Kategorie-Archiv: Glotzkiste

Neues und Altes im Kino & TV

Tatort (007) aus Köln: Kressin stoppt den Nordexpress (1971)

Die Kriminalfilmreihe Tatort in der ARD gibt es nun schon seit fast 45 Jahren. Unter den ersten Folgen waren gleich drei, in denen der Zolloberinspektor Kressin (gespielt von Sieghardt Rupp) bundesweit ermittelte, so beispielsweise in Köln, Hamburg oder Bonn. Auch im angrenzenden Ausland war Kressin tätig, wie Lüttich in Belgien oder Kopenhagen in Dänemark.

Kressin tritt stets in smarter James-Bond-Manier auf, mit coolen Sprüchen und begleitet von hübschen Mädchen. Seinem Charme und Charisma können nur die wenigsten Damen widerstehen. Mit reichlich Haargel, lässiger Kleidung und sportlicher Figur stellt er sich allen Herausforderungen. Obwohl meist in Geldnöten, so ist Kressin nicht bestechlich.

Neulich lief die siebte Tatort-Folge von bisher über 950: Kressin stoppt den Nordexpress im hr-fernsehen. Dort werden jeden Samstagabend gegen 21 Uhr 45 zz. viele alte Folgen aus Deutschlands beliebtester Krimireihe wiederholt.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Da ich ‚Tatort‘ von Anfang an kenne, interessierte mich natürlich diese Folge aus der Anfangszeit:

Die in Schweden gefassten Schwerverbrecher Brockhoff und Katolli werden in Begleitung der Kriminalbeamten Kaufhold und Markowski mit der Eisenbahn – genauer: dem Nordexpress über Kopenhagen und Puttgarden – von Malmö nach Deutschland überführt, erscheint ein Transport im Flugzeug doch hinsichtlich möglicher Befreiungsaktionen zu heikel. Genau dies jedoch führt der zwielichtige Gangsterboss Sievers im Schilde: Er hat in einem abgelegenen Anwesen eine erkleckliche Schar von Spezialisten zusammengezogen, die emsig die eisenbahntechnischen Aspekte zur Durchführung einer Befreiung der beiden proben: Das Führen einer Lokomotive, die Pflichten eines Zugführers, die Feinheiten des Zugpostfunks, sogar ein Speisewagenkellner ist zugange. Sie alle sollen in einer generalstabsmäßig geplanten Operation die Kontrolle über den Nordexpress erringen und ihn an einer dafür vorgesehenen Stelle auf freier Strecke zum Halten bringen – natürlich in einer Weise, die die restlichen Fahrgäste bis zur eigentlichen Befreiung ahnungslos lässt.

Unterdessen wird Zollfahnder Kressin, der die Ermittlungen in einem Fall von Porno-Schmuggel in Kopenhagen dazu nutzt, sich nebenher mit seiner Freundin Birgit zu vergnügen, von seinem Vorgesetzten dringend nach Köln zurückgerufen; auf dessen Anweisung gleichfalls per Bahn, da eine Flugreise kurzfristig nicht ohne weiteres verfügbar ist. Den letzten Ausschlag für die Bahnreise jedoch gibt eine blonde, junge Frau, die Kressin im Reisebüro auffällt, als sie eine Fahrkarte für den Nordexpress löst. Zufälligerweise sieht er dieselbe Frau später mit einem schweren Koffer aus einem Sex-Shop kommen. Im Zug arrangiert er einen Sitzplatz neben ihr im selben Abteil, ihr Koffer reist unbeobachtet im Nachbarabteil mit. Kressin, Hansdampf in allen Gassen, verwickelt natürlich umgehend Pernille, so der Name der jungen Frau, in ein Gespräch.


Tatort Folge 7: Kressin stoppt den Nordexpress (1971)
(Video bei youtube in besserer Qualität)

Also ganz in James-Bond-Manier überwältigt Kressin den falschen Lokführer und stoppt den Zug, damit die Polizei die Gangster verhaften kann. Und man wird es sich fast denken können. Der Koffer jener Pernille enthält Porno-Heftchen, die sie nach Deutschland zu schmuggeln gedachte (damals war das durchaus lukrativ). Kressin drückt natürlich ein Auge zu.

Kressin würde heute mit seiner Macho-Art wohl kaum bei Frauen landen, zu plump, zu abgeschmackt und sexistisch wirkt und ist das. So ist diese Folge aus dem Jahr 1971 durchaus auch ein Rückblick auf Verhaltensmuster der damaligen Zeit. Interessant sind vor allem aber die Einblicke in den Eisenbahnbetrieb der 1970er-Jahre. Es werden Aspekte der Stellwerks- und Zugleittechnik sowie des Fahrdienstes beleuchtet. Daneben sind der Eisenbahnfährbetrieb Rødby-Puttgarden und zahlreiche mittlerweile historische Lokomotiven und Reisezugwagen – wenngleich auch nicht immer in ganz stimmigen Zusammenstellungen – zu sehen.

Kressin (Sieghardt Rupp) mit Freundin Birgit (Gitte Hænning) im dänischen Pornoladen

Und der Auftritt der damals sehr populären, aus Dänemark stammenden Schlagersängerin Gitte Hænning zu Beginn des Films als Kressins Freundin Birgit zeigt, dass nicht erst heute Schlagersternchen, z.B. Roland Kaiser als Schlagersänger Roman König in einem Münster-Tatort – und demnächst die unsäglich atemlose Helene Fischer mit brünetter Perücke und Pistole im neuesteen Til-Schweiger-Tatort (Sendetermin 22. November 2015), die Plattform Tatort zu nutzen verstehen.

Wie auch immer: Sie war mehr amüsant als spannend diese in die Jahre gekommene Tatort-Folge, aber sie ist durchaus empfehlenswert für junge Tatort-Fans.

Tatort (957) aus Salzgitter (2015): Verbrannt

Die Macher der Tatort-Folge Verbrannt wurden sicherlich durch hehre Absichten geleitet, als sie eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 2005, den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh aus Sierra Leone, der in Dessau in Polizeigewahrsam verbrannt ist, ins Tatort-Format überführten. Ort der Handlung ist Salzgitter, wo die Bundespolizisten Falke und Lorenz ermitteln. So sehr die Flüchtlingsthematik höchst aktuell ist, so sehr erweist sich die Verarbeitung zu einem Kriminalfilm als ziemlich ‚tückisch‘. Aber zunächst kurz etwas zum Inhalt:

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Graue Herbsttage. Die Ermittlungen in einer niedersächsischen Kleinstadt setzen Kommissar Falke gehörig zu. Zunächst prügelt er einen vermeintlichen Kontaktmann eines internationalen Schleuserrings krankenhausreif. Und als sich dann herausstellt, dass die Polizeiaktion ein einziges Missverständnis war und es sich bei dem Schwarzafrikaner um einen unbescholtenen Asylbewerber handelt, ist dieser bereits tot – verbrannt in seiner Zelle. Das schlechte Gewissen sitzt dem Kommissar im Nacken. Obwohl die Bundespolizei nicht zuständig ist, will Falke unbedingt die Klärung der Todesursache selbst in die Hand nehmen. Ganz zum Leidwesen von Katharina Lorenz: Der Gewaltausbruch ihres Kollegen bei der Festnahme hat bei ihr Spuren hinterlassen. Als sie Falke später mitteilt, dass sie den Polizeidienst quittieren wird, reagiert er zunächst fassungslos. Der eigene Ausraster, ein Polizeipräsidium, in dem mal eben über Nacht ein Mann unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt und alle Kollegen dicht halten – und dann auch noch das! Es sind die Tage um den 3. Oktober – aber Deutschland zu feiern, dafür gibt es keinen Grund. In diesem Nest stinkt es gewaltig. (Quelle: tittelbach.tv)


Tatort (957) aus Salzgitter (2015): Verbrannt

Diese Tatort-Folge entpuppt sich am Ende als ein Fall von institutionellem Rassismus. Der Leiter der Polizeidienststelle hat seine Beamten (die Jungs, die „den Dreck wegmachen“ müssen) zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengeschweißt, aus der ein Entkommen unmöglich ist. Es herrscht eine geradezu klaustrophobische Stimmung, die im Film sehr gut wiedergegeben wird. Dabei bleiben die Probleme des Einzelnen nicht unberücksichtigt. Eine junge Beamtin (überzeugend gespielt von Annika Kuhl) ist endlich bereit, eine Aussage zu machen, doch dann verlässt die allein erziehende Mutter der Mut.

Da die Handlung ziemlich begrenzt ist, bleibt Zeit, „die Befindlichkeiten der Kommissare hinreichend auszuloten.“ „Tückisch“ ist dabei, es soll ja eben ein Tatort-Krimi sein und bleiben, dass falsche Fährten (z.B. die Tür hinter dem erst kürzlich bewegten Schrank) gelegt werden. Auch die Auflösung mit dem zugespielten Video erweist sich als mehr oder weniger konstruiert. Aber es bleibt trotzdem ein „Film, der eine klare Haltung bezieht, es sich aber nicht zu einfach macht. Ein stimmungsstarker, dokumentarisch wirkender ‚Tatort‘, ganz aus der Perspektive der Kommissare erzählt“, sodass der Zuschauer nicht wie oft üblich meist mehr weiß als die Ermittler.

Übrigens berührt auch der nächste Tatort Kollaps, der am Sonntag (18.10.2015) aus Dortmund kommt, die Flüchtlingsfrage, die wir so schnell nicht beantwortet bekommen werden.

Honig im Kopf (2014)

Honig im Kopf ist eine deutsche Tragikomödie von Til Schweiger aus dem Jahr 2014. Schweiger spielte eine der Hauptrollen, führte Regie und schrieb zusammen mit Hilly Martinek das Drehbuch. Die weiteren Hauptrollen sind mit Emma Schweiger und Dieter Hallervorden besetzt; in Nebenrollen sind unter anderem Jan Josef Liefers, Fahri Yardım und Tilo Prückner zu sehen.

    Honig im Kopf (2014)

Nachdem seine geliebte Frau gestorben ist, wird der ehemalige Tierarzt Amandus (Dieter Hallervorden) zunehmend vergesslich. Bald ist er mit den Alltagsaufgaben seines neuen Singlelebens überfordert, deshalb nimmt sein Sohn Niko (Til Schweiger) den 70-Jährigen bei sich auf. Während Enkelin Tilda (Emma Schweiger) begeistert ist, den Opa im Haus zu haben, ist Schwiegertochter Sarah (Jeanette Hain) skeptisch. Sie sieht die Gedächtnislücken des alten Herrn und seine Weigerung, einen Arzt aufzusuchen, mit großer Sorge. Ihre kritische Haltung sorgt für weitere Spannungen in der durch diverse Seitensprünge ohnehin schon belasteten Ehe mit Niko. Als Amandus bei dem fehlgeschlagenen Versuch, einen Kuchen zu backen, fast das ganze Haus abfackelt, wird dann doch der Entschluss gefasst, für den Alzheimer-Kranken einen Platz in einem Pflegeheim zu suchen. Das wiederum kann Tilda überhaupt nicht verstehen. Das Mädchen hat eigene Ideen, wie es seinem Opa am besten helfen kann und macht sich mit ihm heimlich auf den Weg nach Venedig, wo Amandus einst seine Flitterwochen verbrachte. Eine turbulente Reise beginnt…

aus: filmstarts.de

So langsam komme ich mit meiner Frau in die Jahre. Die ersten Wehwehchen haben wir längst hinter uns gebracht. Und auch mit der Vergesslichkeit ist das so eine Sache. Okay, ich weigere mich schon längere Zeit, mir allen Käse zu merken. Aber nach und nach spielt der Gehirnkasten doch schon kleine Streiche. Da interessiert man sich auch plötzlich für einen Film, wie den von Til Schweiger: Honig im Kopf.


Honig im Kopf (Trailer)

Wo Til Schweiger drauf steht, ist meist auch nur Til Schweiger drin. Und so liefert er schöne Bilder, gefühlvolle Musik, Humor (allerdings oft mit dem Hammer verabreicht) und viel Emotionalität. Leider vertragen sich solch hemmungslos eingeflößte Dosen Schweiger‘sche Familienkomödie nicht sonderlich gut mit einem ambitionierten Film über Alzheimer, denn darum geht es letztendlich im Film.

Wäre da nicht Dieter Hallervorden, der nach seiner mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichneten Darbietung in „Sein letztes Rennen“ wiederum eine weitere bemerkenswerte Leistung abliefert, dann wäre der Film nur eine seichte Komödie. Hallervorden macht aus Amandus einen willensstarken und eigensinnigen Mann, der mit Humor und Charakter gegen das Vergessen kämpft, ohne die Momente von Resignation und Verlorenheit zu beschönigen. Sicherlich ist auch die Leistung von Emma Schweiger erwähnenswert. Trotz des engagierten Protagonisten-Duos und einzelner starker Momente ist der überlange Film ein Fehlschlag. Til Schweiger findet nie die richtige Balance zwischen Krankheitsdrama und Komödie. Vielleicht hätte Schweiger zumindest dem ersten Teil seines Films auch den Untertitel Opa allein zu Haus geben sollen.

Und geradezu ätzend finde ich die Hauruck-Regie von Schweiger. Man schaue nur den Trailer an: Die kürzer als sekundenlangen Schnitte (im Film sind solche Sequenzen noch um einiges länger) verursachen Augenkrebs und fördern vielleicht auch noch die Alzheimer-Krankheit.

Mich verwundert es übrigens nicht, dass im Zusammenhang mit diesem Film von Manipulation in Hinsicht auf die Bewertungen durch Zuschauer die Sprache war: So sind wohl zahlreiche merkwürdige Bewertungen auf Film-Community-Portalen aufgetaucht, die den Verdacht nahelegen, dass es sich um Fake-Bewertungen handelt.

Okay, trotz der Überlänge (über 130 Minuten) und Til Schweiger (besonders als Regisseur) hat mich das Spiel von Dieter Hallervorden dazu verleitet, den Film zu Ende zu sehen. Ich kenne Hallervorden natürlich schon länger, auch seine Arbeit mit den Wühlmäusen. Die tollpatschige, vom ihm dargestellte Figur Didi in diversen Kinofilmen hat mir aber nie so ganz zugesagt. Mit seinem Alterswerk (Hallervorden wurde kürzlich 80 Jahre alt) überzeugt er dann aber auch mich.

Ach ja, noch eins: Immerhin hat sich Schweiger bemüht, nicht zu sehr zu nuscheln.


Honig im Kopf: Was passiert mit jemandem, der an Alzheimer erkrankt? – Im Film „Honig im Kopf“ liebt die junge Tilda (Emma Schweiger) ihren Großvater (Dieter Hallervorden) über alles. Im Filmausschnitt seht ihr eine passende Erklärung für das, was im Kopf des Opas gerade geschieht.

Tatort (600) aus Bremen: Scheherazade (2005)

Es sind jetzt 14 Jahre her, dass sich die Terroranschläge vom 11. September ereigneten. Vier Jahre danach wurde in der ARD die Tatort-Folge (600) Scheherazade ausgestrahlt, die diese Anschläge thematisierte.

Zu den Anschlägen vom 11. September haben sich viele Verschwörungstheorien entwickelt. Deren Vertreter gehen meist davon aus, dass die US-Regierung und/oder ihre Geheimdienste die Anschläge wissentlich zugelassen oder selbst durchgeführt haben. Eine dieser Theorien, nämlich die These von einer „kontrollierten Sprengung“ (controlled demolition) der eingestürzten WTC-Gebäude mit heimlich platzierten und gezündeten Explosivstoffen, ist Ausgangspunkt der Tatort-Folge aus Bremen mit den Ermittlern Inga Lürsen und Nils Stedefreund. Hinzu kommt, dass mehrere der Attentäter zuvor in Hamburg lebtenund dort zu einer Gruppe islamistischer Studenten an der Technischen Universität Hamburg-Harburg gehörten. Sie sollen nach Zeugenaussagen dort als „Hamburger Terrorzelle“ seit Frühjahr 1999 die Anschläge auf das WTC und das Pentagon zu planen begonnen haben.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Völlig verängstigt taucht eine junge Frau im Kommissariat von Inga Lürsen und Stedefreund auf. Nach einer langen Nacht, kurz bevor ein Täter endlich gestehen will, platzt sie mitten in das Verhör. Der Täter schweigt wieder.

Hauptkommissarin Inga Lürsen ist genervt und müde. Manu berichtet von einem brutalen Mord an ihrem Freund, aber Inga Lürsen glaubt ihr nicht. Für sie ist Manu eine Märchenerzählerin wie Scheherazade. Bereits vor Jahren hat sie Manu mit einem Geständnis überführt, für Totschlag im Drogenmilieu, und schon damals erzählte Manu oft Geschichten und nur selten die Wahrheit. Aber Manu lässt nicht locker, sie beharrt darauf, dass ihr Freund in den Terror um den 11. September verwickelt war. Nur Stedefreund – fasziniert von dieser Frau – ist bereit, sich auf ihre Behauptungen einzulassen. Er überredet Inga Lürsen, gemeinsam mit Manu zu der Wohnung zu fahren, in der die Leiche liegen soll; doch die Kommissare finden nichts – keine Leiche, keine Spuren, keinerlei Hinweise auf Manus Geschichte. Aber Stedefreund will der Geschichtenerzählerin glauben.

Nur für Inga scheint der Fall ganz klar, bis plötzlich ihre alte Liebe auftaucht, und dann muss auch sie sich für eine Wahrheit entscheiden.


Tatort (600) aus Bremen: Scheherazade (2005)

Nun die Tatort-Serie beschäftigt sich immer wieder mit aktuellen Themen. So wagte man sich in Bremen gut drei Jahre nach den Ereignissen vom 11.09.2001 an den brisanten Stoff. Christian Jeltsch schrieb das Buch. Er zeichnete auch für andere Vorlagen mit aktuellen politischen Motiven verantwortlich. Regie führten Peter Henning und Claudia Prietzel. Erwähnenswert ist auch die hervorragende Kameraarbeit von Ngo The Chau, der hierfür den Deutschen Fernsehpreis 2005 (Beste Kamera) und den Deutschen Kamerapreis (Fernsehspiel) bekam.

Am Ende bleibt dieser Fall zwangsläufig ungeklärt. Auch von dem Toten gibt es keine Spur. Aber der Zuschauer weiß, dass hier ‚höhere Interessen‘ eine Rolle spielen. Was als Zufall erschien, war von langer Hand geplant. Natürlich ist alles Fiktion. Aber wie die Wirklichkeit aussieht, wissen nur die wenigsten.

Zu Martin Walser (6): Walser und die Krimis – Teil 2

In Friedrichshafen am Bodensee ist nicht viel los. Viel zu wenig, um Tassilo S. Grübel (Bruno Ganz) ein Auskommen als Privatdetektiv zu sichern. Er betreibt das „Büro für Auskunft und Wissen“ zusammen mit seiner Mutter (Herta Schwarz) und seinem Freund, dem stellungslosen Grafiker Hugo (Axel Milberg). Damit überhaupt mal ein Auftrag reinkommt, provoziert Tassilo die Fälle selbst und schreibt z. B. Erpresserbriefe an seine reichen Nachbarn. Er selbst nimmt dann die Ermittlungen auf und kümmert sich um die Geldübergabe. Und obwohl er doch weiß, dass er es nicht mit echten Gangstern zu tun hat, ist er mit seiner Arbeit ständig überfordert und ihm schlottern die Knie. In weiteren Rollen sind Renate Schroeter als Isle Blickle, Lisa Kreuzer als Mia von Mufflings, Charles Brauer als James Blickle und Karl Heinz Vosgerau als Georg Feuerstein zu sehen.

Wann genau die Hörspiele um die Figur Tassilo S. Grübel samt seiner Frau Biddie, seiner Mutter und seinem Freund Hugo Billingsreuther aus der Hand von Martin Walser entstanden sind, habe ich nicht mit Sicherheit in Erfahrung gebracht. Im Band 10 seiner Werke in zwölf Bänden finden sich alle von Walser verfassten Hörspiele. Interessant ist zu wissen, dass Walser 1949 während seines Studiums begann, für den neu gegründeten Süddeutschen Rundfunk als Reporter zu arbeiten und Hörspiele zu schreiben. Eine zwischenzeitliche Festanstellung beim SDR ermöglichte ihm 1951 die Promotion in Tübingen mit einer Dissertation über Franz Kafka. Zusammen mit Helmut Jedele bildete er den Kern der „Genietruppe“ des Stuttgarter Hörfunks und baute als freier Mitarbeiter den Fernsehbereich des Senders mit auf. Er führte Hörspielregie und wirkte 1953 am Buch der ersten Fernsehfilmproduktion des deutschen Nachkriegsfernsehens mit. Parallel dazu vertiefte er als Rundfunkredakteur und Autor seine Kontakte zur Literaturszene.

Ich gehe aber davon aus, dass die Tassilo-Hörspiele frühestens in den 1970er-Jahren entstanden sind (wahrscheinlich von 1974 bis 1989). Der Inhalt lässt darauf schließen. Diese wurden ab 1974 produziert und vom Westdeutschen Rundfunk ausgestrahlt. Es dauerte einige Jahre, bis man diese Hörspiele mit Bruno Ganz in der Titelrolle verfilmte. Die sechsteilige Fernsehreihe Tassilo – Ein Fall für sich wurde im Frühjahr 1991 vom ZDF gesendet. Die sechs jeweils einstündigen Fernsehfolgen liefen um 21.15 Uhr. Regie führte Hajo Gies, der auch für viele Tatort-Folgen (Schimanski) als Regisseur verantwortlich zeichnete. Das Drehbuch schrieben Rolf Basedow und Hermann Naber. Bis auf die letzte Folge (100 Jahre Blickle) dienten die Hörspiele von Martin Walser als Vorlage.

1 Verteidigung von Friedrichshafen 17.02.1991
2 Hilfe kommt aus Bregenz 24.02.1991
3 Zorn einer Göttin 03.03.1991
4 Lindauer Pietà 17.03.1991
5 Das Gespenst von Gattnau 24.03.1991
6 100 Jahre Blickle 31.03.1991

    Tassilo – Ein Fall für sich - ZDF 1991

Mit der Ausstrahlung der Serie im Jahr 1991 im Fernsehen wurden die Hörspiele von Martin Walser auch als Suhrkamp-Taschenbücher (st 1884 – st 1889) veröffentlicht. Das sechste Hörspiel war (abweichend von der TV-Serie) das Stück Säntis. Über eine erste Auflage hinaus haben es die Hörspiele leider nicht geschafft. Auch wartet man vergebens auf eine Wiederholung der Reihe im Fernsehen. Man kann nur spekulieren: Schaut man z.B. bei Wikipedia nach, so findet man kein Wort zu diesen Hörspielen, als hätte es diese nie gegeben. Wahrscheinlich ist es Martin Walser ganz recht, dass keine Worte mehr über diese ‚Fingerübungen des Autors vom Bodensee‘ verloren werden. Nichtsdestotrotz sind die Hörspiele um Tassilo S. Grübel in Antiquariaten erhältlich. Ich habe alle sechs Bände für wenig Geld und in einem passablen Zustand erstanden und während meines Sommerurlaubs gelesen. Es sind kleine Bände von meist 80 Seiten und lassen sich ziemlich schnell lesen.

Martin Walser: Tassilo – sechs Hörspiele (1991)

Einen Martin Walser als Autor von Kriminal-Hörspielen, wenn auch mit ironischen Unterton, hätte kaum einer erwartet. Aber trotz aller Ironie versteckt sich hinter dem auch Gesellschaftskritik. Im Spiegel vom 11.02.1991 heißt es u.a.: Tassilo fungiert in Walsers Handlungskonstruktion als Katalysator, der die Verderbtheit der Reichen und Mächtigen in ihrer schmutzigen Reinheit hervortreibt, ohne daß sich der Detektiv je von klassenkämpferischem Ernst überwältigen ließe – ein Hofnarr unter reichen Narren.

Wer Martin Walsers Werk ein wenig kennt, wird in diesen Hörspielen trotz allzu salopper Sprache auch immer wieder den Roman-Autor herauslesen. Dax beginnt mit den ‚selbstsprechenden‘ Namen der Protagonisten und endet nicht bei Wortbildungen wie Beunruhigungstheater oder Selbstmordgesicht.

Dass sich bereits für die Hörspiele die Crème de la Crème der deutschen Schauspielerriege getroffen hat (u.a. auch Walser-Tochter Franziska Walser samt Ehemann Edgar Selge), wird durch die Verfilmung noch getoppt: allen voran Bruno Ganz, Axel Milberg und Marianne Hoppe.

Überhaupt: Neben Axel Milberg, den wir als Kieler Tatort-Ermittler Klaus Borowski kennen, geben sich bei den Hörspielen bzw. bei der TV-Serie auch noch andere Tatort-Kommissare die Hand in die Klinke; so Charles Brauer (KHK Brockmüller aus Hamburg) und Dieter Eppler (Kommissar Liersdahl aus Saarbrücken). Und wer von den vielen anderen Schauspielern hatte nicht irgendwann einmal einen Auftritt in einer Tatortfolge.

Für mich war die Lektüre der sechs Hörspiele ein sommerlicher Genuss. Damit wird das literarische Bild von Walser abgerundet. Jetzt wünsche ich mir noch unbedingt die Wiederholung der Tassilo-TV-Reihe. Es muss ja nicht zur besten Fernsehzeit sein. Irgendwo ins Nachtprogramm geschoben würde mir genügen. Hier Textpassagen, Inhaltsangaben (aus den Klappentexten) und Produktionsübersichten der sechs von Martin Walser verfassten Hörspiele:

    Also, Tassilo, die Würfel sind gefallen. Zuerst ein Kompliment für Ihre Logik: Außer mir haben tatsächlich sieben Häuser den Brief von der Bande. Mein rechter Nachbar, James Blickle, leitet die Verteidigung. Die Polizei ist verständigt, und zwar international.
    Die Verteidigung von Friedrichshafen (st 1884)

Tassilo Grübel erlebt eine folgenschwere Enttäuschung: Der Erfinder Sigrist, der ihn gerade als Werbemanager eingestellt hat, bringt sich um. Tassilo ist seinen Job los, bevor er ihn angetreten hat. Und er ist schon umgezogen, nach Friedrichshafen, wohnt dort vorerst mit seiner amerikanischen Frau Biddie bei seiner Mutter. Tassilo hat hier Kindheit und Jugend verbracht, er kennt die Leute, die Gegend. Daß so viele Wohlhabende am See wohnen, bringt ihn auf die Idee, ein Büro für Auskunft und Wissen zu gründen, ein Detektiv-Büro. Weil es aber in dieser Gegend viel weniger Unsicherheit gibt als etwa in Amerika, beschließt er, die Reichen nach Gangsterart zu beunruhigen, um dann als ihr Schützer und Retter auftreten zu können, das natürlich für gutes Honorar. Ohne seinen Freund Hugo könnte Tassilo, weil es ihm an praktischen Fähigkeiten fehlt, dieses Beunruhigungstheater nicht inszenieren. Auch mit Hugos martialischer Hilfe wird es eine so schwierige Kampagne, daß das Geld nachgerade fast als ehrlich verdient empfunden werden kann.
(Klappentext)

Sendedaten für das Hörspiel im Westdeutschen Rundfunk Köln
Die Verteidigung von Friedrichshafen

Mitwirkende:
Tassilo S. Grübel Wolfgang Reichmann
Biddie Sabine Sinjen
Tassilos Mutter Susi Nicoletti
Hugo Billingsreuther Karl-Michael Vogler
Benedetta von Woflsberg Biggi Fischer
Mia von Mufflings Louise Martini
James Blickle Heinz Baumann
Georg Feuerstein Hans Dieter Zeidler
Baron Oschatz-Tötensen Erik Frey
Frau Koppenwallner Isolde Stiegler
u.a.

Regie Heinz Wilhelm Schwarz
Dauer 75‘50
Produktion WDR/SWF/BR
Redaktion Klaus Schöning
Erstsendung 02.10.1974

    Ein bißchen Vertrauen! Gnädige Frau. Ein kleines bißchen Vertrauen!!! Und die Minuten werden weniger furchtbar sein. Sträuben Sie sich doch nicht so, einem Tassilo S. Grübel einmal fünfunddreißig bis fünfundvierzig Minuten lang zu vertrauen!
    Hilfe kommt aus Bregenz (st 1885) [Titel aus: KafkaTagebuch vom 06.07.1916]

James Blickle, Herr eines weltweit florierenden Unternehmens und Sproß einer schwäbischen Großbürgerfamilie, wird zum Gegenspieler Tassilos. Jede Begegnung wird zu einer Beleidigung des Kleinbürgers durch den Großbürger. Tassilo versucht zurückzuschlagen. Evi, eine Frau, die mit Männern à la Blickle betrübliche Erfahrungen gemacht hat, will sich beteiligen. Blickle soll verführt werden. Solange er mit Evi in seinem Berghaus in Graubünden ist, will Tassilo dafür sorgen, daß Frau Blickle fürchten muß, ihr Mann sei von einer besonders unbarmherzigen Terroristenbande entführt worden. Will sie ihn wieder, soll sie bezahlen. Wenn Blickle am Montag zurückkehrt, kann er seiner Frau nicht verraten, wofür sie bezahlt hat. Aber auch dieses Geld zu verdienen wird viel schwieriger, als Tassilo dachte.
(Klappentext)

Sendedaten für das Hörspiel im Westdeutschen Rundfunk Köln
Hilfe kommt aus Bregenz

Mitwirkende:
Tassilo S. Grübel Paul-Felix Binz
Biddie Sylvia Joost
Tassilos Mutter Renate Steiger
Evi Suttner Franziska Walser
Cornelia Rundel Dorothée Reize
Hugo Billingsreuther Charles Brauer
Ilse Blickle Sibylle Courvoisier
James Blickle Hans Wyprächtiger
Mia von Mufflings Iris Eick
Bedienung Elisabeth Gyger
Telefonistin Inka Friedrich
Telefonist Stephan Heilmann
Rosina Ruth Aders
Bahnhofsansager Stephan Heilmann,
Hans-Stefan Rüfenacht
Regie Otto Düben
Assistenz Thomas Werner
Dauer 72‘00
Produktion WDR/SWF/BR
Redaktion Klaus Schöning
Erstsendung 01.11.1988

    Hugo: „Du bist also der Veranstalter, Tassilo.“
    Tassilo: „Der Verkehrspolizist, Hugo, daß es glimpflich läuft. Verstehst du? Nicht gleich Kollision, Explosion, Schluß. Die Sache muß sich entwickeln können.“

    Das Gespenst von Gattnau (st 1886)

Gertrud Hotz, ehedem Gefährtin des Schriftstellers Färber (siehe st 1889 Säntis), bringt Tassilo zu dem alten Erfinder Kaspar Knechtle in Gattnau. Ein Journalist, Julius Weil, ist in alten sowjetischen Armee-Zeitungen auf diesen Erfinder der Schallkanone gestoßen und will wissen, was aus dieser Erfindung geworden ist. Knechtle war immerhin nach 1945 zwei Jahre eingesperrt gewesen. Die Schallkanone in den Händen eines Alt-Nazis – eine beunruhigende Vorstellung. Tassilo und Hugo zäumen diesen Fall so auf, daß nicht nur eine Zeitung, sondern die ganze Medienwelt zum Geldgeber werden soll. Sie verdienen zwar wieder einmal nicht so viel, wie sie sich ausgerechnet hatten, aber sie machen eine gründliche Erfahrung mit verschiedenen Arten von Journalismus.
(Klappentext)

Sendedaten für das Hörspiel im Westdeutschen Rundfunk Köln
Das Gespenst von Gattnau

Mitwirkende:
Tassilo S. Grübel Franz Matter
Biddie Dhana Moray
Tassilos Mutter Renate Steiger
Gertrud Hotz Franziska Walser
Kaspar Knechtle Sigfrit Steiner
Hugo Billingsreuther Günther Sauer
Julius Weil Peter Roggisch
1. Journalist Jochen Striebeck
2. Journalist Dieter Eppler
3. Journalist Martin Umbach
Journalistin Wibke Gröndahl
Ilse Blickle Sibylle Courvoisier
Journalisten, Bedienung, Eva Maria Beyerwaltes, Linda Joy und
Frauenstimme, Kellner Michael Habeck

Regie Otto Düben
Assistenz Uwe Schareck
Dauer 80‘45
Produktion WDR/SWF/ORF,
Studio Vorarlberg
Redaktion Klaus Schöning
Erstsendung 24.11.1987

    Lieber Tassilo, bitte tun Sie was. Wir treffen uns übermorgen wieder hier. Sie sollen auch mehr bekommen … Die siebzehntausend teilen wir. Wir beide. Achtfünf für jeden. Das ist unser Geheimnis, Tassilo.
    Zorn einer Göttin (st 1887)

Tassilo hält sich an den Unternehmer Blickle beziehungsweise an Frau Blickle. Die Unternehmensgattin ist eine schöne und kluge Frau. Daß sie unten den Affairen ihres Mannes zu leiden hat, wird für Tassilo eine Chance, noch einmal etwas Geld zu verdienen. Er muß ja auch von etwas leben. Als Blickle mit der Geliebten im Berghaus ist, stiehlt Tassilo mit Frau Blickles Einverständnis Blickles Lieblingsgemälde: Zorn einer Göttin vom Magritte. Diese Katastrophenmeldung bringt Blickle sofort zurück. Es gelingt auch, ihn durch Produktion weiterer Katastrophenstimmung im Haus zu halten, aber am Ende kommt für Tassilo viel weniger Geld heraus, als er erwarten durfte. Auch Frau Blickle ist, was Rechnen betrifft, Tassilo überlegen.
(Klappentext)

Sendedaten für das Hörspiel im Westdeutschen Rundfunk Köln
Zorn einer Göttin

Mitwirkende:
Tassilo S. Grübel Paul-Felix Binz
Biddie Sylvia Joost
Tassilos Mutter Renate Steiger
Hugo Billingsreuther Charles Brauer
James Blickle Hans Wyprächtiger
Ilse Blickle Sibylle Courvoisier
Evi Suttner Franziska Walser
Silke Ruth Hungerbühler

Regie Otto Düben
Assistenz Thomas Werner
Dauer 51‘35
Produktion WDR/BR/SWF
Redaktion Klaus Schöning
Erstsendung 25.05.1989

    Um ein Haar, Tassilo. Tassilo, das wünsch ich dir nicht, das wünsch ich meinem schlimmsten Feind nicht, daß er als alter hilfloser Mensch in die Hände eines mitleidlosen Feindes fällt …
    Lindauer Pietà (st 1888)

Tassilo S. Grübel, wie er, seit er Detektiv ist, heißt, gerät in eine der großbürgerlichen reichen Familien am See, lernt die wahrhaftige Dame Maximiliane Metzger-Fürst kennen. Weil er als Detektiv immer noch keine Kundschaft hat, bleibt ihm nichts anderes übrig, als die kostbare Pietà aus der Villa Seefrieden zu entwenden, um sie als Detektiv wieder zurückerobern zu können. Freund Hugo sorgt wie immer für die technische Ermöglichung der dem Zwang zum Geldverdienen entsprungenen Tassilo-Idee. Tassilo verdient dann weniger, als er hoffte, aber er erfährt dafür zur Genüge, wie es in einer süddeutschen Großbürgerfamilie zugehen kann. Vor allem aber hat er eine wirkliche Dame kenngelernt.
(Klappentext)

Sendedaten für das Hörspiel im Westdeutschen Rundfunk Köln
Lindauer Pietà

Mitwirkende:
Tassilo S. Grübel Heinz Meier
Biddie Ricarda Benndorf
Tassilos Mutter Lina Carstens
Hugo Billingsreuther Dieter Eppler
Maximiliane Metzger-Fürst Brigitte Horney
Berti Metzger-Fürst Peter Heusch
Klothilde Metzger-Fürst Franziska Oehme
Isabell Metzger-Fürst Uta Sax
Anke Metzger-Fürst Louise Deschauer
Rudi Metzger-Fürst Victor Weiß
Dr. Buchinger Karl E. Ludwig
Else Buchinger Marianne Mosa
Miesbach Hans Goguel
Dr. Neukamm Walther Schultheiß

Regie Günther Sauer
Assistenz Frank Hübner
Dauer 75‘55
Produktion WDR/SWF/BR
Redaktion Klaus Schöning
Erstsendung 29.10.1975

    Ich kann denen nicht nachspionieren, Herr Grübel. Ich bin nicht mehr jung genug, um mit dem Selbstmördergesicht vor dem Fenster dieses … Herrn auf- und abzugehen. Aber ich muß wissen, wie und was! Alles!!! Verstehen Sie, Herr Grübel.
    Säntis (st 1889)

Tassilo bekommt endlich einen wirklichen Auftrag. Dem berühmten Schriftsteller Fritz Färber, der zwischen Lindau und Wasserburg am Bodensee wohnt, ist seine junge Gefährtin, Gertrud Hotz, von einem jungen, noch ganz unbekannten, unbewährten Schriftsteller, Peter Streich, einfach weggenommen worden. Der berühmte Schriftsteller sehnt sich nach seiner Gertrud, er leidet. Gertrud, vom Beruf Fotografin, ist mit dem jungen Schriftsteller in ein altes Bauernhaus am Westende des Bodensees gezogen. Tassilo soll beobachten, wie die zwei leben, ob sie auskommen, ob Gertrud vielleicht zurückzuerobern wäre. Färber will schriftliche Berichte über alles, was in der Bauernhausidylle in Oberuhldingen passiert. Tassilo gestaltet die Berichterstattung so, daß seine Mutter und sein Frau Biddie zu Hause nicht mehr um jede Mark streiten müssen. Was dann daraus wird, zeigt, daß Tassilo in Färber an jemanden gekommen ist, der es viel besser versteht, Unglück so zu manipulieren, daß Glück daraus wird.
(Klappentext)

Sendedaten für das Hörspiel im Westdeutschen Rundfunk Köln
Säntis

Mitwirkende:
Tassilo S. Grübel Joseph Bierbichler
Tassilos Mutter Maria Singer
Dr. Fritz Färber Hans Wyprächtiger
Gertrud Hotz Franziska Walser
Peter Streich Edgar Selge
Nuntia Heidy Forster
Liss Lobkowitsch Ilse Pagé
Joe Keckeisen Karl Lieffen
u.a.

Regie Alf Brustellin
Dauer 84‘00
Produktion WDR/SWF/BR
Redaktion Klaus Schöning
Erstsendung 25.12.1978

… … … … … … … … … … … … … … … …

siehe auch:
Zu Martin Walser (1): Ich bin nicht Walser
Zu Martin Walser (2): Links und DKP-nah
Zu Martin Walser (3): Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede
Zu Martin Walser (4): Tod eines Kritikers
Martin Walser und der Tatort
Jörg Magenau: Martin Walser – eine Biografie
Zu Martin Walser (5): Walser und die Krimis – Teil 1

Tatort und Fußball

Vor dem Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2016 der deutschen Mannschaft gegen Polen am letzten Freitag schaute ich mir noch die Tatort-Folge 805 aus Ludwigshafen (2011) an: Im Abseits. Gerwissermaße als Einstimmung auf das Fußballspiel. Diese Folge wurde anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2011 gezeigt und hat Gastauftritte einiger prominenter Vertreter des DFB (neben Theo Zwanziger, dem damaligen DFB-Präsidenten, auch Joachim Löw, Steffi Jones u.a.). Es geht dabei um den Mord ein einer Fußballspielerin:

Die Frauenfußballmannschaft vom FC Eppheim ist beim Training, während die attraktive Fadime Gülüc ein Fotoshooting hat. Der Fotograf möchte, dass sie auch in aufreizenden Dessous posiert. Sie lehnt das zunächst ab, willigt dann aber doch ein. Nach dem Duschen wird sie erschlagen aufgefunden.

Allzu aufregend ist dieser Fall zwar nicht (am Ende ist der Platzwart der Täter), vor allem der Auftritt der DFB-Oberen hat eher etwas Peinliches. Aber immerhin gibt es da einen kleinen Gag, den sich die Ausstatter des Films geleistet haben. Als Abonnent des Magazins für Fußballkultur 11 Freunde fiel es mir natürlich gleich ins Auge. Als Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal den verdächtigen Manager des Vereins verhört, sieht man sie vorn auf einem Tisch liegen: nein, keine Ausgaben von 11 Freunde, sondern Ausgaben von 11 Freundinnen.

Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal – 11 Freund/innen

Anschließend legte also die deutsche Fußballnationalmannschaft los und siegte mit 3:1 gegen die Polen. Es war ein ansehnliches Spiel mit kleinen Schönheitsfehlern in der Abwehr. Heute in Glasgow gegen die Schotten kann man alles klarmachen für die Qualifikation zur EM im nächsten Jahr in Frankreich.

UEFA Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich

Es reichte zwar nur zu einem 0:0 gegen Kasachstan: Aber neben Gastgeber Frankreich, den Engländern und Tschechen haben es auch die Isländer in Gruppe A geschafft: Bereits nach acht von zehn Spieltagen haben sie sich für die EM 2016 qualifiziert. Glückwunsch! Dagegen muss der WM-Dritte, die Niederlande, um eine Qualifikation bangen. Nach der 0:3-Niederlage in der Türkei sind sie nur noch Gruppen-Vierte und würden als solcher ausscheiden. Zuvor hatten die Holländer zu Hause gegen Island 0:1 verloren.

Mit Gareth Bale sind auch die Waliser in Gruppe B auf dem besten Weg, sich neben Belgien die Fahrkarte nach Frankreich zu holen. In Gruppe C streiten sich Spanien, die Slowakei und die Ukraine um die Plätze. Neben Deutschland haben die Polen in Gruppe D die besten Chancen für eine direkte Qualifikation. England hat sich bereits in Gruppe E qualifiziert. In Gruppe F liegen neben Nordirland und Rumänien noch die Ungarn gut im Rennen. Österreich führt die Gruppe G vor Schweden und Russland an und könnte mit einen Unentschieden heute in Schweden alles klar machen. In Gruppe H führt Italien knapp vor Norwegen und Kroatien. Am spannendsten ist es wohl in Gruppe I, wo sich Portugal, Albanien und Dänemark ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.

Neben Island sind es also die vermeintlich Kleinen, die für Furore sorgen: Albanien, Nordirland, auch Österreich und Wales haben gute Chancen sich direkt oder spätestens über die Play-off-Spiele der Gruppendritten für Frankreich zu qualifizieren.

Der Tatort aus Ludwigshafen ist nicht der erste, der sich um Fußball dreht. Im gleichen Jahr, 2011, gab es die Folge 794 aus Hannover: Mord in der ersten Liga, die sich mit Homosexualität und Homophobie im Profifußball beschäftigte. 2004 gab es zudem die Folge 581 aus Leipzig mit dem Titel Abseits, in deren Mittelpunkt das neue Leipziger Zentralstadion steht (heute heißt es nach diesem österreichischen Brausehersteller), das in zwei Tagen mit einer großen Feier eröffnet werden soll. Dort ist Susanne Fellner, Leiterin der Personalabteilung, erschlagen aufgefunden worden.

Zu Martin Walser (5): Walser und die Krimis – Teil 1

Wenn ein angesehener Schriftsteller zur Feder greift, um Kriminalromane zu schreiben, dann rümpft mancheiner die Nase. Oder es wird einfach die Tatsache unter den Tisch gekehrt, dass einer einmal zu diesem Zwecke die Feder ergriff …

Anders kann ich es mir nicht erklären, dass von keinem anderen als Martin Walser beflissentlich die Veröffentlichung von immerhin sechs Krimis, die allerdings als Hörspiele gestaltet wurden, verschwiegen wird, z.B. bei Wikipedia kein Wort.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Nicht verschweigen konnte man bis jetzt seine Mittäterschaft bei dem Schreiben zu einem Drehbuch für eine Folge der ARD-Reihe Tatort. Ich habe es erst jüngst erwähnt (seinen Schwiegersohn Edgar Selge betreffend, Schauspieler wie seine Frau, Franziska Walser, Martin Walsers Tochter). Es handelt sich um eine Tatort-Folge aus Hamburg mit den Ermittlern Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer) aus dem Jahr 1989: Armer Nanosh. Das Drehbuch hierzu schrieb Martin Walser zusammen mit Asta Scheib.

Das Walser durchaus große Sympathie für seinen Schwiegersohn hegt, lässt sich daraus ersehen, dass er eine Rolle hauptsächlich für diesen verfasst hat, wenn es dann am Ende auch die Rolle des … ist – aber ich will nicht zu viel verraten. Okay, es ist nicht einer der besten Tatort-Folgen. Interessant ist er aber trotzdem …


Tatort (220) aus Hamburg (1989): Armer Nanosh

Nun, ich taste mich langsam voran. Bevor ich zu den anfangs erwähnten sechs Kriminal-Hörspielen komme (als Stichwort sei bereits der Name Tassilo genannt), sei noch auf eine Kurzgeschichte von Martin Walser hingewiesen, die der Länge wegen wohl nur mit anderen Werken in Buchform erschienen ist; diese hier aber nicht aufgeführt zu haben, käme einem Verbrecher gleich, gelt?

Um es gleich zu sagen: Die Walser’sche Erzählung hat Marcel Reich-Ranicki als Herausgeber in Die besten deutschen Erzählungen, also die nach Ansicht Reich-Ranickis besten deutschen Erzählungen, veröffentlicht. Neben Goethe, Brecht, Namensvetter Robert Walser, Kafka u.v.a. darf Martin Walser in dieser Auswahl nicht fehlen, auch wenn sich zu Lebzeiten Reich-Ranickis beide nicht immer wohlgesonnen waren.

Es handelt sich um die Erzählung Selbstporträt als Kriminalroman:

„Unser Freund“ hat ein nicht näher beschriebenes Verbrechen begangen.

Unser Freund hat ein harmloses Verbrechen begangen. Er hält sein Verbrechen für harmlos. Er tut zumindest so, als halte er sein Verbrechen für harmlos. Er ist nicht bereit zuzugeben, dass sein Verbrechen ein ernsthaftes, ein schlimmes Verbrechen sein könne. Er ist sehr empfindlich, wenn jemand auf sein Verbrechen zu sprechen kommt.

Sobald jemand sein Verbrechen erwähnt, braust er auf. Erst wenn man ihn hemmungslos für sein Verbrechen lobt, beruhigt er sich. Dann lächelt er wie ein dreizehnjähriges Mädchen, dem man sagt, es sehe hundertmal verführerischer aus als Marilyn Monroe. Unser Freund behauptet allerdings, es sei ihm peinlich, gelobt zu werden und beschuldigt sich erneut des Verbrechens.

Ja, wer denn nicht, sagen wir dann! Ob er uns jemanden sagen könne, der in der Geschichte der Menschheit irgendeine Rolle spiele, und kein Verbrechen begangen habe! Schon eine Rolle zu spielen, oder spielen zu wollen in der Geschichte der Menschheit, sei ja der Beginn jedes großen Verbrechens …

Unser Freund verdächtigt uns alle, dass wir lügen, wenn wir ihn loben, und er unterstellt uns, dass wir auf der Seite des Inspektors stünden.

Der Inspektor, also. Die große Gegenfigur unseres Freundes. Er redet andauernd von diesem Inspektor. […]
Der Inspektor ist ein Verbrecher, der nicht den Mut gehabt hat, etwas zu begehen.

Der Inspektor verfolgt unseren Freund, und der beobachtet jeden seiner Schritte, ist genaugenommen mehr hinter dem Inspektor her als der hinter ihm. Inzwischen hat jedoch der Inspektor das Interesse an unserem Freund verloren.

Das ist für einen, dem das Verfolgtwerden zum Lebensinhalt geworden ist, offenbar das Schlimmste.

(Quelle. dieterwunderlich.de)

Das klingt nach Kafkas Prozess – und im ‚Inspektor‘ lässt sie der eben jene frühere Kritiker-Papst Reich-Ranicki erkennen (vergleiche Zu Martin Walser (4): Tod eines Kritikers). Eine literarische Fingerübung des ‚Autors vom Bodensee‘.

Für heute genug: zu den sechs genannten Kriminal-Hörspielen von Martin Walser in den nächsten Tagen mehr …

Lavinia und Edgar

Eigentlich wollte ich zunächst etwas zu Martin Walser und die Krimis, seine Krimis schreiben. Ja, Walser hat auch Kriminalromane verfasst. Aber oft kommt man vom Weg ab, so auch ich: Bekanntlich hat Walser eine Tochter, Franziska Walser, die Schauspielerin ist. Und diese ist wiederum mit einem Schauspieler, Edgar Selge, verheiratet. Beide waren öfter schon im Tatort und im Polizeiruf 110, beides Krimiserien der ARD, zu sehen – Selge sogar in zwanzig Folgen der Polizeiruf 110-Reihe als Kriminalhauptkommissar Tauber in München und Umgebung.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Zum ersten Mal gesehen habe ich Edgar Selge in einer Tatort-Folge aus Hamburg mit den Ermittlern Paul Stoever (Manfred Krug) und Peter Brockmöller (Charles Brauer) aus dem Jahr 1989: Armer Nanosh. Das Drehbuch hierzu schrieb sein Schwiegervater, Martin Walser (womit wir wieder bei diesem wären), zusammen mit Asta Scheib.

Warum ich eigentlich auf Selge komme: Letzte Woche gab es im ZDF den Kriminalfilm Hattinger und die kalte Hand, der am Chiemsee spielt. Den namensgebenden Kommissar spielt übrigens Michael Fitz, den wir bis 2007 insgesamt 15 Jahre als Assistent Carlo Menzinger der Münchner Tatort-Ermittler, Batic und Leitmayr, kennengelernt haben. Selge spielt in dem Chiemseekrimi mit Bravour den Mörder Ostermeier, von dem er sagt: „Ostermeier ist eine Art Michael Kohlhaas im Endstadium. Das Leid, das er in seinem Leben erfahren hat, empfindet er so tief, es hat sich über so viele Jahre angestaut, dass seine Zerstörungswut unendlich ist. Die Anarchie hat den Kleinbürger fest im Griff. Da ihm sein eigenes Leben nichts mehr bedeutet, gibt er sich sturzartig all seinen Stimmungen hin. Ein Mensch in seinem Urzustand.“


Hattinger und die kalte Hand – ein Chiemseekrimi (2013)

Schon zuvor glänzte Edgar Selge in der Berliner Tatort-Folge Machtlos aus dem Jahr 2013, in der er ein bewegendes Psychospiel mit den Kommissaren Ritter und Stark treibt. Dank Selge sicherlich eines der besten Tatort-Folgen.


Tatort (858) Berlin: Machtlos (2013)

Letzte Woche gab es (ebenfalls als Wiederholung) auf 3Sat dem Kriminalfilm Ein Dorf sieht Mord aus dem Jahr 2009 mit Lavinia Wilson, die darin eine schillernde Darstellung bietet. Dieser Krimi verbindet den Plot mit einem Meilenstein in der Geschichte der Anti-Atomkraft-Bewegung, dem von Mai bis Anfang Juni 1980 bei Gorleben eingerichteten Hüttendorf „Republik Freies Wendland“. Dank Lavinia Wilson ein sehenswerter Film.


Ein Dorf sieht Mord (2009)

Lavinia Wilson spielte ebenfalls in mehreren Tatort-Folgen, zuletzt in dem Kieler Tatort Borowski und der Engel aus dem Jahr 2013 die Altenpflegerin Sabrina Dobisch und bietet dabei ein spannendes Porträt einer Borderline-Persönlichkeit. Borowski-Tatorte sind meist schon etwas Besonderes, dieser ist ein ganz besonderer (siehe u.a. meinen Beitrag Tatort auf Tatort …).


Tatort (892) Kiel: Borowski und der Engel (2013)

Lavinia und Edgar – Lavinia Wilson und Edgar Selge: Beide gehören ohne Zweifel zur ersten Garde deutscher Schauspieler bzw. Schauspielerinnen. Übrigens sucht Lavinia Wilson für den 8. und 9. August Statisten in Berlin. Wer also gerade zu der Zeit in unserer Bundeshauptstadt weilt …:

Ich brauche Eure Hilfe! Für den 8.und 9. August suchen mein Freund Barnaby Metschurat und ich dringend Menschen, die…

Posted by Lavinia Wilson on Montag, 20. Juli 2015

221B Baker St

221B Baker Street, City of Westminster, London NW1 6XE, England – bei dem es bei dieser Anschrift nicht klingelt, der hat mit den beiden Helden, die hier wohnen (gewohnt haben) nichts am Hut, oder? Sherlock Holmes und Dr. John Watson! Okay, auch noch Mrs. Hudson, die Vermieterin.

Sherlock, die Fernsehreihe der BBC: 221B Baker St

Eigentlich gibt es diese Anschrift (Hausnummer 221 B) im wahren London nicht und hat es nie gegeben. Einige Häuser weiter (232 Baker St) gibt es dafür das Sherlock Holmes Museum, das sich allerdings mit der Hausnummer 221 B schmückt. Sei es darum …


Sherlock Holmes Museum – 232 Baker Street, London

Nun (für die, die es immer noch nicht wissen), Sherlock Holmes ist eine vom britischen Autor Sir Arthur Conan Doyle geschaffene Romanfigur, die zur Zeit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts als Detektiv tätig war. Dr. Watson ist der Assistent, Freund und Mitbewohner von Sherlock Holmes (Weiteres siehe auch in meinem Beitrag Sherlock Holmes).

Holmes besticht durch seine neuartige forensische Arbeitsmethode, die ausschließlich auf detailgenauer Beobachtung und nüchterner Schlussfolgerung beruht. Er gilt bis heute weithin als Symbol erfolgreichen analytisch-rationalen Denkens und als Stereotyp des Privatdetektivs. Das Werkverzeichnis um den Detektiv umfasst 56 Kurzgeschichten und vier Romane.

Wie man es sich denken kann, so wurden die Abenteuer von Holmes und Watson oft verfilmt. Natürlich sind viele Filme auch als DVD/Blu-ray Sherlock Holmes erhältlich. 2009 gab es eine Produktion mit Robert Downey Jr. als Sherlock Holmes und Jude Law als Dr. Watson, welcher 2011 einen Nachfolger erhielt. Beide Filme sind keine direkten Adaptionen von Arthur Conan Doyles Geschichten. Allerdings gibt es einige Bezüge zu diesen. Regie führte in beiden Fällen Guy Ritchie, zu dem ich später (an anderer Stelle) noch einmal kommen werde.

Sherlock, die Fernsehreihe der BBC

Seit 2010 läuft nun die britische Fernsehserie Sherlock, in der die Kriminalgeschichten von Conan Doyle in die heutige Zeit übertragen wurden. Die Briten Benedict Cumberbatch und Martin Freeman (den wir als Bilbo Beutlin aus der Hobbit-Trilogie kennen) spielen Sherlock Holmes und Dr. John H. Watson. Bisher gab es drei Staffeln zu je drei Folgen. An einer vierten Staffel wird wohl gerade noch geschrieben. Diese dürfte voraussichtlich erst im Sommer 2016 ins deutsche Fernsehen kommen. Eine fünfte Staffel ist auch schon geplant. Allerdings ist ein so genanntes Special abgedreht, das in diesen Tagen im britischen Fernsehen gezeigt wird. Diese Extrafolge, die übrigens ins viktorianische England des Holmes-Autoren Arthur Conan Doyle, also zurück zu den Wurzeln geht, soll es zu Weihnachten geben. Hier schon einmal ein Vorgeschmack im englischen Original:

First clip from the upcoming Sherlock special

The boys will be back soon…ish! Here's the first look at the new #Sherlock special. Enjoy! #221Back

Posted by Sherlock on Freitag, 10. Juli 2015

Die Serie hat bisher ohne Ausnahme hervorragende Kritiken bekommen. Irgendwie hatte ich allerdings ‚den Anschluss‘ verpasst. In den letzten Wochen wurden dann aber in der ARD die ersten sechs der insgesamt bisher neun Folgen jeden Freitag wiederholt. Und die letzten drei Folgen gab es um die Osterzeit in diversen dritten Programmen.

Sherlock, die Fernsehreihe der BBC: Dt. John Watson und Sherlock Holmes

Ja, ich habe mir inzwischen alle Folgen der Serie Sherlock angeschaut und kann die Kritiken nur bestätigen. Was wie ein Wagnis klang, nämlich Holmes und Watson ins 21. Jahrhundert zu verpflanzen, hat sich als Glücksfall erwiesen. Dazu trägt natürlich auch die hervorragende Schauspielerleistung bei – nicht nur in den Haupt-, sondern auch in den Nebenrollen.

Sherlock Holmes (mit vollem Namen William Sherlock Scott Holmes) tritt wie in den Originalgeschichten als beratender Privat-/Amateur-Detektiv („consulting detective“) auf, der dank seiner genauen Beobachtungen und schnellen Schlussfolgerungen („Deduktionen“) der Polizei, von der er häufig konsultiert wird, weit überlegen ist. In der modernen Version arbeitet er bei der Aufklärung der Verbrechen mit moderner Technik des beginnenden 21. Jahrhunderts wie SMS, Internet und GPS. Sherlock macht sich häufig über die Hilflosigkeit der Polizei-Beamten lustig und stellt sie als inkompetent dar. Andererseits wird er von ihnen für seine Exzentrik und Andersartigkeit nicht selten verspottet. Er ist immer wieder veranlasst klarzustellen, er wäre kein Psychopath, sondern vielmehr ein hochfunktionaler Soziopath.

Dr. John Hamish Watson ist der pragmatische Assistent Holmes‘ und ein Mann von gesundem Menschenverstand. Holmes weiß das trotz seiner exzentrischen Art sehr zu schätzen. Als eine Art Running Gag kommt es immer wieder vor, dass man beide für schwul hält. Als Dr. Watson Mrs. Hudson, der Vermieterin, mitteilt, dass er bald heiraten wird, fragt diese, wer denn DER Glückliche wäre. So muss Dr. Watson erklären, dass es eine SIE ist – und er nicht schwul sei.

Ziemlich in der Nähe der Baker Street fand man übrigens in der North Gower Street den geeigneten Drehort für das Haus, in denen Holmes und Watson bei Mrs. Hudson wohnen.


Drehort: North Gower Street, London

Holmes und Watson sind typisch britisch. Und wie sehr ich das Britische mag, habe ich an anderen Stellen in diesem Blog oft genug kundgetan (siehe insbesondere auch Willi und die Swinging Sixties). Es sind diese besonderen Typen, meist sehr exzentrisch und skurril, und der schwarze Humor der Briten, die mir gefallen. Davon hat die Sherlock-Serie eine Menge. Was mir gefällt, das mögen meine Söhne meistens auch. Nachdem mein ältester Sohn, der in Göttingen wohnt, die erste Folge gesehen hatte, kam schon eine Hilferuf nach den weiteren Folgen. Obwohl die jeweiligen Folgen von der Handlung her abgeschlossen sind, so empfehle ich doch, die Serie chronologisch anzuschauen, weil es immer Rückbezüge gibt, die man nicht verstehen wird, wenn man die vorhergehenden Folgen nicht gesehen hat.

Die Sherlock-Serie ist ein kleines Meisterwerk voller herrlicher Einfälle. Ich freue mich schon auf die Special-Folge – und natürlich auf die vierte Staffel. Wie gut, dass ich mir die Zeit bis dahin mit vielen noch nicht gesehenen Tatort-Folgen vertreiben kann (obwohl diese Serie, was neue Folgen anbelangt, bis zum 6. September Sommerpause eingelegt hat).

Williz Tatort-Sammlung

Bekanntlich unterschiedet man die Menschen in Sammler und Jäger, wobei mir der Unterschied nicht ganz klar ist: Sammler jagen zunächst dem nach, was sie dann sammeln. Jäger verzichten wahrscheinlich aufs Sammeln …

Bleiben wir bei den Sammlern: Die einen sammeln Briefmarken (in jungen Jahren habe ich die Briefmarkensammlung meines älteren Bruders ‚geerbt‘ und dann fortgesetzt … Die Alben müssen bei uns irgendwo in Keller dahindümpeln), die anderen Teddybären. Ich sammle ‚Tatorte‘.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Inzwischen gibt es 952 Folgen (Stand: 27.06.2015) der ARD-Krimi-Serie. Hier kommen weitere 13 Folgen hinzu, die zwischen 1985 und 1989 fürs Österreichische Fernsehen produziert, in Deutschland aber nicht gezeigt wurden. Einige Ableger gibt’s dann auch noch – wie z.B. eine Folge mit dem heute in Kiel fahndenden Klaus Borowski (damals ermittelte er in Hannover) aus der Anfang des Jahrtausend neu aufgelegten Stahlnetz-Serie: Psi (2002).

Wer Pilze sammelt, geht in den Wald – wer ‚Tatorte‘ sammelt geht … ins Internet und hier auf die Seite des Video-Portals Youtube. Spätestens am Folgetag nach einer neuesten Tatort-Folge wird man dort fündig. Und natürlich gibt es auch viele alte Folgen – wie z.B. auf dem Account eines gewissen Arthur Arapetian, dessen Konto aber zumindest für längere Videos erst einmal gesperrt ist. Bei Youtube hat er es mit dem Einstellen von Tatort-Videos wohl zu bunt getrieben (er muss aber eine riesige Sammlung im Laufe der Jahre zusammengestellt haben).

Diese Videos lassen sich in den meisten Fällen auch auf den eigenen Rechner herunterladen. Hierfür gibt es für den Internetbrowser Firefox jede Menge so genannter Add-ons, mit deren Hilfe man dies besorgen kann. Die Qualität der Videos ist natürlich meist nicht in HD, sondern oft in Standard-Auflösung oder noch bescheidener (aber wer unermüdlich sammelt, der nimmt auch ‚kleine Pilze‘). Und es landet Tag für Tag auch jede Menge Schrott bei Youtube (oft dann auch schon die x-te Kopie eines vor langer Zeit ins Netz gestellten Videos), so als wolle man Youtube bewusst zumüllen. Sei es drum …

Natürlich kann man eine Reihe von Tatort-Folgen auch käuflich als DVDs erwerben: Tatort.

Einen nicht unerheblichen Teil meiner Tatort-Sammlung habe ich allerdings aus dem Fernsehen aufgenommen (das gilt besonders für alle neuen Folgen). Das mache ich mit einem TV-USB-Stick am Rechner. Diese Sticks sind nach ihrem Empfang (Kabel, Satellit, terrestrisch über Antenne) ausgerichtet (beim Kauf darauf achten). Alles Weitere hierzu findet Ihr in meinem Beitrag zur kostenlosen Video-Bearbeitungssoftware XMedia Recode (die ich allerdings nur zur Konvertierung der zugeschnittenen Videos benutze – ansonsten habe ich als Hobbyfilmer natürlich eine andere Software, die mir etwas mehr an Möglichkeiten bietet).

Natürlich gibt es auch Festplattenrekorder, mit denen man Fernsehsendungen über Kabel, Satellit oder Antenne aufnehmen kann. Über TV-USB-Stick habe ich die Aufnahmen aber gleich auf dem PC und kann sie dort nach Belieben weiterbearbeiten.

Erstaunlich finde ich, dass manche TV-Sender (‚dritte‘ Programme) immer wieder auch sehr alte Folgen wiederholen. Die bisher älteste Folge (Folge 2: Saarbrücken, an einem Montag… aus dem Jahr 1970) habe ich so in HD-Qualität (HDTV/720p) aufnehmen können (natürlich in einem Seitenverhältnis 4:3, wie damals üblich).

Im Laufe der letzten zwei Jahre hat sich meine Tatort-Sammlung so von etwa 60 auf inzwischen über 720 Folgen erhöht. Das sind von über 950 bisher gesendeten Folgen etwa 75 %. Wie gesagt: Die Qualität ist dabei nicht immer die beste. (Was man aber hat, das hat man …). Wer sammelt, dokumentiert natürlich auch. So habe ich in einer Liste all die Tatort-Folgen entsprechend gekennzeichnet, die bei mir auf einer externen Festplatte von drei TB abgespeichert sind (siehe PDF-Datei). Es ist wohl verständlich, dass ich nicht die Zeit habe, um eventuelle Wünsche nach Kopien bestimmter Tatort-Folgen zu erfüllen.

Warum diese Sammelwut? Und warum gerade ‚den Tatort‘? Dazu später sicherlich etwas mehr. Nur soviel: ‚Der Tatort‘ hat mich gewissermaßen den Großteil meines Lebens begleitet. Ich kenne die Serie von der ersten Folge (1970) an und habe – mit einigen Unterbrechungen – immer wieder ‚hineingeschaut‘. Auch meine Frau und meine Söhne sind begeisterte Tatort-Fans. Das eigentlich Faszinierende daran ist, dass sich in gewisser Weise unser Leben in Deutschland (bzw. Schweiz und Österreich) in dieser Serie spiegelt. Kein Thema war zu heiß (okay, manche dann vielleicht doch …), um nicht in Form eines Krimis abgebildet zu werden. Und wenn einen dann die Sammlerleidenschaft packt, dann kann man sich ihr kaum noch entziehen. Wahrscheinlich bin ich wirklich mehr Sammler als Jäger.

Tatort (952) aus Stuttgart: Der Inder (2015)

Der neueste Tatort (952) aus Stuttgart Der Inder entpuppte sich als schwäbischer Politthriller, also etwas gemächlich, aber auch als durchaus spannend. Im Mittelpunkt: Stuttgart 21, einem in Bau befindliches Verkehrs- und Städtebauprojekt zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart. Kernstück ist der Umbau des Kopfbahnhofes Stuttgart Hauptbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Die Zulaufstrecken werden in Tunneln verlegt und die frei werdenden Gleisflächen der Stadtentwicklung zur Verfügung gestellt. Trotz der Auseinandersetzung mit den aktuellen wirtschaftspolitischen Vorgänge ist diese Tatort-Folge ein Krimi: Kurz nach seinem Auftritt vor einem Untersuchungsausschuss wird ein für den Bahnhofsbau zuständiger früherer Staatssekretär ermordet; selbst der abgewählte Ministerpräsident gerät ins Visier der Ermittler. Diesen wollte man anfangs wohl etwas mehr in den Mittelpunkt stellen, was dann aber unterblieb. Trotzdem dürfte sich Herr Mappus in Gestalt des Rubert Heinerle (von Ulrich Gebauer wunderbar gespielt) als machtbesessener Politiker wiedererkannt haben, der es nicht verstehen kann, dass man ihn nicht wiedergewählt hatte.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Zunächst wirkt der Film etwas unübersichtlich, da er fortwährend zwischen verschiedenen zeitlichen Ebenen hin- und herhüpft. Nach und nach entsteht aber so wie bei einem Puzzle das Gesamtbild. So öffnet am Anfang des Films im Beisein der beiden Kommissare Lannert und Bootz der Gerichtsmediziner einen in Plastik verschweißten Koffer, der eine maßgerecht zerstückelte Männerleiche freigibt. Erst am Ende erfahren wir, um welche Person es sich bei dem Toten handelt.

Bei ersten Ermittlungen stoßen die beiden Kommissare rasch auf den Architekten Busso von Mayer, mit dessen Namen sich ein großer Skandal der Vergangenheit verbindet: Der Architekt hatte auf dem Stuttgart-21-Gelände ein millionenschweres, visionäres Bauprojekt geplant, für dessen Finanzierung sich ein indischer Investor fand – der sich jedoch letztlich als Hochstapler entpuppte (daher auch der eher etwas irreführende Titel der Folge, denn ‚der Inder‘ spielt eigentlich keine weitere Rolle).

Eben dieser inhaftierte Architekt (Thomas Thieme verleiht der Rolle ‚volles Gewicht‘) rückt immer mehr ins Geschehen. Besonders reizvoll sind die Dialoge zwischen ihm und dem Ermittler Lannert, z.B. wenn Mayer die Stadt Stuttgart beschreibt: „Schauen Sie sich Stuttgart an: ein Drecksloch, ein städtebaulicher Irrtum, ein zubetonierter Talkessel, der von den Abgasen einer ewig im Stau stehenden Blechlawine aufgeheizt wird.“


Tatort (952) aus Stuttgart: Der Inder (2015)

Ein Geflecht von Macht und Manipulation zeichnet sich ab. Geht es um mehr als Wirtschaftskriminalität? Spuren deuten darauf hin, dass ein professioneller Auftragskiller die tödlichen Schüsse auf den ehemaligen Staatssekretär abgab und: Der Täter wurde verletzt. Nur wer gab den Auftrag? Und wo ist der Killer?

Man kann die Handlung dieses Tatorts nicht unbedingt mit den wirklichen Ereignissen um Stuttgart 21 in Beziehung setzen, auch wenn es im ‚wirklichen Leben‘ sicherlich Kungeleien, vielleicht auch Bestechung gab. Denn schließlich geht es bei solchen Großprojekten (wie auch bei den ewigen Baustellen Flughafen Berlin-Brandenburg oder der Elbphilharmonie in Hamburg) um viel, zu viel Geld. Es wundert mich fast, dass es so lange dauerte, bis Stuttgart 21 in einem Tatort thematisiert wurde. Denn Deutschlands Großbaustellen scheinen sich für Tatort-Krimis (zuletzt in Berlin) als Location bestens zu eignen.

Neben der gewiss interessanten Thematik punktet diese Tatort-Folge besonders durch eine abwechslungsreiche Bildsprache, die durch viele Details besticht und voll und ganz im Dienst der Geschichte steht. Die Musik tut ihr Übriges dazu (siehe auch tittelbach.tv). Und der Film hat zudem seine humorvollen Seiten. Dabei fügt sich alles Stein für Stein – eher noch wie ein Mosaik zu einem Gesamtbild zusammen. Das Drehbuch stammt von Niki Stein, der auch Regie führte und der schon für andere außergewöhnliche Tatort-Folgen verantwortlich zeichnete.