neue Bundesländer genannt). Da hier etwas real Existierendes untergegangen ist, so droht auch einer bestimmten Wortgruppe der Untergang.

Interessant ist auch, wie bestimmte Begriffe durch Markennamen ersetzt wurden. Klebstoff, Klebestreifen, Papiertaschentuch, Suppenwürze oder Getreideflocken kennt kein Mensch, aber Uhu, Pattex, Tesa, Tempo, Maggi oder Kellegg’s. Es kann dabei allerdings passieren, dass ein Markenname durch einen anderen ersetzt wird.

3. Neologismus sind Wortneuschöpfungen, die nicht immer sehr originell sind. In der Uni Tübingen werden solche Wörter gesammelt. Die meisten dürften dabei Eintagsfliegen sein. Aber es gibt natürlich Wörter, die unser Leben bestimmen. Die neuen Techniken machen es besonders möglich. Dabei übernehmen wir zunehmend Wörter aus dem englischen Sprachraum: Hard- und Software, Computer (Rechner tut es eigentlich auch), Videorekorder (eigentlich schon wieder ein Archaismus) usw. Und dann die berühmt-berüchtigten 2-bis-4-Buchstaben-Wörter, die natürlich Abkürzungen von Begriffen sind, die keiner mehr im vollen Wortlaut benennen kann: PC, DVD, GPS, HTML – und tausend mehr.

Die extreme Zunahme von Neologismen spiegelt den technischen Wandel, der uns förmlich überrollt. Auch wenn ich nicht gerade auf Kriegsfuß (Archaismus!) mit der neuen Technik stehe (wenigstens nicht mit allem), so liebe ich es geradezu, Zugriff auf alte Wörter zu nehmen, denn für mich stellen sie einen eigenen Wortschatz dar.

Zuletzt: Interessant ist hierbei natürlich die Frage, wie sehr uns das Luther-Deutsch geprägt hat. Aber das ist ein Thema für sich.

Bildung, ein angefressener Bauch

Bildung ist wie ein angefressener Bauch. Es nützt nichts, sich einmal den Wanst voll zu schlagen, man muss ihn sich kontinuierlich mit vielen kleinen genussvollen Häppchen über lange Zeit regelrecht anfressen. Manchmal muss man dabei auch eher ungenießbare oder schwer verdauliche Kost schlucken. Um so schneller wächst der Bauch.

Es geht um Allgemeinbildung, weniger um Bildung als die geistige Formung eines Menschen, als die Verwirklichung seines Menschseins, seiner Humanität, obwohl das eigentlich Resultat des ersten sein sollte.

Aber wie interpretieren wir Bildung, Allgemeinbildung? Es hat viel mit Wissen zu tun! Was muss man also wissen, um im gesellschaftlichen Umgang als gebildet zu gelten? Dietrich Schwanitz hat in seinem Buch „Bildung – Alles, was man wissen muss“ versucht, darauf eine Antwort zu geben. Es ist ein Streifzug durch das moderne Wissen aus Geschichte, Literatur, Philosophie, Kunst und Musik, die seiner Meinung nach zu einem Bildungs-Kanon in Deutschland gehören sollte.

Dietrich Schwanitz. Bildung - Alles, was man wissen muss

Um es gleich klarzustellen: Wenn man das Buch von Schwanitz durchgeackert hat, ist man noch lange davon entfernt, gebildet zu sein. Sich einmal den Wanst voll schlagen hilft wenig. Aber es ist ein guter Gradmesser für den eigenen Bildungsstand, auch wenn die „listenhafte Zusammenstellung“ des Schwanitz’schen „Was-man-wissen-Muss“ sich nicht mit dem eigenen Wissensstand decken muss, ein Beispiel: Mehr als ein Drittel des Buchs widmet sich der sicherlich kurzweiligen und interessanten Bildungsreise durch die europäische Geschichte. Aber einerseits muss man nicht alle Geschichtsdaten daherbeten können, andererseits ist die Welt nicht Europa allein. Kritiker bemängelt, dass die Naturwissenschaften in dem Kanon fehlen. So schrieb Ernst Peter Fischer inzwischen als Ergänzung „Die andere Bildung“.

Wissen allein genügt natürlich nicht, um als gebildet zu gelten. Es gedarf eines Mindestmaßes an Intelligenz, um das Wissen richtig anzuwenden. Und ein Klecks Kreativität sollte auch nicht fehlen.

Die Stärke von Schwanitz’ Bildung liegt vor allem in den scharfzüngigen Anmerkungen zum Wissenschaftsbetrieb und zur „gepflegten Konversation“. Überhaupt ist der knapp 30 Seiten umfassende Beitrag zum Thema Sprache („Das Haus der Sprache“) sehr empfehlenswert zum Lesen und für viele durchaus lehrreich.

Etwas daneben finde ich aber folgendes Zitat, das man wohl auch als „Message“ des Buches ansehen muss: „Wer selbst ungern liest, sollte sich ernsthaft überlegen, ob es sich lohnt, diese Unwilligkeit zu überwinden, sonst bleiben ihm die Fleischtöpfe der Bildung ebenso verschlossen wie der Zugang zu den gehobenen Einkommen.“

Bildung um der Fleischtöpfe wegen ist auch nur eine halbe Bildung!

Geheime Botschaften

Es ist nur ein Spaß, aber ich spiele gern Spion. Als Spion verstrickt man sich nicht unbedingt in James Bond’sche Abenteuer, es ist eher viel Routinearbeit. Eine wesentliche Aufgabe ist der Austausch von Nachrichten, die möglichst vom ‚Feind’ nicht entschlüsselt werden sollten. Oder noch besser: Die von Feind nicht gefunden werden.

Eine Möglichkeit wäre z.B., Nachrichten in einem digitalen Bild zu verstecken. Ein digitales Bild besteht genau wie ein digitaler Text (also den man z.B. auf einem Computer speichert) aus Bits und Bytes. Ein Byte, wer es noch nicht weiß, besteht in der Regel aus 8 Bits, das sind kleine ‚Lichtschalter’, die lediglich ein- oder ausgeschaltet sein können. Mit acht solchen Bits (also einem Byte) kann man z.B. einen Buchstaben darstellen. Für einen Farbpunkt (Pixel genannt – ein digitales Bild besteht aus vielen kleinen Bildpunkten) benötigt man meist schon drei Bytes (je einen für einen der Grundfarben – die richtige Mischung ergibt die Farbe).

Lediglich die richtige Software interpretiert nun diese Bytes als Text oder Bild. Meistens helfen die Endungen eines Dateinamens (TXT oder DOC = Text – BMP, JPG oder GIF = Bild). Mit einem Texteditor kann man aber auch eine JPG-Datei, also ein Bild, öffnen, nur wird man lediglich kryptischen Text zu lesen bekommen. Sinngemäß geht es auch anders herum.

Nun kann ich einige dieser Farbpunkte, die als Text kryptisch, also nicht ‚lesbar’ sind, so manipulieren, dass diese, öffnet man das gesamte Bild mit einem Texteditor, durchaus sinnvollen Text ergeben.

Nehme ich ein Bildchen von 100 mal 100 Bildpunkten. Da ich für jeden Bildpunkt drei Bytes benötige, so sind das 3x100x100 = 30.000 Bytes. Da Dateien noch einen so genannten Header haben, die Informationen zur entsprechenden Datei enthalten, so ist die Bild-Datei 30.054 Bytes groß.

Welcher Editor, spricht Textbearbeitungsprogramm, eignet sich nun für die Implantation von Texten? Microsofts Word kann man vergessen, da Word neben dem Header noch viele andere Informationen in die Datei schreibt. Das allzeit beliebte Notepad, von Microsoft mit Windows geliefert, geht irgendwie auch nicht. Bleibt eigentlich nur noch Wordpad, was aber auch nicht so ganz zum gewünschten Erfolg führt, zumal man gern einen bestimmten Punkt ausmachen möchte, ab dem die geheime Botschaft steht. Ich habe da einen sehr schönen Editor gefunden, den Hexadezimal-Editor XVI32, der sich überhaupt zum Manipulieren von Dateien jeder Art eignet.

Originalbild (100 x 100 Pixel groß) mit dem Hex-Editor XVI32 manipuliertes Bild mit Wordpad manipuliertes Bild
Originalbild (100 x 100 Pixel groß) mit dem Hex-Editor manipuliertes Bild mit Wordpad manipuliertes Bild

Ich öffne also z.B. mit dem Hex-Editor XVI32 die oben angezeigte Bilddatei. Von den 30.054 Bytes suche ich mir das 4117. Byte (= Zeichen) heraus. Da die Zählung immer mit null beginnt und der Editor hexadezimal rechnet, ist es das Byte 1014 (1014 hexadezimal = 4117-1 dezimal). Ab dort überschreibe ich die kryptischen Bild-Bytes mit menschenlesbaren Text-Bytes.

Textbearbeitung mit dem Hex-Editor XVI32

Originalbild (100 x 100 Pixel groß) - 2,5x vergrößert mit dem Hex-Editor XVI32 manipuliertes Bild - 2,5x vergrößert
Originalbild (100 x 100 Pixel groß) – 2,5x vergrößert mit dem Hex-Editor XVI32 manipuliertes Bild – 2,5x vergrößert

Dann speichere das Ganze und habe nun ein Bildchen, das dem ursprünglichen fast gleicht, aber eben nur fast, wie man unten im vergrößertem Ausschnitt sieht.

Auszug aus Originalbild Auszug aus manipuliertem Bild
Auszug aus Originalbild Auszug aus manipuliertem Bild

Den implantierten Text könnte ich natürlich zunächst noch chiffrieren, um das Ganze noch spannender zu machen. Aber ich will an dieser Stelle nichts übertreiben.

Buchstaben im ASCII– bzw. ANSI-Code

Großbuchstaben A – Z
Hex 41 – 5A
Dez 65 – 90

Kleinbuchstaben a – z
Hex 61 – 7A
Dez 97 – 122

Dank an www.chmaas.handshake.de für den Hex-Editor XVI32, mit dessen Hilfe ich wie beschrieben diese Bild-Text-Manipulationen vornehmen konnte (hier kann man sich das Programm auch herunterladen).

Wikipedia feiert Geburtstag

Eines der größten und erfolgreichsten Webprojekte wird sechs Jahre alt: Wikipedia, ein Online-Lexikon, das von der Mitarbeit der Benutzer lebt. Die deutsche Ausgabe beinhaltet inzwischen über 500.000 Artikel, die englischsprachige sogar 1,5 Millionen. Jeder kann sich an Wikipedia beteiligen, ob er nun neue Beiträge anlegt oder bestehende nach Belieben ändert. Und genau hier liegt für viele Kritiker der Knackpunkt: Wikipedia wäre nicht wirklich verlässlich. Trotz ständiger Kontrolle flössen zu viele Falschinformationen hinein. Teilweise herrsche ein regelrechter Vandalismus, also die absichtliche Verbreitung von unsinnigen Meldungen (das viel zitierte Beispiel: aus Schalke 04 wurde Schalke 05).

Sicherlich sind die Probleme mit dem wachsenden Umfang gestiegen. Trotzdem bediene ich mich (jeder wird es in diesem Blog sehen) immer wieder gern bei Wikipedia. Was man dabei immer berücksichtigen sollte und was für jedes Nachschlagewerk grundsätzlich gilt: Wer wirklich verlässliche Informationen sucht, sollte immer mehrere Quellen zu Rate ziehen. Wikipedia-Artikel eignen sich sehr gut für den ersten Einstieg in ein Thema, denn sie sind meist äußerst aktuell. Außerdem nennen sie Links zu anderen brauchbaren Webseiten sowie weiterführende Literatur.

WilliZ Wikipedia

Aller Kritik zum Trotz: Ich halte Wikipedia für ein Projekt, das über kulturelle, religiöse, überhaupt über Ländergrenzen hinaus für einen gewissen Zusammenhalt unserer doch sehr gebeutelten Menschheit sorgt. Querschläger gibt es leider überall. Es ist ein Bündnis des Wissens. Wissen ist bekanntlich Macht. Und die Macht sollte allen dienen. Von daher ist Wikipedia wirklich demokratisch.

siehe mehr bei zdf.de: Sechs Jahre Wikipedia

Die große Enzyklopädie des mechanischen Rechnens

Sicherlich bin ich kein Rechengenie, aber Mathe lag mir immer ganz gut und so waren auch meine Schulnoten in Mathematik immer sehr ordentlich. Heute im Zeitalter des Computers vergisst man leicht, dass es schon vor dieser Zeit Hilfsmittel gab, die uns den Umgang mit Zahlen erleichtern sollten. Aus dem Unterricht kenne ich z.B. noch den Rechenschieber, der heute nur noch einen Platz in einem Museum finden dürfte. Ein solches Museum gibt es auch im Internet bzw. die große Enzyklopädie des mechanischen Rechnens. Hier wird u.a. auch die kleine Geschichte des Rechenschiebers erzählt – und außerdem gibt es viele weiteren Informationen zu Zahlenschiebern, Dividierstäben, Rechenmaschinen und Tafeln und Tabellenwerke aller Art. Viele auch mit Bildern.

Freud’sche Fehlleistungen

Das Jahr 2006 ist nicht allein ein Mozart-Jahr. Neben Salzburg, der Mozart-Stadt, ist es Wien, die Stadt, die aus dem Feiern nicht herauskommt. Und neben Mozart ist es Sigmund Freud, dessen 150. Geburtstag man zu feiern hat – eben auch in Wien, wo er 47 Jahre lang lebte und wirkte.

Freud – bis heute umstritten, da sich seine Theorien und Lehren nun einmal mit einem ‚Gegenstand‘ befassen, der alles andere als gegenständlich ist: die menschliche Seele oder – in Abgrenzung zum religiösen Begriff – die Psyche. Immerhin lässt sich von Freud sagen, dass er die alte Psychologie durch die Einbeziehung des Unbewussten und den daraus folgenden neuen Einsichten in die Triebdynamik erweitert hat. Als Haupttrieb menschlichen Verhaltens nahm Freud den Geschlechtstrieb (Libido) an: Da gerade die Entfaltung der geschlechtlichen Triebhaftigkeit durch gesellschaftliche Regeln und Tabus unterdrückt würden, ergäben sich hieraus die Fehlentwicklungen, die zu Neurosen führten, denen auszuweichen lediglich durch Sublimierung, also die Umsetzung in kulturelle Leistungen, möglich sei.

Sigmund Freud

Wenn man es sich genau überlegt, so ist Freud aus unserem Alltagsleben kaum wegzudenken. Ein Begriff ist dabei ‚Fehlleistung‘, der uns besonders als Freud’scher Versprecher täglich über den Weg kommt. Es handelt sich nach Freud um eine sprachliche Fehlleistung, bei der die eigentliche Meinung oder Absicht des Sprechers unfreiwillig zutage tritt. Hierbei wird anstatt des angedachten Wortes oder der Phrase etwas ähnlich Klingendes gesagt, das dem Gedachten dabei eigentlich besser entspricht.

Da mag z.B. etwas zum ‚Vorschwein‘, also zum Vorschein kommen, das mit Schweinereien zu tun hat. Und wenn Herr Kohl vor vielen Jahren noch als Bundeskanzler anlässlich einer Krise der Koalition u.a. sagte: „… wenn wir pfleglich miteinander untergehen …“, dann hat er seinen Empfindungen weniger Abbruch getan, als hätte er nur ‚umgehen‘ gemeint.

Nun, neuere psychologische Studien gehen davon aus, dass es sich bei diesen Versprechern um ‚Beaufsichtigungsfehler‘ handelt. Je besser wir etwas beherrschen, um so ‚unbewusster‘ können wir etwas ablaufen lassen. Gerade bei zur Routine gewordenen, stark automatisierten Handlungen, die fast ‚geistesabwesend‘ ablaufen, treten Fehlleistungen auf. Dabei setzt sich ein längerer automatisierter Handlungsablauf aus Unterprogrammen zusammen. Ihre Verbindungsstellen bilden kritische Punkte, die einer bewussten Aufsicht bedürfen.

Wer ist nicht schon einmal z.B. in den Keller gegangen und wusste dort plötzlich nicht mehr, was er dort eigentlich wollte. Was oft hilft ist, wenn man den Weg zurückgeht, also vorher gehende Unterprogramme bewusst erneut aufruft. Dann wird eventuell der nächste Schritt des Handlungsablaufes deutlich. Ich habe auf jeden Fall noch nicht gehört, dass einer im Keller gewissermaßen verschollen ging. Und wenn, dann wäre sicherlich Sigmund Freud nicht daran Schuld.

Buddhisten in Tostedt

Es kommt nicht alle Tage vor, dass Buddhisten in langen Gewändern einen kleinen Ort wie Tostedt in größerer Anzahl bevölkern. So geschieht es zz. noch bis zum 5. August, denn rund 800 vietnamesische Buddhisten aus ganz Europa aber auch von anderen Kontinenten haben sich in Tostedt zu deren 18. Kultur- und Sportarbeitstagung eingefunden. Organisisiert hat diese Verantstaltung der bei uns wohnende Pham Cong-Hoang, Bundesvorsitzender der Organisation für die Angelegenheiten der Vietnam-Flüchtlinge. Das Ganze findet im Schulzentrum an der Schützenstraße statt. Am Freitag soll es u.a. ein interreliöses Diskussionsforum geben.

Vietnamesische Buddhisten in Tostedt
Foto: bim

weitere Infos siehe auch: Pagode Vien-Giac

Das 18. Kamel

Kennt ihr die Geschichte von den drei Beduinen, denen ihr Vater als Erbe 17 Kamele hinterlassen hatte?

Bevor der vorsorgliche Vater seine Seele in die Hände Allahs, des Allmächtigen, befahl, hatte er in seinem Testament verfügt, wie das Erbe auf die drei Söhne aufgeteilt werden sollte: der älteste sollte die Hälfte bekommen, der mittlere ein Drittel und der dritte ein Neuntel. Aber wie sie auch rechneten, die 17 Kamele ließen sich so nicht aufteilen. Da kam zufällig Scheich Helim Ben Bakhtir aus Nasr-Al-Fadh des Weges, der wegen seiner Weisheit berühmt war. Ihn fragten die Brüder um Rat. Scheich Helim stieg von seinem Reitkamel, stellte es zu den anderen, so daß es nun 18 Kamele waren. Dann nahm er die Hälfte, also neun, und gab sie dem Älteren. Dann nahm er ein Drittel, also sechs Kamele, und gab sie dem zweiten Sohn, und schließlich nahm er ein Neuntel, also zwei Kamele, und gab sie dem Jüngeren. Daraufhin bestieg er wieder sein Kamel, das übriggeblieben war, sagte „Allah sei mit euch!“ und ritt seines Weges. Der Name Allahs sei gelobt!

aus: Dietrich Schwanitz: Bildung – Alles, was man wissen muss – S. 382

Das ist die Lösung eines weisen Mannes. Ein Kaufmann würde die Verteilung etwas anders regeln – eben kaufmännisch:

Teiler als Bruch rechnerisch Anteil von 17
1/2 0,5 8,5
1/3 0,3333 5,6667
1/9 0,1111 1,8889
Summe:   16,0556

Und dann würde er die jeweiligen Anteile einfach ‚aufrunden‘, sodass es zu der gleichen Verteilung von 9, 6 und 2 Kamelen kommt. So einfach.

Übrigens stellen die Anteile insgesamt nur 17/18 dar, sodass zu einem Ganzen der Anteil von 1/18 fehlt (wird durch das Kamel des Scheichs gestellt – mithin ist die Lösung des Scheichs eigentlich doch nicht so weise …)

Ein mathematisch versierter Zeitgenossen käme zu einem Ergebnis durch ‚Annäherung‘, wobei dieser vom jeweiligen Rest wiederum jeweils 1/2 an dem einen, 1/3 an den zweiten und 1/9 an den letzten Sohn verteilte. Das geht natürlich bis ins Unendliche, lässt aber schon bald erkennen, in welche Richtung die Rechnung geht:

Rest 17 0,9444 0,0525 0,0031 0,0005 17,9999
davon:            
1/2 8,5 0,4722 0,0262 0,0014 usw. 8,9999
1/3 5,6667 0,3148 0,0174 0,0009 usw. 5,9999
1/9 1,8889 0,1049 0,0058 0,0003 usw. 1,9999
             
Summe: 16,0556 0,8919 0,0494 0,0026 usw. 16,9999

Eigentlich sollte es nicht Milchmädchenrechnung sondern Kamelverteilrechnung heißen, oder?

Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm

Jedes Kind in Deutschland kennt sie, die Märchen der Gebrüder Grimm. Und so lange es noch die Deutsche Mark (DM) als Zahlungsmittel gab, waren sie heißbegehrt, denn sie zierten den 1000-DM-Schein. Jacob und Wilhelm Grimm waren aber nicht nur Sammler von Märchen, sondern taten sich besonders als Sprachwissenschaftler hervor. Das Deutsche Wörterbuch von ihnen ist zwar nicht wie Märchenbücher und Duden in vielen Haushalten zu finden, dafür ist es einfach mit 33 Bänden zu umfangreich (und selbst im Taschenbuchformat mit 30 kg reichlich schwer – außerdem kostet das Werk rund 500 Euro), aber für einen deutschen Philologen bzw. Germanisten unentbehrlich. Sicherlich gibt es aber auch darüber hinaus Interessierte.

Gebrüder Grimm

Das Internet macht es möglich, denn das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm ist natürlich auch online aufzublättern. Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Werk – zum Schlagwort Märchen:

MÄRCHEN, n. kleine mär, kleine erzählung: fabula mergin DIEF. 221b.
1)  das wort schlieszt sich zunächst, wie seine in der schriftsprache ältere schwesterform märlein (s. d.) an mär in der bedeutung 2 an, als im gegensatz zur wahren geschichte stehend: mährchen, welche allen völkern in ihrer kindheit die wahre geschichte ersetzen und sie zu kriegerischen thaten begeistern. SCHLOSSER weltg. 4, 492; und zu wahrheit selbst:

auch für ein liebend herz ist die gemeine
natur zu eng, und tiefere bedeutung
liegt in dem mährchen meiner kinderjahre,
als in der wahrheit, die das leben lehrt.
         SCHILLER Piccol. 3, 4.
2)  mährchen, in allgemeinster bedeutung, eine kunde, nachricht, die der genauen beglaubigung entbehrt, ein bloszes weiter getragenes gerücht:
[…]

3)  mährchen auch von einer person als gegenstand einer solchen erzählung:
[…]

4)  mährchen, in schärferem sinne, für etwas bewust gelogenes, erfundenes: was für mährchen plaudern sie mir denn da? LENZ 1, 223; wärme mir einer das verdroschne mährchen von redlichkeit auf, wenn der bankerott eines taugenichts und die brunst eines wollüstlings das glück eines staats entscheiden. SCHILLER Fiesko 1, 3; kalte pflicht gegen feurige liebe! und mich soll das mährchen blenden? kab. u. liebe 3, 4; aber auf die länge kann dieses mährchen nicht halten. GÖTHE 14, 144;
[…]

was singst du hier für heuchelei
von lieb und stiller mädchentreu?
wer mag das mährchen hören!
         GÖTHE 1, 214; 
[…]

 als komödie gedacht: meine frau ist verwegen genug, das mährchen, so lang es nur gehen will, durchzuspielen. GÖTHE 14, 218.
5)  mährchen ferner für ein bloszes phantasiegebild, eine einbildung dessen was sein oder geschehen könnte: wundersam bin ich beunruhigt, zwischen schuld und neugier; ich mache mir hundert grillen und mährchen was alles daraus erfolgen könnte. GÖTHE 23, 19;
[…]

6)  mährchen, für eine mit dichterischer phantasie entworfene erzählung:

ich will euch erzählen ein mährchen, gar schnurrig.
         BÜRGER 66a (der kaiser und der abt);
besonders eine erzählung aus der zauberwelt: er war ein ungemeiner liebhaber von mährchen und wundergeschichten. WIELAND 11, 73;
[…]

mährchen, noch so wunderbar,
dichterkünste machens wahr.
         GÖTHE 1, 175;

das buch, das buch voll mährchen und geschichten.
         FREILIGRATH dicht. 2, 178;
kinder mit mährchen abspeisen; und daher, mit anspielung auf den sinn 4 oben:

nicht die kinder blos, speist man
mit mährchen ab.
         LESSING 2, 275;

7)  mährchen endlich auch von personen, zuständen und handlungen einer solchen erzählung: es war, als wenn er ein mährchen erlebte. GÖTHE 20, 154;  [usw.]

aus: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 16 Bde. [in 32 Teilbänden]. Leipzig: S. Hirzel 1854-1960. — Quellenverzeichnis 1971.

Murphys Gesetz

Einen Feiertag wie heute Karfreitag sollte man sinnvoll nutzen: Bei der Suche nach Unterlagen für meine Rentenversicherung (es gibt bei mir noch ungeklärte Zeiten, aber bei wem gibt es die nicht?!) fiel mir auch ein Zettel in die Hand – mit Murphys Gesetz. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen diesem Gesetz und der ungeklärten Zeiten will ich nicht unbedingt herstellen, aber er drängt sich trotzdem auf.

Wer kennt nicht Murphys Gesetz aus eigener Lebenserfahrung, das besagt, dass eben alles schiefgeht, was schiefgehen kann. Hier die ersten 12 Paragrphen des Gesetzes – viel Spaß:

§ 1
Wenn etwas schiefgehen kann, geht es bestimmt schief.

§ 2
Nichts ist so einfach, wie es aussieht.

§ 3
Alles wird teurer als zunächst geplant.

§ 4
Jede Arbeit erfordert mehr Zeit, als man hat.

§ 5
Es ist ein Naturgesetz, dass nichts jemals richtig klappt.

§ 6
Bevor man eine Sache anfangen kann, muss immer erst etwas anderes getan werden.

§ 7
Alles lässt sich so lange verbessern, bis es endlich zusammenbricht.

§ 8
Jede neue Erklärung schafft eine neue Verwirrung.

§ 9
Wer anderer Meinung ist, kann nicht logisch denken.

§ 10
Je wichtiger eine Entscheidung, desto größer die Kommission.

§ 11
Mit zunehmender Dringlichkeit einer Entscheidung sinkt die Zahl der dafür Zuständigen.

§ 12
Sie können manche Leute immer und alle Leute manchmal zum Narren halten – und das genügt.

Damit aber noch nicht genug – hier weitere Paragraphen zu Murphys Gesetz (auch nicht übel!)

Vielleicht eine Lösung, wenn auch nicht die klügste, ist vielleicht die folgende:

Wenn du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis!