Der Spielfilm Der Baader Meinhof Komplex aus dem Jahr 2008 schildert Vorgeschichte und Aktionen der Terrorgruppe Rote Armee Fraktion (RAF) von 1967 bis zum „Deutschen Herbst“ 1977. Das von Produzent Bernd Eichinger verfasste Drehbuch folgt weitgehend dem gleichnamigen Sachbuch von Stefan Aust (erstmals erschienen Ende 1985). Unter der Regie von Uli Edel spielten in dem Film – auch in Nebenrollen – einige der bekanntesten deutschen Darsteller mit.
Während meines Osterurlaubs habe ich mir den Film in der Kinofassung angeschaut. Sowohl Buch (u.a. von Stefan Aust) Baader Meinhof Komplex als auch der Film als DVD bzw. BluRay sind weiterhin im Handel erhältlich.
„Beim Staatsbesuch des Schah Mohammad Reza Pahlavi in West-Berlin kommt es zur gewaltsamen Auflösung einer Demonstration, bei der Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 vor der Deutschen Oper erschießt. Ohnesorgs Todestag gilt als Einschnitt in die deutsche Nachkriegsgeschichte mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Folgen. – Studentenführer Rudi Dutschke, Redner am Vietnam-Kongress im Audimax der TU Berlin, wird am 11. April 1968 auf offener Straße von einem jungen Hilfsarbeiter angeschossen und schwer verletzt. Als Reaktion folgt ein Protest gegen den Axel-Springer-Verlag, an dem auch Ulrike Meinhof teilnimmt. Nach der Brandstiftung in zwei Frankfurter Kaufhäusern als Protest gegen den Vietnamkrieg werden die Täter am nächsten Tag festgenommen. Meinhof schreibt als Journalistin über den Prozess und lernt dabei die angeklagten Studenten Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Andreas Baader kennen.
Der Baader Meinhof Komplex (2008) Trailer
Die Angeklagten werden zu drei Jahren Haft verurteilt, aber schon im Juni 1969 wieder entlassen, bis das Gericht über die Revision ihrer Urteile entscheidet. Als im November 1969 ihre Revision abgelehnt wird, tauchen Andreas Baader und Gudrun Ensslin in den Untergrund ab, unter anderem in Rom. Nach Berlin zurückgekehrt, wohnen sie zeitweise bei Meinhof. Während einer Fahrzeugkontrolle wird Baader festgenommen und inhaftiert, aber einen Monat später gelingt Meinhof und Ensslin die so genannte „Baader-Befreiung“ in Berlin. Damit wechselt Meinhof in die Illegalität und lässt ihre zwei Töchter zurück. Die Baader-Befreiung gilt als Geburtsstunde der Rote Armee Fraktion.“
„Deutschland in den 70ern. Die radikalisierten Kinder der Nazi-Generation, angeführt von Andreas Baader (Moritz Bleibtreu), der ehemaligen Starkolumnistin Ulrike Meinhof (Martina Gedeck) und Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek), kämpfen gegen das, was sie als das neue Gesicht des Faschismus begreifen: die US-amerikanische Politik in Vietnam, im Nahen Osten und in der Dritten Welt, die von führenden Köpfen der deutschen Politik, Justiz und Industrie unterstützt wird. Die von Baader, Meinhof und Ensslin gegründete Rote Armee Fraktion hat der Bundesrepublik Deutschland den Krieg erklärt. Es gibt Tote und Verletzte, die Situation eskaliert, und die noch junge Demokratie wird in ihren Grundfesten erschüttert. Der Mann, der die Taten der Terroristen zwar nicht billigt, aber dennoch zu verstehen versucht, ist auch ihr Jäger: der Leiter des Bundeskriminalamts Horst Herold (Bruno Ganz). Obwohl er große Fahndungserfolge verbucht, ist er sich bewusst, dass die Polizei allein die Spirale der Gewalt nicht aufhalten kann.“
Das Buch von Stefan Aust gilt inzwischen als Standardwerk über die RAF und behandelt die frühe Geschichte der Rote Armee Fraktion (RAF) unter der Führung von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Einer Verfilmung waren von Anfang an Grenzen gesetzt. So verzichtete das Drehbuch auf identifikatorische Figuren und einen durchgehenden Handlungsbogen. Zudem musste man einen solchen Stoff radikal verdichten. Am Ende kam ein Film heraus, der ganz offensichtlich vor allem für jene gemacht wurde, die die RAF nur vom Hörensagen kennen, die ganz gern mal wissen wollten, was es mit diesen Radikalen aus den Siebzigern auf sich hat, die beinahe im Alleingang den Rechtsstaat an seine Grenzen gebracht hatten.
Wer hier nach neuen Erkenntnissen sucht oder sogar einen Diskurs einfordert, der ist fehl am Platze. Der Film erzählt im Wesentlichen aus der Perspektive der Terroristen. So gab es natürlich Klagen, da man die Opfer nicht ausreichend gewürdigt oder den Gegenspieler der RAF, also die Bundesregierung, nur unzureichend ins Bild gerückt habe. Aber darum geht es im Film nun einmal nicht. Es ist in erster Linie ein Art Geschichtsfilm, dramaturgisch aufbereitet, der gleichzeitig unterhalten und aufklären will. Moritz Bleibtreu spielt Andreas Baader als testosterongesteuertes Alpha-Männchen. Johanna Wokalek oder Nadja Uhl als Gudrun Ensslin und Brigitte Mohnhaupt werden als Todesengel im Minirock inszeniert. Trotzdem bietet der Film einen ungewöhnlichen Einblick in die Zeit der siebziger Jahre und der damaligen Ereignisse. Das gilt sowohl für mich, der vieles als Zeitzeuge miterlebt hat und sich dieses durch den Film ins Gedächtnis zurückholen kann, besonders aber für die nachgewachsene Generation unserer Kinder.
Sicherlich wäre es interessant gewesen, wenn dem Film Bezüge zum Hier und Jetzt gelungen wäre. Wie schreibt Günter Grass in seinem Buch Grimms Wörter: Mich treibt Zorn an, der sich an westlichen Colonialherren reibt, die als Sieger des Kalten Krieges meinen, hemmungslos zugreifen, fortan auf Pump leben zu dürfen und nun, nach dem Triumph des Kapitalismus über den Kommunismus, beginnen, ihresgleichen zu zerstören, weil ihnen der Feind fehlt. – Die RAF hat nach meiner Meinung ebenso wie die ‚kommunistische Gefahr’ dazu beigetragen, den Verantwortlichen in unserer Republik (Politik, Justiz, Wirtschaft), ihre ‚persönlichen’ Grenzen aufzuzeigen. Der habgierige Wirtschaftsmagnat wurde in seinen Tun dadurch beschränkt, weil er fürchten musste, sonst in die Schusslinie der RAF-Terroristen zu gelangen. Natürlich will ich kein Klima der Angst schüren. Aber es wäre besser, wenn ‚die Oberen’ immer so etwas wie einen ‚natürlichen’ Feind hätten, zumindest einen außenstehenden Kontrolleur, der ihnen auf die Finger schaut.
Nachbetrachtung: Verbindung der RAF zur DDR
Am 2. Juni 1967 schoss der damalige Kriminalobermeister Kurras bei einem Polizeieinsatz gegen Demonstranten in West-Berlin den FU-Studenten Benno Ohnesorg mit seiner Dienstwaffe in den Hinterkopf, woran dieser starb. Der Tod Ohnesorgs führte zur Radikalisierung von Studenten und damit auch zur Gründung der RAF. Erwähnenswert ist dabei, dass Kurras von 1955 bis mindestens 1967 auch Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR war. Kurras‘ im Mai 2009 bekannt gewordene IM-Tätigkeit löste neue staatsanwaltliche Ermittlungen zu seinem Todesschuss und eine neue Debatte über dessen Ursachen und Folgen aus. Es fanden sich allerdings keine Anhaltspunkte für einen Mordauftrag des MfS.
Mitglieder der zweiten Generation der RAF erfuhren organisatorische und finanzielle Hilfe aus der DDR. Die „Stasi“ bot eine Art Waffenbrüderschaft an. Man bildete RAF-Mitglieder in Camps aus, wo man ihnen das Schießen mit Gewehr und Raketenwerfer beibrachte. Diese Ausbildung war guerillamäßig und sehr gut organisiert. Die dort erlernten Fähigkeiten konnten sie dann für Anschläge usw. verwenden (Quelle: rafinfo.org). Zehn sogenannte RAF-Aussteiger tauchten mit Hilfe der Staatssicherheit in der DDR unter. Noch vor der Wiedervereinigung wurden sie im Juni 1990 enttarnt, festgenommen und an die Bundesrepublik ausgeliefert. – siehe hierzu auch: spiegel.de
Erwähnenswert ist auch Horst Mahler, der im Film nur kurz abgehandelt wird. Er vertrat als Rechtsanwalt u.a. Andreas Baader und Gudrun Ensslin und gilt selbst als Gründungsmitglied der RAF. 1975 sagte sich Mahler vom Terrorismus los und erreichte 1988 seine Wiederzulassung als Anwalt. Dann erfolgte eine außergewöhnliche Kehrtwendung: Ab etwa 1997 wandte er sich dem Rechtsextremismus zu und vertrat 2002 die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) im NPD-Verbotsverfahren. Wegen verschiedener Delikte, darunter verfassungswidrige Betätigung, Holocaustleugnung, Mord- und Gewaltandrohungen, antisemitische und neonazistische Äußerungen wurde er zu mehreren Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Ein vorläufiges Berufsverbot von 2004 wurde 2009 mit dem Entzug seiner anwaltlichen Zulassung bestätigt.