Kategorie-Archiv: Musik und mehr

Von Musik und allem Drumherum

Heino strikes back

Lange hat man ihn verspottet, von Otto Waalkes, der ihn in einem Spot als Vampir auferstehen und eine Techno-Version von „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ singen ließ, bis zu Norbert Hähnel, dem wahren Heino aus Berlin, der im Vorprogramm der Toten Hosen auftrat. Aber aller Häme zum Trotz, war und ist er eine Karikatur seiner selbst: Heinz Georg Kramm alias Heino.

So nebenbei: Der „echte“ Heino erwirkte vor dem Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung gegen Hähnel. Infolge dessen durfte Hähnel nicht mehr als „Heino“ auftreten und musste 10.000 DM Ordnungsgeld zahlen. Die Toten Hosen spielten ein Benefizkonzert, um das Ordnungsgeld und die Kosten für Hähnels Anwalt zu tragen. Hähnel nahm das Geld dankend an, weigerte sich aber, die Strafe zu zahlen und saß ersatzweise lieber Ordnungshaft ab. Hähnel äußerte den Verdacht, der „echte“ Heino hätte nur gegen ihn geklagt, weil er befürchtete, seine Fans könnten langsam zu ihm, dem wahren Heino, überlaufen. (Quelle: de.wikipedia.org)

„Wer Heino schätzte, wusste immer, dass sein gesamtes Oeuvre eine subtile – na ja, subtil ist vielleicht übertrieben –, jedenfalls eine Dekonstruktion national-chauvinistischer Mythen und reaktionärer Einstellungen darstellt. Wer sonst hätte ganze Mehrzweckhallen bierseliger Deutscher dazu bringen können, offen zu bekennen: ‚Schwarzbraun bin auch ich!’“ (Quelle: welt.deich staune …)

Nun hat Heino ein Album mit Cover-Versionen von den Ärzten bis zu Rammstein aufgenommen: Mit freundlichen Grüßen. Und (fast) ganz Deutschland hat endlich ein Thema, um sich zu erregen – für oder gegen den blonden Barden aus Düsseldorf.

Heino: Mit freundlichen Grüßen eines Untoten

Dabei hat Heino die Originalinterpreten bzw. Rechteinhaber nicht gefragt, ob er ihre Lieder covern darf. Dies hatte nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Produktion. So durfte er an Komposition und Text nicht die kleinste Kleinigkeit verändern und musste sich stur ans Original halten. Täte er dieses nicht, bedarf es nur eines anwaltlichen Schreibens von einem der Rechteinhaber und die komplette Auflage landet im Shredder. Dies möchte Heino natürlich nicht, also bleibt alles wie beim Original.

Nun, ich habe einmal in „das verbotene Album“ hineingehört. Den Trubel kann ich wirklich nicht nachvollziehen. Heino klingt weiterhin wie Heino. Zwischen den verschiedenen Musikstilen differenziert er nicht. „Wo ist der Unterschied, ob ich ‚Junge komm‘ bald wieder’ von Freddy Quinn oder ‚Junge’ von Die Ärzte singe?“, sagt Heino selbst. Er muss es wohl wissen.

Erstaunlich ist dabei besonders die Reaktion derer, die Heino bislang verachtet haben. So kaufen Leute das neue Album, obwohl sie „normalerweise keine Heino-Fans“ sind, finden die Scheibe „witzig und unterhaltsam“ oder sogar „endgeil“. Sicherlich ist die (Geschäfts-)Idee zu diesem Album clever zu nennen. Auch der Zeitpunkt, die Karnevalszeit, ist bestens gewählt. Und was Heino in all den Jahren seiner Karriere nicht gelungen ist, das gelingt ihm jetzt: Die Numero eins in den Charts zu sein. Selbst zum legendären „Wacken Open Air“ soll Heino nun eingeladen sein.

Jetzt darf man Heino also statt in schalldichten Kellerräumen auch bei der nächsten Gartenparty abspielen, ohne als verkappter Heino-Fan abgetan zu werden. Und wer nicht in diesen kollektive Jubel ausbricht, ist ein Spielverderber.

Nicht dass ich Herrn Kramm diesen Erfolg missgönne. Diese Art der späten Rache an seinen Verächter hat durchaus seine witzige Seite. Aber deshalb muss ich mir doch nicht dieses Album kaufen. Statt die Rentenkasse des Herrn Kramm aufzubessern, sollte man doch besser talentierte Nachwuchsmusiker unterstützen. Trotzdem Glückwunsch, Herr Kramm! Aber bitte NICHT weiter so …?!

siehe auch meinen Beitrag:
Die lebende Schlaftablette: Heino vor Gericht

Wise Guys: Zwei Welten

Meine Frau hat mir zu Weihnachten die Musik-CD Zwei Welten von der Gruppe Wise Guys geschenkt. Ein Blick auf das Cover sagte mir, warum: Es geht um das Lied ‚Deutsche Bahn’:


Wise Guys: Deutsche Bahn

Ja, die Deutsche Bahn und für mich der Metronom – als Pendler, der werktags morgens wie abends mit dem Zug fährt, kann man einiges erzählen. Da ist ein Lied wie dieses gewissermaßen Trost zur rechten Zeit (ich habe mir die Scheibe via MP3-Player schon öfter im Zug angehört). So fühle ich mich nicht alleingelassen. Auch andere haben ihre unheilvollen Erlebnisse mit deutschen Bahnunternehmen gemacht (und nicht nur deutschen, wie ein Schweizer uns aufzeigt – siehe meinen Beitrag Besser, ruhiger, entspannter, einfach schöner pendeln). Übrigens es gibt noch ein Lied von den ‚Wise Guys’ mit Thema Bahnfahren: Die Bahn kommt

    Deutsche Bahn: Platz ist für alle da ...

Die Wise Guys (engl. für „Besserwisser“, „Schlaumeier“) sind eine deutsche Musikgruppe, die Anfang der 1990er aus einer Kölner Schulband hervorging. Die Gruppe singt meist a cappella und bezeichnet ihren Musikstil als „Vokal-Pop“. Zunächst wollte ich es nicht glauben, aber auch das, was sich wie Bass und Schlagzeug auf der Scheibe anhört, ist ‚gesungen’. Bobby McFerrin mit Don’t Worry, Be Happy lässt grüßen.

Es ist vielleicht nicht so ganz meine Musik, aber witzig finde ich das schon, was die Jungs da fabriziert haben. Übrigens: Die CD gibt es auch in einer mit Instrumenten überstützten Fassung. Witzig sind allein schon die Wortspiele. In ‚Deutsche Bahn’ kommt dann auch die Doppelbedeutung des Wortes ‚abgefahren’ besonders schön zur Geltung:

    Meine Damen, meine Herrn, danke, dass Sie mit uns reisen
    Zu abgefahrenen Preisen
    Auf abgefahrenen Gleisen.
    Für Ihre Leidensfähigkeit danken wir spontan:
    Sssenk ju for trewweling wiss Deutsche Bahn!

Siehe auch meinen Beitrag: „senk ju vor träwelling“

Und in dem Lied ‚Irgendwer Wird Immer Meckern’ findet sich folgendes bemerkenswerte Wortspiel, das neben normalen Reimen auch noch Alliterationen nutzt:

    Man kann kleckern oder klotzen:
    Irgendwer wird immer motzen.
    Man kann klotzen oder kleckern:
    Irgendwer wird immer meckern.

Ausgerechnet Sibirien

Ausgerechnet Sibirien ist eine deutsche Filmkomödie aus dem Jahre 2012 in der Regie von Ralf Huettner (Vincent will Meer) und in der Hauptrolle mit Joachim Król.

Ausgerechnet Sibirien – der Film

Matthias Bleuel (Joachim Król) ist ein pedantischer Logistiker aus Leverkusen. Seit der Scheidung von seiner Frau Ilka (Katja Riemann) lebt er tumb und taub vor sich hin. Der Direktor (Michael Degen) des Modeversandhandels Fengler verpasst ihm gerade die richtige Kur: Er schickt ihn in eine Verkaufsstelle in Südsibirien. Nach einer turbulenten Reise hat Bleuel jedoch keine Chance, seine Arbeit zu machen. Dolmetscher Artjoms (Vladimir Burkalov) erste Lektion ist, dass in Russland viele Sachen anders laufen. Bei einem Konzert verliebt sich Bleuel dann auch noch Hals über Kopf in die schorische Sängerin Sajana (Yulia Men). Mit wiedererweckten Empfindungen reisen er und Artjom ihr hinterher…

aus: filmstarts.de


Ausgerechnet Sibirien

Ausgerechnet Sibirien ist eine so genannte Culture-Clash-Komödie über einen mittleren Angestellten aus Deutschland, der sich während einer Dienstreise nach Sibirien in einen anderen Menschen verwandelt. Dazu trägt ohne Zweifel die uns exotisch anmutende weite Landschaft Sibiriens bei und die uns fast unbekannte Kultur der Schoren, einem kleinen indigenen Volk in Sibirien. Der Film spielt mit dem Gegensatz von schnöder Realität und magischer Imagination. Wer hätte da nicht auch Lust, aus seinem Alltag auszubrechen?

Sicherlich verbleibt der Film ziemlich an der Oberfläche, taucht nur wenig in die Kultur der Schoren ein, was ihn sicherlich noch interessanter gemacht hätte. Der Film entspricht unserer westlichen Sichtweise. Trotzdem hat er mir sehr gut gefallen. Ich kann den Film durchaus empfehlen.

Vorbild der schorischen Sängerin ist wohl Tschyltys (alias Olga Tannagaschewa), geboren 1978, die nicht nur jenen Matthias Bleuel im Film, sondern auch uns durch ihren Kehlkopfgesang (Obertongesang) verzaubert. Obertongesang ist eine Gesangstechnik, die aus dem Klangspektrum der Stimme einzelne Obertöne so herausfiltert, dass sie als getrennte Töne wahrgenommen werden und der Höreindruck einer Mehrstimmigkeit entsteht.

Ich habe natürlich nach jener Tschyltys im Internet geforscht und dabei zwei interessante Videos gefunden – zum einen ein Lied mit diesem Kehlkopfgesang – dann ein Stück mit Improvisationen auf dem Khomus, also der Maultrommel – das ähnliche Klangfarben erzeugt wie der Kehlkopfgesang:


Chyltys Tannagasheva: Aba Chonym (Aba People)


„Tschyltys“ Olga Tannagaschewa: Improvisation on Khomus

Weitere Videos bei zemleeb

Requiem für vier Verstorbene

Letzte Woche Donnerstag besuchte ich die Gräber meiner Eltern in Bremen auf dem Waller Friedhof (Eine Kerze für Opa Hermann und Eine Kerze für Oma Maria). An diesem Sonntag nämlich jährt sich bereits der Todestag meiner Mutter zum 2. Mal. Es war ungemütlich an dem Tag, da feucht und kalt.

Nun erfuhr ich, dass genau an diesem Tag, den 10. Januar 2013, Claude Nobs, der Mitbegründer und Spiritus rector des Montreux Jazz Festivals, im Alter von 76 Jahren verstorben ist. Nobs war während einer Langlauf-Tour am Heiligabend gestürzt. Er musste im Universitätskrankenhaus in Lausanne operiert werden. Dabei fiel er ins Koma.

Claude Nobs holte all die Größen der Musik, ob aus Jazz, Rock, Pop oder Klassik in die kleine Stadt Montreux am Genfersee. So war auch Ian Anderson mit seiner Gruppe Jethro Tull öfter beim Montreux Jazz Festival vertreten, 1970 zum ersten Mal, dann 2003 und zuletzt im letzten Jahr:


Jethro Tull’s Ian Anderson & Claude Nobs, Montreux Jazz Festival 2012
(3D-Version des Videos)

Jethro Tull-Fans werden Claude Nobs außerdem durch seine Ansage am Anfang des Bursting Out-Livealbums kennen: «…herzlich willkommen in Festhalle Bern!»:


Claude Nobs‘ Introduction to Jethro Tull

Ian Anderson mit Claude Nobs & Keith Richard und Ron Wood von den Stones
Ian Anderson mit Claude Nobs & Keith Richard und Ron Wood von den Stones


Jethro Tull: Requiem (‘Minstrel in the Gallery’)

Einen Tag vor dem Unfall von Claude Nobs verstarb Margret Schall im Alter von 71 Jahren. Frau Schall war jahrelang Lehrerin an der Grundschule in Tostedt. Bereits meine Frau hatte sie als Lehrerin. Dann war sie Klassenlehrerin meines älteren Sohnes. Frau Schall war mit Herz und Seele Pädagogin. Die Kinder mochten sie, dann sie war eher zurückhaltend, hatte aber eine natürliche Autorität und konnte die Kinder für vieles begeistern. Eine Trauerfeier fand bereits am 3. Januar 2013 in der Friedhofskapelle Tostedt statt.

    Todesanzeige: Margret Schall, Tostedt

Tanita Tikaram: Can’t go Back

Ihre Mutter stammte ursprünglich aus Borneo/Malaysia und ihr Vater von den Fidschi-Inseln. Die Eltern hatten sich in England kennen gelernt, bevor sie nach Deutschland übersiedelten. So wuchs sie im westfälischen Münster auf, wo ihr Vater in Diensten der britischen Armee stationiert war.

Malaysia – Fidschi-Inseln: Eine interessante Mischung. Und so ist diejenige, von der ich hier schreibe, nämlich die inzwischen 43-jährige Tanita Tikaram, eine überaus attraktive Frau mit einem unverkennbaren Hauch Exotik. Und mit einer Stimme …

Tanita Tikaram

Die Stimme: Ich denke, ich habe ein Faible für ‚kaputte’ Stimmen bzw. weniger glasklare Stimmen wie z.B. die von Kate Bush. So mag ich tiefe Frauenstimmen wie eben die von Joan Armatrading und weniger ‚reine’ Männerstimmen wie die von Ry Cooder und besonders Tom Waits. In diese ‚Tradition’ fällt nun auch die Stimme von Tanita Tikaram. Sie ist rau, lässt kaum Modulationen zu und klingt wie die Schwester von Tom Waits. Aber gerade daraus entsteht ein besonderes Reiz, dem ich mich auf jeden Fall kaum entziehen kann.

Ich bin in diesen Tagen durch eine Kompilation von Liedern wieder auf Tanita Tikaram aufmerksam geworden. Diese Auswahl enthielt neben Liedern von ihr auch die schönsten Lieder von Joan Armatrading: Rosie (Tanita and Joan). So wird Tanita Tikaram auch meist mit Musikerinnen und Sängerinnen wie eben Joan Armatrading, aber auch Tracy Chapman und Suzanne Vega verglichen. Unter dem Einfluss der Lieder von Joni Mitchell entschloss sie sich Ende der 80-er Jahre zu einer Karriere als Musikerin. Im Herbst 1988 erschien ihr Debütalbum „Ancient Heart“ mit dem Singlehit Twist in My Sobriety, das mit über vier Millionen verkauften Platten sehr erfolgreich war und im Alter von 19 Jahren ihren internationalen Durchbruch bedeutete:


Tanita Tikaram: Twist in My Sobriety

Twist in My Sobriety

All God’s children need travelling shoes
Drive your problems from here
All good people read good books
Now your conscience is clear
I hear you talk girl
Now your conscience is clear

In the morning I wipe my brow
Wipe the miles away
I like to think I can be so willed
And never do what you say
I’ll never hear you
And never do what you say

Look my eyes are just holograms
Look your love has drawn red from my hands
From my hands you know you’ll never be
More than twist in my sobriety

[…]

Zu Deutsch in etwa:

Alle Kinder Gottes brauchen Wanderschuhe.
Du musst das Problem von hier aus anpacken.
Alle guten Menschen lesen gute Bücher.
Jetzt ist dein Gewissen rein.

Morgens wische ich mir den Schlaf aus den Augen,
morgens will ich alles wegwischen,
morgens wäre ich gerne stark genug,
euch nicht zuzuhören.

Meine Augen sind Hologramme.
Eure Liebe hat mir das Blut
aus den Händen gesaugt.
Ihr könnt mir nichts tun,
ihr verwirrt mir nur den Verstand.

Zum Debütalbum hier ein Livekonzertmitschnitt von der Insel Bømlo, Norwegen 1990 mit Liedern von dem Album:


Tanita Tikaram: Ancient Heart live

Ein sehr schönes Lied ist auch Wonderful Shadow aus dem Jahr 1995:


Tanita Tikaram – Wonderful Shadow (2. Single vom Album „Lovers in the City“ (1995))

Nun nach längerer Pause erschien von Tanita Tikaram in diesem Jahr das neue Album „Can’t Go Back“ (empfehlen möchte ich die Special Edition mit zwei CDs – besonders die zweite mit den akustischen Stücken ….) mit der Single-Auskopplung „Dust On My Shoes“:


Tanita Tikaram: Dust On My Shoes (2012)

Weitere Videos auf dem YouTube-Konto von Tanita Tikaram.

Tikarams traurige Lieder über Verlust haben auf „Can’t Go Back“ etwas Tröstliches. „Es geht darum, die eigene Identität gefunden zu haben“, sagt die 42-Jährige, „man muss sich von den Meinungen der anderen frei machen.“ Insbesondere von denen, die immer nur an „Twist In My Sobriety“ denken. (Quelle: rollingstone.de) – siehe hierzu auch: Tanita Tikaram „Can’t Go Back“ Album Track by Track Interview 2012

StuBu Bremen

Heute ist es eine „Eure-immer-auf-Disco in Bremen“ (Originalton) und wird als Dancehouse mit insgesamt fünf verschiedenen Clubs mit unterschiedlicher Ausrichtung unter einem Dach betrieben: das StuBu. In den letzten Wochen ist das Stubu Dancehouse in die Schlagzeilen geraten: StuBu vor dem Aus. Es geht u.a. um den Geschäftsführer. Wie auch immer. Das StuBu ist längst nicht mehr das, was es bis ca. 1986 war, als es noch in der Ostendorpstraße 2 beheimatet war.

Bis dato hatte das StuBu „weit über die Grenzen Bremens hinaus einen sehr guten Ruf in der Jazz-Szene; Auftritte namhafter Musiker wie Albert Mangelsdorff, Volker Kriegel, Hannes Wader und vielen mehr zeugten von dieser Beliebtheit. Lag keine Live-Musik an, wurde das StuBu als Disco betrieben, wobei die Musik sich stark von dem Einheitsbrei der üblichen Discos unterschied – auch hier war jeder Abend komplett ausverkauft.“ (Quelle: de.wikipedia.org).

    StuBu Bremen – Mitte der 80-er Jahre

Natürlich kenne ich das StuBu aus alten Tagen, das seinen Namen von Studentenbund ableitet, „da es sich ursprünglich um einen Veranstaltungsort des Studentenbundes Bremen e.V., einer Vertretung der Studenten, handelte.“

Oft war ich mit meinen Mitmusikern (siehe den Beitrag: Schweine-Dachboden-und-Keller-Mucke) nach der Bandprobe am Samstagabend im Bremer Ostertorviertel unterwegs. Meist stärkten wir uns mit einem Giros Pita in dem kleinen Imbiss am Sielwall, um anschließend der Live-Musik bei einem gepflegten Bierchen im StuBu zu lauschen. Zuletzt war ich wohl 1984 mit meinen Musikkumpeln und meiner heutigen Frau dort. Es war schon recht urig, wenn auch ziemlich beengt. Und proppevoll war es immer am Samstagabend. Er gab natürlich die unterschiedlichsten Musikrichtungen – vom Reggae bis zum alten Rock ’n’ Roll. Ich erinnere mich noch an ein Konzert von Franny and the Fireballs aus Hamburg. Bei einem Konzert wurde ein Dichtwettbewerb veranstaltet. Zu einem Lied sollten die Zuschauer einen Text verfassen. Ich habe mich daran beteiligt und am Ende eine Single der Rock ’n’ Roll-Band gewonnen (die muss ich noch irgendwo zu Hause herumflattern haben).


STUBU BREMEN – Foto-Show 1984 bis 1986 !!!

Längst ist das Haus in der Ostendorpstraße, indem sich das alte StuBu befand, abgerissen. „1986 zog das StuBu in die Bremer Innenstadt um und war nun in der Straße Hinter dem Schütting zu finden, in direkter Nähe zum Marktplatz und der Böttcherstraße. 1994 entschied man sich erneut zu einem Umzug, diesmal zum Rembertiring, wo sich die Diskothek heute noch befindet.“

Vorerst letzter Stand: „Am 10. August 2012 wurde bekannt, dass die Diskothek vorerst geöffnet bleiben darf, da es das zuständige Stadtamt versäumt hatte, die Betreiber des StuBu vor Mitteilung der Schließungsanordnung […] anzuhören. Dies soll jedoch nachgeholt werden.“

Abbey Road, London, City of Westminster NW8, UK

Welche bekannte Straße fällt uns ein, wenn wir an einen ganz bestimmten Zebrastreifen denken? Na? Klar! Die Abbey Road in London, gleich bei den Abbey Road Studios, dort, wo die Beatles bevorzugt ihre Scheiben aufnahmen. Das Album „Abbey Road“ sollte ja eigentlich „Everest“ heißen und John, Paul, George und Ringo sollten deshalb zu Fotoaufnahmen zum Himalaya reisen. „Als sich das Album der Fertigstellung näherte, stellten die Bandmitglieder fest, dass sie dazu keine Lust hätten und es bequemer wäre, einfach vor die Tür zu gehen, dort das Foto zu machen und das Album dann Abbey Road zu nennen.“ (Quelle: de.wikipedia.org)

Und so kam es zu einen Photoshooting, bei dem immer wieder die vier Musiker über einen Zebrastreifen in der Abbey Road liefen (siehe Webcam – der Zebrastreifen erfreut sich auch heute noch größter Beliebtheit). Paul McCartney ist dabei manchmal mit Sandalen und dann auch barfuß zu sehen. Im Hintergrund ein weißer VW-Käfer. War es die Barfüssigkeit von Paul (oder ein angebliches leichtes Schweben über dem Boden); es kam das Gerücht auf, Paul McCartney wäre gestorben und die abgebildete Person ein Doppelgänger … Er lebt bekanntlich heute noch und hat John und George längst überlebt.

The Beatles: Abbey Road (1969)

The Beatles: Abbey Road (1969)

The Beatles: Abbey Road (1969)

Im September 1969 erschien dann das Album. Das ist nun 43 Jahre her. Ich habe mir in diesen Tagen das Album nach langer Zeit wieder angehört. Zwei Jahre zuvor hatten die Beatles 1967 ihr wohl bestes Album Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (ebenfalls in den Abbey Road Studios) aufgenommen und dabei aufnahmetechnisch neue Wege bestritten. Und so gilt dieses Album wohl zurecht als eines der Wegbereiter der Rockmusik, was neue musikalische und technische Möglichkeiten betraf. Auch auf „Abbey Road“ wurde die damals neueste Aufnahmetechnik verwendet.


The Beatles – Abbey Road (1969)

Wenn ich ehrlich bin: „Abbey Road“ enttäuscht mich nach so vielen Jahren. Okay, einige Lieder sind ganz okay (mit Blick auf die damalige Zeit), so der Starter Come together oder die beiden George Harrison-Titel Something und Here Comes the Sun, das später besonders durch Richie Havens erfolgreich neu interpretiert wurde. Aber es gibt auch viel Tralala wie der Titel „Octopus’s Garden“ von Ringo Starr. Instrumental konnten die Beatles nie richtig überzeugen und bedienten sich beizeiten bekannter Gastmusiker. Aber auch aufnahmetechnisch überzeugt das Album kaum. Da findet ich das ebenfalls 1969 erschienene Album „Stand Up“ von Jethro Tull (übrigens in den Morgan Studios, London, aufgenommen, in denen später auch Paul McCartney mindestens ein Soloalbum aufnahm) um vieles besser.

Apropos Jethro Tull. Auch mit dieser Band gibt es Verbindungen zum Abbey Road Studio. So wurde eine der ersten Singles, nämlich ‚Sunshine Day’, hier aufgenommen (6-7.01.1968). Und anscheinend sollen in den Abbey Road Studios sämtliche Tull-Aufnahmen lagern. Hier wurden so unter Leitung vom Ian Anderson einige der alten Scheiben neu zusammengestellt und remastert. Ich hatte einmal gelesen, dass zumindest Martin Barres legendäres Gitarrensolo im Titelstück „Aqualung“ hier aufgenommen worden sei. Das kann ich leider nicht bestätigen. Dieses wie das ganze Album Aqualung wurde von Dezember 1970 bis zum Februar 1971 in den Island Studios, Basing Street, London, eingespielt – zur gleichen Zeit, als Led Zeppelin hier ihr Album IV aufnahm (siehe u.a. Interview mit Martin Barre auf classicrockrevisited.com).

weitere Links:

Abbey Road Studios
Beatlesbible.com (zur Abbey Road-Cover-Fotografiesession)

Steppenwolf

    Das Gedicht vom Steppenwolf
    Ich Steppenwolf trabe und trabe,
    Die Welt liegt voll Schnee,
    Vom Birkenbaum flügelt der Rabe,
    Aber nirgends ein Hase, nirgends ein Reh!
    In die Rehe bin ich so verliebt,
    Wenn ich doch eins fände!
    Ich nähm’s in die Zähne, in die Hände,
    Das ist das Schönste, was es gibt.
    Ich wäre der Holden so von Herzen gut,
    Fräße mich tief in ihre zärtlichen Keulen,
    Tränke mich satt an ihrem hellroten Blut,
    Um nachher die ganze Nacht einsam zu heulen.
    Sogar mit einem Hasen wäre ich zufrieden,
    Süß schmeckt sein warmes Fleisch in der Nacht –
    Ach, ist denn alles von mir geschieden,
    Was das Leben ein bißchen fröhlicher macht?
    An meinem Schwanz ist das Haar schon grau,
    Auch kann ich nicht mehr ganz deutlich sehen,
    Schon vor Jahren starb meine liebe Frau.
    Und nun trab ich und träume von Rehen,
    Trabe und träume von Hasen,
    Höre den Wind in der Winternacht blasen,
    Tränke mit Schnee meine brennende Kehle,
    Trage dem Teufel zu meine arme Seele.

Dieses Gedicht steht in Hesses Roman „Der Steppenwolf”. Wie Harry Haller, der Steppenwolf, so bin auch ich in die Jahre gekommen („An meinem Schwanz ist das Haar schon grau, auch kann ich nicht mehr ganz deutlich sehen …“). Inzwischen habe ich das, was man die Krise der Lebensmitte zu nennen pflegt, sachte überwunden und freue mich auf einen geruhsamen Lebensabend. Oder nicht? Manchmal möchte ich doch noch einmal ‚traben’ und mich ‚in die Rehe verlieben’ …

Ich habe nie so ganz verstanden, warum „Der Steppenwolf“ gerade soviel Anklang bei jungen Menschen findet. Der Roman war in der 60-er Jahren gewissermaßen das Manifest der Hippie-Bewegung. Denn eigentlich ist es nichts anderes als der Bericht über einen schöpferischen Menschen in der Lebensmitte, den Zweifel an seiner Existenz, an Leben und Tun überkommen – den oberflächlich betrachtet die Midlife Crisis plagt. Harry Haller, der Steppenwolf des Romans, steht vor einem Scherbenhaufen. Sein Leben ist zerrissen, ohne Sinn. Sein Ziel, die Selbstverwirklichung, hat er nicht erreicht. So sieht er nur noch die Selbstauflösung. Aber gerade, weil es die Möglichkeit gibt, sich selbst zu töten, erwächst aus dieser Möglichkeit so etwas wie Lebensstütze („‚… daß die Zeit und die Welt, das Geld und die Macht den Kleinen und Flachen gehört, und den andern, den eigentlichen Menschen, gehört nichts. Nichts als der Tod.’ ‚Sonst gar nichts?’ ‚Doch, die Ewigkeit.’“ S. 167). Und ist die Krise erst einmal überwunden, so kann das Bürgerliche durchaus als „Streben nach einer ausgeglichenen Mitte zwischen den Extremen menschlichen Verhaltens“ werden (Material zum Traktat).

Traktat vom Steppenwolf

Und es ist der Humor, das Lachen, was hilft, die Krise zu überwinden: „…dies Lachen, […] es war das, was übrigbleibt …“ (S. 169). – „… Schule des Humors, Sie sollen lachen lernen. Nun, aller höhere Humor fängt damit an, daß man die eigene Person nicht mehr ernst nimmt.“ (S. 193) – „Lernen Sie ernst nehmen, was des Ernstnehmens wert ist, und lachen über das andere!“ (S. 232)

Neben dem Lied Die Unsterblichen, einem weiteren Gedicht aus dem Roman, habe ich vor über 30 Jahren ein weiteres Lied, ausgehend von dem Steppenwolf-Gedicht, verfasst.

Steppenwolf

Der Steppenwolf, der zieht durch das Land
Sucht sich ein Reh, fängt es mit bloßer Hand
Süß schmeckt das Fleisch
In dunkler Nacht.

Auch mit Hasenblut er sehr zufrieden wär
Noch frisch und warm, das ist sein Begehr
Tränkt Blut ihn satt
Sein Herz ihm lacht.

So der Steppenwolf trabt mit dunkler Macht
Hört den Wind blasen in der Winternacht

Die Welt liegt voll von Schnee und ist bitterkalt
Der Steppenwolf, er heult, an Jahren ist er schon alt
Tränkt mit Schnee seine brennende Kehle
Trägt dem Teufel zu seine arme Seele

Oh, Steppenwolf
– Seelentier.

An seinem Schwanz ist das Haar schon grau
Schon vor Jahren starb seine liebe Frau
So ganz allein er
die Nacht durchwacht.

In die Rehe ist er dafür heut‘ verliebt
Das das Schönste ist, was es für ihn gibt
Zu ihrem Fleisch
Gier ist entfacht.

Der Steppenwolf, der einsam durchs Land trabt
Sich am Fleische und hellrotem Blute labt
Altgeworden
Trockene Kehle.

In der langen Zeit in Scherben zerbrochen
Zählt man schon des Steppenwolfs letzte Wochen
Trägt dem Teufel zu
seine Seele.


Willi singt: Steppenwolf

Musik, Text (nach dem Gedicht von Hermann Hesse), Gesang, Gitarre & Bass: Wilfried Albin – aufgenommen am 10.02.1979 bzw. 13.08.1980 in Bremen

Die Unsterblichen

„Haller kommen seine hymnischen Verse über die Unsterblichen in den Sinn, Mozart tritt in die Loge und bedient sich des Radios, um Händels Musik zu hören – für Haller fast ein Sakrileg, für Mozart nur ein Anlass zum Lachen über den Kampf zwischen göttlicher Idee und profaner Erscheinung: Haller müsse das Lachen lernen, den Humor, der immer nur Galgenhumor sein könne. Für sein Verbrechen der (angekündigten und doch nicht wirklich vollzogenen) Ermordung Hermines wird Haller zur Strafe des ewigen Lebens und des einmaligen Ausgelachtwerdens verurteilt, weil er mit Messern gestochen (und nicht über sich und seine Eifersucht gelacht) habe. Haller ist optimistisch, dieses Spiel beim nächsten Mal besser spielen zu können.“ (Quelle: de.wikipedia.org zur Inhaltsangabe von Hermann Hesses ‘Der Steppenwolf’)

In Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ träumt Harry Haller, der Protagonist des Romans, von Goethe und Mozart, die ihm als Sendboten aus der Welt der Unsterblichen erscheinen. Das Ideal der Unsterblichkeit steht hierbei für die Realisierung des eigenen Selbst. (Nein, die rechtsextremistische Gruppe, die junge Leute für sich zu rekrutieren sucht, ist wahrlich nicht gemeint.)

Die Unsterblichen

1980, vor mehr als 30 Jahren, habe ich verschiedene literarische Texte (u.a. Albert Camus’ „Der Fremde“ und Kafkas Romane „Das Schloss“ und „Der Prozess“) musikalisch aufgearbeitet. Nichts Aufregendes, eigentlich nur für mich selbst gedacht. Eines der Lieder habe ich bereits vor längerer Zeit vorgestellt: Gegen Windmühlen kämpfen. Im Zusammenhang mit der Lektüre von Hesses Steppenwolf bin ich nochmals auf diese alten Lieder gestoßen. Und da gibt es ein sehr kurzes Lied mit nur wenigen Zeilen. Mein Neffe, damals gerade 14 Jahre alt, begleitete mich auf der Gitarre:

Die Unsterblichen sind unter uns
Sie sind Wissen, Zukunft und Kunst
Unser Geist
Wär schal und fad‘
Hätten kein Gewissen –
So skrupellos!
Die Unsterblichen sind unter uns.

Text, Musik, Gesang, Bassgitarre: Wilfried Albin
akustische Gitarre: Torsten Besch
Aufgenommen am 08./13.08.1980 in Bremen


Willi singt: Die Unsterblichen

Der Vollständigkeit halber hier das Gedicht aus Hesses Roman:

Die Unsterblichen

Immer wieder aus der Erde Tälern
Dampft zu uns empor des Lebens Drang:
Wilde Not, berauschter Überschwang,
Blutiger Rauch von tausend Henkersmählern,
Krampf der Lust, Begierde ohne Ende,
Mörderhände, Wuchererhände, Beterhände.
Angst- und lustgepeitschter Menschenschwarm
Dunstet schwül und faulig, roh und warm,
Atmet Seligkeit und wilde Brünste,
Frisst sich selbst und speit sich wieder aus,
Brütet Kriege aus und holde Künste,
Schmückt mit Wahn das brennende Freudenhaus,
Schlingt und zehrt und hurt sich durch die grellen
Jahrmarktsfreuden seiner Kinderwelt,
Hebt für jeden neu sich aus den Wellen,
Wie sie jedem einst zu Kot zerfällt.

Wir dagegen haben uns gefunden
In des Äthers sterndurchglänztem Eis,
Kennen keine Tage, keine Stunden,
Sind nicht Mann noch Weib, nicht jung noch Greis.
Eure Sünden sind und eure Ängste,
Euer Mord und eure geilen Wonnen
Schauspiel uns gleich wie die kreisenden Sonnen,
Jeder Tag ist uns der längste.
Still zu eurem zuckenden Leben nickend,
Still in die sich drehenden Sterne blickend,
Atmen wir des Weltraums Winter ein,
Sind befreundet mit dem Himmelsdrachen;
Kühl und wandellos ist unser ewiges Sein,
Kühl und sternhell unser ewiges Lachen.

Hermann Hesse

Hierzu gibt es natürlich auch eine englische Fassung – nur zum Vergleich:

The Immortals

Ever reeking from the vales of earth
Ascends to us life’s fevered surge,
Wealth’s excess, the rage of dearth,
Smoke of death-meals on the gallow’s verge;
Greed without end, spasmodic lust;
Murderers‘ hands, usurers‘ hands, hands of prayer;
Exhales in fœtid breath the human swarm
Whipped on by fear and lust, blood raw, blood warm,
Breathing blessedness and savage heats,
Eating itself and spewing what it eats,
Hatching war and lovely art,
Decking out with idiot craze
Bawdy houses while they blaze,
Through the childish fair-time mart
Weltering to its own decay
In the glare of pleasure’s way,
Rising for each newborn and then
Sinking for each to dust again.

But we above you evermore residing
In the ether’s star-translumined ice
Know not day nor night nor time’s dividing,
Wear nor age nor sex for our device.
All your sins and anguish self-affrighting,
Your murders and lascivious delighting
Are to us but as a show
Like the suns that circling go,
Changing not our day for night;
On your frenzied life we spy,
And refresh ourselves thereafter
With the stars in order fleeing;
Our breath is winter; in our sight
Fawns the dragon of the sky;
Cool and unchanging is our eternal being,
Cool and star-bright is our eternal laughter.

Tom Waits: Bad As Me

Nach langer Zeit – immerhin nach sieben Jahre – gibt es wieder ein Studioalbum von Tom Waits, den ich hier bereits öfter erwähnt habe: Bad As Me. Okay, das Album ist bereits Ende des letzten Jahres erschienen und ich habe es fast verschlafen, aber eben doch nur fast ….

Anfangs drängte sich für mich ein Vergleich auf, eben der mit dem neuen Album von Ian Anderson (Jethro Tull), denn dieser wie jener sind inzwischen einige Jährchen über ihr 60. Lebensjahr hinaus und bei beiden haperst ziemlich mit der Stimme. Aber damit endet auch schon der Vergleich. Während Anderson sichtlich bemüht daher kommt und in all seiner Perfektion eher Sterilität erzeugt hat, ‚lebt’ Tom Waits wieder förmlich auf. Auch muss Waits nicht sparen, sondern gönnt sich nicht nur einmal satte Bläsersätze und bedient sich der Dienste namhafter Größen, allen voran Keith Richards; ja, der lebt auch noch …

Apropos Stimme: „Er singt […] viel zu perfekt, als dass die Stimme wirklich kaputt sein könnte. Das Reibeisen wechselt mit klaren Tönen, wenn es in die höheren Lagen geht, etwa in ‚Talking at the Same Time’, wo er gar mit Falsett aufwartet, während die Bläser einen schönen Offbeat schieben und das Klavier auf den höchsten Tönen herumpingelt“, schreibt Wolfgang Schneider in der FAZ. Der scheint es zu wissen.

Und apropos Keith Richards: Wen’s juckt, der kratzt sich. Und so kratzt sich Waits und legt mit Richards eine Art Gegenentwurf zu dem Stones-Titel (I Can’t Get No) Satisfaction hin: „I will have satisfaction/I will be satisfied/now Mr. Jagger and Mr. Richards/I will scratch where I’ve been itching“. Das schreit Waits wie ein Raubtier mit seiner Reibeisenstimme, „um am Ende noch ein paar Sekunden die Kopfstimme von Mr. Jagger zu parodieren.“ (Quelle: faz.de).

Wenn man dann die beiden in die Jahre gekommen Herren gemeinsam „Last Leaf“ singen hört, stellt man sich vor, wie diese sich trunken in den Armen liegen, wüsste man nicht, dass zumindest Waits seit vielen Jahren ‚trocken’ ist. Da hängen sie nun, die ‚letzten Blätter’ am Baum, trotzen der Witterung und sind nur zu besiegen, wenn der ganze Baum gefällt wird.


Tom Waits – Last Leaf (Bad As Me 2011)

In dem Antikriegssong „Hell Broke Luce“ hämmern, ja marschieren die Gitarren. Richards feuert in ‚minimalistischer’ Manier seine kurzen Gitarrenriffs ab. „Als Abrechnung mit der US-Politik der letzten Jahre kann man das deuten, ‚What is next?’, stellt er ans Ende, es ist eine hypothetische Frage, denn es ändert sich nie etwas, in den Staaten unter Bush oder Obama oder irgendwo sonst auf der Welt.“ (Quelle: amazon.de)


Tom Waits – Chicago (Bad As Me 2011)

Das Album beginnt mit dem Lied ‚Chicago’, bläsergetränkt, fiebrig, alptraumhaft, hektisch und besteht wohl nur aus einem Akkord. Ich gestehe, dass mich das zunächst aufgeschreckt hat. Da wird man angeschrieen, man fürchtet um den Zahnersatz des Herrn Waits, als könne der sich selbständig machen. Waits knurrt, kläfft und spuckt. Ähnlich geht es mit dem Titelstück: „Bad As Me“, einem grimmig vorgetragenen Neuzeit-Blues. Der Text erinnert mich an diese süßliche Schokoladenwerbung ‚Merci, dass es dich gibt’ – nur anders herum:

You’re the head on the spear
You’re the nail on the cross
You’re the fly in my beer
You’re the key that got lost
You’re the letter from Jesus on the bathroom wall
You’re mother superior in only a bra
You’re the same kind of bad as me.


Tom Waits – Bad As Me (2011)

Aber Tom Waits kann eben auch anders. Neben der Ballade „Face to the Highway“ mit schwirrenden Gongs und lieblich gezupften Flageolett-Tönen auf der Gitarre, mit eher wehmütig klingenden Akkordeon-Akkorden bei ‚Pay Me’. Mir gefällt natürlich ‚New Year’s Eve’, mit dem das reguläre Album endet, das mit Anklängen bei Auld Lang Syne aufwartet.


Tom Waits – New Year’s Eve (Bad As Me 2011)

Übrigens – das Album ist so nebenbei auch noch ein Familienunternehmen: Waits Gattin Kathleen Brennan hat dieses Album komplett mitverfasst, dazu erstmals auch produziert. Und Sohn Casey Waits sorgt sich um die Drums (weiteres zu den mitwirkenden Musikern siehe auch: laut.de).

Die sicherlich ebenso interessanten Lyrics finden sich auf der Waits-Website.


Tom Waits – Bad As Me (das GANZE Album) 2011

Noch einmal zum Vergleich mit Ian Anderson: Dieser lässt sich wahrlich schlecht herstellen. Anderson hat nie Drogen genommen, trank dafür Milch. Und Alkohol immer nur in Maßen. Wenn Herr Anderson bereits in der Heia lag und träumte, ließ sich Tom Waits noch einen Drink bringen. Und wenn der eine morgens eine Runde joggte, erhob sich der andere schwankend, um endlich zu Bett zu gehen. Heute sind beide grundsolide. Nur pflegt Tom Waits weiterhin die schwarze Romantik des Kaputten. Das klingt nicht nur authentischer, es ist es auch …

Ziemlich uncool, Sven Regener

Also Ihren Lehmann finde ich ja ganz cool, Herr Regener. Vielleicht weil er einiges auch mit mir zu tun hat: Sielwall in Bremen, überhaupt Ostertor – dann die Bundeswehr, mir ging es ähnlich wie Herrn Lehmann – und Berlin, bin dort zwar geboren, habe später aber woanders gelebt, bin aber oft genug nach Berlin gefahren. Mit Ihrer Musik (Element of Crime) habe ich weniger am Hut. Und jetzt das: Ihre Wutrede bei Bayern 2 im Rundfunk, Ihre Stellungnahme zu Urheberrecht und Internet.

Es ist nicht so, dass ich Sie nicht verstehe. Natürlich ist YouTube ein Milliardenunternehmen und bereichert sich ohne eigenes künstlerische Zutun mit den Werken anderer. Aber Millionen Menschen gucken tagtäglich die Videos dort und erfreuen sich daran. Und es soll viele Künstler geben, die sogar freiwillig ihre Videos dort einstellen, um bekannt zu werden.

    Urheberrecht auf die eigene Scheiße

Ihr Loblied auf die GEMA kann ich aus ihrer Sicht durchaus nachvollziehen. Mich würde, so nebenbei gefragt, interessieren, wie die GEMA-Einnahmen an ihre Mitglieder ausgeschüttet werden, es soll nach einem komplexen Verteilerschlüssel geschehen. Sie, Herr Regener, werden dabei sicherlich nicht allzu schlecht abschneiden. Aber wie YouTube Positives wie Negatives einschließt, so ist auch bei der GEMA nicht alles bestens. So finde ich die Pauschalabgaben für Geräte und Medien, die das Kopieren von Musik ermöglichen, nicht okay. Warum wird damit jedem Käufer unterstellt, dass er auch urheberrechtlich geschützte Musik kopiert? Und warum kassiert die GEMA auch, wenn z.B. die evangelische Kirche bei uns im Ort so genannte Bandabende veranstaltet. Und zwar nicht gerade wenig (etwa 200 €). Kassiert wird auch dann, wenn die Bands, die übrigens kostenlos auftreten, keine Titel covern, sondern nur Eigenkompositionen vortragen. Ich nenne so etwas hanebüchen. Und wenn ein Stand auf dem Weihnachtsmarkt Weihnachtsmusik abspielt, dann kassiert die GEMA, damit auch Sie sich, Herr Regener, eine fette Weihnachtsgans leisten können. Und mit Kindergärten und Schulen war da auch noch etwas. Man kann es auf die Spitze treiben.

Natürlich sollten sich YouTube und GEMA endlich einig werden, damit nicht jedes 2. Video in Deutschland als nicht verfügbar ausgewiesen wird, „da es möglicherweise Musik enthält, für die die erforderlichen Musikrechte von der GEMA nicht eingeräumt wurden.“ Die Musiker, die die GEMA vertritt, hätten dann auch etwas vom großen Kuchen (siehe hierzu den interessanten Artikel bei spreeblick.com).

Der Unterschied zwischen Urheber- und Nutzungsrechten ist Ihnen sicherlich bekannt, Herr Regener. In unserem Bekanntenkreis gibt es einen, der vor vielen Jahr einmal ein Buch geschrieben hat, das dann auch ein Verlag herausbrachte. Jetzt hätte er es gern, dass eine Neuauflage erscheint. Der Verlag, der die entsprechenden Nutzungsrechte hält, ist aber nicht interessiert. Natürlich könnte er das Buch selbst herausbringen. Dann müsste er aber für die Nutzungsrechte des Verlags zahlen. Sein Urheberrecht, das bekanntlich nur vererbt, aber nicht veräußert werden kann, kann er sich in die Haare schmieren.

Und so wie dieses Buch also nie mehr erscheinen wird, gibt es mindestens ein Dutzend Filme, die ich gern sehen möchte, für die ich auch angemessen zahlen würde, wenn sie auf dem Markt erhältlich wären, was sie aber nicht sind (z.B. Literaturverfilmungen wie Martin Walser: Der Sturz oder Halldór Laxness: Am Gletscher; dagegen ist z.B. die für mich interessante Verfilmung von Einar Kárason: Die Teufelsinsel nur ‚illegal’ im Internet zu beziehen). Wenn Film-, Musik- oder auch Verlagsindustrie keine Kohle verdienen können, dann verschwinden Werke einfach vom Markt.

Und was halten Sie vom Wahn der Abmahnindustrie? Es kann doch auch in Ihrem Interesse nicht liegen, dass ganze Bevölkerungsteile kriminalisiert werden, Rechtsanwälte sich dabei eine goldene Nase verdienen – und am Schluss der Autor und Urheber trotzdem nichts davon hat.

Die Welt verändert sich nun einmal. Sie werden mir doch sicherlich nicht erzählen wollen, dass Sie in jungen Jahren nicht auch die eine oder andere Kopie gezogen haben? ‚Damals’ war das eben aufwändiger und mit Qualitätsverlust behaftet, z.B. eine LP auf Musikkassette zu ziehen. Heute ist das ganz einfach und es kann jeder Trottel. Nein, Ihr ‚Geschäftsmodell’ zieht nicht mehr, weil die Technik voranschreitet. Und so müssen auch Musiker wie Sie zwangsläufig umdenken.

Ich will und kann Ihnen hier kein neues ‚Geschäftsmodell’ generieren, da müssen Sie sich schon selbst den Kopf zerbrechen. Aber viele Musiker vermarkten sich im Netz inzwischen selbst, weil sie es vor allem auch satt haben, in die Taschen der Musikindustrie zu arbeiten. Wie viel bekommen sie von einer verkauften CD und wie viel verdient z.B. ein Plattenlabel wie Sony? Sicherlich ist es richtig, dass viele kleine Indie-Labels heute keine Überlebenschance mehr haben. Aber das liegt nicht nur daran, dass Musik ‚unentgeltlich’ im Netz zu haben ist.

Ihre Wutrede war sicherlich spontan und emotional getragen. Aber die war leider auch ziemlich einseitig und ohne Blick zur Seite und nach vorn. Was wollen Sie gegen YouTube & Co. und den Raubkopierern tun? Alle verbieten oder einsperren? Sicherlich nicht! Sie als Musiker (und als Buchautor) sollten sich an der öffentlichen Diskussion beteiligen. Eine fäkalträchtige Standpauke genügt da nicht. Das eigentliche Problem ist dabei nach meiner Meinung weniger das Urheber- als vielmehr das Nutzungsrecht. Trotzdem muss beides überdacht (von Denken) und auf neue Füße gestellt werden. Ich könnte Ihnen, lieber Herr Regener, noch vieles andere unter die Nase reiben. Das soll aber für heute genügen. Blieben Sie cool, Herr Regener!