Kategorie-Archiv: Ian und die (Musik-)Welt

Ian Anderson (Jethro Tull) & vieles mehr von dieser Welt

Was ist bloß mit Ian los? Teil 88: Guter Rutsch

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

Frohe Weihnachten Euch beiden! Eigentlich sind sie ja schon fast wieder vorbei – da muss ich mich jetzt etwas beeilen…

Zuerst muss ich mich einmal wieder für die zahlreichen Komplimente und aufmunternden Worte bezüglich meiner „Kretakatze rockt“-Ambitionen bedanken. Wenn’s nur auch so klingen würde, wie es aussieht! Hörproben kann ich Euch leider nicht liefern, ich wüsste nicht wie. Ich könnte höchstens eine Cassette aufnehmen und Euch mit der Post schicken – wenn ich die Adresse hätte. Mein Aufnahme-Equipment stammt noch aus den 70er Jahren. Aber ich glaube Ihr solltet Euch lieber freuen, dass Ihr’s nicht hören müsst.

Entgegen Euren Erwartungen habe ich relativ wenig Hardcore Heavy Metal Songs im Repertoire. Eigentlich spiele ich eher Musik für Warmduscher (so wie mich), und die ist teilweise gar noch griechisch! In den letzten drei bis vier Tagen habe ich mich allerdings an Ride Across The River festgebissen, allein am letzten Sonntag habe ich drei Stunden lang nichts anderes gespielt. Davon habe ich die erste Stunde gebraucht, bis ich die Akkorde zusammen hatte – es war eine ziemliche Schwergeburt. Hier das Ergebnis zum Beweis, dass ich sie noch alle beieinander habe (die Akkorde meine ich natürlich). Dann musste ich das ganze für Rhythmusgitarre üben, mit H-Moll (Bm) ist nämlich ein Barre-Griff dabei, und die Barre-Griffe kann ich nicht, die schäppern bei mir immer gottserbärmlich. Nach einer weiteren Stunde hat es dann halbwegs passabel geklappt, da bin ich zu Fingerpicking übergegangen. Das bedurfte weiterer Übung, denn beim Picking hört man natürlich viel deutlicher, wenn man die Saiten nicht richtig trifft (was mir ständig passiert). In den folgenden Tagen habe ich dann noch an der Ausführung gefeilt, teilweise etwas Melodie eingebaut und mindestens 10 verschiedene Sounds durchprobiert, welcher nun am besten zum Video passt. Schließlich möchte ich Mr. Knopfler klanglich passend und würdig begleiten. Und das tue ich nun exzessiv (ob nun klanglich passend und würdig, lassen wir mal dahingestellt) – von den 149.000 Aufrufen, die das Video bislang hatte, müssen inzwischen mindestens 1.000 von mir stammen. Ich denke Ihr könnt erahnen, warum Ihr in letzter Zeit so wenig von mir hört.

Lieber Wilfried, mit Freude habe ich gelesen, dass auch Du dieser Tage Zeit wieder zur Gitarre gegriffen hast. Da muss wohl irgend etwas in der Luft liegen. Wenn Du nicht gerade am anderen Ende Deutschlands wohnen würdest, könnten wir ja mal im Duett… Was spielst Du denn so?

Mir ist aufgefallen, dass ich keinen einzigen Song von Jethro Tull im Repertoire habe. Das war schon in den 70ern so. Ich hatte Songbücher von Cat Stevens, Al Stewart, Simon and Garfunkel, Elton John, Jim Croce, den Beatles und noch andere. Songs von Bob Dylan, Joan Baez, Donovan, Leonard Cohen etc. habe ich bei Freunden abgeschrieben, oder ich habe mir selbst die Akkorde zusammen gesucht. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich je etwas von Jethro Tull gespielt hätte. Warum das so ist, weiß ich auch nicht so recht. Ich denke, die Melodien sind zu komplex, die Rhythmen sind zu schwierig – die Lieder eignen sich nicht dafür, einfach zur Klampfe gesungen zu werden. Ich habe mich einfach nicht rangetraut. Das geht mir jetzt immernoch so.

Knopfler’sche Songs dagegen haben einen einfachen, swingenden Rhythmus, der leicht zu spielen ist. Bevor ich angefangen habe über den River zu reiten, hatte ich schon Songs wie Water Of Love, Why Aye Man und What It Is im Programm. Water Of Love ist regelmäßig mein Lied zum „Aufwärmen“, das erste, was ich spiele, um meine steifen Finger an die Gitarre zu gewöhnen – in meiner Version nur 3 einfache Griffe (Am, Em, D) mit Variationen, wenig Umgreifen, es wird lange Zeit immer nur auf einem Akkord gespielt, und dabei klingt es noch gut. Ich glaube auch jemand, der noch nie zuvor eine Gitarre in der Hand hatte, könnte das nach 10 Minuten ansatzweise spielen. Das ist es auch, was mich von Anfang an an der Gitarre als Instrument begeistert hat – auch jemand ohne Begabung bekommt ohne viel Üben ein paar einfache Lieder zustande. Wenn man natürlich so spielen können will wie Mark Knopfler, dann sieht’s anders aus…

… oder wie ein paar andere, völlig unbekannte Musiker, deren Künste man auf YouTube bestaunen kann. So z.B. diesen jungen Mann, dessen Video bereits mehr als 34 Mio. mal angeklickt wurde – das am sechsthäufigsten aufgerufene Musikvideo auf YouTube überhaupt – oder diesen brasilianischen Gitarristen. Da fange ich an mich zu fragen, ob ich wirklich weiterhin mit meinem Gestümper akustische Umweltverschmutzung betreiben sollte… Wechseln wir das Thema.

Lieber Lockwood, Du hast den Namen Christopher Cross erwähnt. Tatsächlich hatte ich noch nie zuvor etwas von ihm gehört, und wie ich feststellen konnte, habe ich da nichts versäumt. Irgendwelche Ähnlichkeiten mit Al Stewart konnte ich nicht entdecken. Stattdessen erinnert mich Mr. Cross von Typ, Art der Musik und durch seinen Falsett-Gesang eher an Phil Collins oder die Bee Gees. Und deren Kastraten-Stimmen konnte ich noch nie etwas abgewinnen. Von dem, was ich an Al Stewart schätze – interessante, lebendige, „sprechende“ Melodien, intelligente Texte, die zum Nachdenken anregen, melodiöse, singende Gitarre – konnte ich bei Mr. Cross nichts entdecken. Seine Musik plätschert für meine Ohren nichtssagend dahin. Legen wir ihn zu den Akten…

Auch Wilfried’s Bemerkung zu John Fogerty’s Don’t You Wish It Was True hat mir einmal mehr gezeigt wie unterschiedlich Musik von verschiedenen Menschen wahrgenommen wird. Den Vergleich zwischen diesem Titel und Proud Mary hatte ich auch schon mehrfach gelesen und mich darüber gewundert. Für mich liegen zwischen beiden Liedern Welten. „Proud Mary“ hat eine starke, groovige Melodie, „Don’t You Wish…“ ist Trallalla und hat für mich eher Ähnlichkeit mit „Hänschen klein“ oder „Fuchs Du hast die Gans gestohlen“ – wahrscheinlich ist es auch irgend so ein Kinderlied, an das es mich erinnert.

Und nun hat der Wilfried, der uns ja bereits seine Version von „Proud Mary“ vorgestellt hat, auch noch Cat Stevens gecovert. Da bin ich aber auf eine Hörprobe gespannt! By the way – ist denn Cat Stevens was für Kaltduscher?

Lassen wir’s für heute gut sein. Ausufern tue ich jetzt nur noch beim Gitarre spielen. Rutscht gut ins Neue Jahr, falls wir uns vorher nicht mehr schreiben!

Liebe Grüße an Euch beide
Kretakatze

PS.: fällt wegen Müdigkeit aus

27.12.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,

das romantischste, behaglichste, beschaulichste und friedvollste Fest des Jahres ist vorüber; wenden wir uns wieder dem Alltäglichen zu.

Mr. Cross hatte ich wirklich nur irrtümlich ins Spiel gebracht. Ich weiß gar nicht, ob er noch lebt oder ob außer mir noch jemand lebt, der ihn kannte. Schwamm drüber.

Ich möchte die heutige mail dazu nutzen, Euch etwas Neues vorzustellen. Jedenfalls war es mir bis vor einigen Tagen neu. Die Rede ist georgischer Folklore. Von Georgien kannte ich bis vor kurzem nur die ungefähre geografische Lage, den Namen der Hauptstadt und ich wusste, dass es die Heimat von Stalin war. Vor einigen Tagen entdeckte ich jedoch, dass es auch in dieser Ecke der Welt fantastische Folklore gibt. Und youtube ist voll davon. Wieder einmal erweist sich diese Plattform als Segen. Ich möchte Euch das ein oder andere Stück dieser Musik präsentieren.

Bei Kretakatze hatte ich in der Vergangenheit den Eindruck hinterlassen, als könne ich mich für östliche Folklore nicht erwärmen. Nun sehen wir (vor allem ich selber), dass das nicht der Fall ist.

Die gelinkten Darbietungen erscheinen ein wenig wie eine kaukasische Form von Riverdance, aber allein deswegen müssen sie noch nicht schlecht sein. Ich achte weniger auf die Tänze (die durchaus sehenswert sind) als vielmehr auf die Musik. Diese stakkatoartigen und doch fließenden Akkordeonklänge waren mir bis dato fremd; ich finde sie einfach klasse. Falls Ihr Zeit und Lust habt, könnt Ihr mal reinhören. Serviervorschlag: Blendet das Bild aus, hört nur die Musik und stellt Euch vor, Ihr würdet auf einem geflügelten Ross über die schneebedeckten Gipfel des Kaukasus fliegen.

Das war’s auch schon für heute und evtl. für dieses Jahr.
Einen guten Start in 2008 wünscht Euch von Herzen
Lockwood

27.12.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

ob Weihnachten nun wirklich so beschaulich, romantisch, friedvoll und behaglich ist, wie Lockwood schreibt, möchte ich bezweifeln, aber ich habe die Tage mit meinen Lieben stressfrei überstanden (da nur ein Besuch bei Schwiegereltern angesagt war – meine Eltern besuchen wir nach Neujahr, ich habe ja noch einige Tage frei) und bereite mich nun mental auf den Jahreswechsel vor, der mir eigentlich ein Graus ist: Wenn alle Welt auf die Minute genau meint, besonders ausgelassen sein zu müssen, dann ist mir allein das schon äußerst suspekt. Aber trotzdem:

Ich hoffe, Ihr hattet auch einige schöne Feiertage mit Euren Lieben. Und so wünsche ich Euch alles erdenklich Gute für das neue Jahr. Bleibt gesund und in Brot und Arbeit, nehmt nicht alles so ernst (wie ich), sondern zeigt aller Welt gelassen die Schulter!

Kretakatze, meine Gitarrenkünste sind noch nicht allzu weit fortgeschritten. Aber auch ich habe es mit E-Moll zu tun: We used to know von Jethro Tull. Nicht alle Melodien aus der Feder von Herrn Anderson sind so komplex. Gerade dieses Lied ist schlicht und einfach … und doch ganz nett anzuhören. Ja mit Barré-Griffen habe ich auch nicht viel am Hut. Es bedarf schon etwas mehr Übung.

Jethro Tull: We Used To Know

Während Kretakatze also über den River reitet, entschwebt Lockwood auf geflügelten Rössern über schneebedeckte Gipfel des Kaukasus. Da bin ich doch eher bodenständig. Aber interessant sind die Klänge, die Lockwood gefunden hat, schon. Beide Beispiele klingen ähnlich und erinnern mich durchaus etwas an „Thick as a Brick“ (Andersons Vorliebe für das ‚Squeezy Thing‘ sind bekannt, und etwas flötig kommt es aus dem Kaukasus auch daher).

Hier noch einige Bilder von letzten Silvesterfeuerwerk aus London stellvertretend für all die anderen sinnlos verpulverten, die Luft verpestenden Feuerwerke dieser Erde:


London 2007 New Year Fireworks

Also nochmals: Alles Gute fürs neue Jahr – und einen guten Rutsch!
Euer Wilfried

29.12.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 87: Weihnachtliches mit Onkel Ian

Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,

ich muss mich bei Euch, vor allem bei Kretakatze entschuldigen. In meiner letzten Mail schrieb ich, dass mir zu den Herren Anderson, Fogerty und Cross nichts mehr einfallen würde. Zu Herrn Cross hat niemand von uns je ein Wort geschrieben, deshalb ist Kretakatzes Frage, wer dieser Cross denn sei, nur zu berechtigt. Hier die (etwas peinliche) Auflösung:

Ich wollte schreiben, dass ich zu Herrn Stewart nichts sagen kann. Im Eifer des Gefechts und im Nebel meiner Hirnwindungen schrieb jedoch den Namen von Christopher Cross. Das liegt daran, dass ich die beiden Künstler und ihr Werk nicht auseinander halten kann. Beide haben für mich hohe Singstimmen und machen Musik, die sich für mich als Nichtkenner ziemlich gleich anhört.

Ich kann sie schon hören, die Aufschreie des Entsetzens, die die Fans der jeweiligen Musiker beim Lesen dieser Zeilen ausstoßen werden. Aber, wie gesagt, ich habe die Musik der Beiden nur am Rande wahrgenommen und für mich sind sie kompatibel.

Sorry, liebe Kretakatze, das geschah nicht mit Absicht. Es zeigt nur, wie unkonzentriert ich nach einem Arbeitstag und nach der Beschäftigung mit den Hausaufgaben von drei Söhnen sein kann.

In der nächsten Zukunft werden meine Mails den Umfang früherer Zeiten nicht mehr erreichen. Den Umfang der Kretakatze’schen Ausführungen schon mal gar nicht. Eines möchte ich aber auf jeden Fall loswerden: Kretakatze im Raubtieroutfit mit Tigergitarre ist ein toller Anblick ! Ich fühlte mich an Chrissie Hynde von den Pretenders erinnert. Rock on !!

Zuletzt ein Themenwechsel: Wir haben in der Vergangenheit sehr viel über Gesangsstimmen geschrieben. Vor einigen Tagen ist mir wieder bewusst geworden, wie viel Wohlklang auch in einer Sprechstimme liegen kann. Dass die Stimmen von Mario Adorf, Christopher Lee oder Elmar Gunsch das Ohr erfreuen können, ist hinlänglich bekannt. Ich habe nun einen Schauspieler entdeckt, dessen Stimme mich ganz einfach fasziniert. Es handelt sich um den britischen Mimen Alan Rickman. Der geneigte Cineast kennt ihn aus Die Hard, Robin Hood, Quigly der Australier, Rasputin und nicht zuletzt als Prof. Snape aus den Harry-Potter-Verfilmungen. Bei youtube gibt es einige Beispiele seiner Kunst; eine hat mir besonders gefallen. Hier liest Herr Rickman ein Shakespeare-Sonett. Mit Poesie kann ich nach wie vor nicht viel anfangen, aber hier ist es ganz einfach die Wirkung der Stimme, von der ich sehr angetan bin. Wer von Euch schöne Männerstimmen mag, möge dem Link folgen. Alle anderen können es getrost bleiben lassen.

Sonntag ist der Erste Advent.
Ich bin mir nicht sicher, ob man den Wunsch nach einer besinnlichen Adventzeit noch ernst nehmen kann.
Ich wünsche sie Euch trotzdem !

Bis bald
Lockwood

29.11.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

auf Kretakatzes ausufernden Beitrag kann ich nur teilweise eingehen (ich habe, der Jahreszeit gemäß, auch noch einiges auf Lager).

Zu dem Fogerty-Titel “Don’t You Wish It Was True” fällt mir leider auch nichts ein. Ich las aber bei laut.de:

Die Platte beginnt mit der beschwingten Countrypop-Nummer „Don’t You Wish It Was True“, ein Loblied auf eine Welt, in der jeder jeden liebt. Wer möchte, darf sich gerne an „Proud Mary“ erinnert fühlen.

Eine gewisse Ähnlichkeit ist wirklich nicht zu leugnen.

Kretakatze ist jetzt also unter die Hard-Score-Metal-Rocker gekommen. Macht sich ja nicht schlecht. Wann darf man mit einer Aufnahme von Dir rechnen? Würde mich schon interessieren, einige Riffs von Deiner Hand zu hören.

Ist eigentlich witzig: Nein, eine E-Gitarre habe ich mir nicht gekauft. Aber meine alte akustische Klampfe habe ich hervorgeholt und sie repariert, denn die Mechanik (zum Saitenaufziehen) war kaputt. Außerdem war der Hals an einer Stelle gebrochen. Ich habe ihn geleimt (und hoffe, dass es hält). Und so habe ich auch neue Saiten gekauft und aufgezogen. Es ist eine alte Fender Classic (Modell FC-20), war damals (ca. 1972) wohl das Preiswerteste, was Fender zu bieten hatte.

Fender Classic FC-20

Und so habe ich mir vorgenommen, wieder einmal nach langer Zeit in die Saiten zu hauen (wenn mich mein Großer lässt, denn er hat sie sich gleich unter den Nagel gerissen; das hat man davon, wenn man Söhne hat). Es wird aber wohl noch einiges dauern, bis ich die alte Fingerfertigkeit wiedererlangt habe (eigentlich hatte ich keine). Vielleicht reicht es ja für einige Lieder unterm Tannenbaum.

Zu Lockwood: Also zu Christopher Cross und Al Stewart wollte ich eigentlich nichts schreiben. Den ersteren kannte ich bisher überhaupt nicht und werde ihn schon gleich wieder vergessen. Da gefällt mir Al Stewart schon um einiges besser – wenn beide auch eher der Gattung gesanglich schmusig zuzuordnen sind. Jetzt geht Kretakatze gleich auf die Barrikaden. Aber das ist meine Meinung. Nichts für Kaltduscher wie mich 😉

Interessant das neue Thema Sprechstimmen, das uns Lockwood genau richtig zur Weihnachtszeit offeriert. Alan Rickman kenne ich eigentlich nur aus den Harry Potter-Verfilmungen, die anderen von Lockwood genannten Filme kenne ich eigentlich nur vom Titel her (vielleicht noch Robin Hood – mit Kevin Kostner wohl – ach ja, er spielt da den Sheriff von Nottingham). Sicherlich hat er eine anhörliche Stimme, wenn (richtig beschrieben) auch etwas zu schokoladig für mich (siehe oben unter Kaltduscher).

Am Rande: Wer ist Elmar Gunsch? Ja, ich weiß schon, in alter Zeit huschte der über den TV-Bildschirm. Lebt der eigentlich noch (ich denke ja). Ja, diese bassigen Männerstimmen.

Mir persönlich gefällt eine Stimme wie die von Wolfgang Völz (der u.a. auch Käpt’n Blaubär spricht, was ihn mir, dem alten norddeutschen Seebären, doppelt sympathisch macht). Frauenstimmen hatten wir ja bereits, was Singstimmen betrifft, im Angebot. Dazu lässt sich aber noch einiges mehr sagen. Vielleicht später …

Apropos Weihnachten! Da habe ich doch auch etwas Nettes und komme so auch wieder auf unser eigentliches Thema zurück: Vielleicht kennt Ihr es ja bereits. Der Herr Anderson, wenn seine Singstimme auch nicht mehr das Wahre ist …, wenn er spricht, so finde ich die Stimme noch voll in Ordnung (wenn sie hier auch etwas kratzig klingt):

Es handelt sich hierbei um einen Radio-Beitrag zu einer Sendung namens „A Toss the Feathers Christmas Special 2004“ und wurde eben vor drei Jahren über den amerikanischen Sender Public Radio International ausgestrahlt. Neben „Another Christmas Song“ und „Ring Out Solstice Bells” (am Ende) liest Ian Anderson aus Sir Walter Scott’s „Marmion“– Dichtung in sechs Gesängen (A Tale of Flodden Field in six Cantos) etwas Weihnachtliches vor:

INTRODUCTION TO CANTO SIXTH.

Heap on more wood!-the wind is chill;
But let it whistle as it will,
We’ll keep our Christmas merry still.
Each age has deem’d the new-born year
The fittest time for festal cheer: 5
Even, heathen yet, the savage Dane
At Iol more deep the mead did drain;
High on the beach his galleys drew,
And feasted all his pirate crew;
Then in his low and pine-built hall, 10
Where shields and axes deck’d the wall,
They gorged upon the half-dress’d steer;
Caroused in seas of sable beer;
While round, in brutal jest, were thrown
The half-gnaw’d rib, and marrow-bone, 15
Or listen’d all, in grim delight,
While scalds yell’d out the joys of fight.
Then forth, in frenzy, would they hie,
While wildly-loose their red locks fly,
And dancing round the blazing pile, 20
They make such barbarous mirth the while,
As best might to the mind recall
The boisterous joys of Odin’s hall.

And well our Christian sires of old
Loved when the year its course had roll’d, 25
And brought blithe Christmas back again,
With all his hospitable train.
Domestic and religious rite
Gave honour to the holy night;
On Christmas eve the bells were rung; 30
On Christmas eve the mass was sung:
That only night in all the year,
Saw the stoled priest the chalice rear.
The damsel donn’d her kirtle sheen;
The hall was dress’d with holly green; 35
Forth to the wood did merry-men go,
To gather in the mistletoe.
Then open’d wide the Baron’s hall
To vassal, tenant, serf, and all;
Power laid his rod of rule aside, 40
And Ceremony doff’d his pride.
The heir, with roses in his shoes,
That night might village partner choose;
The Lord, underogating, share
The vulgar game of ‘post and pair.’ 45
All hail’d, with uncontroll’d delight,
And general voice, the happy night,
That to the cottage, as the crown,
Brought tidings of salvation down.

The fire, with well-dried logs supplied, 50
Went roaring up the chimney wide:
The huge hall-table’s oaken face,
Scrubb’d till it shone, the day to grace,
Bore then upon its massive board
No mark to part the squire and lord. 55
Then was brought in the lusty brawn,
By old blue-coated serving-man;
Then the grim boar’s head frown’d on high,
Crested with bays and rosemary.
Well can the green-garb’d ranger tell, 60
How, when, and where, the monster fell;
What dogs before his death he tore,
And all the baiting of the boar.
The wassel round, in good brown bowls,
Garnish’d with ribbons, blithely trowls. 65
There the huge sirloin reek’d; hard by
Plum-porridge stood, and Christmas pie:
Nor fail’d old Scotland to produce,
At such high tide, her savoury goose.
Then came the merry maskers in, 70
And carols roar’d with blithesome din;
If unmelodious was the song,
It was a hearty note, and strong.
Who lists may in their mumming see
Traces of ancient mystery; 75
White shirts supplied the masquerade,
And smutted cheeks the visors made;
But, O! what maskers, richly dight,
Can boast of bosoms half so light!
England was merry England, when 80
Old Christmas brought his sports again.
‘Twas Christmas broach’d the mightiest ale;
‘Twas Christmas told the merriest tale;
A Christmas gambol oft could cheer
The poor man’s heart through half the year. 85

Eine deutsche Übersetzung habe ich leider auf die Schnelle nicht gefunden (wahrscheinlich gibt es auch keine), so dürft Ihr Euch selbst mit dem Schottischen herumschlagen (leider spricht Ian Anderson alles mehr oder weniger englisch aus. Schade eigentlich … Oder er kann nicht richtig schottisch).

Ach, das soll für heute auch schon genügen. Vielleicht später etwas mehr zu Cat Stevens/Yusuf Islam. Übrigens hatte meine Band Cat Stevens früher auch gecovert. Unser Schlagzeuger hat allerdings die Lieder gesungen (ich werde in meinen unendlichen Archiven kramen und hoffe, vielleicht eine alte Aufnahme davon zu finden).

Ja, es sind keine drei Wochen mehr hin zum Weihnachtsfest. Ich bin noch sehr weit davon entfernt, mich weihnachtlich zu fühlen (wie fühlt man sich eigentlich so?), auch wenn meine Frau im Haus alles mit Kerzen und Weihnachtsdekoration ausgeschmückt hat. Schon allein das Wetter ist ein Graus. Immerhin habe ich (fast) alle Geschenke beisammen.

Wie auch immer: Ich hoffe, Ihr habt nicht mehr zu viel Stress und könnt Euch ab und zu genüsslich zurücklehnen. Auf jeden Fall wünsche ich Euch und Euren Lieben eine geruhsame Adventszeit.

Wir lesen voneinander
Bis dahin alles Gute
Euer Wilfried

04.12.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 86: Kretakatze rockt …

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

mit dieser mail möchte ich mich für meine lange unentschuldigte Abwesenheit entschuldigen.

Entgegen anderslautenden Gerüchten lebe ich noch und es geht mir ganz gut.

Für mein langes Schweigen kann ich keine nachvollziehbaren Gründe anführen; wenig Zeit habe ich immer, das ist nicht der Grund. Es war vielmehr eine nie gekannte Schreibunlust, fast eine Blockade.

Dieses Unvermögen wurde durch die Tatsache verstärkt, dass ich zu Euren Betrachtungen nichts Sinnvolles mehr beitragen kann. Alles, was ich über die Herren Anderson, Fogerty und Cross sagen kann, habe ich bereits gesagt, aufgewärmt und nochmals gesagt. Kurz: Mir geht das Material aus. Ich kann mit Euch nicht mehr mithalten. Hoffentlich nehmt Ihr mir meine Abstinenz nicht allzu übel.

Viele Grüße
Lockwood

15.11.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

so recht weiß ich nicht, was ich schreiben soll. Lockwoods Schreibunlust verstehe ich; vor längerer Zeit waren wir beide an gleicher Stelle angelangt. Dann brachte Kretakatze wieder etwas Leben in die Bude. Aber auch dieser neue Schwung ist irgendwie wieder verpufft.

Und irgendwo hängt uns allen drei der Herr Anderson heutigen Tags aus dem Hals heraus. Aber auch anderen Herren (und Damen) konnten wir nur kurzzeitig etwas abgewinnen, zumindest waren sie uns nicht allen drei gleich wichtig (z.B. Kretakatze musste einige Prügel wegen Al Stewart hinnehmen – das ist dann schnell frustrierend). Ich wollte das Thema eigentlich auf Cat Stevens (Yusuf Islam) bringen, da ich bei der Suche nach alten Eintrittskarten auch auf eine zu einem Cat Stevens-Konzert aus dem Jahre 1976 gestoßen bin (ich hatte völlig verdrängt, das Konzert vor nun über 30 Jahren besucht zu haben, was aber weniger an Cat Stevens liegen sollte). Ich habe von ihm zwei Videoaufnahmen vom Live Earth-Konzert aus Hamburg (das war wohl im Juli diesen Jahres). Da hätte ich noch einiges zum Thema Stimmenverlust beitragen können.

Cat Stevens-Konzert 1976 in Bremen

Wie auch immer: Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, Lockwood. Unser Gedankenaustausch beruht (oder beruhte) auf Freiwilligkeit. Und wenn es dann eher zum Krampf wird, macht es keinen Spaß mehr. Manchmal frage ich mich auch, was der ganze Weblog-Kram soll. Und nach der Pleite mit youtube hätte ich das alles hinschmeißen mögen. Das kostet alles Zeit, die ich eigentlich für andere Dinge haben sollte. Ich kann es aber auf der anderen Seite nicht lassen (selbst der Herr Anderson lässt mich nicht los).

Wie auch immer: Ich freue mich, wenn Ihr Euch meldet. Aber tut Euch keinen Zwang an. Es wäre schön, wenn wir in Kontakt bleiben.

Ich wünsche Euch auf alle Falle weiterhin alles Gute
Euer
Wilfried

P.S. Lockwood, übrigens vielen Dank für Deinen Bestelltipp zum Songbook. Ich werde wohl erst einmal warten, ob die neue Auflage wirklich auf den Markt kommt. Denn eine solche ist in den letzten Jahren schon öfter angekündigt worden und bis heute nicht erschienen.

21.11.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute muss ich Euch zuerst berichten, dass ich seit Neuestem stolze Besitzerin einer E-Gitarre bin. Und wie es sich für eine Kretakatze gehört, ist meine Gitarre getigert – das musste sein! Kurzer Einschub zum Thema „Intelligenzverluste“: Diese sind bei mir leider erschreckend hoch. Nachdem ich die getigerte Gitarre gesehen hatte, hatte keine andere mehr eine Chance. Den Effekt von Mustern, die sich seit frühster Kindheit ins Gehirn eingebrannt haben, hatte ich ja bereits an anderer Stelle ausführlich behandelt. Und Fogerty’s türkisfarbenen Düsenporsche (Keep On Chooglin‘ 2005 live) hätte ich mir doch nicht leisten können – es handelt sich dabei übrigens um eine MusicMan Axis, die gibt’s bei ebay gebraucht schon ab 1750 EUR. Um zu meiner Tigergitarre zurückzukommen – die Rocker-Photos vom Juni diesen Jahres sind damit natürlich überholt. Ich habe daher eine neue Bildserie erstellen lassen: Kretakatze rockt getigert vor begeisterten Katzenmusik-Fans (2007 live) (Bild 1) (Bild 2) (Bild 3).

Wie ist es dazu gekommen, dass ich dieser Tage wieder angefangen habe Gitarre zu spielen? Tatsächlich ist es fast 20 Jahre her, dass ich zuletzt halbwegs regelmäßig meine Klampfe traktiert habe. Seither habe ich alle paar Jahre das Instrument einmal von der Wand genommen, abgestaubt, ein bißchen daran herumgezupft und es dann zum weiter Verstauben wieder an den Nagel gehängt. Ich war mit meinen musikalischen Leistungen noch nie besonders zufrieden. Und wenn man jahrelang nicht übt, werden die nicht gerade besser. Das hat mich jedes Mal aufs Neue deprimiert.

Der erste Anreiz, es einmal wieder zu probieren, war sicher das Fogerty-Konzert. Aber der Anreiz war noch nicht so stark, dass ich meine Gitarre auch wirklich von der Wand genommen hätte. Der tatsächliche Auslöser war, soweit ich mich noch recht entsinne, John Lennon’s Working Class Hero. Allerdings nicht in der Version von John Lennon – die finde ich ziemlich minimalistisch und musikalisch eher langweilig. Es waren zwei Cover-Versionen, auf die ich gestoßen bin, eine von Cyndi Lauper und eine von Green Day (übrigens unterschlage ich jetzt wieder einmal zahlreiche weitere Versionen, z.B. von Marilyn Manson, Marianne Faithfull, Noir Desir und Anderen – es ist jeder selbst frei sich auf Youtube durchzuklicken).

Die Version von Green Day gefällt mir mit Abstand am besten, aber ich finde sie könnte noch ein paar der kreischenden Gitarrenriffs aus Cyndi Lauper’s Cover vertragen, vielleicht sogar ein bißchen Gekreische von Cyndi Lauper selbst. Ich bin wirklich kein Fan von ihr und ihr Stil ist nicht gerade mein Geschmack, aber zu diesem Titel passt ihr Geschrei. Und die Green Day Version ist für meine Ohren in dieser Hinsicht noch verbesserungsfähig. Während ich darüber noch sinnierte, stolperte ich über diese (zugegeben etwas langatmige) Gitarren-Lektion. Das ganze Lied mit nur zwei verschiedenen Akkorden, dazu ein einfacher hammer-on zum Üben. Hm, dachte ich, das könnte vielleicht sogar ich hinbekommen, ich sollte es mal probieren.

Und das habe ich dann tatsächlich auch getan. Es hat sogar recht passabel geklappt, nur auf meiner 35 Jahre alten akustischen Billigst-Gitarre bekomme ich natürlich die meiner Meinung nach erforderlichen kreischenden Gitarrenriffs nicht hin. Dafür – und für den satten Verzerrer-Sound der Green Day Version – braucht man eine E-Gitarre. In der Tat hatte ich schon vor 30 Jahren einmal ernsthaft darüber nachgedacht mir eine elektrische Gitarre zu kaufen. Allerdings hätte ich dazu mein Sparbuch plündern müssen, und dann war auch meine Mutter von dem Gedanken damals nicht besonders begeistert – um Himmels Willen, das ist doch so laut, und die Nachbarn beschweren sich doch jetzt schon über Deine laute Musik…

Dieser Tage sind das alles keine Argumente mehr. Ich wohne im eigenen (Reihen)Haus, die Wände zu den Nachbarn sind ziemlich dick (trotzdem hat es mein Sohn mit seiner Stereoanlage schon mehrfach geschafft den Nachbarn zur Rechten auf die Barrikaden zu treiben) und am Verstärker gibt es ja auch noch einen Kopfhörer-Anschluss. Preislich ist so eine Rocker-Ausrüstung heutzutage für ein Nasenwasser zu haben – ich habe alles bei ebay gekauft bzw. ersteigert, Gesamtkosten keine 150 EUR. Neben meiner wunderschönen Gitarre (funkelnagelneu, 70 EUR incl. Versand) und dem Mini-Verstärker (5 Watt, kann auch mit Batterie betrieben werden – ich kann also auch am Lagerfeuer rocken) ist das Herzstück der Anlage ein Effekt-Gerät, (laut Beschreibung des Herstellers ein „Ultra-flexibler Modeling-Verstärker/Multi-Effektprozessor“), das ich für 35 EUR ersteigern konnte.

Das Ding kann 16 professionelle Amps simulieren, hat 8 verschiedene Modulationen (Phaser, Flanger, Rotary, Pitch Bend und wie sie alle heißen) in jeweils 4 verschiedenen Varianten, 4 Arten von Hall, 4 Arten von Delay, Compressor und Noise Gate – jeder Effekt in mindestens 2 – 3 Kriterien regelbar (Lautstärke, Intensität, Klang, Geschwindigkeit etc.) und fast alles untereinander kombinierbar. Meine mathematischen Fähigkeiten reichen nicht aus um zu errechnen, wieviele verschiedene Klangmöglichkeiten das ergibt. Ich könnte vermutlich den Rest meines Lebens damit verbringen alle Kombinationen auszuprobieren und würde nicht fertig werden. Auf 100 Speicherplätzen kann man seine Einstellungen sichern. Ab Werk sind diese Speicherplätze mit Presets belegt, und ich habe die noch nicht einmal alle durchprobiert. Vor Kurzem habe ich erst auf Speicherplatz 32 einen Sound entdeckt, mit dem selbst meine schlichte Gitarre klingt als könne sie Glas schneiden – eine Kreissäge ist nichts dagegen. Da klingt selbst die simpelste Folge von 4 oder 5 Tönen schon gigantisch. Wirklich ein herrliches Spielzeug, wärmstens zu empfehlen.

Aber genug von meinem neuen Zeitvertreib (der mich im Übrigen auch stark vom Schreiben abgehalten hat…) und zu Euren letzten Mails. Lockwood fällt zu den Herren Anderson und Co. nichts mehr ein (dumme Frage: Wer ist denn Cross?), was ich wirklich verstehen kann – es ist auch inzwischen so ziemlich alles gesagt. Aber es gibt ja auch noch andere Themen. Lieber Lockwood, Deine „Schreib-Blockade“ ist natürlich vor allem für Wilfried und mich sehr bedauerlich, solange es Dir selbst dabei gut geht, ist sie aber wohl kein Grund zur Besorgnis. (Ich hoffe nur, dass es nicht meine unqualifizierten Psycho-Trips waren, die Dir die Lust am Schreiben verdorben haben…).

Wilfried hat sich darüber gewundert, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass Jethro Tull und CCR viele gemeinsame Fans haben – schließlich wäre ich ja selbst einer. Nun, von ein oder zwei Fans bekommt man kaum eine Halle voll, und wie ich bereits erläutert hatte: 1969 war ich noch kein Jethro Tull Fan (1969 war ich eigentlich noch überhaupt kein Fan). Und ich würde sogar noch weiter gehen: Wenn Jethro Tull bei ihrem Musikstil von 1969 geblieben wären, dann wäre ich auch niemals Jethro Tull Fan geworden. Mit der Tull-Musik aus den 60ern kann ich bis heute nicht viel anfangen, mich hat vor allem die Musik aus der zweiten Hälfte der 70er Jahre zum Fan gemacht.

Einer der wenigen Jethro Tull Titel aus den 60ern, die mir gefallen, ist We Used To Know. Dieser Song soll angeblich die Eagles zu ihrem Hit Hotel California inspiriert haben. Möglich wäre das schon, aber viel Ähnlichkeit kann ich zwischen den beiden Liedern nicht entdecken. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es zwischen den beiden Songs eine Verwandtschaft geben könnte. Dagegen ist der Metallica-Hit Nothing Else Matters für mich ganz klar eine Kopie von „We Used To Know“.

Als ich das erste Mal „We Used To Know“ hörte – nein, falsch, das erste Mal habe ich diesen Song Ende der 70er Jahre gehört, als mir mein Bruder das „Stand Up“-Album geschenkt hatte. Aber ich habe ihn wohl nur einmal gehört und dann wieder völlig vergessen. Als ich dieses Jahr auf Willi’s Homepage das Video entdeckte, hätte ich geschworen, dass ich das Lied noch nie zuvor gehört hatte. Allerdings passierte etwas Seltsames. Ich schien zu dieser Melodie den Text zu kennen, aber es war ein anderer Text als der, den Mr. Anderson dazu singt. Erst als ich anstelle von „We used to know“ die Zeile „And nothing else matters“ schmettern wollte fiel mir auf, dass ich im falschen Lied war. Zu den Klängen von „We Used To Know“ war mir intuitiv der Text von „Nothing Else Matters“ in den Sinn gekommen.

Irgendwie hat es mich gewundert, dass es vor mir noch niemandem aufgefallen sein soll, dass beide Lieder die gleiche Melodie haben. Vielleicht bilde ich mir das nur ein. Also rief ich meinen 20-jährigen Sohn, der den Metallica-Hit natürlich kennt, den Tull-Song aber bestimmt wirklich noch nie gehört hatte. Ich spielte ihm „We Used To Know“ vor und fragte ihn, ob ihn das Lied an irgend etwas erinnert. Der Herr Anderson war noch nicht mit der ersten Strophe fertig, als mein Junior schon wie aus der Pistole geschossen sagte: „Nothing Else Matters“. Nein, das bilde ich mir nicht ein! Zugegebenermaßen enthält der Song von Metallica außer dem We-Used-To-Know-Thema noch eine zweite Melodie, er wird langsamer vorgetragen und er ist wesentlich ausgefeilter arrangiert als das alte Tull-Stück, aber die Basis ist die selbe. Man könnte sagen es ist eine Variation zum gleichen Thema. Das Brisante an der Sache ist, dass Metallica ihren Hit veröffentlicht haben nicht lange nach dieser unseligen „Jethro-Tull-haben-unseren-Grammy-bekommen“ Geschichte. Da kann man sich kaum vorstellen, dass sie den Tull-Song nicht gekannt haben sollen.

Zum Thema „Intelligenz“ habe ich mich bereits so weitschweifig ausgelassen, dass ich dem eigentlich nichts mehr hinzufügen möchte. Nur soviel zu Wilfried’s Geschichte von der seiner Meinung nach falsch besetztzen Vorgesetzten-Stelle. In dem von Dir geschilderten Fall hast Du vielleicht wirklich recht, das kann ich nicht beurteilen, aber längst nicht immer ist derjenige für eine leitende Stelle am besten geeignet, der die größte Fachkompetenz hat. Für eine leitende Tätigkeit sind evt. ganz andere Dinge wesentlich: eben Kontaktfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit, Menschenkenntnis, die Fähigkeit zu motivieren, zu schlichten und auszugleichen, Organisationstalent, Übersicht, strategisches Denken, Entscheidungsfreudigkeit, Durchsetzungsvermögen usw… Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Das Fachwissen, das man benötigt um die richtigen Entscheidungen zu treffen, kann man sich ggf. von seinen hoffentlich kompetenten Mitarbeitern besorgen.

Auch einen anderen Aspekt sollte man dabei nicht ganz außer Acht lassen. Als ich Anfang der 90er Jahre von meinem damaligen Chef auf den wohlklingenden Posten einer „Programmierleiterin“ befördert wurde (d.h. ich war Mädchen für alles und Depp vom Dienst), hat das eine Kollegin von mir wie folgt lapidar kommentiert: „Das ist doch eigentlich auch Schwachsinn, wer programmieren kann wird befördert und dann mit Verwaltungskram zugemüllt, so dass er nicht mehr zum Programmieren kommt, und zum Programmieren bleiben dann noch die übrig, die es nicht können.“ So kann man das auch sehen…

Zu meiner großen Freude hat der Wilfried nun noch den Mr. Cat Stevens ins Spiel gebracht, über den könnte ich auch Romane schreiben. Schon seit längerem warte ich nur auf die passende Gelegenheit Euch mein Leid über ihn zu klagen – vielleicht sollte ich kurz am Rande erwähnen, dass es sich bei ihm um den Mann handelt, der jahrzehntelang der Traum meiner schlaflosen Nächte war. Und natürlich habe auch ich ein Ticket von 1976:

Deine Karte war aber vergleichsweise ziemlich schweineteuer, lieber Wilfried, allerdings saß ich auch nicht in der ersten Reihe. Und verglichen zu den Preisen von heute… – gerade erst habe ich 75 EUR für Mark Knopfler gelöhnt (diesmal wollte ich doch lieber nicht auf eine Abendkasse hoffen). Aber wie Du ja auch bereits mit Deinem Beispiel von Madonna angedeutet hast – heutzutage ist mit dem Verkauf von Platten/CDs etc. kaum noch Geld zu verdienen. Das Geld muss bei den Konzerten hereinkommen.

Die Stimmprobleme des Mr. Stevens würde ich nun allerdings nicht Stimmverlust nennen, eher ist er ein Beispiel dafür, wie eine Stimme durch Nichtgebrauch regelrecht einrosten kann. Auch Singen braucht eben Übung, und wenn die Stimmbänder nicht trainiert werden, dann schrumpft der Stimmumfang und man trifft die Töne nicht mehr sicher. Selbst Mr. Fogerty hat in einem Interview erklärt, dass er – nachdem er von Ende der 80er bis Ende der 90er Jahre fast 10 Jahre lang nicht mehr aufgetreten war – erst wieder singen üben und seine Stimme trainieren musste. Ihm ist es allerdings recht gut gelungen seine Stimmbänder wieder auf Vordermann zu bringen, ich habe noch in keiner seiner Aufnahmen etwas von Rost oder falschen Tönen bemerkt. Vielleicht hätte Mr. Stevens auch ein bißchen üben sollen, bevor er I Think I See The Light (Original-Aufnahme von 1970 als Soundtrack zu Harold and Maude) neu aufgenommen hat. Herausgekommen ist das Folgende (nein, ich erspare es Euch nicht, mir ist es auch nicht erspart geblieben): I Think I See The Light. Yusuf Islam 2007: Die Stimme klingt schwach und unsicher, in den tiefen Lagen zu leise und in den hohen trifft er die Töne nicht. Das ganze Lied swingt oberflächlich vor sich hin und schwimmt dabei in süßlich-schwülstiger Instrumental-Soße. Auch der Text wurde, ebenso wie bei einigen seiner anderen Songs, etwas „überarbeitet“. Girls wurden grundsätzlich gestrichen – girls gibt’s bei Mr. Islam nicht mehr. Das kann ich ja noch irgendwie komisch finden – eigentlich eher lächerlich. Aber wie er dieser Tage seine eigenen Meisterwerke aus den 70ern musikalisch zu Mittelmaß und Banalität herabwürdigt, das tut mir wirklich in der Seele weh.

Einziger Lichtblick in dieser Aufnahme: Die Gitarre. Lieber Lockwood, ich weiß nicht, ob Du sie wiedererkennst, es ist der Fichtensarg, zu dem Dir bereits einmal im Zusammenhang mit dem Song „Tuesdays Dead“ (wurde inzwischen von Youtube gestrichen) ein paar launige Bemerkungen eingefallen waren. Natürlich ist es nicht mehr exakt dieselbe Gitarre wie 1971 – als sich Mr. Stevens 1978 in den vorgezogenen Ruhestand verabschiedete, hat er alle seine Instrumente versteigern lassen. Aber offensichtlich hielt er es für angebacht sich dasselbe Modell wieder zuzulegen. Es ist eine Gibson SJ-200, die schon seit Jahrzehnten zur Standard-Ausstattung jedes halbwegs erwähnenswerten Spielers akustischer Gitarren gehört, von den Beatles bis zu Elvis Presley, auch bei Mr. Fogerty ist eine im Einsatz. Nur bei Mr. Anderson habe ich sie bemerkenswerter Weise noch nie gesehen.
Aber er bevorzugt wohl eher kleinwüchsige Gitarren. Meiner Meinung nach ist die Gibson SJ-200 auf jeden Fall die schönste akustische Gitarre überhaupt.

Soweit vorerst zu Mr. Stevens-Islam. Kommen wir zu den nächsten Kandidaten. Heute bekommt hier jeder sein Fett ab.

Der Herbst ist gekommen, die Blätter fallen von den Bäumen und die Altmeister der Rockmusik bringen ihre neuen Werke auf den Markt. Da ist so ziemlich jeder vertreten, der hier in Willi’s Weblog schon einmal Erwähnung fand (außer Jethro Tull natürlich…). Den Anfang machte Mark Knopfler Mitte September mit seinem Album „Kill To Get Crimson“ gefolgt Ende September von Joni Mitchell („Shine“). Gleichzeitig am 2. Oktober kamen dann Bruce Springsteen („Magic“), John Fogerty („Revival“) und Annie Lennox („Songs of Mass Destruction“) heraus. Am 9. Oktober gab’s den neuen Sampler von Eric Clapton („Complete Clapton“) und für Ende Oktober standen Robert Plant („Raising Sand“) und Neil Young („Chrome Dreams II“) auf dem Programm
(Anmerkung: Erscheinungsdatum US-Markt laut amazon.com). Ich weiß nicht wie diese Scheiben in offiziellen Charts derzeit platziert sind, aber dieser Tage bieten die Verkaufszahlen bei amazon.com schon einen ganz guten Anhaltspunkt. Am 17. Oktober z.B. sah die Rangfolge (Verkaufsrang Musik) so aus: 1. Bruce Springsteen, 3. Eric Clapton, 4. Robert Plant, 5. Annie Lennox, 6. John Fogerty, 7. Mark Knopfler, 16. Joni Mitchell, 22. Neil Young – die Altrocker haben derzeit Amazon fest im Griff. (Verkaufsrang bei amazon.de am gleichen Tag: 4. Bruce Springsteen, 21. Mark Knopfler, 48. John Fogerty – das Album erschien in Deutschland erst am 19.10.)

In die Alben von Mark Knopfler und John Fogerty habe ich, soweit das möglich ist, schon hineingehört, und ich muss sagen, es hat mich nicht vom Hocker gerissen. Allerdings kenne ich von einigen Titeln bislang nur die Hörbeispiele bei Amazon, und es ist kaum möglich einen Song anhand dieser 30-Sekunden-Schnipsel zu beurteilen. Aber es gibt ja noch YouTube, und bei beiden Herren kann man sich auch auf Ihren Websites zum Teil die neuen Titel anhören. Bei Fogerty gibt’s außerdem noch kostenlos ein Video zum Herunterladen (das inzwischen natürlich auch bei Youtube mehrfach zu finden ist). Eigentlich wollte ich Euch dieses Video ja ersparen – ich finde es einfach furchtbar. Nicht nur, dass der Song absolut nicht meinem Geschmack entspricht. Fogerty verwechselt schon seit Jahren ständig Musik-Videos mit Familien-Videos. Seine Söhne sind übrigens leicht an den karierten Hemden zu erkennen und sein blondes Töchterchen ist unübersehbar. Aber kommen wir auf den Punkt, ich brauche Eure Hilfe. Schon beim Konzert in Abenberg, wo dieser Song auch gespielt wurde, hatte ich das Gefühl diese Melodie bereits zu kennen. Ein Hit aus den 60ern oder 70ern? Vielleicht ein deutscher Schlager oder ein Volkslied? Ich komme einfach nicht darauf, aber ich bin mir sicher, dass ich das Lied schon gehört habe. Kommt es Euch vielleicht auch bekannt vor: Don’t You Wish It Was True.

Aber mit einem Video-Clip allein ist es natürlich nicht getan (zumal dieser wohl kaum auf MTV für Furore sorgen wird), so eine neue Scheibe muss „promotet“ werden (schreibt man das so?). Dazu gehören im Vorfeld der Veröffentlichung erst einmal ein halbes Dutzend Interviews für gängige Zeitungen und Zeitschriften, dann folgen die Fernsehauftritte. Mr. Fogerty hat es geschafft gleich für den Abend der Veröffentlichung seines Albums bei David Letterman in der „Tonight Show“ einen Termin zu bekommen. Und da hat er gezeigt, dass er auch noch Anderes auf Lager hat als nur „Friede, Freude, Trallalla“ (ich meinte „Don’t You Wish…“). In „Long Dark Night“ und „I Can’t Take It No More“ greift er Präsident Bush an, und zwar persönlich und namentlich. „Georgie’s in the jungle…wants to have a war…Georgie’s got religion, and you know he can afford more…I can’t take it no more, your dirty little war…I bet you never saw the old schoolyard…your Daddy wrote a check and here you are, another fortunate son“ (kurze Auszüge aus den Songtexten). Es gibt auch noch mehrere Textzeilen, in denen er Präsident Bush direkt der Lüge bezichtigt – „You lied to us about…“ (ich habe nicht alles verstanden, den ganzen Song und noch 4 weitere kann man sich auch auf seiner myspace-Seite anhören) – die er bei Letterman aber vorsichtshalber mal weggelassen hat.

Jedenfalls alles ziemlich starker Tobak, ich muss schon sagen, Johnny hat Nerven. Es ist ja auch schon über 20 Jahre her, dass er das letzte Mal wegen Verleumdung verklagt wurde und nach dem verlorenen Prozess einen Song umschreiben musste. Damals hatte er sich mit einem Musik- und Filmproduzenten angelegt, diesmal ist es der Präsident der Vereinigten Staaten persönlich. Und der Stil dieser „Protestsongs“ hat für mich auch nichts mit sachlicher Kritik zu tun, das ist respektloses Wutgeschrei an der Grenze zur Beleidigung und disqualifiziert sich dadurch selbst. Kein Vergleich mit dem Niveau von Deja Vu (All Over Again). Wenn ein 16-jähriger Rapper solche Texte ins Mikrophon kreischen würde, dann würde ich sagen „Die Jugend von heute hat halt kein Benehmen mehr“. Aber die ewige Jugend von vorgestern scheint auch nicht besser zu sein.

Dabei ist Fogerty in anderer Hinsicht bestimmt der biederste und erzkonservativste Rocker, den man sich denken kann, und seine Musik ist daher nicht zuletzt in konservativen Kreisen beliebt. Bei Wikipedia kann man z.B. nachlesen, das Lieblingslied von George Bush sei John Fogerty’s Centerfield, das habe er auch auf dem iPod gespeichert, den er ständig bei sich trägt. Man könnte also sagen George Bush ist John Fogerty Fan. Dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruht, wird Mr. Bush schon länger klar gewesen sein. Fogerty’s neuste musikalische Darbietungen sind dann aber doch dazu angetan die Begeisterung seines prominenten Fans ganz erheblich zu beeinträchtigen.

Bei Mark Knopfler kann man auf der Website die aktuellen Chart-Positionen seines Albums nachlesen, außerdem gibt’s hier zwar kein Video, aber einen kostenlosen Song zum Anhören. Und auf YouTube findet sich natürlich auch ein Video seiner ersten Single-Auskopplung: True Love Will Never Fade. Das Lied klingt meiner Meinung nach so wie es heißt – ziemlich fade, mit einer Melodie wie hundert andere auch. Warum das als Single veröffentlicht wird, kann ich wirklich nicht nachvollziehen. Da hat doch Mr. Knopfler noch jede Menge bessere Songs auf Lager, und ich hoffe ich bekomme möglichst viele davon zu hören, wenn er am 7. Mai nächsten Jahres nach Stuttgart kommt.

Lieber Wilfried, wie Du siehst fällt mir durchaus noch Einiges ein, und ich habe auch noch weitere Themen auf Lager. Ich brauche nur immer ewig, bis ich mit etwas fertig werde. Wie Euch sicher schon aufgefallen ist, schreibe ich solche Beiträge nicht an einem Abend, sondern über Wochen verteilt. Manchmal schreibe ich auch eine Woche garnichts – zuletzt war ich eben sehr mit meiner neuen Gitarre beschäftigt. Sicher frage ich mich auch manchmal, ob es nicht Wichtigeres gibt als Musik, die Herren – Ihr wisst schon – und Weblogs. Aber solange es Spaß macht und ich zumindest in Abständen dieses unbezwingbare Mitteilungsbedürfnis verspüre, werde ich wohl weiterhin meine Beiträge einreichen – wenn auch vielleicht in etwas größeren Abständen.

Also dann bis demnächst!

Liebe Grüße an Euch beide
Kretakatze

PS.: Als Nachschlag zum Thema John Fogerty und Mark Knopfler jetzt noch der gemeinsame Song: Nobody’s Here Anymore von Fogerty’s Album „Deja Vu“ 2004. Durch Knopfler’s Gitarre klingt er mehr nach Dire Straits als nach John Fogerty, und man erwartet eigentlich eine andere Stimme. Trotzdem meiner Meinung nach ein gelungener Titel. Soweit ich das bislang beurteilen kann, ist er besser als alles was die beiden Herren dieses Jahr auf ihren Solo-Alben abgeliefert haben. Leider ist das Video falsch beschriftet und die Bilder passen überhaupt nicht – CCR live 1970 bzw. gegen Ende Ausschnitte aus Fogerty’s DVD Premonition.

PPS.: Übrigens bin ich nicht der Meinung, dass ich wegen Al Stewart „Prügel einstecken“ musste – da hat sich der arme Lockwood wegen Queen doch noch ganz andere Sachen anhören müssen, und auch meine anfänglichen Versuche Euch für griechische Musik zu begeistern sind doch ziemlich in die Hose gegangen… Aber das hat mich ja auch nicht abgeschreckt.

23.11.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 85: Intelligenz & Plagiate

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

zuerst einmal ein dickes Lob an Wilfried! Detailgenaue Recherche, harte Fakten (also das exakte Gegenteil von dem, was man von mir üblicherweise geliefert bekommt) und Links zu wahren Schatzkästchen – Du hast es wirklich drauf! Während ich das schreibe, läuft im Hintergrund gerade das top-gewertete Dire Straits Konzert aus Wolfgang’s Vault. Vielen Dank für die wertvollen Infos (und Danke auch für den Link zu meiner Homepage – meine Kätzchen möchte dieses Jahr einfach niemand haben, es ist wie verhext)!

Interessant auch Dein Hinweis auf den „gemeinsamen Auftritt“ von CCR und Jethro Tull 1969 im Fillmore West. Eigentlich eine seltsame Zusammenstellung für ein Abend-Programm. Die Musik der beiden Bands war (und ist) doch so unterschiedlich – da ist es kaum vorstellbar, dass es viele Rockfans gibt, denen beide Gruppen gefallen (obwohl ich hier doch einen gefunden habe, der als Top-Sound eine Mischung aus Fogerty’s „Long Road Home“ und Jethro Tull’s „Benefit“ empfiehlt – erstaunlich). Bei CCR müssten damals „I Put A Spell On You“, „Suzie Q“, „Born On The Bayou“ und „Proud Mary“ auf der Setlist gestanden haben. Ich muss zugeben, lieber Wilfried, dass ich ganz im Gegensatz zu Dir bis heute mit der Musik von Jethro Tull aus den 60ern wenig anfangen kann. Es gibt da ein paar Songs, die ich ganz gut finde, aber auch nicht gerade überragend. Von der damaligen Setlist hätte mich höchstens „Fat Man“ interessiert. Vermutlich hätte ich mir CCR mit Begeisterung angehört und wäre bei Jethro Tull gegangen (wobei CCR als Headliner bestimmt zum Schluss kamen, da hätte ich durchhalten müssen…). Und was die Begegnung der beiden Herren anbelangt – auch wenn man sich, wie Du schreibst, 4 Tage lang kaum aus dem Weg gehen kann, kann ich mir doch nicht vorstellen, dass der Kontakt zwischen Ian Anderson und John Fogerty besonders intensiv ausgefallen ist. Anderson fand Fogerty’s Musik (und ihn selbst vermutlich auch) bestimmt zu primitiv, während dem biederen Fogerty der extravagante Anderson sicher zu ausgeflippt war.

Ein kleiner Fehler ist Dir dann bei Deinen Recherchen aber doch unterlaufen. Hast Du bei dem Metallica-Video einmal die Kommentare angeschaut? Dieses Video ist ein Fake, Bilder von Metallica beim Rock am Ring wurden mit einem „Cross Eyed Mary“ Cover von Iron Maiden unterlegt. Deshalb hat das Video auch eine so schlechte Bewertung – die Metallica-Fans fanden das offensichtlich nicht besonders komisch. Übrigens: Unter den Kommentaren befindet sich auch ein bitterböser von mir (für den musst Du allerdings 18 Seiten zurückblättern, das war schon vor 5 Monaten).

Das Thema „Al Stewart“ können wir nun wohl abhaken, immerhin konnte jedem von Euch zumindest ein Song von ihm ein bißchen gefallen – da muss man schon zufrieden sein. Von den diversen „Hallelujah“-Versionen habe ich Euch mit Absicht einige „verheimlicht“ (wie Wilfried geruhte es auszudrücken). Es gibt so viele, z.B. auch noch eine von Bon Jovi, und ich wollte Euch nicht zu sehr ermüden. Die Version von John Cale fand ich vergleichsweise uninteressant – einfach durchschnittlich und ohne Höhen oder Tiefen.

Was k.d. lang betrifft, lieber Lockwood, halte ich sie anders als Du in gewisser Weise für das genaue Gegenteil von Patti Smith. Nicht nur, dass Mrs. Smith auf jeden Fall der Rockmusik zuzuordnen ist, während Mrs. lang eher in den Bereich Singer-Songwriter gehört (sie hat auch zahlreiche Lieder selbst geschrieben, wie etwa Constant Craving). Patti Smith hat zwar Gesichtszüge wie ein Mann, versucht aber trotzdem so gut es geht wie eine Frau auszusehen, indem sie lange Haare und teilweise auch Kleider trägt (hier Bilder zu ihrem Song Frederick). Offensichtlich fühlt sie sich als Frau und möchte auch eine Frau sein. Mrs. lang dagegen sieht eigentlich wie eine Frau aus, tut aber was sie nur kann um wie ein Mann zu wirken (hier die zahlreichen Gesichter der k.d. lang als Slide-Show zu ihrem Song Miss Chatelaine) – Kurzhaarschnitt, Herren-Anzug und evt. sogar noch mehr. Der Eindruck, dass ihre Stimme vor 20 Jahren (Pullin‘ Back The Reins) noch deutlich höher klang als heute (One Day I Walk – sieht der Akkordeon-Spieler nicht aus wie John O’Hara? – Das Akkordeon finde ich allerdings entnervend laut…) lässt mich vermuten, dass sie auch etwas mit Hormonen nachgeholfen haben könnte (was natürlich auch nicht ohne Auswirkungen auf die Gesichtszüge bleibt). Sie fühlt sich offensichtlich als Mann, ich glaube von der endgültigen Geschlechtsumwandlung ist sie nicht mehr weit entfernt.

Zum Abschluss des Themas k.d. lang möchte ich Euch noch 2 Videos (Teil 1 und Teil 2) aus einer australischen Fernseh-Show nicht vorenthalten, bei denen ich Tränen gelacht habe (und Mrs. lang – wie man sieht – auch). Mrs. lang hat die Eigenheit ihre Interviewer immer wieder damit zu verblüffen, dass sie Fragen einfach mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet – kurz, prägnant, unzweideutig. Offensichtlich ist sie kein Mensch vieler Worte, ihr spöder Charme ist umwerfend. Manche mögen den Ausdruck für unpassend halten, aber ich finde sie irgendwie süß!

Zum Thema Bartwuchs, lieber Lockwood, kann ich naturgemäß nur wenig beisteuern – ich hatte noch nie einen. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass ich so ein Gestrüpp im Gesicht doch auch etwas lästig fände, da kann ich Dich gut verstehen. Bestimmt ist das aber auch Gewohnheitssache. Vielleicht könnte k.d. lang noch interessante neue Aspekte in dieses Thema einbringen, zumindest hat sie ja wohl schon Erfahrungen in der Naßrasur sammeln können…

Der Stimmverlust des Mr. Anderson scheint dagegen ein schier unerschöpfliches Thema zu sein. Die von Wilfried aufgeführten Stimmprobleme um 1971 kann ich allerdings nicht nachvollziehen oder besser gesagt nicht heraushören. Wahrscheinlich ist dafür mein Gehör nicht empfindlich genug. Unter „mickymaus-ähnlicher“ Stimme verstehe ich im Übrigen einen quäkenden, leicht nasalen Klang, dem die Tiefen fehlen und dem es deshalb an Druck und Resonanz mangelt. Ich würde jetzt auch nicht behaupten, dass mich dieser Klang beim Konzert 1978 im Madison Square Garden sehr stören würde. Von einem Rockmusiker erwarte ich keine perfekte Stimme, und Mr. Anderson habe ich auch in diesem Sinne noch nie für einen Sänger gehalten. Eher war er für mich immer ein Musiker, der halt auch singt. Mir ist dieses „Schwächeln“ seiner Stimme nur eben bei diesen Aufnahmen zum ersten Mal aufgefallen. Interessant fand ich dann aber Wilfried’s weitere Ausführungen zu diesem Thema. Auf einen Zusammenhang zwischen Stimmproblemen und Flötenspiel wäre ich nie gekommen, und auch von den diversen Stimmband-Operationen des Mr. Anderson wusste ich noch nichts. Weißt Du, wann das war? Ich denke mir nach so einer Operation kann man bestimmt monatelang überhaupt nicht singen, und er war doch eigentlich ständig auf Tournee.

Stimme hin oder her, jetzt möchte ich Euch aber doch noch ein paar Videos verlinken, bevor die auch wieder aus YouTube verschwinden (ich glaube die Hälfte aller bislang von mir verlinkten Videos wurden inzwischen aus dem Verkehr gezogen…). Vielleicht habt Ihr ja die folgenden Aufnahmen von nicht ganz so häufig gespielten Songs noch nicht entdeckt: Moths & Mouse Police Never Sleeps – 1978 und North Sea Oil & Old Ghosts – 1980 – miserable Bildqualität und alles Playback aus dem deutschen Fernsehen. Aber Mr. Anderson ist trotzdem immer eine Show. Und dann noch dieses – vom Fernsehbildschirm abgefilmt, aber was schaut man sich nicht alles an, wenn es nichts besseres gibt: Home & Orion – Stormwatch tour 1980. Vielleicht kommt ja doch einmal so etwas in besserer Bild- und T
onqualität als DVD heraus. Die Aufnahmen vom Montreux Jazz Festival 2003 reizen mich nicht besonders, auch wenn die Anderson’schen Stimmprobleme zu dieser Zeit nicht so gravierend waren. Es ist einfach nicht der Anderson, den ich sehen möchte.

Zu guter Letzt hat Wilfried dann noch sich selbst übertroffen und in einem P.S.-Nachtrag, der alles von mir bislang Dargebotene weit in den Schatten stellt, minutiös Mr. Anderson’s Rollstuhl-Karriere durchleuchtet – für jemanden, dem Anderson nach eigenen Angaben „kilometerlang aus dem Hals hängt“, wirklich eine beachtliche Leistung! Das Rollstuhl-Bild finde ich trotzdem immernoch dubios. Was tuen denn ein Arzt und eine Krankenschwester zusammen mit Anderson auf der Bühne? Haben die ihn etwa während der Vorstellung vor versammeltem Publikum behandelt? Aber lassen wir das…

Kommen wir nun zum eigentlichen Thema meines heutigen Beitrags (bis hierher war alles nur meine in knappen Worten zusammengefasste Einleitung). Wilfried hatte im Rahmen der Rollstuhl-Dokumentation unter anderem ein interessantes Interview mit Mr Anderson verlinkt. Zu einer Passage davon möchte ich dann doch ein paar Worte verlieren. Hier das Zitat:

Frage: Ich bin stets beeindruckt vom geistigen Tiefgang Deiner Aussagen. (Das muss ihm ja runtergelaufen sein wie Öl…) Ist es im Rockgeschäft eigentlich vom Vorteil, …intelligenter als andere zu sein?

Anderson: Das ist eher vom Nachteil… etwa so, als wärst Du ein Fußballspieler mit einem akademischen Grad. Es paßt irgendwie nicht dazu. Das dürfte kein Problem sein, aber es ist eins. Für mich stellt es ein Problem dar, weil… – Nicht, daß alle Musiker dumm wären…, aber die meisten von ihnen sind es schon. Wenn die Spice Girls Grips hätten, wären sie nicht die Spice Girls und wenn die Journalisten der Sun oder der News Of The World etwas Geist hätten, würden sie nicht über die Spice Girls schreiben. Und dann gäbe es keine Spice Girls! Es ist wichtig, daß es Leute gibt, deren Interessen und Empfindungen eher schlicht, unentwickelt sind, weil das die Voraussetzung für unterschiedliche Ebenen von Unterhaltung und Kunst ist. Wichtig daran ist, daß es Musik sowohl für Leute ‚ohne‘ Verstand gibt, gemacht von Leuten ohne Verstand, genauso wie Musik für Menschen mit höherem Intellekt. Und schließlich gibt es halt Musik für den Rest von uns, für Menschen mit etwas Geist, die es einfach und geradeaus mögen. Jethro Tull ist irgendwo zwischen den Extremen angesiedelt… In meiner Musik gibt es zuweilen so was wie einen intellektuellen Verlauf, aber nicht immer. Und ich möchte auch nicht, daß immer etwas davon vorhanden ist. Hin und wieder möchte ich auch Musik für Fußballspieler machen. Ich sehe schon, worauf das hinausläuft…

Mr. Anderson lässt sich hier von einer zugegebenermaßen verfänglichen Suggestiv-Frage dazu verleiten in der Euphorie über seine vermeintliche intellektuelle Überlegenheit gleich eine ganze Branche für dumm zu erklären (eigentlich gleich zwei, die Fußballspieler mit dazu). Dabei vermengt er Dinge, die nichts miteinander zu tun haben und offenbart gleich mehrere Denkfehler. Dazu kommt: Im Prinzip beantwortet er die Frage nicht – worin nun eigentlich sein Nachteil besteht geht aus seinen Worten nicht hervor. Seinen Ansatz „Für mich stellt es ein Problem dar, weil…“ führt er nicht zuende. Dann schweift er völlig ab und kommt auf die Spice Girls – warum bleibt unklar. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er beruflich viel mit ihnen zu tun hat. Die Frage bezog sich auch „auf das Rockgeschäft“, und die Spice Girls sind wohl kaum der Rockmusik zuzuordnen. Insgesamt macht seine Antwort nicht den Eindruck, als ob er jemals über das Thema und seine gefühlten „Probleme“ nachgedacht hätte, seine Ausführungen bestehen aus einer Aneinanderreihung von Klischees. Für mich ist das alles kein Zeichen von Intelligenz. Und „Kollegen“ wie die Spice Girls öffentlich als dumm zu bezeichnen ist gelinde gesagt eine Stillosigkeit.

Aber mit seinen Denkfehlern, Klischees und Stillosigkeiten steht Mr. Anderson nicht alleine da. Auch z.B. im Laufi-Forum kann man sie zahlreich finden: Die „Intellektuellen“, die ihren Musikgeschmack für ein Zeichen von Intelligenz halten und meinen „objektiv“ beurteilen zu können, welche Musik primitiv und minderwertig ist. Wer solche Musik mag, ist in Folge dumm, hirnamputiert, ohne Verstand, geistlos, hat keinen Grips etc.. Was diesen Intelligenzlern offenbar völlig entgangen ist: Intelligenz und Geschmack haben überhaupt nichts miteinander zu tun.

Welche Art von Musik einem gefällt, ob man gerne Fußball spielt oder einen anderen Sport treibt oder unsportlich ist, ob man lieber Heinrich Böll oder Micky-Maus liest, ist eine Frage der Persönlichkeitsstruktur und steht in keiner Beziehung zur Intelligenz. Ich persönlich lese z.B. lieber Micky-Maus als Böll, und ich würde mich dagegen verwahren deshalb als zurückgeliebener Idiot eingestuft zu werden (zurückgeblieben vielleicht schon, aber ich bin kein Idiot!). Bekanntlich geben Kühe bei Musik von Mozart mehr Milch, während bei lauter Rock-Musik die Milchleistung zurückgeht. Ist das nun ein Zeichen von Intelligenz? Irgendwo habe ich gelesen, das Lieblingslied von Willy Brand wäre „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ gewesen. Wollte davon nun wirklich jemand auf seine Intelligenz schliessen?

Welchen weitverbreiteten Denkfehlern ist Mr. Anderson nun also aufgesessen?

Irrtum Nr. 1: „Wer sich für Dinge interessiert, die mich langweilen, muss dumm sein“. Für mich gibt es z.B. kaum etwas öderes als Fußball (außer vielleicht Kochrezepte, Kosmetik, Mode, Jammern, wie furchtbar alles ist – na ja, es gibt schon einige ziemlich öde Themen). Inzwischen kenne ich gleich mehrere hochintelligente und von mir sehr geschätzte Menschen, die fußballbegeistert sind. Seitdem habe ich diese These verworfen. Nur weil jemand Freude an etwas hat, das einen selbst nicht interessiert, muss er noch lange nicht dumm sein.

Irrtum Nr. 2: „Naivität, Schlichtheit, Gutgläubigkeit = Dummheit“. Das kann zwar so sein, muss es aber nicht notgedrungen. Eventuell handelt es sich nur um eine andere Gewichtung von Werten und Zielen. Besonders Menschen, bei denen die Verfolgung ihrer Eigeninteressen einen hohen Stellenwert einnimmt – und dazu würde ich Mr. Anderson zählen – neigen dazu Idealisten, die ihre Eigeninteressen für ein „höheres Ziel“ zurückstellen oder vernachlässigen, für dumm zu halten. Im Gegenzug werden Puristen oder Perfektionisten, die vor allem nach der Erreichung einer optimalen Leistung streben, Menschen mit eher kommerziellen Zielen als primitiv erachten. Das liegt aber nur daran, dass der Eine die Motive des Anderen nicht nachvollziehen kann.

Irrtum Nr. 3: „Schlechter Geschmack = Dummheit“. Das hatten wir schon. Geschmack und Intelligenz haben nichts miteinander zu tun.

Irrtum Nr. 4: „Wer sich mit Leuten abgibt, die ich für dumm halte, muss auch dumm sein“. Selbst wenn die Spice Girls dumm wären, gilt das noch lange nicht auch für alle Journalisten, die über sie schreiben. Es ist der Job eines Journalisten, über das zu schreiben, was die Leser interessiert und was sie lesen wollen. Ein Journalist, der den Geschmack seiner Leser trifft, ist ein guter Journalist (vorausgesetzt er bleibt bei der Wahrheit und hält sich auch sonst an ein paar Anstandsregeln). Unter Umständen erfordert es sogar besonders viel Intelligenz, aus einem drögen Thema oder dürftigem Material noch eine lesbare Story zu machen.

Aber was ist nun eigentlich Intelligenz? Üblicherweise versteht man darunter die Fähigkeit logisch zu denken, d.h. Zusammenhänge richtig zu erkennen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dies ist die Art von Intelligenz, die man mit den allseits bekannten IQ-Tests (mehr oder minder treffsicher) messen kann. Meist schlägt sich diese Art von Intelligenz auch in entsprechenden Schulzeugnissen nieder. So kann man z.B. bei Wikipedia folgendes nachlesen: Madonna war eine sehr gute Schülerin. Bei einem Intelligenztest an der High School gehörte sie zu den besten zwei Prozent mit einem IQ von 140. Na also, Mr. Anderson, es gibt doch auch ein paar intelligente Kolleginnen, versuchen Sie’s doch mal bei Madonna!

Aber an der hat ihm ja, wie wir bereits wissen, alles mögliche andere wieder nicht gepasst. Wir erinnern uns: alte Dame – dürr – Stimmchen – junge Kerle, um von ihren Mängeln abzulenken. Zur Anschauung ein Video (Hung Up live 2005), das zeigt wie es aussieht und klingt, wenn die Hochintelligenz musiziert. Es wird dies die Art von Musik sein, für die Mr. Anderson die Bezeichnung „von Leuten ohne Verstand für Leute ohne Verstand“ kreiert hat. Im Prinzip verstehe ich durchaus, was er meint, nur dass das alles überhaupt nichts mit Intelligenz oder Verstand zu tun hat. Musik ist Ausdruck der Persönlichkeit, sie basiert auf emotionalen Bedürfnissen. Nun neigt eigentlich jeder dazu seine eigenen emotionalen Bedürfnisse für besonders hochwertig zu halten, oder anders ausgedrückt seinen eigenen Geschmack für für den einzig wahren. Auch ich bin nicht frei davon, und ich schreibe das hier nicht zuletzt um mich selbst daran zu erinnern (wenn ich es in Zukunft einmal wieder vergesse, weiß ich jetzt wenigstens, wo ich es nachlesen kann):

Geschmack mit Intelligenz zu verwechseln ist kein Zeichen von Intelligenz. Wirklich intelligente Menschen können begreifen, dass Andere eben andere Bedürfnisse und einen anderen Geschmack haben, und dass sie deswegen nicht besser oder schlechter und auch nicht dümmer oder intelligenter sein müssen, sie sind eben einfach nur anders. Und solange sie sich nicht furchtbar daneben benehmen, haben sie den gleichen Anspruch auf Respekt wie man selbst. Aber jetzt komme ich mit meiner Moralpredigt langsam vom Thema ab…

Zurück zur IQ-Test-Intelligenz – sie ist eine eher theoretische Größe. Im täglichen Leben wird man von seinen Mitmenschen vor allem danach beurteilt wie intelligent man wirkt. Und jemand mit einem selbstsicheren, gewandten Auftreten, der sich in gepflegter Sprache flüssig und präzise ausdrücken kann, wird immer intelligenter erscheinen als jemand, der unsicher und unbeholfen daherkommt, undeutlich oder mit Akzent eine breite Umgangssprache spricht und dabei stammelt, stottert oder vergeblich nach den passenden Formulierungen sucht. Dabei muss der Erste nicht unbedingt wirklich intelligenter sein als der Zweite. Nur zur Erläuterung: Der Erste ist eher Mr. Anderson, der Zweite bin eher ich (ein bißchen übertrieben vielleicht…). Diese Kommunikationsfähigkeit ist eine „Schlüsselkompetenz“, die nicht nur darüber entscheidet wie intelligent man wirkt, sondern auch darüber in wieweit es einem gelingt seine Intelligenz und seine sonstigen Fähigkeiten umzusetzen und nutzbringend anzuwenden.

Aber das ist immer noch nicht alles, da sind noch die Unwegsamkeiten der Gefühlswelt. Was nützt einem die schönste Intelligenz, wenn letztendlich Wut, Trotz, Stolz, Eitelkeit oder sonstige irrationale Emotionen ausschlaggebend für die eigenen Entscheidungen und Handlungen sind. Hass oder Liebe, Sympathie oder Antipathie, Faulheit und Bequemlichkeit, Euphorie oder einfach „null Bock“ – die Zahl der Einflussfaktoren, die einen dazu bringen können etwas anderes zu tun als der Verstand einem sagt, sind nahezu unerschöpflich. Und ihr Einfluss lässt sich in keinem Intelligenztest messen. IQ-Tests sind emotionsfrei. Im „wahren Leben“ kommt aber nur die Intelligenz zum Tragen, die sich im Dickicht der Emotionen behaupten kann. Damit sind klar Menschen im Vorteil, die ihre Emotionen kontrollieren und Selbstdisziplin üben können.

Vereinfachend könnte man ganz grob folgende Formel aufstellen: Im Test messbare „Rohintelligenz“ minus Verluste durch Kommunikation minus Verluste durch Emotionen = real nutzbare Intelligenz. Bei Mr. Anderson würde ich diese Verluste für gering halten. In der Kommunikation treten bei ihm überhaupt keine auf – ganz im Gegenteil. Er beherrscht die Selbstdarstellung und das Jonglieren mit Worten so brillant, dass er dadurch eher nach mehr erscheint, als er ist. Und den Eindruck, dass er sich in seinen Entscheidungen stark von Gefühlen leiten lässt, hatte ich bislang auch noch nicht. In seinen diversen Unternehmungen – ob nun Jethro Tull oder Lachsfarm – scheint er eher reichlich unsentimental nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu planen und zu agieren.

Bei obigem Interview wurde er aber einmal wieder an seinem wunden Punkt erwischt – seiner Anerkennungssucht und seiner Manie sich ständig mit Anderen zu seinem eigenen Vorteil vergleichen zu müssen. Als Folge einer Frage nach dem Motto „Ach, Mr. Anderson, Sie sind ja so intelligent, wie halten Sie es nur mit Ihren minderbemittelten Kollegen aus?“ hat er abgehoben und eine Menge unintelligentes Zeug gebrabbelt. Nach meiner Meinung hätte die „richtige“ Antwort auf die gestellte Frage etwa wie folgt lauten können: „Ob ich wirklich intelligenter bin als die Anderen weiß ich nicht, das kann man schwer messen, und darum geht es eigentlich auch garnicht. Es ist immer von Nachteil in einer Gruppe anders zu sein als die Mehrheit, z.B. weil man andere Interessen, andere Wertvorstellungen, andere Ziele oder einfach einen anderen Geschmack hat. Man wird dann leicht zum Außenseiter.“ Etwas in dieser Art hat Mr. Anderson vermutlich auch gemeint, mit dem kleinen Unterschied, dass er sich nicht einfach für einen Außenseiter sondern vielmehr für „etwas Besseres“ hält. Das tun andere, „echte“ Intellektuelle in der Musikbranche (und dazu würde ich z.B. Mark Knopfler zählen, aber auch David Palmer und sicher auch Brian May) vielleicht auch, aber wer ein bißchen Niveau hat, zeigt das nicht so deutlich. Und dass er ein bißchen Niveau hat, gehört für mich zu einem Intellektuellen dazu. Und so hat es Mr. Anderson inzwischen durch seine zahlreichen Denkfehler und Stillosigkeiten geschafft, dass seine intellektuelle Fassade vor meinen Augen weitgehend abgebröckelt ist.

So, jetzt habe ich einmal mehr unseren guten Mr. Anderson in Grund und Boden gestampft und bin dabei – wie Wilfried es neulich so treffend ausgedrückt hat – in Romanhafte abgeschweift. Eigentlich würde ich ja viel lieber einmal etwas Positives über ihn schreiben…

Seid gegrüßt, ihr Beiden
Kretakatze

PS.: Hier noch ein kleiner Nachtrag passend zum Thema „Musik und Intelligenz“: Kurz vor Wilfrieds Hinweis auf Mr. Anderson’s denkwürdiges Interview bin ich bei YouTube auf das nachfolgende Video gestoßen.Ich gehöre eigentlich nicht zu denen, die zu jedem Video ihren Senf abgeben müssen – die bislang von mir verfassten Kommentare kann man noch an den Fingern einer Hand abzählen. Bei Sugar Sugar konnte ich mich dann aber doch nicht davon zurückhalten eine Kostprobe meines feinsinnigen Humors zu hinterlassen. Mr. Fogerty schafft es irgendwie immer wieder Songs zu schreiben, bei deren erstem Hören ich spontan denke „Mein Gott, ist das primitiv!“. Eine halbe Stunde später stelle ich dann fest, dass ich ständig dieses Lied vor mich hin summe. Es sind Melodien, die ungebremst durch sämtliche Schichten der Großhirnrinde hindurch sofort zu den Basiszellen des Stammhirns vordringen, um sich dort – dem Zugriff des freien Willens entzogen – für immer festzusetzen. Das ging mir schon mit Green River so, wobei bei Green River zumindest der Text nicht primitiv ist. Das kann man von Sugar Sugar nicht behaupten. Es ist wirklich schon fast peinlich… Aber wie wir gerade gelernt haben: Intelligenz und Geschmack haben ja nichts miteinander zu tun.

PPS.: Für Diejenigen, die es interessiert: Mark Knopfler kommt im April und Mai 2008 nach Deutschland, der Kartenvorverkauf hat am 12.10.2007 begonnen!

12.10.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

etwas erstaunt bin ich schon, wenn Kretakatze schreibt, dass es bei der Unterschiedlichkeit der Musik von CCR und Jethro Tull nur wenige Fans gibt, die an beiden Gruppen Gefallen finden (der, den Du da gefunden hast, sticht ja noch dadurch hervor, dass er wohl Kraftwerk mag, wirklich eine außergewöhnliche Mischung). Ich kenne wenigstens noch einen Fan (oder habe ich da etwas falsch verstanden?): Dich, Kretakatze!

Ja, beim Metallica-Video habe ich wirklich geschlafen. Aber die Kommentare haben mich wahrscheinlich nicht interessiert oder in meiner Euphorie, dass Metallica einen Tull-Titel spielt, habe ich gar nicht darauf geachtet. Dabei ist mir „Cross Eyed Mary“ in der Version von Iron Maiden durchaus bekannt. Vor schon vielen Jahren bin ich im Internet (wo sonst) darauf gestoßen, habe es mir sogar mit anderen Cover-Versionen damals als Audio-CD gebrannt. Auf der anderen Seite wirkt das Video aber auch täuschend echt – z.B. mit den Hintergrundgeräuschen des Publikums. Wem kann man da heute noch trauen …

Deinen Kommentar zu dem Video habe ich gelesen. Damit andere nicht suchen müssen, hier der Wortlaut:

Hey globetrottertroll, couldn’t you make another video of that kind with Metallica covering Tull’s „We used to know“? They did that anyway, just that they called it „Nothing else matters“. Everyone with half an ear can hear that it’s the same tune, they stole the song from Tull – maybe as a revenge? I wonder why Ian Anderson didn’t sue them, maybe they are secretly paying royalties?

Ich staune immer mehr über Dich, Kretakatze. Das sind ja schwerste Vorwürfe gegen Metallica. Da haben die einen Riesenhit mit „Nothing Else Matters“ und dabei soll das nichts anderes sein als ein Plagiat?! Nun, ich habe nicht nur ein halbes, sondern zwei Ohren und habe auch bisschen weitergeforscht, wie es meiner Natur entspricht. Beide Stücke sind in e-moll. Der Tull-Titel ist im ¾-Takt, der von Metallica im 6/8-Takt notiert (was einem ¾-Takt gleichkommt). Aber bei aller Liebe und allen Ähnlichkeiten: Ein Plagiat im engerem Sinne würde ich das nicht nennen, dafür sind beide Stücke doch zu verschieden.

Es gibt da übrigens einen weiteren Vorwurf des Plagiats, ebenfalls im Zusammenhang mit “We Used to Know” und auch ein Lied betreffend, dass sogar in ‚meinen’ Top 100 der besten Gitarrensolos der Rockmusik zu finden ist: Eagles – Hotel California (immerhin auf Platz 8!). Okay, in den Anmerkungen zum youtube-Video steht etwas von ‚sehr ähnlich’ (und Absicht wird auch nicht unterstellt). Und ähnlich bzw. sehr ähnlich sind manche Lieder. Aber hier stimmt schon der Takt nicht: Der Eagle-Titel ist eindeutig im 4/4-Takt:

The Eagles was the support band of Jethro Tull when they played „We used to Know“ (1970). In 1976 the Eagles composed Hotel California. Intentional or not, the vocal melody and the harmony is very similar.


The origin of „Hotel california“: We used to know

Ich habe vor vielen Jahren einmal mit einem Kollegen zusammengearbeitet, der ein wirklicher Kenner der klassischen Musik war. Er behauptete, dass „Yesterday“ von den Beatles auch nichts anderes als ein Plagiat wäre. Der wirkliche Komponist soll wohl Felix Mendelssohn Bartholdy sein, wenn ich mich recht erinnere. Auch Herrn Anderson selbst hätte man jahrelang des Plagiats beschuldigen können, steht bei Bourree auf früheren Scheiben immer der Name Ian Anderson allein; erst sehr spät finden wir neben seinem Namen auch den von J.S. Bach. Aber da habe ich noch ein weiteres Beispiel: „By kind permission of“, das Klaviersolo von John Evan (meist mit „With you there to help me“ gespielt so wie bei dieser Live-Aufnahme im altehrwürdigen Beatclub). Mit wessen freundlicher Genehmigung spielt er denn da wohl. Ich bin kein großer Klassikkenner, aber angeblich soll das Rachmaninov sein, dessen Prélude in Cis-moll opus 32 oder so. Und dank youtube, was finde ich da, genau Rachmaninov, wenn es auch Opus 3 Nr. 2 ist. Evan hat eindeutig bei Rachmaninov geklaut (da kommt mir Marilyn Monroe in den Sinn und der Film „Das verflixte 7. Jahr“, kennt Ihr den Film? „Rachhhhmaninovvvvv’ haucht da die Monroe schwülstig-frivol im drückend-heißen New York, während der Nachbar in die Tasten haut).

Themenwechsel: Beim Bartwuchs kann ich natürlich mitreden. Nun in jungen Jahren hatte ich eine ziemlich lange Matte auf dem Kopf, vielleicht nicht ganz so lang wie in den 70-er Jahren der Herr Anderson. Die Haare wurden dann kürzer und dafür sprossen die Haare unmittelbar im Gesicht. Und so laufe ich seit nunmehr 30 Jahren herum. Man gewöhnt sich daran. Ob nun länger oder manchmal auch ziemlich kurz gehalten – mir ist es gleich. Wenn das Gestrüpp zu dicht wird und ich wie Aqualung (also wie ein Penner) aussehe, dann stutze ich ihn zwangsläufig. Um den Menschen in meinem Umfeld nicht zu sehr befremdlich zu sein.

Aber komme ich zum eigentlichen Anliegen Deiner letzten Mail, Kretakatze: Herr Anderson und die Themen Intelligenz, Geschmack und Persönlichkeit. Was soll und kann ich dazu schreiben? Du hast in vielem Recht. Und doch müsste ich Dir eigentlich bei manchem widersprechen. Lass ich Ian Anderson erst einmal links liegen und erzähle etwas aus meinem Leben. Auf der Arbeit sind wir eine kleine Gruppe, Abteilung kann man das nicht nennen, so nennt es sich Stabsstelle. Und auch die braucht eine Leitung. Als nun vor 7 Jahren unser Leiter in Rente ging, gab es ein Hauen und Stechen um diese Stelle. Und Siegerin wurde eine Frau, die es im Vorfeld verstanden hatte, an den richtigen Türen zu kratzen. Besondere Fähigkeiten: Sie kann alles (und nichts) in feine Worte kleiden. Der im Fachlichen eigentlich Kompetente guckte in die Röhre (ich spreche nicht von mir). Schlage ich den Bogen zu Herrn Anderson: Wie er so versteht es die gute Frau, sich in wohlfeilen Worten auszudrücken. Im Gegensatz zu Herrn Anderson hat sie aber nichts wirklich Konkretes vorzuweisen, kein künstlerisches Werk oder dergleichen, das ihre Stellung rechtfertigen würde. Das bisschen Intelligenz, die sie aufzuweisen hat, wird (nach Deiner Rechnung) nicht durch Verluste in der Kommunikation gemindert. Der eigentlich kompetente Anwärter auf die damals frei werdende Stelle hatte diese Verluste.

In dem, was Du schreibst, liebe Kretakatze, zeigst Du, so denke ich, viel von Dir und gibst einiges von Dir preis. Auch mich entsetzt es, wenn Hohlköpfe es schaffen, durch Schein zu wirken. Nicht jede Führungspersönlichkeit ist wirklich eine Persönlichkeit. Und intelligent wahrscheinlich auch nicht allzu sehr. Der Schein trügt bekanntlich, aber die Menschen wollen betrogen sein.

Was Herr Anderson da alles sagt, würde ich nicht auf die Goldwaage legen. Es ist viel Bla-Bla und vieles ist auch gedankenlos geäußert. Was man halt so in einem Interview von sich gibt. Dass er auf die armen Spice Girls einschlägt, dass an anderer Stelle Madonna ihr Fett abbekommt, ich finde das eher lustig (und entlarvend).

Ich will und kann nicht auf alles eingeben, was Du schreibst. Vielleicht etwas zu den Journalisten der Regenbogenpresse: Es geht hierbei nicht um Intelligenz. Sicherlich gehört einiges dazu, ein Massenpublikum zu unterhalten. Bei aller Intelligenz sind diese Menschen (die ihr Geld mit der Unterhaltung eines breiten Publikums verdienen) menschlich dumm. Und ausbeuterisch. Sie beuten die Dummheit anderer aus.

Und Madonna: Ob sie nun intelligent ist oder nicht. Ich kann und werde mich nie für sie begeistern können. Intelligent ist sie ohne Frage, denn auf der Suche nach neuen Einnahmequellen ist sie fündig geworden. Da steht sie Herrn Anderson in nichts nach.

Ich stimme Dir zu, wenn es um den Respekt vor anders Denkenden, anders Fühlenden bzw. geschmacklich anders Ausgerichteten geht. Was ich mag, werden andere nicht unbedingt auch mögen. Ist auch okay so. Wenn Herrn Anderson im weitesten Sinne von Dummheit spricht (keinen Grips haben, schlicht, unentwickelt sein usw.), dann meint er da bestimmt auch etwas anderes. Es gibt nun einmal die Unterhaltung ‚fürs gemeine Volk’. Rockmusik gehört sicherlich auch dazu, aber eben nicht alle Rockmusik. Es gibt die Rockmusik für anspruchsvollere Geister und den Hau-Ruck-Rock für einfachere. Das heißt aber nicht unbedingt, dass Hau-Ruck-Musiker dumm sein müssen. Und sicherlich gibt es auch Intellektuelle, die ganz gern einmal Hau-Ruck-Rock hören. Warum nicht? Da ist Andersons Aussage sicherlich viel zu pauschal.

Aber vor allem eines: Ian Anderson sieht sich und Jethro Tull ‚irgendwo zwischen den Extremen angesiedelt’, wie er sagt. So hohe Ansprüche stellt er also gar nicht. Aber genug. Irgendwie drehe ich mich im Kreise. Was Du, Kretakatze geschrieben hast, hat nicht nur etwas mit Herrn Anderson zu tun. Es ist eine grundsätzliche Beurteilung und als solches völlig in Ordnung. Lassen ich es für heute dabei bewenden.

Eigentlich habe ich noch etwas auf dem Zettel. Aber für heute muss es genügend (und später mehr).

Ich hoffe, der gute Lockwood geht uns nicht ganz verloren. Ich verliere mich auf jeden Fall für die nächsten zwei Wochen. Bei uns sind Ferien und ich habe ebenfalls frei. Da möchte ich schon einmal andere Dinge aufarbeiten (als das Gequassele eines Herrn Anderson).

Gruß und Schluss
Euer Willi

19.10.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 84: Spot the Tune

Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,

da bin ich wieder. Mailprobleme habe ich nach wie vor, aber es wird schon gehen.

Es würde mich freuen, wenn ich einen Musiker entdecken würde, dem ich soviel Begeisterung entgegenbringen kann wie Mr. Anderson. Ich suche zwar nicht gezielt danach, aber wenn ich einem solchen Musiker begegnen würde, würde ich ihn erkennen. Al Stewart ist es leider nicht. Seine Melodien sprechen mich nicht an und seiner Stimme kann ich nichts abgewinnen. Zu seiner Stimme sind Begriffe gefallen wie schmalzig oder knabenhaft. Das ist aus meiner Sicht zutreffend. Hinzu kommt, dass sie in meinen Ohren irgendwie steril klingt. Mr. Stewart hört sich an wie ein Nachrichtensprecher im Praktikum.

Zu Hallelujah: Alle von Kretakatze gelinkten Versionen dieses Songs klingen besser als die von Mr. Cohen. Zu einigen Liedern klingt sein sonorer Sprechgesang sehr passend, aber ich habe das sehr schnell über. Ein ganzes Album könnte ich mir von ihm nicht anhören.

Die beste Interpretation aus der Linkauswahl kommt unbestritten von k.d. Lang. Ich kannte die Dame bis heute nicht. Sie wirkt in der Tat ein wenig herb, fast wie eine Schwester von Patti Smith.

Aber egal, für einen Shane McGowan – Fan sind Äußerlichkeiten bestenfalls sekundär.

Zwar sehe ich gerne gut aussehende Sängerinnen wie Kate Bush, Stevie Nicks oder Alice, aber gutes Aussehen allein reicht nicht aus. Das mögen Jennifer Lopez – Fans anders sehen, aber bei mir ist das nun mal so. Auf mich üben weniger blendend aussehende Musiker einen ganz eigenen Reiz aus. Jedenfalls ist die Stimme von Mrs. Lang über jede Kritik erhaben.

Zu Mr. Anderson: Der von Euch diskutierte Beginn seiner Stimmprobleme überrascht mich. Ich siedle den Anfang seiner Probleme in den 80er Jahren an. Vorher, auch 1978 im Madison Square Garden, klang er so, wie ich ihn hören wollte und will.

Auch ich habe die letzten Wochen nicht ganz Anderson-frei verbracht. Ich habe sogar in eine CD investiert. Allerdings in ein Album aus der guten alten Zeit. „Minstrel in the Gallery“ hatte ich bereits auf Vinyl, aber da der Plattenspieler nicht immer einsatzbereit ist… Ich denke, wir alle kennen das Problem.

Inspiriert durch die Barttracht des Meisters in den 70er Jahren habe ich versucht, meine Gesichtsbehaarung auch auf diese Länge wachsen zu lassen. Das ging gründlich schief: Sobald die Haare eine gewisse Länge erreichen, habe ich das Gefühl, in einer Hecke zu stehen. Bevor mich dieses Gefühl in den Wahnsinn treiben konnte, habe ich die Pracht auf gewohnte Länge gestutzt. Es will mir einfach nicht gelingen, mich dem Meister äußerlich anzugleichen; das Barett steht mir nicht so gut wie ihm und mit dem Bart war auch nichts. Glücklicherweise ist meine Persönlichkeit so weit gereift, dass mir das nichts ausmacht.

Lieber Wilfried, erlaube mir einen Gedanken zu Deinem Blog-Beitrag über das letzte Werk von John Irving. Skurrile Charaktere und sexuell sehr aktive Menschen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Romane. Das ist eine seiner Konstanten, da gibt es keine Überraschungen. Was mich hingegen geradezu erschüttert hat war das Lügengespinst, auf dem die Mutter des Protagonisten ihr und sein Leben aufgebaut hat. Eine so plötzliche Wendung habe ich bisher in keinem Irvingroman feststellen können. Wie dem auch sei: Wieder einmal ein toller Roman !

Nach dem heißen Sommer freue ich mich auf einen erfrischenden Herbst. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber immer, wenn mich die Herbstwinde umwehen, denke ich an die frühen Werke von Jethro Tull. Der Herbst ist für mich die schönste Jahreszeit.

Bis bald
Lockwood

26.09.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

gleich zu Lockwoods letztem Schreiben und da zu den Stimmproblemen von Ian Anderson. Ich denke schon, dass Anderson weit vor 1980 erste Probleme mit dem Gesang bekam. Vielleicht war das leicht Heisere in seiner Stimme auf „Aqualung“ wirklich nur eine Erkältung (also z.B. auf Cross Eyed Mary klingt er verschnupft). Nur muss man mit einem Schnupfen unbedingt eine Scheibe aufnehmen? Wenn es die Studiobosse aus Zeitgründen so wollen, sicherlich … Ich gebe Dir, Lockwood, aber Recht: 1978 im Madison Square Garden, mag Andersons Stimme nach Kretakatzes Meinung auch leicht mickymaus-ähnlich klingen, so gefällt sie mir wie Dir. Von Sängern in der Rockmusikszene erwarten wir eben nicht, dass sie wie irgendwelche Sängerknaben klingen. Auf der anderen Seite stimme ich Kretakatze zu: So ein Stimmproblem kommt nicht von heute auf morgen. Aber lassen wir das.

Apropos Madison Square Garden: Ian Anderson beginnt das Konzert (Thick as a Brick) gewissermaßen mit einem Ratespiel: Spot the Tune! (Ist aus Zeitgründen nicht auf dem youtube-Video mit drauf). Und so frage ich auch Euch: Spot the tune! Errate die Melodie?

Es ist ein Stück von Jethro Tull, aber ohne den Meister (eigentlich sogar solo von ???) und von einem Album, das wir alle drei nicht sonderlich mögen. So schlecht hört es sich in dieser Interpretation nach meiner Meinung nicht an (da ich akustische Gitarren mag, klingt es für mich sogar ausgesprochen gut). Nun wie heißt das Stück? Ich will nicht, dass Ihr Euch blamiert (ich hätte mich mit Sicherheit auch blamiert), deshalb unten am Schluss die Auflösung. Übrigens ist das Stück auf dem schon erwähnten „25th Anniversary Box Set“ auf CD3 mit unveröffentlichten Aufnahmen (The Beacons Bottoms Tapes aus dem Jahre 1992) zu finden:


Wie heißt das Stück: Spot the Tune!

Zum Thema Plattenspieler: Als feststand, dass die alten Vinyl-Scheiben keine Zukunft mehr haben werden (ist nicht ganz richtig, denn es gibt immer noch die guten alten LPs im Angebot – gewissermaßen für solche, die ich, wenn auch politisch nicht ganz korrekt, Puristen nenne), da habe ich mir noch einmal einen ordentlichen Plattenspieler gekauft. Der steht zz. ganz in der Nähe meines Rechners, weil ich ja immer noch dabei bin, meine alten LPs (soweit ich diese nicht als CDs oder in anderer digitaler Form habe) auf dem PC zu speichern. Bei einigen Scheiben habe ich das ja bereits geschafft, aber in den letzten Wochen staubt der Plattenspieler nur noch ein, weil ich keine Zeit zum weiteren Digitalisieren finde.

Hier etwas für Kretakatze:

Fillmore West in San Francisco 13. bis 16.03.1969: Jethro Tull & Creedence Clearwater Revival

Es ist ein Plakat vom Fillmore West in San Francisco mit Konzertankündigungen für die Tage vom 13. bis 16.03.1969. An allen vier Tagen sind neben Jethro Tull auch Creedence Clearwater Revival im Fillmore West aufgetreten. So müssten sich Ian Anderson und John Fogerty doch eigentlich kennen (vier Tage lang kann man sich nicht aus dem Weg gehen).

Hierzu noch die Setlist lt. ministry-of-information.co.uk (am 17.03. wurde dann in L.A. noch schnell ein Stück aufgenommen):

13/3/69 Fillmore West San Francisco, Ca. USA
  A New Day Yesterday, To Be Sad Is A Mad Way To Be, Blues Jam, Fat Man, Dharma For OneAlso appearing, for all these Fillmore West shows: Creedence Clearwater Revival, Sanpaku.’Blues Jam‘ (not a jam) was introduced as ‚Martin’s Tune Again‘, to differentiate it from the „terrible“ ‚Martin’s Tune‘.
14/3/69 Fillmore West San Francisco, Ca. USA
15/3/69 Fillmore West San Francisco, Ca. USA
16/3/69 Fillmore West San Francisco, Ca. USA
18/3/69 Western Recording Studio LA, Ca. USA
  Recording ‚Driving Song‘  

Auch ich habe mir dieser Tage etwas von Tull gegönnt – die DVD von dem Konzert in Montreux 2003 (die Doppel-CD habe ich mir aber erspart). Die Qualität von Bild und Ton ist wirklich bestens (Ton sogar 5.1 – werde mir beizeiten die Scheibe über Beamer in unserem Keller anschauen). Die Stimmprobleme von Herrn Anderson sind natürlich nicht zu leugnen, halten sich aber in Grenzen (bei einigen Stücken mit weniger hoher Stimmlage würde man sie sogar kaum bemerken). Ich will Euch die DVD nicht unbedingt aufschwatzen. Aber ich als alter Tull-Fan kam nicht umhin, sie mir zu kaufen (zumal ich die Aufnahmen in bescheidener Qualität bereits kannte). Ich bin auf jeden Fall gespannt, was uns videomäßig zum 40. Tagestag von Jethro Tull erwartet. Alte Aufnahmen (besonders in Archiven deutscher TV-Sender, aber auch Wolfgang’s Schatzkammer müsste z.B. aus dem Fillmore West &/oder East neben Ton- auch über Filmmaterial – siehe unten – verfügen) gibt es reichlich, wie ich auch jetzt wieder bei youtube sehen konnte. Hier nur wenige Beispiele:


Jethro Tull Nothing is Easy 1970 (Anderson und Jungs beim Proben)


Jethro Tull – For A Thousand Mothers – Fillmore East 1969


Jethro Tull – A New Day Yesterday – Fillmore East 1969

Sehr interessant ist auch das Video zur Grammy-Verleihung 1988. Die Kommentare dazu sind auch ganz witzig (von: Wer ist Jethro Tull? über Gut, Jethro Tull sind ja gute Musiker, aber … bis zu Habt Respekt vor Jethro Tull …). Nur noch einmal zur Erinnerung: Gewissermaßen zum 25. Jahrestag des Aqualung-Albums 2006 spielte ja Metallica Jethro Tulls „Cross Eyed Mary“ beim Rock am Ring.

Wenn ich abends von der Arbeit mit der Bahn nach Hause fahre, habe ich meinen MP3-Player dabei, um mich bei guter Musik zu entspannen (morgens mache ich meist noch ein kleines Nickerchen, weil ich schon früh unterwegs bin; da mag ich mich nicht schon mit Musik berieseln lassen). Neben dem angesprochenen „25th Anniversary Box Set“ habe ich mir in den letzten Tagen u.a. das alte „Stand Up“-Album angehört. Das war die erste Scheibe, die ich mir in meiner Jugend gekauft hatte. Und ich weiß nun auch ganz sicher, weshalb es die erste Platte war, die ich mir angeschafft habe: Die Musik entspricht ganz dem, was ich mag. Natürlich spielen Anderson und Co. auch heute immer noch Stücke von dieser Scheibe („A New Day Yesterday“ oder „Nothing is Easy“). Abgesehen von den Anderson’schen Stimmproblemen gefallen wir die heutigen Interpretationen aber nicht wirklich. Es ist mir dabei zu viel Gedudele, es sind zu viele Schnörkel, die Anderson auf seiner Flöte zaubert. Vielleicht bin ich (selbst auch) zu sehr Purist. Aber mir gefallen die eher schnörkellosen (na ja, so schnörkellos sind sie auch wieder nicht …) Stücke alter Tage um einiges besser, auch wenn sie technisch (aufnahme- und spieltechnisch) nicht so ausgereift waren. Und das ist auch das, was mir an den heutigen Konzerten nicht allzu sehr gefällt. Nichts gegen Improvisation. Aber zuviel des Guten ist für mich nicht mehr gut. Der Meister muss eben zeigen, was er drauf hat (und will damit auch von seinen Stimmproblemen ablenken).

Den Herbst halte ich auch für eine sehr schöne Jahreszeit. Allerdings sind die letzten tage eher bescheiden (im Aachener Raum soll es ja auch wie aus Kübeln geschüttet haben. Wir hatten gestern fast den ganzen Tag Regen). Hoffen wir auf „goldenen“ Oktober. Ende Oktober habe ich (während der Herbstferien) noch zwei Wochen Urlaub. Da wäre etwas Sonnenschein schon nicht schlecht.

Soviel für heute. Man liest sich weiterhin.
Bis dahin
Wilfried

Spot the Tune: Das Stück heißt „Protect and Survive“ und ist vom Album „A“ (wie Anderson) aus dem Jahre 1980 – als alles begann, den Berg hinunterzugehen. Natürlich spielt Martin Lancelot Barre – solo. Aufgenommen wurde das Stück in seinem ureigenen Studio Presshouse Studio im Dezember 1992.

30.09.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 83: Hallelujah & Stimmprobleme & Lebenskämpfe

Liebe Freunde,

Meine Antwort auf Eure letzten mails habe ich bewusst bis heute zurückgehalten, um etwas Aktuelles zum Thema intellektueller Musiker berichten zu können:
Seit gestern ist Jet-Gitarrist Brian May Doktor der Astrophysik. Zwar hätte Dr. May bei der Wahl seiner Garderobe etwas mehr Sorgfalt walten lassen können, aber ich freue mich trotzdem für den Langen !

Viele Grüße
Lockwood

24.08.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute fange ich gleich einmal mit jeder Menge Musik an, die man ja vielleicht auch im Hintergrund hören kann, während man liest (oder sonst etwas tut). Es ist mir doch noch gelungen im Internet ein paar der besserern Titel von Al Stewart zu finden – ohne Video. Aber wie Ihr Euch ja schon selbst überzeugen konntet, ist Mr. Stewart nicht so photogen und dekorativ, dass man ihn zu seiner Musik unbedingt auch noch sehen muss. Unter Umständen könnte sich sein Anblick auf den Hörgenuss sogar eher störend auswirken. Daher hier jetzt die völlig bildlosen Links zu Merlin’s Time und One Stage Before (zu denen ich ja schon einmal die Texte verlinkt hatte, was ich mir aber keinesfalls nochmals erlauben würde) sowie If It Doesn’t Come Naturally, Leave It und The Dark And The Rolling Sea. Abgesehen von „Merlin’s Time“, das rein akustisch ist, enthalten die anderen Titel alle Gitarrensolos, die so klingen wie Gitarrensolos meiner Meinung nach klingen sollten.

Übrigens bin ich dieser Tage zu dem Schluss gekommen, dass sich Mr. Stewart’s Stimme nachteilig auf seine Karriere ausgewirkt haben könnte. Sie klingt einfach immer gleich sanft, weich und ruhig, ganz gleich was er singt, und nicht zu jedem Song passt das. Erstmals ist es mir neulich aufgefallen, als ich nach längerer Zeit einmal wieder den Titel „Constantinople“ (den ich leider nirgendwo im Net finden konnte) gehört habe – das geht so richtig rockig los, und man denkt jetzt geht die Post ab, und wenn er dann zu singen beginnt erscheint es wie ein Stilbruch. Immerhin geht es in dem Lied darum, dass die Türken Europa überfallen, das sollte schon ein bißchen verzweifelt klingen. Aber das bekommt er irgendwie nicht hin. Ich mag seine Stimme und diese Art zu singen, aber ich könnte mir vorstellen, dass es manch Anderen stört. Vielleicht war es auch das, was Wilfried meinte als er etwas bezüglich „schmalzig“ schrieb, ich wüßte sonst wirklich nicht, was an Al Stewart schmalzig sein sollte. Und auf Schmalz reagiere ich üblicherweise selbst ziemlich empfindlich.

Wenden wir uns übergangslos Dr. Brian May zu, dem ich natürlich auch ganz herzlich zu seinen akademischen Weihen gratulieren möchte. Astrophysik ist ein wirklich interessantes Thema, mit dem ich mich vor ca. 35 Jahren – also ungefähr als Mr. May seine Dissertation begann – auch schon einmal beschäftigt habe, allerdings natürlich sehr amateurhaft. Immerhin beabsichtigte ich damals Astronautin zu werden, daraus wird jetzt wohl nichts mehr. Dr. May dagegen ist es gelungen seine Ziele und Träume noch zu verwirklichen – Bravo!

Ich war in den vergangenen Tagen und Wochen viel auf YouTube unterwegs und bin dabei auch auf einige bemerkenswerte Musiker(innen) und Songs gestoßen, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Es waren nicht zuletzt diese Streifzüge, die mich in letzter Zeit von meinen schriftstellerischen Aktivitäten abgehalten haben. Ein paar meiner Entdeckungen möchte ich Euch dabei nicht vorenthalten.

Zum Beispiel bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Cover-Versionen ein interessantes Thema sind. Manche beliebten Titel sind gleich von einer ganzen Reihe von Musikern gecovert worden, und die Versionen unterscheiden sich zum Teil erheblich. Da ist es wirklich manchmal erstaunlich wie unterschiedlich eine Melodie interpretiert werden kann, oder wie ein anderes Arrangement einem Song eine völlig andere Bedeutung verleiht.

So bin ich auf YouTube auf ein Lied gestoßen, dass sehr bekannt zu sein scheint, von dem ich aber noch nie zuvor gehört hatte – es ist Leonard Cohen’s Hallelujah (Originalversion live aus einer bekannten deutschen Fernsehsendung…). Nun tut Mr. Cohen seine Lieder nicht singen sondern sprechen, und das schreit geradezu danach sie noch einmal so aufzunehmen, dass sie wie Musik klingen – da ist eigentlich jede Cover-Version besser als das Original. Daran haben sich in Folge auch zahlreiche Musiker versucht, und ich möchte hier nur ein paar der interessantesten Versionen aufführen – übrigens allesamt von Musikern, die mir bis dato völlig unbekannt waren.

Da wäre zuerst die Version von Rufus Wainwright, die ich für die schlechteste halte. Er singt mit nasaler Stimme ohne Akzentuierung in schleppendem Tempo und weinerlich klagendem Tonfall – das Ganze zu eintöniger Klavierbegleitung. Bei ihm klingt das Lied wie ein Trauermarsch für eine Beerdigung.

Besser ist da schon die Version von Jeff Buckley – schöne akustische Gitarre im Folk-Stil, aber sein Gesang klingt irgendwie ein bißchen verloren. Außerdem sind meiner Meinung nach hier die Instrumentalpassagen etwas zu lang ausgefallen.

Auch Allison Crowe singt zu Klavier, aber im Gegensatz zu Mr. Wainwright klingt das Lied bei ihr nach purer Freude und Glückseligkeit. Vielleicht sind es auch ihr stahlendes Lächeln und ihre großen blauen Kinderaugen, die diesen Eindruck vermitteln. Auf jeden Fall kommt ihre Interpretation des Songs seiner Bedeutung für mein Gefühl doch schon recht nahe.

Wirklich überzeugt hat mich dann aber doch erst k.d. lang. In ihrer Version ist wirklich alles drin, nicht nur Klavier und Gitarre, sondern wohl auch so ziemlich jede Emotion, die zwischen Himmel und Erde vorstellbar ist. Bei Mrs lang (sie legt wohl Wert darauf, dass ihr Name kleingeschrieben wird…) bin ich denn auch hängengeblieben. Deshalb hier – auch auf die Gefahr hin, dass Ihr meine neugewonnene Begeisterung für Mrs lang nicht teilen könnt – gleich noch eine zweite Kostprobe: Helpless. (Auch Bird On The Wire und Pullin‘ Back The Reins sind übrigens empfehlenswert)

Beim Namen k.d. lang hatte ich eigentlich einen Mann erwartet, und der erste optische Eindruck sah auch stark danach aus. Folglich war ich etwas überrascht wie es klang, als sie schließlich zu singen begann… Ihr Äußeres ist zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig: Die Natur muss bei ihr das Geschlecht verwechselt haben, sie hat mindestens 40 kg zuviel auf den Rippen und einen Haarschnitt wie eine unter den Rasenmäher geratene Maus. Dazu kommt, dass sie üblicherweise barfuß über die Bühne stolpert und dazu Schlafanzug- oder Morgenrock-ähnliche Garderobe trägt. Aber wen stört’s noch, sobald sie singt? Mich jedenfalls nicht. Ich finde sie einfach faszinierend.

Und damit wäre ich wieder bei Mr. Anderson angekommen. OK, der Zusammenhang ist jetzt vermutlich nicht sofort erkennbar. Der Schlafanzug könnte als Gemeinsamkeit herhalten, wobei Mr. Anderson immerhin noch Schuhe dazu getragen hat. Auf jeden Fall ist auch Mrs lang eine ziemlich exzentrisch wirkende Erscheinung. Außerdem neigt sie, ähnlich wie Mr. Anderson, zu einem mimik- und gestenreichen Vortragsstil. Wenn sie von „big birds flying…“ singt, sieht man sie schon fast zum Tiefflug übers Publikum abheben…

Ich habe Mr. Anderson in den letzten Wochen und Monaten mit anderen Musikern verglichen und bin dabei zu dem Schluss gekommen, dass er im Gegensatz zu diesen auf der Bühne einen ernsten oder gar finsteren Eindruck macht, sein Vortragsstil aufgesetzt und einstudiert erscheint, sein Outfit unpassend ist, seine Aufführungen teilweise lächerlich oder gar peinlich wirken usw. – dass bei ihm einfach nichts mehr zusammenpasst. In igendeinem Nebensatz habe ich dann immer noch erwähnt, dass diese anderen Musiker im Gegensatz zu Mr. Anderson allerdings noch eine Stimme haben. Als ob es für einen Sänger eine Nebensächlichkeit wäre, ob er singen kann oder nicht.

Der Verlust der Stimme ist für einen Sänger eigentlich das Aus, das Ende, der Tod. Mr. Anderson hat versucht diesen Tod zu überleben, da er offensichtlich nicht mit ihm leben konnte. Da nicht sein kann was nicht sein darf, bemüht er sich seither seinen Stimmausfall zu ignorieren, so zu tun als existiere er nicht oder als wäre er eine unbedeutende Lappalie. Aber ist es wirklich vorstellbar, dass er nicht selbst hört wie er klingt? Ganz abgesehen davon, dass er durch seine lieben Mitmenschen in Form von Konzertkritiken, Interviews, Fanpost, Internet-Foren etc. auch ständig wieder daran erinnert wird.

Fällt nicht der Zeitraum, in dem er „sich selbst verloren hat“ (wie ich es schon einmal ausgedrückt habe) zusammen mit dem Zeitraum, in dem er seine Stimme verloren hat? Und das ist nicht über Nacht passiert, das fing schon Ende der 70er Jahre an. Mir ist erstmals bei den Aufnahmen aus dem Madison Square Garden 1978 (Thick As A Brick) aufgefallen, dass er anfing immer mickymaus-ähnlicher zu klingen.

Es ist leicht freudestrahlend Hallelujah zu singen, wenn man eine Stimme hat wie k.d. lang. Mit einer Stimme wie Mr. Anderson würde sich Mrs lang sicher auf keine Bühne mehr wagen, und die Herren Fogerty, Diamond und wie sie alle heißen vermutlich genauso wenig. Warum wundert mich also, dass sich Mr. Anderson nicht mehr so recht unbeschwert über seine eigenen musikalischen Darbietungen freuen zu können scheint? Ist es verwunderlich, wenn er seit seinem Stimm-Tod als Zoombie über die Bühnen der Welt geistert? Etwas anderes ist eigentlich nicht zu erwarten. Erstaunlich nur, dass ich so lange gebraucht habe darauf zu kommen.

Da wird auch verständlich, warum er kaum noch neue Musik produziert. Was macht es schon für einen Sinn ein neues Lied zu schreiben, wenn man es nicht singen kann? Oder wenn es einfach nur scheußlich klingt. Und nur Instrumentalstücke möchte doch auch niemand. Da ist guter Rat wirklich teuer…

Und da ich mit meinem Latein nun auch am Ende bin, mache ich hier Schluss für heute.

Liebe Grüße an Euch beide
Kretakatze

PS.: Lieber Wilfried, natürlich hast Du keinen Blödsinn geschrieben – dafür bin eher ich zuständig. Wenn ich heute manches nochmals lese, was ich vor einigen Wochen oder Monaten hier verbrochen habe, dann denke ich auch immer wieder es wäre wohl doch besser gewesen, ich hätte mich ganz still in eine Ecke gesetzt und gewartet bis der Anfall vorbei ist. Naja, Schwamm drüber… Wenn Du anderer Meinung bist als ich, ist das jedenfalls Dein gutes Recht, und in vielen Punkten stimmen wir ja auch völlig überein.

Was das Bild von Mr. Anderson im Rollstuhl betrifft, kann ich garnicht recht glauben, dass es echt sein soll. Dass er schon einmal nach einem Sturz von der Bühne den Rest der Vorstellung im Rollstuhl absolviert hat, habe ich auch schon gehört, aber gleich zusammen mit 2 Krankenschwestern? Das Photo sieht auch schon so montiert aus, die Größenverhältnisse scheinen mir nicht zu stimmen, auch das Licht – besonders auf den beiden Nursies – wirkt so unecht…

10.09.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

Ihr habt Euch ja lange nicht mehr gemeldet. Und, um ehrlich zu sein, ich habe die anderson-freie Zeit genossen und genutzt, um mich einmal wieder mit anderen Dingen zu beschäftigen. So habe ich auch einen Großteil meiner Urlaubsbilder und -videos überarbeitet, die ansonsten lange brach gelegen hätten. Und Herr Anderson hängt/hing mir auch so langsam kilometerlang aus dem Hals.

Aber auch Kretakatze hat ja wohl die Zeit genutzt, um ihren keinen Kätzlein ein Zuhause zu verschaffen. Herr Anderson und all die anderen Damen und Herren Musiker können einem schon ganz schön die Zeit stehlen.

Ja, Lockwood, Queen-Gitarrist Brian May greift als Doktor nach den Sternen bzw. in nebulöse Staubwolken im All. Gratulation auch von meiner Seite! Da fegt ja nun geradezu eine akademische Elite von Rockmusikern über die Bühnen der Welt.

Kretakatze kehrt so langsam in die Tage ihrer Jugend zurück (nicht nur sie). Nach John Fogerty willst Du uns jetzt doch noch einmal Al Stewart schmackhaft machen. Vielen Dank für die Lieder. „The Dark And The Rolling Sea“ gefällt mir sogar ausgesprochen und wirklich gut. Was allerdings den Gesang von Al Stewart betrifft, hast Du wohl Recht: Dieser ist für mich einfach zu brav und klingt reichlich knabenhaft. „Schmalzig“ ist sicherlich nicht das richtige Wort, aber ich mag es wahrscheinlich etwas kraftvoller.

Ausgehend von Cohens „Hallelujah“ hast Du, Kretakatze, uns wieder reichlich mit Musikvideos eingedeckt. Mindestens eine Version hast Du uns dabei verheimlicht: John Cale – Hallelujah. k.d. lang ist mir zwar ein Begriff, aber wohl eher als Aktivistin (Tierschutz) und wegen ihrer anscheinend lesbischen Umtriebe. Irgendwie dachte ich immer, sie wäre Holländerin (ich weiß auch nicht warum; vielleicht hatte sie vor Jahren einen gemeinsamen Auftritt mit Herman van Veen?!). Jetzt habe ich sie also auch musikalisch etwas kennen gelernt.

Es mag vielleicht Zufall sein, dass Kretakatze von Al Stewart über die Cohen-Coverversionen zu k.d. lang gelangt ist. Musikalisch finde ich aber, dass hier viel Ähnliches zusammenkommt. Es ist weniger Rock, mehr Pop (um mich dieser Schublädchen wieder zu bedienen), durchaus hörenswert, wenn es auch nicht so ganz „meinen Geschmack“ trifft. Ich habe in diesem Zusammenhang noch einmal überlegt, wie ich zu Jethro Tull gekommen bin. Es war ähnlich wie mit der Liebe auf dem ersten Blick. Als ich Herrn Anderson mit seinen Jungs Anfang 1969 (oder war es doch schon Ende 1968) zum ersten Mal hörte, da war es um mich geschehen. Und ähnlich (oder gleich) ging es mir mit anderen Gruppen bzw. Musikern. Ich denke da z.B. an Joan Armatrading, mit der Ihr nur wenig etwas anfangen könnt. Und da ich meiner ersten Liebe bis zum Ende meines Lebens treu zu sein gedenke, kann ich nicht von Herrn Anderson lassen. Bei Al Stewart und k.d. lang geht es mir eher so: Ja, ganz nett, aber die große Liebe wird das nie werden.

So ganz bin ich natürlich auch die letzten Wochen nicht ohne Anderson & Co. ausgekommen. Ich habe mir u.a. nach sehr langer Zeit aus dem „25th Anniversary Box Set“ einige bis dahin (1993) unveröffentlichte Aufnahmen (The Beacons Bottoms Tapes aus dem November 1992) angehört und war ‚erschüttert’. Aber alles der Reihe nach:

Kretakatze schreibt zum Stimmverlust von Ian Anderson: „… das fing schon Ende der 70er Jahre an. Mir ist erstmals bei den Aufnahmen aus dem Madison Square Garden 1978 (Thick As A Brick) aufgefallen, dass er anfing immer mickymaus-ähnlicher zu klingen.“

Nun über das Mickymaus-Ähnliche kann man sich streiten. Nur als kleine Randnotiz: Die Singstimme des Meisters liegt weit höher als seine Sprechstimme, höher, als es sonst „üblich“ ist.

Ich würde den Zeitpunkt seines beginnenden Stimmverlustes auf einen noch viel früheren Zeitpunkt datieren, auf 1971 (!) mit Erscheinen des „Aqualung“-Albums. Bereits da klingt sein Gesang oft sehr heiser, als wäre er zum Zeitpunkt der Aufnahmen erkältet gewesen. Das ist mir, ob Ihr das glaubt oder nicht, bereits damals beim Erscheinen der Scheibe aufgefallen. Nur hatte ich es damals auf eine entsprechend kurzzeitige Unpässlichkeit geschoben.

Irgendwo, ich denke bei laufi.de, hatte ich einmal gelesen, dass Ian Anderson seine Gesangsprobleme hauptsächlich in der Kontraproduktivität zwischen Flötenspiel und eigentlichem Singen sieht, d.h. beim Flötenspiel werden die Stimmbänder in anderer Weise beansprucht als beim Gesang, was am Ende Probleme beim Singen verursacht. Daher legt Anderson bei Studioaufnahmen mit dem Flötespielen oft mehrere Tage Pause ein, um sich ganz aufs Singen zu konzentrieren.

Und wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist Ian Anderson während seines Musikerlebens schon öfter an den Stimmbändern operiert worden. Von daher erklärt es sich, dass seine Stimme manchmal völlig kaputt klingt, dann, Jahre später, wieder ziemlich okay zu sein scheint.

Nun, während der besagten Neuaufnahmen 1992 zu den Beacons Bottoms Tapes war seine Stimme wohl ziemlich im Keller. Ich gehe einmal davon aus, dass Ihr das 4-er Box Set zum 25. Jahrestag der Band nicht besitzt. Da gibt es zwei Aufnahmen, von denen ich Euch jeweils den Anfang zusammen geschnipselt habe: „Living in the Past“ und „With You There to Help Me“.

Niemand wird mir weismachen können, dass Anderson nicht um seine Stimmprobleme weiß. Wie sonst hätte er sich so oft operieren lassen. Aber es ist natürlich verständlich, dass er sein Problem nicht in aller Öffentlichkeit auswalzt und eher bemüht ist, es klein zu halten. Aber das ihn sein Stimmproblem sehr beschäftigt, zeigen u.a. auch die beiden zusammengemischten Aufnahmen aus 1992. Da versucht der gute Mann nämlich sein Problem zu kaschieren. Bei „Living in the Past“ dudelt eine Mundharmonika beim Gesang mit, und in „WYTTHM“ ist es sogar eine Mandoline (Oh, Caprisonne scheine über uns), die den kaputten Gesang übertünchen soll. Aber da wird nicht bemäntelt, da wird aufgedeckt!

Nun, ich weiß, Euch kann nichts wirklich erschüttern. So auch dieses Ton-Dokument nicht. Seid höchstens erschüttert zu erfahren, dass es mir für heute reicht.

Ein herbstliches Wochenende winkt bereits. Haltet Euch gerade und macht keinen Mist.
Cheerio, Tschüss und Good bye

Euer Willibald

P.S. Noch einmal etwas zu dem Anderson im Rollstuhl. Es war sicher nicht ‚der Rest einer Vorstellung’. Also ich habe noch einmal recherchiert. Angeblich ist die Aufnahme aus dem Jahre 1988 (wenn ich nur wüsste, woher ich sie habe). Aber da gab es keinen ‚Unfall’, wenigstens nicht laut www.ministry-of-information.co.uk, lediglich am 16.06. in Atlanta, USA, zu Doanes Geburtstag faules Obst (im Gegenzug keine Zugabe).

16/6/88 – Chastain Memorial Park Amphitheater – Atlanta, Ga. USA
Doane’s birthday – An audience member threw food on the stage , so Ian stopped the show at the end of Aqualung. No encore.

Ian Anderson im Rollstuhl

Bei laufi.de fand ich dann in einem Interview (zwischen Soundcheck und Konzert in der Berliner Arena am 4. Juli 1997 aufgenommen) folgende Zeilen:

Du giltst als sehr willensstark und hast nach der Verletzung in Südamerika im letzten Jahr (also 1996) sogar Konzerte im Rollstuhl absolviert.

I.A. Nun, das würde ich nicht wieder tun. Ich war mir nicht bewußt, was ich tat. Denn für einige Zeit im Rollstuhl weiterzumachen, verursachte ein Blutgerinsel in meinem Bein, was mir beinahe das Leben gekostet hätte. So hat sich das als sehr gefährlicher Entschluß herausgestellt – es war wirklich keine gute Idee.

Also war der Unfall 1996. Und bei www.ministry-of-information.co.uk finde ich dann auch:

19/3/96 – Meulle Uno – Lima, Perú
Ian fell during a jump on a poor-quality stage, badly injuring his knee.

Und weiter:

25/3/96 – Electric Factory – Philadelphia, Pa. USA
Ian in wheelchair

Insgesamt spielte Ian Anderson 10x im Rollstuhl, bis dann folgende Nachricht veröffentlicht wurde:

JETHRO TULL STAR IN HOSPITAL
Anderson in fight for his life

Ich habe mich dann am Äußeren des Meisters zu orientieren versucht (da würde die Fotoaufnahme wirklich eher zu 1988 passen), aber sicher bin ich mir nicht. Sollte die Aufnahme wirklich aus 1988 stammen, so ist das einer der vielen Jokes, die der Meister auf die Bühne gebracht hat. Übrigens ist es nur eine Krankenschwester (Nursie). Das andere ist ein Arzt (Dr. Bogenbroom?).

Sollte die Aufnahme tatsächlich aus dem Unfalljahr 1996 stammen, dann ist es wirklich ein schlechter Scherz (und vielleicht ist Herr Anderson seitdem mit solchen Scherzen auch etwas zurückhaltender).

Wie auch immer: Die Größen- und Lichtverhältnisse halte ich trotz Kretakatzes Bedenken für okay. Die Lichtverschiebungen ergeben sich aus der unterschiedlichen Anordnung der Scheinwerfer. Und der Unterschied in der Größe der Krankenschwestern, ist dadurch zu erklären, das es sich bei der einen Person um einen Mann (Arzt) handelt. Ich halte die Aufnahme also weiterhin für echt.

12.09.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 82: Selbsterkenntnis & Selbstfindung

Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,

ich hätte da den ein oder anderen Gedanken zum Thema Ian Anderson:

Ich frage mich bereits seit einiger Zeit, worauf die Ansprüche des Mr. Anderson , ein Intellektueller aus der Upperclass zu sein, basieren. Die Wikipedia-Aufzählung der von ihm besuchten Schulen ist in der Tat sehr übersichtlich. Eines wollen wir ihm aber zu Gute halten: Man kann sich auch jenseits der Schule noch Einiges an Bildung aneignen. Ich wage zu behaupten, dass ich (von den Grunddisziplinen Lesen, Schreiben, Rechnen abgesehen) abseits der Schulen mehr gelernt habe als in diversen Klassenzimmern. So sollte es auch sein, das geht wohl den meisten Menschen so. Den Intellektuellen können wir also so gerade noch gelten lassen. Daraus ergibt sich aber die Frage: Wie äußert sich sein Intellekt, wie nutzt er ihn, was stellt er damit an ?

Nun, die erste Antwort darauf liegt für mich auf der Hand: Die Songs, die Melodien der frühen Jahre, die ihn für mich zum „Meister“ machen, können nur schwerlich dem Hirn eines Dummkopfes entsprungen sein. Intelligenz und Genius bedingen einander zwar nicht, gehen aber oft Hand in Hand. Nur so als Beispiel: Vor vielen Jahren las ich (in einem MAD – Heft), dass W.A. Mozart im Alter von drei Jahren seine erste Symphonie schrieb und mit fünf Jahren zum ersten Mal auf dem Topf saß. Zum zweiten kann ihm niemand abstreiten, dass er in Interviews einen sehr souveränen Eindruck macht. Auch das spricht nicht unbedingt für einen Hohlkopf. Damit kommen wir zur dritten und kritischsten Antwort: Seine Texte. Nach seiner eigenen Aussage macht er keine Texte für Fußballfans. Was er damit ausdrücken will, ist klar: Er hält Fußballfans für intellektuell limitiert, sodass sie seine Texte nicht verstehen können. Nun, ich bin kein Fußballfan, verstehe seine Texte aber auch nicht immer. Natürlich, es gibt auch Dumme außerhalb der Fußballszene. Kretakatze hat in einer ihrer letzten mails die Frage aufgeworfen, ob ich zwangsläufig als klug zu gelten habe, wenn ich mich so ausdrücke, dass die Mehrheit mich nicht versteht. Ich denke, diese Frage trägt die Antwort bereits in sich. Natürlich braucht man ein gewisses Niveau, um seine Sprachintention in Metaphern, Allegorien oder sonstwie bildlich an den Mann zu bringen. Ebenso selbstverständlich muss der Leser oder Hörer sich auf einem vergleichbaren Level befinden, um begreifen zu können, welche Information gerade transportiert werden soll. Mr. Anderson könnte also in seinen Texten ein hohes sprachliches Niveau einnehmen, um die Schar seiner Anhänger zu polarisieren. Er will damit die Spreu vom Weizen trennen. Mögliche Gründe hierfür kann ich nicht benennen. Vielleicht liegt Kretakatze richtig mit ihrer Annahme, dass er sich dadurch einen intellektuellen Anstrich geben will.

In diesem Zusammenhang muss ich an meine Deutschlehrerin aus der Fachoberschule denken: Bei ihr mussten wir u.a. Texte von Hans Magnus Enzensberger lesen. Je weniger wir die Texte verstanden, desto lauter lobte sie das Genie des Künstlers. Dabei bin ich jeden Tag, der seitdem vergeht, mehr davon überzeugt, dass sie das Geschreibsel selbst nicht durchschaute. Aber sie dachte wohl, sie gelte deswegen als klug. Wenn die wüsste…

Wie dem auch sei, mir gefällt die Anderson’sche Musik der frühen Jahre auch trotz der oft kryptischen Texte.

Soviel zum Intellekt des Meisters. Hier hat er die Kurve so gerade noch bekommen. Wenden wir uns seiner Herkunft aus der Upperclass zu.

Irgendwo (vielleicht Wikipedia) stand zu lesen, sein Vater sei Hotelmanager gewesen. Hotelmanager. Klingt irgendwie nach Hilton oder Walldorf-Astoria. Aber, dank Wilfried wissen wir, dass das Hotel der Familie Anderson sen. ein eher bescheidenes Haus war. Mich erinnert es mehr an eine Pension. Ein Familienbetrieb, in dem der Hotelmanager noch selber mithilft, die Betten zu beziehen und Frühstück zuzubereiten. Das ist für mich ein klassisches Beispiel für den Mittelstand, nicht für die Oberklasse. Damit will ich nichts gegen den Mittelstand sagen: Meine Eltern führten seinerzeit ebenfalls ein kleines Familienunternehmen und ich selber sehe mich als Kind des Mittelstands. Also, Mr. Ian Scott Anderson, mit Upperclass ist wohl nichts.

Ich gebe aber eines zu bedenken: Unsere Annahme, dass er sich als Member of the Upperclass sieht, beruht einzig auf der Textzeile in „Thick as a Brick“: „I came down from the Upperclass…“. Nun ist die Frage zu klären, ob er das biographisch meint, also auf sich selber bezieht, oder ob er nur das vertonte Gedicht des kleinen Gerald Bostock interpretiert. Bevor diese Frage nicht ausreichend beantwortet ist, wäre jeder weitere Gedanke zur Upperclass-Herkunft des Meisters reine Spekulation.

Ein Wort zur Spontaneität auf der Bühne:
Wer sich die JT-Auftritte aus den 70er Jahren anschaut, wird feststellen, dass in der Bühnenshow überhaupt kein Platz für Spontaneität ist. Das ist reine Choreografie. Bei jeder Note eines Konzertes hat Mr. Anderson die gleiche Mimik und die gleiche Körperhaltung und steht an genau der gleichen Stelle auf der Bühne wie in einem Konzert, dass einige Jahre später auf einem anderen Kontinent stattfindet. Er funktioniert präzise wie ein schweizer Uhrwerk. Er ist viel zu sehr Perfektionist, um der Spontaneität willen irgendetwas dem Zufall zu überlassen.

Liebe Kretakatze, in Deiner letzten mail sprichst Du mir aus der Seele: Dem frühen Anderson konnten wir begeistert zujubeln, den aktuellen Anderson kennen wir nicht mehr. „Wer ist das ?“ schreibst Du. Genau so ist es. Wir haben ihn verloren. Zumindest Du und ich. Wilfried scheint noch etwas näher bei ihm zu sein. Er kennt ihn schon länger und hat ihn nie aus den Augen verloren. Aber für mich ist Mr. Anderson ein Fremder geworden. Er sieht anders aus, er singt anders und er spielt andere Musik als früher. Er ist einfach ein Anderer. Ich habe ihn verloren, und in Deinem letzten Schreiben sagst Du, dass er sich möglicherweise selber verloren hat. Nur ihm scheint das weniger auszumachen als uns.

Gnothi seauton
Lockwood

PS: Als Kind sah ich im Fernsehen „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren. Was mich damals am meisten daran faszinierte war der Soundtreck. Eine wunderschöne kleine Melodie, die ich zu meiner großen Freude vor kurzem bei youtube wiederfand und Euch hiermit zu Gehör bringen möchte. Vielleicht gefällt sie Euch auch. Nichts an ihr erinnert an einen startenden Jet.

31.07.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

nun ist also der 60. Geburtstag des Meisters auch vorüber, und außer meiner „erfrischenden“ Kritik und ein paar daraus resultierenden dilettantischen guten Ratschlägen, die ich in letzter Zeit hier verbreitet habe, ist mir nichts eingefallen, was ich ihm auf seinen weiteren Lebensweg mitgeben könnte. Ich bin auch dieser Tage ein wenig schreibmüde geworden…

Dabei gibt es durchaus noch eine Reihe interessante offene Themen, die von Euch in letzter Zeit angesprochen wurden und die ich auch noch aufgreifen möchte. Lockwood hat sich einige Gedanken über Mr. Anderson gemacht, die wiederum mir zu denken gegeben haben. Es geht einmal mehr um seine unerklärliche Entwicklung vom bewunderten Meister der 70er Jahre zu dem, was er heute darstellt. Bevor ich darauf eingehe werde ich Euch aber, ganz wie es meine Art ist, mit meinem beliebten Gegenbeispiel quälen (ich kann einfach nicht anders…).

In meinem ersten kurzen Beitrag, den ich an dieser Stelle zu Mr. Fogerty verfasst hatte (das war übrigens zufällig genau an seinem 62. Geburtstag, wie mir später aufgefallen ist), hatte ich behauptet er habe sich in den letzten 40 Jahren nicht weiterentwickelt. Inzwischen habe ich feststellen müssen, dass das ein Irrtum war. Ich nehme diese Aussage daher hiermit zurück und behaupte das Gegenteil (ist ja nicht das erste Mal…). Tatsächlich hat sich Mr. Fogerty – zumindest was sein Auftreten auf der Bühne betrifft – seit 1970 geradezu dramatisch gewandelt.

Mr. Fogerty anno 1970 („Tombstone Shadow“ live in London) erscheint nicht nur in Arbeitskleidung auf der Bühne, er wirkt auch wie jemand, der zielgerichtet, ernst und konzentriert seiner Arbeit nachgeht. Er scheint voll und ganz mit sich, seiner Musik und seiner Gitarre beschäftigt zu sein, es sieht aus als spielt er vor allem für und mit sich selbst, eventuell noch mit seiner Band. Dass ein Publikum existiert, scheint er – zumindest während er spielt – nicht wahrzunehmen, er schaut es kaum an. Bestenfalls riskiert er noch einen kurzen Blick in die Kamera (die guckt auch nicht zurück). Während der Gitarrensolos zieht er sich vom Mikrophon weg nach hinten ans Schlagzeug zurück, dreht dem Publikum fast den Rücken zu. Zwischen den Songs verständigt er sich kurz mit dem Drummer, dreht an Amp und Gitarre, stimmt eine Saite nach – aber er spricht nicht ein Wort mit dem Publikum. Er wirkt auf mich ein bißchen wie ein Zootier, das man gegen entsprechenden Eintritt aus gebührender Entfernung beim mehr oder minder artgerechten Verhalten beobachten darf. Wenn die Band in ihrer Fabrikhalle probt, sieht das wahrscheinlich auch nicht viel anders aus.

Eigentlich ist es kaum zu fassen, aber das Bühnen-Verhalten des Mr. Fogerty hat sich im Laufe der Jahre ins exakte Gegenteil verkehrt. Fogerty 2007 („Bootleg“ live in Ontario) wirkt auf der Bühne als ob er eine Riesen-Party feiert. Da scheint alles mächtig viel Spass zu machen und mit keinerlei Mühe oder Anstrengung verbunden zu sein. Offensichtlich tut er das alles nur zum reinen Vergnügen, zu seinem eigenen wie zu dem des Publikums. Wenn er einmal 3 Sekunden lang nicht singen muss, rennt er sofort vom Mikrophon weg zum vorderen Bühnenrand um einen Meter vor den Nasen seiner Zuschauer seine Gitarrenkünste darzubieten. Zwischen den Songs unterhält er sein Publikum mit Stories darüber, wie er mit seiner Tochter Eis isst oder wie sich eine halbe Million matschverschmierte Menschen in Woodstock ausziehen. Und auch da läuft er wieder ständig zum Bühnenrand um auf jeden noch so dämlichen „Hey John“-Zuruf aus dem Publikum einzugehen. Es ist ein einziges Bad in der Begeisterung und Sympathie der Menge, und so ein Bad scheint ganz nach seinem Geschmack zu sein. Wie man sich so ein Bad einlässt und wie man sich das Badewasser angenehm temperiert, das hat er inzwischen gelernt. Die Lernfähigkeit des Mr. Fogerty ist wirklich bemerkenswert. Wenn man einmal davon ausgeht, dass das „Beliebtheitsbad“ auch schon 1970 sein Ziel gewesen sein müsste, dann konnte er seinen Zielerreichungsgrad inzwischen ganz ungemein steigern.

Die Bühnen-Präsenz des Mr. Anderson scheint sich mir dagegen im Laufe der Jahre in die genau entgegengesetzte Richtung entwickelt zu haben. In diesem Video („A New Day Yesterday“ 1969 live in New York) teilt er uns gleich zu Anfang mit, was er auf der Bühne tut – es ist sein „Ego-Trip“, das heißt er tobt sich aus, und zwar zu seinem Privatvergnügen. Was die Spontanität seiner Bühnenaktivitäten betrifft, sehe ich das etwas anders als Du, lieber Lockwood. Es ist einfach so, dass jedes Lied eine ganz bestimmte Geschichte erzählt, jede Melodie ein bestimmtes Gefühl ausdrückt, und wenn man das in Gestik, Mimik und Bewegung darzustellen versucht, dann wird naturgemäß auch immer etwas ähnliches dabei herauskommen. Durch ständige Wiederholung schleift sich schließlich im Laufe der Zeit eine Art „optimale“ Version ein, die dann wirklich praktisch immer identisch ist. Bei Songs wie „Aqualung“ oder „Thick As A Brick“, die Mr. Anderson in den 70ern 100 Mal im Jahr auf der Bühne gespielt hat, ist ihm mit Sicherheit jede einzelne Bewegung so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er er sie noch im Schlaf aufführen könnte. Vermutlich würde er noch im Koma liegend beim Klang bestimmter Musikpassagen seinen Kopf auf eine ganz bestimmte Art zurückwerfen oder den Arm nach oben reißen. Eine bewußt einstudierte Choreographie ist etwas anderes.

Sicher hat Mr. Anderson zumindest manche seiner akrobatischen Übungen geprobt, bevor er sie auf der Bühne vorgeführt hat. Manches sind eindeutig Figuren aus dem Ballett, und seit ich durch Wilfried weiß, dass sein älterer Bruder Ballettmeister ist, hat mich das auch nicht mehr gewundert. Dass er sich allerdings jemals eine Choreographie für eine Auftritt vorher zusammengestellt hat, wage ich zu bezweifeln. In so ein Korsett hätte er sich nicht zwängen wollen, das hätte ihm doch den ganzen Spaß verdorben. Schließlich wollte er sich austoben, das macht man nicht nach Plan. Ganz abgesehen davon ist der „spontane Ausdruck der Persönlichkeit, der Gedanken oder Gefühle“, von dem ich in meinem letzten Beitrag sprach, nicht so sehr eine Frage des Was und schon garnicht des Wo einer Darstellung, sondern vielmehr des Wie. Am Wie erkennt man, ob jemand wirklich mit Freude und Enthusiasmus bei der Sache ist oder nur etwas herunterspult.

Allmählich glaube ich auch, dass Mr. Anderson in die Jahre gekommen ist. Die Begeisterung hat nachgelassen. Wen wundert’s, dass nach mindestens 2000 Aufführungen „Thick As A Brick“ bei ihm heute nicht mehr so frisch rüberkommt wie 1972. Vermutlich ist auch das Bedürfnis sich auszutoben weitgehend erloschen. Im Vergleich zu Mr. Fogerty wirkt er inzwischen zahm und schaumgebremst. Seine Bühnenaktivitäten erscheinen nicht spontan sondern bewusst und kontrolliert. Was ihn heute auf die Bühne treibt ist wahrscheinlich vor allem sein Hang zur Selbstdarstellung und sein Hunger nach Anerkennung. Und da haben sich seine Chancen der Zielerreichung seit den 70ern dramatisch verschlechtert. Er sieht einfach nicht mehr aus wie 25, mit akrobatischen Übungen ist auch nichts mehr und die Stimme ist kaputt. Eigentlich wirklich erstaunlich, dass er in Anbetracht dieser katastrophalen Voraussetzungen nicht einfach aufgibt, aber er kann wohl nicht anders. Folgerichtig setzt er auf den einzigen Trumpf, den er noch hat – seine Flötenkünste. Er flötet extensiv und in den höchsten Schwierigkeitsgraden (das nehme ich jedenfalls mal an, beurteilen kann ich es nicht), aber das erfordert Konzentration. Vermutlich wirkt er auch deshalb beim Flöten teilweise fast finster, unbeschwerte gute Laune strahlt er jedenfalls für mein Gefühl dabei nicht aus. Mr. Anderson ist bei der Arbeit angekommen.

Um die Vergleichs-Landschaft weiter zu beleben werde ich jetzt noch einen anderen Musiker ins Feld führen, den vermutlich auch noch nie jemand mit Mr. Anderson verglichen hat – Neil Diamond („I Am…I Said“ live ca. 1971 – zur Einstimmung). Auf den ersten Blick gibt es da wirklich keine Ähnlichkeiten, Mr. Diamond ist eher eine Mischung aus Elvis Presley und Roy Black. Zwei Parallelen könnte man aber doch aufführen. Zum Einen ist auch Mr. Diamond dafür bekannt, dass er es liebt in mehr oder minder schrillen Kostümen aufzutreten – wobei es sich dabei eher um Glitzer-Anzüge a la Elvis Presley handelt, dessen Nachfolge er ja auch in Las Vegas übernommen hatte. Seine Auftritte sehen daher auch alle stark nach Las Vegas aus. Zum Anderen hatte Mr. Diamond, nachdem er die Filmmusik zu „Jonathan Livingston Seagull“ geschrieben hatte, angefangen sich selbst mit Beethoven zu vergleichen und seine erste Symphonie zu komponieren. Was daraus geworden ist weiß ich nicht so genau, ich meine er hat sie tatsächlich fertig geschrieben, die Wiener Philharmoniker haben sie aber wohl noch nicht im Programm.

Da auch Mr. Diamond zu den Musikern gehört, deren Scheiben Anfang der 70er auf meinem Plattenteller lagen, habe ich dieser Tage in YouTube geforscht, was denn im Laufe der Jahre aus ihm geworden ist, und ich war eher positiv überrascht. Diese Version von Cherry Cherry (2005 live) zeigt meiner Meinung nach: Es ist durchaus möglich 64 Jahre als zu sein, wie 64 Jahre auszusehen, in einem Kostüm auf einer Bühne zu stehen und eine ziemlich flotte Nummer zu spielen, und trotzdem nicht lächerlich zu wirken. Am Alter allein kann es also nicht liegen. Mr. Diamond hat allerdings gegenüber Mr. Anderson den Vorteil, dass seine Stimme noch genauso klingt wie vor 40 Jahren, sie hat wirklich nicht den kleinsten Kratzer abbekommen. Im Gegenteil, ich finde er singt den Titel heute besser und spielt ihn rockiger als in der Original-Version von 1966.

Wenn man Mr. Anderson also mit seinen Musiker-Kollegen in der Altersklasse ab 60 vergleicht, muss man sagen: Die Anderen sind auch nicht mehr so jung oder so schlank wie 1970 (Mr. Fogerty sollte vielleicht seiner Tochter mal nicht ständig das Eis wegessen – kleiner Scherz am Rande…), wie Mr. Fogerty über die Bühne stapft wirkt auch auf keinen Fall eleganter als das Gehüpfe von Mr. Anderson, und kommt es nun wirklich darauf an, ob der Typ oben auf der Bühne in Jeans und Karohemd, im Glitzerkostüm oder im Piraten-Outfit erscheint? Wichtiger ist doch, was der Kerl, der in den Klamotten steckt, für eine Ausstrahlung hat. Und da wirkt Mr. Anderson im Vergleich zu seinen Kollegen irgendwie verbissen und fast zynisch.

Lockwood hat einmal ganz richtig bemerkt, dass Fogerty-Fans vermutlich wesentlich glücklicher sind als Anderson-Fans. Ich würde soweit gehen zu behaupten, dass auch der Mr. Fogerty der heutigen Tage deutlich glücklicher sein dürfte als der Mr. Anderson. Dass sein Zielerreichungsgrad nicht mehr der ist, der er einmal in den 70ern war, kann auch Mr. Anderson nicht entgangen sein. Und ich glaube er ist selbst ziemlich ratlos, wie er die Situation wieder verbessern könnte.

Um noch einmal zum Thema „Intellektueller aus der Upper Class“ zurückzukommen – ich meine schon mehrere Photos von Mr. Anderson vom Ende der 60er Jahre gesehen zu haben, die die Unterschrift „… mit Laby X“ bzw. „… mit Lord Y“ trugen, leider kann ich sie nicht mehr finden. Ich glaube zumindest eines der Bilder stammte von der Hochzeit mit seiner ersten Frau. Woher kommen die Kontakte zum Hochadel, wenn er eigentlich aus der Mittelschicht stammt? Seine Behauptung „I come down from the upper class“ halte ich durchaus für glaubwürdig, auch wenn sie sicher ironisch gemeint war. „Thick As A Brick“ ist praktisch seine Autobiographie, und nach meiner Meinung sind Songtexte eine ziemlich zuverlässige Quelle über Vergangenheit und Hintergrund ihres Verfassers. Jeder Songtexter, den ich kenne, hat in seinen Liedern seine eigene Vergangenheit verarbeitet, und die eigenen Songs sind ein viel zu persönliches und zugleich öffentliches Medium, um darin zu wild zu phantasieren. Ein bißchen übertreiben tut man darin vielleicht schon, aber nicht lügen.

Auch den „Intellektuellen“ möchte ich Mr. Anderson garnicht absprechen. Ich halte ihn durchaus für intelligent und sicher hat er sich außerhalb der Schule ein umfangreiches Wissen über Geschichte, Kultur, Literatur etc. angelesen, das meines sehr wohl übersteigen könnte (das ist nicht sehr schwer). Zum Intellektuellen wird man wohl weniger über die klassische Bildung, es ist mehr der Typ des Dichters und Denkers, der Einen dazu qualifiziert. Ich selbst bin zum Beispiel höchst gebildet (nicht nur eingebildet) – mit Abitur, Studium, Lehre und Umschulung (übrigens alles mit besten Abschlüssen – ich schreibe das nur, weil diese Bildungskarriere so aussieht als hätte ich nichts auf die Reihe bekommen und deshalb ständig was Neues angefangen, und das kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen) habe ich wirklich so ziemlich alles durch, was man an Bildung machen kann, mehr Bildung geht eigentlich kaum – trotzdem würde ich mich nicht als intellektuell bezeichnen. Dazu bin ich einfach nicht der Typ. Soweit die heutigen Selbstbekenntnisse der Frau Professor Dr.h.c. Kretakatze.

Seid herzlich gegrüßt bis demnächst
Kretakatze

PS.: Lieber Lockwood, was Herrn Mozart betrifft, scheinen MAD-Hefte doch keine sehr zuverlässige Quelle zu sein (wen wundert’s?). Mozart war 5, als er seine erste Komposition ablieferte, die im Übrigen keine Symphonie sondern ein Klavierstück war. Da wird er wohl 3 gewesen sein, als er auf dem Topf saß, was für einen Jungen auch ein ganz normales Alter ist. Das hat auch weniger mit Intelligenz oder Genie als vielmehr mit Körperbeherrschung zu tun – aber lassen wir dieses unappetitliche Thema…

Apropos unzuverlässige Quelle – inzwischen musste ich herausfinden, dass der Wikipedia-Eintrag über Creedence Clearwater Revival zahlreiche Fehlinformationen enhält. Das hat mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Wikipedia doch stark erschüttert. Ich denke bevor man blind den Wikipedia-Daten glaubt, sollte man doch besser noch ein oder zwei andere Quellen gegenchecken…

14.08.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo, Ihr beiden Hübschen,

da bin ich also und der Alltag hat mich wieder. Oh, Graus!, kann ich nur sagen. Aber es hilft ja nichts, ich habe nicht das Bankkonto eines Herrn Anderson (selbst das von Herrn Fogerty wäre nicht zu verachten), also ’ran ans Werk bzw. an die Arbeit …

Ihr wart ja inzwischen wieder fleißig, besonders Kretakatze, die sich nicht zurückhalten konnte, auf mein früheres Geschreibsel ausführlich zu antworten.

Zunächst eines vorneweg: Das Bild mit Ian Anderson im Rollstuhl ist KEINE Fotomontage, so etwas würde ich erst gar nicht wagen. Es ist real und stammt aus dem Jahre 1988, wenn ich das richtig sehe. Nach einem Sturz (von der Bühne? Ich weiß es nicht genau) trat der Meister tatsächlich im Rollstuhl auf und nutzte sein Unglück zu diesem makabren Scherz. Also wieder einer dieser Unwägbarkeiten des Anderson’schen Charakters.

Ian Anderson im Rollstuhl 1988

Wenn ich auf alles, was Ihr da in der letzten Zeit verfasst habt, einginge, dann müsste ich auch ins Romanhafte ausschweifen. Daher doch möglichst in Kürze eine Antwort:

Der Vergleich Anderson-Fogerty hinkt für mich einfach deshalb, weil beide nicht zu vergleichen sind. Das spricht nicht unbedingt gegen Fogerty (oder gegen Anderson), aber für mich liegen zwischen den beiden Welten, sodass sich für mich (ich wiederhole: für mich) ein Vergleich nicht ziehen lässt. Trotzdem will ich kurz auf Deinen ‚Vergleich’, Kretakatze, zu sprechen kommen: Fogerty bzw. Anderson früher und heute. Wenn John Fogerty früher eher schüchtern wirkte, so wohl deshalb, weil er sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren musste. Sowohl Fogerty als auch Anderson waren in ihrer Anfangszeit keine Virtuosen, denen das Spiel ohne Anstrengung aus dem Instrument perlte. Ian Anderson kompensierte seine noch nicht ganz ausgereifte Spieltechnik durch seine Bühnenpräsenz, während Fogerty sich voll und ganz auf sein Instrument (und seinen Gesang) konzentrierte. Anderson hatte also das nötige Selbstbewusstsein, das sich Fogerty erst noch erwerben musste. Mit den Jahren war es dann soweit (Übung macht den Meister): Fogerty wurde selbstbewusster und spielsicherer. Und das kommt dann auch auf der Bühne ’rüber. Und wie ist das bei Herrn Anderson heute? Er konzentriert sich verstärkt auf sein Flötenspiel. Das ist sein verbliebenes Pfund, mit dem er noch wuchern kann.

Diese Oimel-Verlängerung (Ihr wisst schon, was ich meine) ist eine Art Automatismus. In jungen Jahren war das vielleicht noch ganz witzig anzusehen, jetzt wirkt es natürlich lächerlich. Aber alle Welt kennt nun mal den Flötenoimel, also muss er gezeigt werden. Neben diesem Automatismus denke ich mir noch, dass Herr Anderson etwas falsche Vorstellungen von den Erwartungen seiner Zuschauer hat. Er denkt wahrscheinlich wirklich: Die wollen meinen Flötenoimel sehen! Also zeige ich ihn ihnen! Und so ist es auch mit den anderen Elementen seines Auftritts, z.B. seinem Outfit. Eine vielleicht halbwegs plausible Erklärung habe ich für Andersons Schlabberleibchen. Als Flötist hat er eine andere Armhaltung als ein Gitarrist. Die Oberarme liegen nicht am Körper an, sondern sind fast horizontal zur Schulter, die Unterarme sogar noch höher gestreckt. Da würde ein zu enges Jäckchen eher zwacken und die Blutzirkulation behindern. In jungen Jahren mag das noch gehen, aber bei einem 60-Jährigen ist das ein Problem. Vielleicht erklärt sich auch damit die Angewohnheit des Meisters, in Spielpausen mit der rechten Hand Pumpbewegungen zu vollziehen (das Thema hatte ich schon früher einmal mit Lockwood erörtert). Also lassen wir ihm sein luftiges Hemdchen. Damit er uns nicht mit Kreislaufzusammenbruch von der Bühne fällt.

Wie auch immer: Anderson ist ein Schauspieler. Da gebe ich Kretakatze Recht. Er war es und ist es noch immer und unterscheidet sich da von John Fogerty. Er umgibt sich mit einer Aura (fast hätte ich Dickicht geschrieben) von Unnahbarkeit (mir fällt kein besseres Wort auf die Schnelle ein).

Aber genug! Dass sein Outfit, sein Herumgehüpfe und was auch immer nicht zeitgemäß sind (im Sinne von: zu seinen 60 Lebensjahren passend), darüber sind wir uns einig. Ich habe 2005 mein letztes Tull-Konzert miterlebt und muss aber sagen, dass mich diese Äußerlichkeiten eigentlich nicht gestört hat. Mir ist einfach klar gewesen, dass ich 2005 nicht die Jungens von z.B. 1972 zu Gesicht bekäme.

Noch etwas zu den Anderson’schen Texten: Sicherlich finden sich viele autobiographische Bezüge in den Texten. Um diese Bezüge nicht allzu schnell sichtbar werden zu lassen, greift der Dichter gern zu Mittelchen, die das Ganze mehr oder weniger verhüllen sollen (Metaphern, Allegorien usw.). Mögen die gewählten Bilder für den Autoren klar und verständlich sein – für den Leser sind sie es noch lange nicht, besonders dann, wenn eine Bildersprache benutzt wird, die sich nicht im gemeinsamen Fundus einer Sprache wiederfindet. Dann kann man als außenstehender Leser (oder Hörer) nur noch die Farbigkeit oder Wortgewalt der beschriebenen Bilder bewundern. Manche sehen das denn vielleicht auch als Fiebrigkeit des Dichters.

Apropos Andersons 60. Geburtstag – da hat sich der Meister doch wohl mit Recken der Stones (Keith Richards und Ron Wood) getroffen, um aus diesem Anlass (mit was auch immer) anzustoßen. Man kennt sich also. Nicht erst seit dem Rock ‚n’ Roll Circus von 1968 (lief übrigens dieser Tage im Fernsehen, es war auf Arte; 3Sat hatte wohl am 10. August in der Sendung Kulturzeit Herrn Anderson ein Ständchen gebracht – eigentlich gucke ich mir die Sendung öfter an, sogar im Urlaub, da sie gleich nach den Heute-Nachrichten folgt, aber an dem Tag war ich mit meinen Lieben in München zum Shoppen).

Ich hoffe, nicht allzu viel Blödsinn geschrieben zu haben. Mit Selbsterkenntnis ist das so etwas, Lockwood, bzw. mit Selbstfindung, Kretakatze.

Nun denn – bis bald
Wilfried

16.08.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 81: Tull und Fogerty in Concert

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

inzwischen fand nun auch das Jethro Tull Konzert in Calw statt, und wie ich über das Laufi-Forum erfahren habe war es wohl schon über eine Woche vorher ausverkauft. Wie schön für Mr.Anderson! Ich hatte mir ja die Option offen gelassen, dort vielleicht auch noch hinzugehen, das hatte sich dann natürlich erübrigt – ohne Ticket. Ich hatte aber auch sowieso nach dem Konzert auf Kreta schon beschlossen, dass Calw nicht mehr unbedingt notwendig ist. Käme dagegen Mr. Fogerty nächste Woche noch einmal vorbei, wäre ich sofort wieder mit von der Partie. Der ist allerdings inzwischen längst nach Canada weiter gejettet. Also vielleicht noch ein kurzes abschließendes Resumee der beiden Konzerte im Vergleich.

Wenn man einmal den Gesamteindruck der beiden Bands betrachtet, dann fällt Einem doch auf, dass Jethro Tull einen ziemlich angegrauten Eindruck machen. Der Jüngste der Truppe wird wohl noch Mr. O’Hara sein, ich schätze ihn auf Ende 40. Er macht neben Mr. Anderson auch noch den lebhaftesten Eindruck, wirkt auf mich aber eher albern und kasprig. Von Doane Perry hinter seinem Schlagzeug sieht man kaum etwas, und die beiden Anderen sind weißhaarige Herren. Mr. Goodier wird wohl auch so um die 60 sein, und Mr. Barre wirkt auf mich bereits wie 70 – irgendwie erinnert er mich an Walter Ulbricht. Jedenfalls habe ich mich bei seinem Anblick unwillkürlich gefragt, ob man ihm nicht einen Stuhl bringen sollte – kann man von einem Herrn in diesem Alter noch erwarten, dass er fast 2 Stunden lang steht? Da kann Mr. Anderson hüpfen und tänzeln wie er will, insgesamt bleibt der Eindruck es zumindest teilweise mit Rentnern zu tun zu haben.

Die Mitglieder der Mannschaft von Mr. Fogerty werden alle etwa 20 bis 30 Jahre jünger sein als er, der Älteste ist vielleicht noch der Drummer mit Mitte 40. Der sieht aber aus wie ein Preisboxer und scheint auch eine entsprechende Kondition zu haben. Wie er sein Instrument bearbeitet hat mir erstmals ins Bewußtsein gebracht, dass Drummer wohl ein Knochenjob für Hochleistungssportler sein muss. Fogerty selbst wirkt 30 bis 40 Jahre jünger als er ist, und wenn dann gar noch die Kinder auf die Bühne kommen… Insgesamt hat man jedenfalls den Eindruck es mit einer fitten und frischen Truppe zu tun zu haben und macht sich nicht ständig insgeheim Sorgen, ob für den Ernstfall auch ausreichend Bahren und Rollstühle bereitstehen.

Apropos Rollstühle – wirklich sehr gelungen, Deine kleine Photomontage mit dem Ausblick auf Mr. Anderson’s weitere Bühnen-Karriere, lieber Wilfried. Und einfach genial, den Mikrophon-Ständer auch gleich für den Tropf zu verwenden. Ob Anderson allerdings wirklich gleich zwei Krankenschwestern braucht – man sollte ihn vielleicht auch nicht zu sehr verwöhnen…

Zurück zu unseren beiden Protagonisten. Was erwarten denn Fans von ihren bewunderten Idolen? Sie sind unsere Stellvertreter, die für uns auf der Bühne das sind oder tun, was wir selbst gern sein oder tun würden, aus welchen Gründen auch immer aber nicht können. Das was Mr. Anderson in den 70ern auf der Bühne geboten hat – wow, das war’s, das hätte ich auch gern gemacht! Aber der Mr. Anderson der heutigen Tage repräsentiert nichts mehr, das ich gerne sein oder tun wollte. Ich sitze da und frage mich: „Wer ist das?“, und ich habe keine Antwort. Er erscheint mir fremd, was in seinem Kopf vorgeht kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und so springt da auch kein Funke über.

Was Mr. Fogerty betrifft, hatte ich schon vor ein paar Wochen beim Betrachten dieses Videos („Midnight Special“ live 1970 in London) plötzlich das seltsame Deja-Vu-Erlebnis als sähe ich mich selbst in meinem Schäfer-Outfit auf der Bühne herumspringen. Das ist bei Fogerty 2007 live („Old Man Down The Road“ in Paris) auch nicht anders, ich habe immer irgendwie das Gefühl mir selbst zuzuschauen. Ja, wenn ich da oben auf der Bühne stehen würde, dann würde ich es wohl genauso machen. (Blödsinn, ich würde vermutlich zittern wie Espenlaub, stottern, ständig über meine eigenen Füße stolpern – aber lassen wir das…)

Außerdem ist mir dieser Tage bewußt geworden, dass die Flöte des Mr. Andersons in einer Hinsicht auch ein Handikap darstellen kann. Bislang ist mir die Wahl dieses Instruments immer als reiner Geniestreich erschienen. Nicht nur dass die Flöte den einzigartigen und unverwechselbaren Sound von Jethro Tull geprägt hat, sie war darüber hinaus noch dekorativ, vielseitig als Requisit einsetzbar und ließ ihm auf der Bühne vollen Bewegungsspielraum. Während des Spielens musste er zwar auch am Mikrophon stehen, in den reichlichen Pausen dazwischen konnte er damit aber über die ganze Bühne toben, sie schwingen wie ein Schwert oder einen Zauberstab, damit drohen wie mit einem Knüppel, das Publikum dirigieren oder sonstige akrobatische Übungen vollbringen.

Schaut man sich dagegen Mr. Fogerty anno 1970 an, dann fällt auf mit welch kurzer Leine er über seine Gitarre mit dem Amp verbunden ist. Eigentlich sieht er aus wie ein Kettenhund, der an der Hütte hängt (heute sind solche Haltungsbedingungen übrigens aus Tierschutzgründen nicht mehr zulässig). Sein Bewegungsspielraum erstreckt sich vom Amp bis zum Mikrophon und zwei Schritte nach rechts oder links. Dazu hat er ständig dieses sperrige Instrument umhängen, das er auch noch bedienen muss. Da sind die Möglichkeiten für akrobatische Übungen doch stark begrenzt.

Der Fortschritt der Technik hat dazu geführt, dass Mr. Anderson heute an keinem Mikrophon mehr stehen muss und Mr. Fogerty an keinem Amp mehr hängt. Beide können während sie spielen mit ihren Instrumenten frei über die Bühne turnen, und das tun sie denn auch. Und jetzt fällt der Nachteil der Flöte auf, zumal Mr. Anderson heutzutage wesentlich mehr flötet als in den 70ern: Sie schränkt die Mimik doch erheblich ein. Es dürfte schwer sein beim Flöten zu lächeln, lachen würde ich für völlig unmöglich halten. Mr. Anderson versucht dies auszugleichen, indem er die verschiedensten Grimassen schneidet und mit den Augen rollt, aber so richtig komisch kann ich das nicht finden. Er wirkt dabei eher skurril, in Kombination mit dem schwarzen Kopflappen und dem dunkel gefärbten Bart sogar teilweise regelrecht finster. Solche Probleme hat Mr. Fogerty nicht. Er kann beim Gitarre Spielen ungehindert gute Laune verstömen, und genau das tut er auch (und außerdem hat die Gitarre auch noch den Vorteil, da ss sie den Bauch verdeckt…).

Fazit: Ein Konzert wird vor allem durch die Atmosphäre und die Stimmung zu einem Erlebnis. Dazu ist nötig: Gute Musik, guter Sound und ein oder mehrere Menschen auf der Bühne, die das mit Begeisterung rüberbringen. Was die musikalische Qualität betrifft ist für meinen Geschmack Jethro Tull die bessere Truppe, das gleicht John Fogerty durch den wesentlich besseren Gesang aber mindestens wieder aus. Der Sound war in beiden Fällen gut und dem Musikstil angemessen, durch die gutgelaunte und sympathische Art von John Fogerty kam aber deutlich mehr Stimmung auf. Mr. Anderson hatte völlig recht, als er vor ein paar Jahren in einem Interview sagte, das Publikum wolle auf der Bühne echte, authentische Menschen sehen. Wie das aussieht kann er sich bei John Fogerty anschauen.

**********************************************************************

Lieber Wilfried, Du hast einiges zu meinem Fogerty Konzertbericht und dem Vergleich mit Mr. Anderson geschrieben, und in den meisten Punkten kann ich nicht mit Dir übereinstimmen. Vielleicht habe ich ja manches missverständlich ausgedrückt bzw. wichtige Details nicht erwähnt, so dass nicht deutlich werden konnte, was ich meine. Deshalb möchte ich einzeln auf Deine Bemerkungen eingehen und sie dazu zitieren.

Bekanntlich hinken Vergleiche. Und so kann man Herrn Fogerty schlecht mit Herrn Anderson vergleichen…

Die Vergleiche, die hinken, sind Vergleiche nach dem Prinzip „A ist eigentlich das Gleiche wie B“, denn zwei verschiedene Dinge sind nie wirklich gleich. Ich stelle aber ständig Vergleiche an nach dem Prinzip „A ist ganz anders als B“, und solche Vergleiche können nicht hinken. Sicher wird es Dich nicht wundern wenn ich sage, dass ich der Meinung bin man kann Mr. Fogerty hervorragend mit Mr. Anderson vergleichen, ich tue das nun schon seit zwei Monaten exzessiv und nach meinem Dafürhalten mit großem Erfolg (wenn ich mich hier auch einmal selbst loben darf…). Mir ist durch diese Vergleiche schon einiges klar geworden, das ich vorher nicht so deutlich gesehen habe, und nur dazu sollen sie ja dienen. Mr. Fogerty ist dafür deshalb so perfekt geeignet, weil er in praktisch jeder Hinsicht das exakte Gegenteil von Mr. Anderson zu sein scheint, es ist einfach faszinierend. Und wie ich schon einmal bemerkt habe: Manche Dinge erkennt man besser, wenn man sie vor einem kontrastfarbigen Hintergrund betrachtet. Mir geht es jedenfalls so.

Vielleicht klingen meine Ausführungen zu Mr. Fogerty immer wieder so, als wollte ich Mr. Anderson nahelegen ein zweiter Fogerty zu werden. Das wäre natürlich Blödsinn. Ein Fogerty genügt, einen zweiten brauche ich auch nicht, und es ist ja gerade das Phanastische, dass es nicht nur Anderson und nicht nur Fogerty gibt, sondern beide, und außerdem auch noch Mark Knopfler, Al Stewart, Cat Stevens (ja, mit denen bin ich auch noch nicht fertig, aber dazu ein andermal…) und noch viele Andere mehr. Eben Vielfalt und damit für jede Lebenssituation, jede Stimmung, jedes Bedürfnis die passende Musik und den passenden Musiker. Daran möchte ich bestimmt nichts ändern.

Herrn Anderson wird man wohl kaum in den Klamotten auf der Straße antreffen, mit denen er aufgetreten ist… Wie ist das mit Herrn Fogerty? Trägt er auch im normalen Leben Jeans, karierte Hemden und dazu sein ‚Markenzeichen’, das rote Halstuch? Vielleicht bevorzugt er in Wirklichkeit Designer-Klamotten?!

Ich weiß nicht, was Mr. Fogerty zuhause in seinem Wohnzimmer trägt, aber ich habe noch kein Bild von ihm gesehen (ob jetzt Konzert, Fernsehstudio, Interview, Preisverleihung, Händeschütteln mit Politikern oder Treffen mit Fans auf der Strasse), auf dem er etwas anderes angehabt hätte als irgendeine durchschnittliche Hose (meist Jeans) und irgendein durchschnittliches Hemd (kariert, gestreift, einfarbig, Jeanshemd, was auch immer, auf jeden Fall ohne Rüschen und nicht von Armani), eine zeitlang erschien er auch im Cowboy-Stil. Ob er das Halstuch nur zu Auftritten trägt, weiß ich nicht, das ist aber auch schnuppe, oder? Auf jeden Fall finde ich ein Halstuch als „Markenzeichen“ bedeutend sympathischer als eine Penisverlängerung per Flöte (hoffentlich kommt Deine Seite jetzt nicht auf den Index…). Im Gegensatz zu Mr. Anderson, der auf der Bühne deutlich andere Kleidung trägt als zuhause (schwarze Schlabber-Klamotten) oder auf der Strasse (irgendwas Durchschnittliches, meist auch schwarz), scheint die Kleidung des Mr. Fogerty wesentlich weniger zu variieren. Grundsätzlich würde ich von niemandem erwarten, dass er auf der Bühne das Gleiche trägt oder sich genauso benimmt wie auf der Strasse. Schließlich ist er nicht auf der Strasse, sondern auf einer Bühne. Und damit, ob er als Mensch „echt“ wirkt, hat das auch nichts zu tun.

Gut, sein Auftreten wirkt authentisch. Aber IST das wirklich der reale John Fogerty oder doch nur ein Trugbild …?

Diese Frage mutet fast philosophisch an. Vielleicht kann dieses Video etwas Licht ins Dunkel bringen. Es ist eine Live-Aufnahme von 1998 aus einem Fernsehstudio, und Fogerty sagt ein paar Worte zu seinem Song „Lodi“, bevor er ihn spielt. Man merkt, er ist unsicher, er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut und wirkt geradezu schüchtern. So etwas spielt niemand. Das ist kein „Image“, das man sich „zulegt“. Das ist es, was ich mit „echt“ meine. Mr. Anderson hätte diese Worte sicher ganz anders vorgetragen. Anderson ist Schauspieler, Fogerty nicht. Wenn Fogerty „locker-flockig“ wirkt oder quietschvergnügt mit seiner Gitarre auf- und abhüpft, dann weil er sich gerade wirklich so fühlt, spielen kann der so etwas nicht. Der kann überhaupt nichts spielen (außer Gitarre natürlich, und das ist wohl auch das Einzige, das er spielen will).

Dass Mr. Fogerty im Prinzip ein unsicherer Mensch ist, merkt man auch beim Auftritt auf der Bühne. Er wirkt in der Anfangsphase nervös, flüchtet sich nach ein paar wenigen Worten in den nächsten Song. Singen kann er besser als reden. Ein Auftritt im Fernsehstudio vor ein paar handverlesenen Zuschauern, die ihn andächtig und still auf den Stühlen sitzend anstarren (wie im oben verlinkten Video), kommt ihm überhaupt nicht entgegen. Er braucht die Bestätigung durch das Publikum. Wenn er die bekommt, kann man ihm geradezu zusehen, wie er aufblüht. Es ist mir noch nie zuvor so deutlich bewußt geworden, wie die Reaktion des Publikums auf denjenigen wirken kann, der oben auf der Bühne steht – es ist eine Wechselwirkung, bei der sich die Stimmung gegenseitig hochschaukelt, bis nach ein paar Songs die pure Party herrscht. Dann, wenn Fogerty spürt, dass er die Herzen seines Publikums gewonnen hat, ist er „locker-flockig“ und bewegt sich auf der Bühne als wär’s sein Wohnzimmer, vorher nicht. So habe ich es jedenfalls erlebt, und ich halte das für echt.

Ganz abgesehen davon glaube ich, dass man rein intuitiv ziemlich genau spürt, ob jemand auf der Bühne etwas spielt, was er eigentlich nicht ist. Erst recht springt es beim direkten Vergleich ins Auge. Deshalb hier einmal drei „Versionen“ von Mr. Fogerty im Vergleich – welchen würdet Ihr für den echten halten? Den geschniegelten Dressman-Verschnitt von 1997, in einem Filmstudio aufgenommen (Old Man Down The Road – das habe ich mit Absicht gewählt, damit man den Vergleich mit der Version aus Paris 2007 hat). Der wirkt auf mich so künstlich wie die bonbonfarbigen Kulissen, vor denen er aufgenommen wurde, und von dem will auch überhaupt keine Stimmung rüberkommen. Ich finde diese Live-Aufnahmen zu „Premonition“ einfach fürchterlich, das ist Hollywood pur.

Dann ist Mr. Fogerty also vielleicht doch eher der große Heroe der Rockgeschichte, ein bißchen auf Mick Jagger getrimmt, 2005 im Wiltern Theatre in LA gefilmt (Fortunate Son)? Der wirkt nicht ganz so steril, aber überzeugen kann er mich auch nicht. Was ich dabei bemerkenswert finde ist die Tatsache, dass die professionellen Live-Aufnahmen von Mr. Fogerty alle einen Eindruck von ihm vermitteln, den er im tatsächlichen Live-Auftritt so nicht macht. Die Filmemacher sind offensichtlich darauf getrimmt, ihr „Objekt“ in einem (nach ihrem Dafürhalten) möglichst positiven Licht erscheinen zu lassen – hollywood-mäßig eben – und da kommt unterm Strich immer irgendwie ein geschniegelter Held raus. Durch Perspektive, Kameraführung und Schnitt kann man da wohl doch einiges machen, vielleicht gab es auch Regieanweisungen (im Filmstudio bestimmt). Den „echten“ Mr. Fogerty scheint man dem Publikum nicht zumuten zu wollen. Trotzdem kommt hier (Looking Out My Backdoor, ebenfalls 2005 in LA) doch zumindest teilweise etwas Natürlichkeit durch.

Wenn man wissen will wie Fogerty 2007 live tatsächlich wirkt, dann muss man sich ein Amateur-Video anschauen. Deshalb hier jetzt eine Aufnahme von einem „Privat-Auftritt“ (wohl vor seiner Studenten-Verbindung – leider ist der Sound teilweise miserabel) vom Juni diesen Jahres (ja, wenn man als Studenten-Verbindung so ein Mitglied hat, dann kann man schon mal eine Party steigen lassen…). Und da wirkt Fogerty so, wie ich ihn in Abenberg erlebt habe – kein großer Held sondern eher ein großes Kind, das tolpatschig über die Bühne turnt. Und gerade weil er so tolpatschig wirkt bin ich mir ziemlich sicher, dass er das nicht vor dem Spiegel einstudiert hat.

Ich stelle immer wieder fest wie wichtig es ist einen Vergleich zu haben, um sich ein Urteil bilden zu können. Vor dem Konzert in Iraklio hatte ich keinen Vergleich, mein letzter Konzertbesuch lag ca. 20 Jahre zurück, mein letztes Rockkonzert fast 30 Jahre. Da fällt einem vieles einfach nicht auf, weil man es für selbstverständlich hält. Erst nach dem Fogerty-Konzert ist mir klar geworden, was ich in Irakio alles nicht gesehen habe, bzw. dass ich garnicht weiß, was ich in Iraklio gesehen habe. Was von dem, das Mr. Anderson auf der Bühne aufführt, ist echt? Und mit „echt“ meine ich – ich denke das ist inzwischen deutlich geworden – spontaner Ausdruck der Persönlichkeit, der Gedanken oder Gefühle im aktuellen Augenblick.

Dieses Video (Thick As A Brick live 1972), dieses Video (Aqualung live 1975) oder
dieses Video (Songs From The Wood live 1977) zeigen mir einen „echten“ Menschen: Den original Ian Anderson in seiner Bühnen-Version. Was er tut ist nicht einstudiert und heruntergespult, darin steckt echte Begeisterung für die eigene Musik, sie wird „vorgelebt“. Das kann man spüren und das wirkt ansteckend. Aber was ist das (Bouree live 2007)? Ist da noch Begeisterung, Freude an der Musik und ein echtes, spontanes Bedürfnis, dazu zu „tanzen“, oder ist das nur noch Routine und Choreographie? Steht er nicht immer bei der gleichen Musikpassage auf einem Bein, weil das halt dazu gehört und vom Publikum mindestens x-mal erwartet wird?

Nur stellt sich die Frage, ob Ian Anderson auf der Bühne wirklich das darstellen möchte, was er ansonsten im wirklichen Leben ist, oder besser: sein muss. Ich denke nein. Eher versucht er sich auf der Bühne so zu geben, wie er ist (oder glaubt zu SEIN) …

Das sehe ich alles ein bißchen anders. Ich würde nicht unterscheiden in „wirkliches Leben“ und „Bühne“, sondern in Privatleben, Geschäftsleben und Bühne, und alle drei sind Bestandteile des wirklichen Lebens des Mr. Anderson. Im Privatleben ist er nach eigenen Angaben ein eher ruhiger und in sich zurückgezogener Mensch. Im Geschäftsleben wird er sich noch am ehesten an Normen anpassen müssen, was ihm aber vermutlich nicht schwer fällt, und auf der Bühne „lässt er die Sau raus“. Im Privatleben würde er es nie wagen sich so zu benehmen, wie er sich auf der Bühne benimmt, das heißt aber nicht, dass er im Privatleben „echter“ wäre als auf der Bühne oder umgekehrt. Es sind einfach zwei verschiedene Seiten seiner Persönlichkeit, die er an zwei verschiedenen Orten auslebt, da ist eine so wirklich und echt wie die andere. So war es jedenfalls in den 60ern und 70ern. Was das darstellen soll, was er heute auf der Bühne aufführt, weiß ich nicht so recht – siehe oben.

Weil sich in den Jahren sein Aussehen so dramatisch verändert hat, führt das natürlich dazu, dass, was früher glaubhaft wirkte, heute für viele wie ein schlechter Witz erscheint…. Ich stelle mir Ian Anderson in den Klamotten früherer Jahre vor (das Tampa-Kostüm lassen wir einmal außen vor): Sähe der gealterte Ian Anderson nicht ähnlich lächerlich aus?

Das käme auf’s Kostüm an, ein paar seiner Bühnen-Outfits waren eigentlich ziemlich „zeitlos“. Wie wär’s mit dem schottischen Clan-Chef oder diesem recht neutralen Anzug – langer Mantel hat ihm immer gut gestanden und macht schlank.

Ich fürchte fast, wir kritisieren Herrn Anderson, weil er alt geworden ist – optisch alt. Sein Bühnen-Outfit passt nicht mehr zu dieser äußeren Erscheinung, die er heute darstellt. Oder anders gesprochen: Herr Anderson genügt nicht mehr unseren Ansprüchen, Erwartungen, was auch immer.

Ich kritisiere Mr. Anderson nicht, weil er alt geworden ist. Wenn er tatsächlich alt geworden ist, dann sollte er sich allerdings auch entsprechend benehmen. Wenn er sich wie ein 30-Jähriger benehmen will, dann sollte er sich auch wenigstens entsprechend kleiden, damit man weiß woran man ist. Sein jetziges Bühnen-Outfit passt zu überhaupt nichts – zu keinem Alter und zu keinem Aussehen.

Aber machen wir hier nicht zu viel Wirbel um Äußerlichkeiten?

Bühnen-Auftritte sind eine Äußerlichkeit, sie haben Äußerlichkeiten zum Inhalt und man bezahlt Eintritt für diese Äußerlichkeiten. Sonst kann ich auch zuhause eine Platte auflegen, und dann ist es mir egal, was Mr. Anderson während der Studioaufnahmen getragen hat oder wie er sich benommen hat. Inzwischen glaube ich, dass ich – was Jethro Tull und Mr. Anderson betrifft – damit auch am besten beraten bin.

Gehen wir vielleicht nicht sogar Herrn Anderson auf dem Leim – oft genug kam die Weisheit in Form des Narrentums einher. Und macht sich nicht der zum Narren, der andere für einen solchen hält?

Dazu müsste in der Narretei irgendein Sinn oder eine Weisheit erkennbar sein. Welche Weisheit steckt in Penisverlängerungen? (Ich weiß, ich sollte dieses Wort jetzt wirklich nicht nochmal schreiben, sonst wird Dir noch der Webspace gesperrt – was schreibe ich bloß stattdessen?)

Wir denken zu wissen, wer wir sind und sind enttäuscht, wenn andere uns anders sehen. Aber wissen wir das wirklich? Sind wir nicht zu oft mit uns selbst beschäftigt … und haben uns dabei selbst längst aus dem Blick verloren? Aber jetzt werde ich philosophisch …

Im Prinzip glaube ich, dass die meisten Menschen schon sich selbst am besten kennen. Dass Andere einen häufig anders sehen, wird meistens daran liegen, dass sie niemals alles sehen können. Und wie man sich selbst aus dem Blick verlieren kann, wenn man sich mit sich selbst beschäftigt, verstehe ich jetzt nicht ganz, ich fürchte das ist mir wirklich zu philosophisch… 😉

In einem ähneln sich die beiden Herren. Beide haben ein ganz bestimmtes Image aufgebaut, so unterschiedlich es auch sein mag. Fogerty ist der Naturbursche, der locker-flockig seine Lieder herunterspult. Anderson dagegen der eher unnahbare Intellektuelle, der sich gern in kurioser Kostümierung zeigt.

Also erst einmal: Fogerty spult garnichts herunter, ich glaube das habe ich bereits deutlich gemacht. Ihm merkt man die Freude an seiner Musik an und sie wirkt echt. Wenn jemand spult, dann ist es Anderson, der hat auch viel mehr Routine darin. Unnahbar kann ich ihn aber auch nicht finden, eher eigenwillig. Einigen wir uns vielleicht auf „Fogerty, der nette Junge von nebenan“ und „Anderson, das intellektuelle Genie“ (die Bilder stammen aus Interviews, wie Du siehst, lieber Wilfried, nutze ich inzwischen exzessiv die Standbild-Technik – vielen Dank noch für den Tipp!).

Und jetzt fängt es aber erst an interessant zu werden, denn ein Image legt sich niemand von ungefähr zu, und es ist ja nicht so, dass es nichts mit dem Träger dieses Images zu tun hätte. Ein Image ist eigentlich nichts anderes als eine Erweiterung des Aussehens um eine Art Aura, die sich aus dem gewöhnlich zu erwartenden Verhalten einer Person ergibt. Das kann so weit von der tatsächlichen Persönlichkeit nicht entfernt liegen, sonst ist es schwer es längere Zeit aufrecht zu erhalten, und die beiden Herren halten ihres jetzt schon seit 40 Jahren aufrecht. So ein Image sagt etwas darüber aus, welche Reaktionen seiner Umwelt der Träger des Images erzielen möchte, und es spiegelt seine Ansprüche und Erwartungen an sein Ansehen wider.

Die Ansprüche des Mr. Anderson an sein Ansehen sind offensichtlich hoch. Er erscheint uns als „Minstrel“, also als Musiker für die feinen Herrschaften, als Landbaron und als schottischer Clan-Chef, aber auch als Hexenmeister, Astronaut oder gar als Superman (oder was sonst soll dieses Tampas-Kostüm bedeuten, eine Ähnlichkeit mit einem Superman-Anzug ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen). Offensichtlich hat er ein Anerkennungs-Defizit. Und ich vermute, dass dies in seinem suboptimalen schulischen Erfolg begründet ist, der wohl den Ansprüchen und Erwartungen seiner Familie (und vielleicht auch seinen eigenen) nicht genügen konnte.

Was den Bildungsstand des Mr. Anderson angeht, bin ich nämlich anderer Meinung als Du, lieber Wilfried. Die spärlichen Informationen aus Wikipedia, die Du zitiert hast, waren mir auch bekannt, nur interpretiere ich sie anders. Wenn Mr. Anderson ab 1964 (ich nehme mal an, ab Herbst) ein College of Art besucht hat, dann wird er wohl vorher die Schule verlassen haben, also vermutlich vor den Sommerferien. Da war er 16 Jahre alt. Glaubst Du wirklich, dass Mr. Anderson im Alter von 16 Jahren Abitur gemacht hat? Ich kenne das britische Schulsystem nicht im Detail, aber ich nehme mal an man kommt auch dort mit 6 Jahren in die Schule und muss bis zum Abitur 12 Klassen absolvieren, macht 18. Sollte Mr. Anderson so hochbegabt gewesen sein, dass er ein oder zwei Schuljahre übersprungen und schon mit 16 ein Abitur abgelegt hätte, dann wäre das doch sicher irgendwo besonders erwähnt, oder? Kunst und Musik kann man auch mit mittlerem Bildungsabschluss studieren, dazu braucht man kein Abitur. Und einen unserer Mittleren Reife vergleichbaren Abschluss wird er nach 10 oder 11 Jahren Grammar School (da will ich mich nicht festlegen, da ich den britischen Stichtag für die Einschulung nicht kenne) wohl haben.

Anerkennung findet man in jungen Jahren vor allem durch gute schulische Leistungen, jedenfalls in einem Elternhaus, in dem die Kinder „auf Erfolg getrimmt“ werden (wie es Anderson ja selbst ausgedrückt hat). Seine wenig erfolgreiche Schulkarriere und das vermutlich damit verbundene geringe Ansehen in seiner Familie (womöglich ist er der Einzige ohne Abitur) scheint ihn bis heute zu belasten. Und so tut er alles um möglichst gebildet und intellektuell zu wirken, damit man ihm diesen Mangel nicht mehr anmerkt. Außerdem muss er ständig sich und seiner Umwelt beweisen, dass er dafür auf anderen Gebieten der Beste und Größte ist – das Thema hatten wir ja bereits.

Schauen wir uns im Gegensatz dazu Mr. Fogerty an, dann fällt auf, dass er sehr geringe Ansprüche an sein Ansehen zu stellen scheint, man könnte auch sagen er hat überhaupt keine. Wer sich in Stallklamotten mit Bubikopf der Öffentlichkeit präsentiert, erwartet weder Ehrfurcht noch Bewunderung. Er will wirklich nur als der einfache, nette Junge erscheinen, offensichtlich hat er ein Beliebtheits-Defizit. Das könnte verschiedene Gründe haben. Wie ich an anderer Stelle schon einmal erwähnt habe war er wohl in seinem eigenen familiären Umfeld nicht besonders beliebt, weil er seinem in Ungnade gefallenen Vater zu ähnlich sah (ich kenne so einen Fall aus der eigenen Verwandtschaft, das ist für den Betroffenen nicht besonders komisch). Da Fogerty sich so betont schlicht, harmlos und volksnah gibt, wäre es möglich, dass er bereits die Erfahrung gemacht hat, dass man sich bei seinen Zeitgenossen unbeliebt macht, wenn man mehr kann, mehr weiß oder erfolgreicher ist als sie. Auch Perfektionisten, die an Andere dieselben Anforderungen stellen wie an sich selbst, bzw. am besten gleich alles im Alleingang selbst machen, weil Andere es doch nie gut genug hinbekommen, sind nicht gerade beliebt. Ich spreche hier gewissermaßen aus eigener Erfahrung, aber nach allem, was ich über Mr. Fogerty inzwischen weiß, müsste sich das mit seinen Erfahrungen decken. In seiner CCR-Zeit war er wohl aus diesen Gründen bei seiner eigenen Truppe nicht besonders beliebt.

Um es noch einmal kurz zusammenzufassen: Mr. Anderson, der geniale Intellektuelle, möchte von einer geistigen Elite akzeptiert, geachtet und bewundert werden. Dass er sich gleichzeitig durch seinen elitären Anspruch bei Vielen unbeliebt macht, scheint ihn nicht zu stören. Durch sein Image kaschiert er seinen eher mäßigen Bildungsstand und erzielt das Ansehen und die Anerkennung, nach der er strebt. Mr. Fogerty, der einfache, nette Junge, möchte möglichst von der ganzen Welt geliebt werden. Dass er sich dazu vielleicht etwas schlichter geben muss, als er eigentlich ist, und Manche deswegen auf ihn herabschauen, scheint ihm nicht weh zu tun. Durch sein Image kaschiert er die Tatsache, dass er ein eher introvertierter, zielstrebiger Perfektionist ist und in seinem privaten Umfeld eher unbeliebt und isoliert.Wie man sieht, kann so ein Image auf den ersten Blick täuschen, bei genauerer Betrachtung aber doch einiges über seinen Träger verraten. Im Prinzip stellt es bei beiden Herren genau das als Stärke heraus, was eigentlich ihre Schwäche oder besser gesagt ihr „wunder Punkt“ ist. Und mit diesen Worten beschließt Frau Professor Dr.h.c. Kretakatze ihre heutige Psychologie-Vorlesung. Sie hofft, niemanden in seinem wohlverdienten Urlaub über Gebühr angestrengt zu haben.

Lieber Lockwood, bevor ich meinen heutigen Beitrag beende möchte ich mich bei Dir für die zahlreichen Komplimente bedanken, mit denen Du mich in letzter Zeit bedacht hast – ich weiß ja garnicht, wie mir geschieht. Meine Kritik an Mr. Anderson ist erfrischend – ob er das auch so sähe? Mein Konzertbericht ist plastisch – offensichtlich hat sein Inhalt doch zu Missverständnissen geführt, oder zumindest ist nicht wirklich deutlich geworden, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Meine „kretischen Erzählungen“ könnten jeden Reiseberichterstatter vor Neid erblassen lassen – ooh – wegen ihrer Länge – ach so. Ja, ich hatte viel Zeit… Aber es war ein wirklich schöner, erholsamer Urlaub, so einen könnte ich gleich nochmal brauchen. Nach 4 Wochen Arbeit ist die Erholung inzwischen dahin.

Noch kurz ein paar Worte zu Deiner Verwunderung darüber, dass ich über mein eigenes Bild überrascht war. Vielleicht ist es eine Erklärung wenn ich sage, dass es von mir kaum Photos gibt, bis zu diesen Aufnahmen war mein neustes Bild ein Passphoto aus dem Jahr 2001. Natürlich sehe ich mich jeden Tag beim Zähneputzen im Spiegel, aber da sehe ich immer das Gesicht mit dazu, und dem sieht man schon an, dass ich keine 15 mehr bin. Eigentlich sieht man sich selbst doch kaum jemals mit Abstand, oder?

Liebe Grüße an Euch beide, ich hoffe Euer Urlaub ist so erholsam wie meiner war
Kretakatze

PS.: Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle einmal die rhetorische Frage gestellt, was ich hier eigentlich tue und warum ich mir seit Wochen die Finger wund schreibe. Inzwischen ist es mir langsam klar geworden (Euch ist es wahrscheinlich schon viel länger klar): Lieber Wilfried, ich bin anscheinend gerade auf einem Selbstfindungs-Trip und mißbrauche dafür Dein Weblog.

Ich muss sagen, so ein Selbstfindungs-Trip ist garnicht so übel, und ich könnte mir vorstellen, dass Mr. Anderson auch mal einen brauchen könnte. Irgendwo zwischen 1980 und 1990 muss er sich verloren haben, es wäre Zeit, dass er sich mal wieder findet. Vielleicht sollte man ihm einen zum Geburtstag schenken? Leider kenne ich kein Reisebüro, das solche Trips im Angebot hätte. Da muss man sich schon als Individualreisender selbst auf die Socken machen, Schreibmaschinchen nicht vergessen. Es ist eine Abenteuer-Reise, man weiß morgens nie, wo man abends sein wird. Und das geht so: Man schreibt einfach unreflektiert allen Mist auf, der einem gerade durch den Kopf geht, und schickt das zur Veröffentlichung an Willi. Das macht richtig Spaß!

Was ist bloß mit Ian los? Teil 80: Das „gefühlte“ Alter & John Fogerty live

Seid gegrüßt, meine lieben Freunde !

Tja, Wilfried, die Danksagung von Mrs. Bush an Dave Palmer ist ein weiteres Beispiel für meine selektive Wahrnehmung. Der durchschnittliche Homo Sapiens Sapiens hört und sieht das, was er kennt und / oder hören und sehen will. Ich freue mich natürlich für Mr. Del Palmer, dass er aus so berufenem Munde gewürdigt wird; eine Würdigung von Mrs. Bush in Richtung Dave Palmer wäre ja auch zu schön gewesen.

Der Vollrausch ist bei Shane McGowan seit vielen Jahren der Normalzustand. Jeden Tag besoffen ist auch ein geregeltes Leben. Kannst Du sagen, wie lange der Konzertbesuch Deines Schwagers zurückliegt ? Ich las irgendwo, dass Mr. McGowan eine neue Freundin habe und deshalb mit dem Alkohol etwas verantwortungsvoller umgehen wolle. Es waren sogar neue Zähne im Gespräch.

Ein betrunkener McGowan auf der Bühne ist eine Zumutung für Augen und Ohren. Wie so oft bei mir schätze ich bei ihm seine früheren Auftritte und seine Fähigkeiten als Songwriter. Durch den jahrzehntelangen Alkoholmissbrauch ist er ziemlich aufgequollen; er sieht aus, als wäre er vier Wochen im Wasser getrieben. Ähnlich wie bei Mr. Anderson ist es die ruhmreiche Vergangenheit, die mich als Fan an seine Werke bindet.

Ach ja, Mr. Anderson: Ein Foto von den Auftritten im diesjährigen Sommer ziert bereits seine Wikipedia-Seite.

Gestern schauten meine Söhne im TV „Die Simpsons“, als sie mich plötzlich aufgeregt zum Fernseher riefen: Im Abspann der Sendung lief „Thick As A Brick“ ! Mr. Anderson begegnet uns an den unerwartetsten Stellen; zuerst im „Tatort“, jetzt bei den „Simpsons“.

Nun zu Deinem letzten Beitrag, liebe Kretakatze:
Dass Frauen in der Rockmusik unterrepräsentiert sind, kann ich mir nur so erklären: Rockmusik als solche ist für das schöne zarte Geschlecht zu grob, zu rau, zu laut, zu primitiv. Wenn in diesem Metier doch mal eine Frau eine bedeutende Rolle spielt, dann ist es ein so herber Typ wie Patti Smith.

Kate Bush würde ich nicht als Rock-Musikerin bezeichnen. Allgemein wird ihre Musik als Popmusik bezeichnet; dieses Etikett gefällt mir aber auch nicht. Popmusik klingt irgendwie nach Michael Jackson. Für ihre Musik habe ich noch keine passende Bezeichnung gefunden. (P. Smith / K. Bush – meine Gedankensprünge werden immer gewagter)

Vorschläge für Andersons neue Garderobe: Ich habe kein Bild greifbar, das ich Euch präsentieren könnte. Ich muss es mit einer verbalen Beschreibung versuchen. Ein schickes unifarbiges, nicht zu enges Hemd vom Designer, eine passende Weste hierzu, dunkle Hose, von mir aus eine Reithose mit Schaftstiefeln (die hat er in seiner Vergangenheit so gerne getragen). Wenn es denn unbedingt sein muss, kann er seinen breiten Scheitel mit einer angemessenen (!) Kopfbedeckung kaschieren. Es gibt sehr schöne Hüte, Kappen oder Baretts. Der Kerl kann, wenn er will. Auf dem Cover von „Rupi’s Dance“ zeigt er uns, dass er auch edlen Zwirn tragen kann !

Liebe Kretakatze, an dieser Stelle möchte ich Dir ein Kompliment machen: Du verstehst es, auf erfrischende Weise Kritik an Mr. Anderson anzubringen. Hier ist keine Spur von unkritischer Anbetung zu finden. Deine Urteile sind in einer Art „respektlos“, die ich gern häufiger lesen würde. Genau dazu sind wir in diesem Forum angetreten. Also, weiter so !!

Ein Wort zu Cat Steven’s „Tuesday’s Dead“: Das Liedchen ist ganz nett. Auf dem gelinkten Video fällt mir seine Gitarre auf. Sie ist ziemlich groß, die Zargen sind aus dem gleichen hellen Holz wie der Rest des Korpus. Von der Seite aus betrachtet sieht das Instrument aus wie ein Fichtensarg. Möglicherweise hat er sie gewählt, damit sie zum Titel passt.

Meinen Urlaub verbringen wir traditionsgemäß zu Hause. Das schont Nerven und Kasse. Ende Mai haben meine drei Söhne neue Fahrräder bekommen, richtig „große“, mit 28″ – Bereifung. Sie sind jetzt in der Lage, längere Strecken zu fahren als auf ihren Kinderrädchen. Dadurch habe ich meine verloren geglaubte Leidenschaft fürs Radeln wiederentdeckt. Ich habe mein altes Bike beim Händler zur Kur geschickt und nun hoffe ich, im Urlaub einige schöne Touren machen zu können. Mein altes Rad ist acht Jahre alt und ich habe geplant, bevor ich an Alterschwäche sterbe, ein Neues anzuschaffen. Ich bin in letzter Zeit viel im Internet unterwegs, um mir ein wenig Marktransparenz anzueignen. Aber diese Überlegungen sind noch rein strategischer Natur; das alte treue Rad muss noch ca. zwei Jahre halten.

Lieber Wilfried, falls wir nichts mehr von einander lesen sollten, wünsche ich Dir und den Deinen einen wunderschönen entspannenden Urlaub !

Bis bald
Lockwood

13.07.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

nun habe ich mir also doch noch das Kontrastprogramm zu „Jethro Tull auf Kreta“ gegönnt. Nicht Sonnenschein und 40°C im Schatten sondern wolkenverhangener Himmel bei 15°C. Nicht Samstag, Urlaub, Zeit en masse sondern Mittwoch, Arbeit, Hetze. Nicht bequemer Sitzplatz im Gartentheater an historischer kretischer Stadtmauer sondern ölsardinenmäßiger Stehplatz im Open Air zwischen deutschen Burgmauern. Und natürlich nicht zuletzt: Nicht Jethro Tull sondern – Ihr werdet’s schon ahnen – John Fogerty.

Ich hatte bis zuletzt geschwankt, ob ich mir dieses Konzert auch noch antun sollte, Gründe dagegen waren meine knappe Zeit, die nicht unbeträchtliche Entfernung und das miese Wetter. Von vornherein war für mich nur das letzte Konzert von Fogerty’s diesjähriger Deutschlandtour in Frage gekommen, der Open Air Auftritt am 11.07. auf der Burg Abenberg bei Nürnberg. Aber das sind von mir aus auch ungefähr 150 km Entfernung und knapp 2 Stunden Fahrzeit. Dazu herrschte bei uns am Montag und Dienstag praktisch Dauerregen. Das sah alles nicht besonders einladend aus.

Am Mittwoch erschien das Wetter aber etwas besser, es war zwar wolkig aber zumindest trocken, und so entschloss ich mich kurzfristig es doch zu wagen. Nachmittags um 16 Uhr verlies ich – für meine Kollegen unerwartet früh – meinen Arbeitsplatz und machte mich auf Richtung Nürnberg, natürlich mal wieder ohne Ticket. Die lange Autofahrt nutzte ich dazu bei voller Lautstärke Musik zu hören und mitzugrölen, und so war ich bereits leicht heiser, aber bester Stimmung, als ich exakt um 18 Uhr in Abenberg auf die als Parkplatz ausgeschilderte Wiese fuhr.

Abenberg ist wirklich ein romantisch gelegenes Dörfchen, in dessen Mitte malerisch die Burg tront – oder ist es eher eine romantische Burg, um die herum sich malerisch einige Häuser scharen? So genau kann ich das nicht sagen. Auf jeden Fall fiel mir beim Anblick der Burg sofort auf, dass ich meine Kamera vergessen hatte. Ihr werdet also keine selbstgemachten Bilder von mir zu sehen bekommen. Dabei hätte ich diesmal vielleicht wirklich brauchbare Bilder schießen können, denn Fogerty trat noch bei Tageslicht auf – das hätte vielleicht sogar meine Kamera geschafft. Stattdessen habe ich mir erlaubt einige Bilder von der Website www.creedence-choogle-rockers.de zu verlinken. Sie stammen alle vom Abenberg-Konzert und sind besser als ich es je hinbekommen hätte. Aber machen wir mal der Reihe nach.

Es hatte sich bereits eine nicht unerheblich lange Schlange vor der Burg gebildet, deren genaue Länge ich nicht abschätzen konnte, da der Eingang der Burg nicht zu sehen war. Die Suche nach einer Abendkasse blieb mir erspart (es gab wohl auch gar keine, jedenfalls habe ich nirgends eine gesehen – vermutlich war ausverkauft), da an der Schlange ein Mann entlang lief der fragte, wer noch Karten brauchen könnte. Ich meldete mich sofort. Er meinte die Karten hätte sein Freund, der demnächst vorbei käme. Ich solle mich schon mal in die Schlange stellen. Ich tat wie mir geheißen war.

30 Minuten später stand ich immernoch an gleicher Stelle in der Schlange und hatte immernoch kein Ticket. Was wäre doch so ein Konzert ohne den Nervenkitzel der Unsicherheit, ob man reinkommt oder nicht? Inzwischen hatte ich erfahren, dass eigentlich ab 18 Uhr Einlass sein sollte. Es war 18:40 Uhr und bis jetzt hatte sich die Schlange noch nicht einen Zentimeter bewegt. Andererseits war ich gottfroh darum. Hätte sie sich in Bewegung gesetzt, solange ich kein Ticket hatte, wäre ich vermutlich wirklich ein wenig nervös geworden.

Um 18:45 Uhr erschien schließlich tatsächlich der Kerl mit den Karten. Werden solche Eintrittskarten eigentlich manchmal auch gefälscht? Es war ein „Eventim“-Ticket, das er mir in die Hand drückte, und es stand 50 EUR darauf. Mehr wollte er auch nicht dafür. Ich hatte bei Eventim im Internet schon nach Karten geschaut, dort sollten sie 52,50 EUR zuzüglich Versand kosten. Das kam mir irgendwie komisch vor. Aber ich hatte weder Zeit noch Lust länger darüber nachzudenken, denn inzwischen war Leben in die Schlange gekommen. Meine dumpfe Befürchtung, mein Ticket könnte am Einlass als Fälschung erkannt werden, erwies sich als unbegründet, und so stand ich ca. 19 Uhr im Burghof und stellte fest, dass mir der Magen knurrte. Ich hatte nichts zu essen dabei.

Zum Glück hatte man auf diesem Open Air Event offensichtlich mit gedankenlosen Menschen wie mir gerechnet, der Burghof war mit Getränke- und Imbissbuden gesäumt. Ich entschied mich für eine labbrige Pizzaschnitte und versuchte dann mir einen günstigen Platz vor der Bühne zu sichern. Da ich auch in kleinere Lücken passe, konnte ich mich noch bis auf etwa 3 oder 4 Meter an die Bühne heranarbeiten. Im Prinzip war ich vermutlich näher an der Bühne als in Iraklio. Allerdings ist halt die Übersicht bei solchen Steh-Veranstaltungen deutlich schlechter. Ein bzw. zwei Reihen vor mir standen zwei Männer, denen ich gerade mal knapp über die Schulter schauen konnte. Meistens hatte ich allerdings einen ganz guten Blick zwischen beiden hindurch direkt aufs Mikrophon. Auch nach rechts hatte ich freien Blick auf die Bühne.

Im Publikum waren nahezu alle Altersklassen vertreten, allerdings mit einem deutlichen Schwerpunkt bei Männern über 40. Frauen waren in der Minderzahl und wenn dann nur in Begleitung von Männern anzutreffen. Jugendliche konnte ich nicht entdecken, was allerdings an der Location liegen könnte. Abenberg liegt 30 km von Nürnberg entfernt und ist nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Wer kein Auto hat ist aufgeschmissen. Das schließt Jugendliche unter 18 praktisch von der Teilnahme aus.

Die Vorband betrat um 19:29 Uhr die Bühne – das nenne ich deutsche Pünktlichkeit. Die sechs Jungs nennen sich Stanfour und kommen von der Insel Föhr. Der Ausdruck „Jungs“ war hier mehr als gerechtfertigt, mindestens 3 der 6 Bandmitglieder sind mit Sicherheit noch keine 20, der Jüngste könnte 16 sein. Nette Jungs, die mich an meinen eigenen in der Altersklasse erinnerten, der zu diesem Zeitpunkt gerade zuhause eine Mandelentzündung auskurierte. Da kam ein bißchen schlechtes Gewissen bei mir auf. Das hätte es früher auch nicht gegeben, dass Muttern sich auf Rock-Konzerten rumtreibt, während das Kind zuhause krank im Bett liegt – na ja, das Kind ist 20 und liegt wahrscheinlich eher auf dem Sofa vor dem Fernseher. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen.

Stanfour boten geradlinigen Rock, der für meine Begriffe durchaus anhörbar war – nichts Sensationelles, aber auch nicht schlecht. Beim Anblick des Sängers wurde mir wieder bewußt, wie unterschiedlich doch verschiedene Sänger mit ihrem Mikrophon umgehen. Mark Knopfler stellt es sich immer so hoch ein, dass er von unten nach oben singen muss, teilweise hat man den Eindruck er stellt sich auf die Zehenspitzen, damit er es noch erreicht. Im exakten Gegensatz dazu bevorzugt Mr. Anderson offensichtlich ein Mikrophon, das so niedrig eingestellt ist, dass er sich hinunterbücken und von oben hineinsingen muss. Gerne stürzt er sich auch von oben auf sein Mikrophon wie eine Raubkatze auf die Beute. Dieser Sänger dagegen klammerte sich ständig mit beiden Händen am Mikrophon fest, es sah aus als ob er in jeder Bedeutung des Wortes „an seinem Mikrophon hängt“. Mr. Fogerty geht mit dem Mikrophon eher achtlos um, es kommt schon mal vor dass er nicht ständig den richtigen Abstand einhält oder den Kopf zur Seite dreht und dadurch der eine oder andere Ton etwas leiser kommt. Es scheint für ihn nicht den Mittelpunkt des Universums darzustellen. Das könnte man sicher alles auch noch tiefenpsychologisch deuten. Aber ich denke damit verschone ich Euch jetzt besser.

Stanfour spielten bis 20 Uhr, dann wurde auf der Bühne umgebaut – und das zog sich hin. Nach einer halben Stunde wurde das Publikum langsam unruhig, es gab Pfiffe, Gegröle und „John, John“-Rufe. Dabei lag die Verzögerung vielleicht auch daran, dass zu diesem Zeitpunkt die Sonne tief unter den Wolken stand und direkt von vorne auf die Bühne schien. Die Roadies, die die 25 oder wieviel Gitarren des Mr. Fogerty nochmals durchcheckten waren offensichtlich von dem Licht geblendet. Ein Auftritt war so vermutlich garnicht möglich. Meiner Meinung nach ein Mangel der Organisation, denn dass im Sommer die Sonne scheint und wo sie um wieviel Uhr untergeht sollte eigentlich bekannt sein. Da muss man halt ggf. die Bühne an anderer Stelle aufbauen. Interessant auch, was zur Überbrückung der Wartezeit aus den Lautsprechern tönte. Nach „Sultans Of Swing“ war auch noch John Fogerty selbst mit „Almost Saturday Night“ zu hören, was vom Publikum mit Beifall und „Zugabe, Zugabe“-Rufen quittiert wurde.

Dann, um 21 Uhr endlich, betrat die Band die Bühne und nahm die Plätze ein. Fogerty erschien nicht lang danach in einem seiner besten blaukarierten Hemden – damit war der Abend für mich gebont! Nach kurzer Begrüssung legte er auch ohne Umschweife gleich richtig los mit „Travellin‘ Band“. Ich hatte sofort das Gefühl, dass die Anlage seit der Vorband noch einmal um einige Watt aufgedreht worden war. Das alte Burggemäuer erbebte und das Erdreich vibrierte. Das war deutlich lauter als Jethro Tull in Iraklio, aber doch nie so laut, dass ich befürchtet hätte bleibende Gehörschäden davonzutragen.

Bei Jethro Tull war mir seinerzeit der glasklare Sound aufgefallen, in dem jeder Ton einzeln aus der Anlage perlte und jede Nuance des Flötenspiels und der Stimme detailgenau wiedergegeben wurde (wobei das in Bezug auf die Stimme nicht unbedingt nur von Vorteil war). Von glasklarem Sound war bei Mr. Fogerty nichts zu hören, der ist für seine Musik aber auch nicht notwendig. Hier geht’s um’s Eingemachte, die Basics des Rock, auf das Wesentliche reduziert, ohne Schnörkel und Verzierungen, ohne facettenreiche Arrangements und ohne den Anspruch mit Bach oder Beethoven konkurrieren zu wollen. Es standen nicht weniger als 5 Gitarristen (einschließlich Bass) auf der Bühne, wobei der eine gelegentlich auch Keyboard spielte. Dazu noch Schlagzeug (auf das eingedroschen wurde, als ob man es ermorden wollte), das war’s mit der Instrumentierung. Solche Musik muss nicht filigran aus der Anlage rieseln sondern einem wuchtig und satt um die Ohren donnern. Und das tat sie auch.

Nach dem ersten Titel meinte Mr. Fogerty, das wäre das erste Mal, dass er auf einer Burg spiele, und er hoffe er wecke den König nicht auf. Falls es auf dieser Burg je einen König gegeben haben sollte, war der aber vermutlich bereits bei den ersten Takten von „Travellin‘ Band“ vor Schreck aus dem Grab gefallen und an Herzinfarkt gestorben. Das hat sich sicher auch Mr. Fogerty gedacht, denn er machte auch im weiteren Verlauf des Abends nicht den Eindruck als ob er sich bemühen würde leise zu sein.

Natürlich habe ich versucht bei YouTube ein paar passende Videos zu finden, die den einen oder anderen Eindruck des Konzerts vermitteln können, aber leider gibt es kaum ein brauchbares Bootleg von der Europa-Tour. Die Amateurkameras (oder waren es Handys?) scheinen alle von der Lautstärke des Fogerty’schen Sounds überfordert zu sein – es schäppert, knistert, knackt, drönt und jault zum Steinerweichen, das kann man sich wirklich nicht anhören. Zur Einstimmung daher erst einmal eine Aufnahme aus New York vom letzten Dezember: Good Golly Miss Molly. Sie zeigt wie es aussieht, wenn ein wildgewordener 62-Jähriger keine Lust hat sich mit dem Pfeifchen hinter den Ofen zurückzuziehen.

Kleiner Einschub zu diesem Video: Diesen Song konnte ich eigentlich noch nie leiden, aber was Fogerty hier aufführt hat mich glatt umgepustet. Ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe worum es in dem Lied geht, und von dem was er singt verstehe ich kein Wort, aber er scheint ziemlich wütend zu sein. Wie er wild mit den Armen herumfuchtelt erinnert mich bereits stark an Mr. Andersons Auftritt in Witch’s Promise anno 1970. Leider hat Mr. Fogerty keine so schöne Flöte, die er drohend schwingen könnte, und das Gitarren-Plektrum ist ein etwas mickriger Ersatz, aber dafür haut er anschließend damit umso wilder in die Saiten. Bisher habe ich bei diesen Bildern noch jedesmal lachen müssen, und solche Videos stehen auf meiner Hitliste ganz oben.

Für einen der ersten Songs griff Mr. Fogerty zu einem türkisgrünen Instrument, und als er kurz über die Saiten strich um zu testen, ob es auch funktioniert, da fuhr es mir durch Mark und Bein. Ich musste sofort an Dich denken, lieber Lockwood, und an Brian May – das war der Düsenjet. Ich glaube ich schrieb schon nach dem Jethro Tull Konzert, dass live so ein Düsenjet nicht unbedingt zu verachten ist, und der von Mr. Fogerty geht noch ganz anders ab als der von Mr. Barre. Seither habe ich ein Auge auf dieses grüne Maschinchen geworfen, zumal es dieselbe Farbe hat wie mein Auto. Allerdings ist mein Auto bedeutend leiser. Ich habe auch nur einen kleinen Toyota. Dieses Modell schien mir eher ein Porsche zu sein. Der zugehörige Titel heißt – passend zum Düsenjet – It Came Out Of The Sky (hier auch eine Version aus New York).

Bei solcherlei Klängen kam im Publikum schnell Stimmung auf. Die sichtlich gute Laune, mit der Mr. Fogerty während der Instrumentalpassagen über die Bühne stapfte, hüpfte wie ein Gummiball und sich wie ein Kind über den selbsterzeugten Lärm freute, übertrug sich mühelos auf die Menge. Bei fast jedem Song schallte ihm aus dem Zuschauerraum zumindest der Refrain entgegen. Mehrfach dirigierte er auch vom Bühnenrand aus das Publikum und ließ es alleine singen. Er mußte sich nicht über mangelnde Mitwirkung beklagen. Nach kürzester Zeit war – zumindest vorne an der Bühne – Party angesagt.

Bei Fogerty gibt es praktisch nach jedem Titel Gitarrenwechsel (wobei die eine oder andere Gitarre im Laufe des Abends schon auch mehrfach zum Einsatz kam). Bei dieser Gelegenheit überreicht er seinen ausgebrauchten Gitarren-Pick jemandem aus dem Publikum. Einmal holte er auch eine ganze Hand voll neue Picks aus der Hosentasche um sie zu verteilen. Auch ausrangierte Drumsticks wurden in die Menge geworfen. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, die Veranstaltung nahm immer mehr den Charakter einer größeren Familienparty an. Einen kleinen Eindruck von der Atmosphäre vermittelt vielleicht dieses Video aus Paris, das mit einem Halstuch-Tausch beginnt. Fogerty’s Markenzeichen ist ein rotes Halstuch, er tritt nie ohne auf. Hier tauscht er es gegen das Halstuch eines Zuschauers ein.

Vor dem Titel „Down On The Corner“ schlich sich ein siebter Musiker auf die Bühne, und da ich schon Setlists von anderen Konzerten gelesen hatte, ahnte ich bereits wer das sein musste: Tyler Fogerty. Der Junge ist höchstens 14, das Hemd ist natürlich kariert und die Frisur erinnert stark an Papa anno 1970. Es gibt da auch noch einen Shane Fogerty, der vielleicht zwei Jahre älter ist und im Prinzip genauso aussieht, in Abenberg aber nicht mit von der Partie war. Tyler durfte gleich neben Daddy zu „Down On The Corner“ die Gitarre spielen (Bild), aber so richtig locker und gutgelaunt wie der Herr Papa wollte er auf mich nicht wirken. Er schien mir eher etwas angestrengt. Es muss auch ziemlich hart sein für einen 14-Jährigen, wenn er nach seinem Auftritt auf offener Bühne vor versammeltem Publikum von Old Daddy abgeknutscht wird. Der Kleine tat mir fast ein bißchen leid. Andererseits sagte ich mir, dass man nicht früh genug lernen kann, dass das Leben hart ist, und ich denke mal er wird keine bleibenden psychischen Schäden davontragen.

Um gleich bei den Kindern zu bleiben: Schräg vor mir trug jemand während des ganzen Konzerts ein etwa fünfjähriges, blondes Mädchen auf den Schultern, und dieses Kind stach auch Mr. Fogerty ins Auge. „Baby“ wurde eigens begrüßt, wobei die Reaktion eher schwach war – vermutlich hat sie sein Englisch nicht verstanden. Fogerty erklärte sie erinnere ihn stark an seine fünfjährige Tochter Chelsea, für die er das folgende Lied geschrieben habe, es war „I Will Walk With You“. Ich begann langsam die Übersicht über die zahlreiche Nachkommenschaft des Mr. Fogerty zu verlieren, wobei ich eine diesbezügliche Übersicht eigentlich noch nie besessen habe. Ich meine er habe schon Ende der 60er Jahre einen Sohn gehabt, und auch aus den 70ern oder 80ern müsste es noch mindestens eine Tocher geben. Jedenfalls scheint Mr. Fogerty nicht nur seit bald 50 Jahren in der Rockmusik aktiv zu sein, sondern sich außerdem seit 40 Jahren unermüdlich und erfolgreich in der Arterhaltung zu betätigen. Das sollte vielleicht auch einmal die gebührende Anerkennung finden.

Gegen Ende des Konzerts kam mir in den Sinn, dass man manche Menschen einfach für alle Zeiten so konservieren können sollte, wie sie gerade sind. Wenn ich wüsste wie, dann würde ich gleich mit John Fogerty anfangen. Nicht, dass ich jetzt missverstanden werde: Ich will damit nicht zum Ausdruck bringen, dass Mr. Fogerty so wirkt als ob er dringend konserviert werden müsste – das klingt so nach Mumie. Ich will damit nur sagen, dass ich ihn gerne noch ein paar Jahre in alter Frische wiedersehen würde, am besten nächstes Mal ein bißchen näher bei Stuttgart – da gibt es auch sehr schöne Burgen. Wenn er kommt bin ich bestimmt wieder dabei!

Mein einziger Kritikpunkt: Das Konzert war zu kurz, viel zu kurz! Nur 1:36 Std Spielzeit, das finde ich für einen Eintritt von 50 Mäusen doch ziemlich mickrig. Und es ist ja nicht so, dass Mr. Fogerty keine Songs mehr auf Lager gehabt hätte. Er hat nicht einmal alle seine Top Ten Hits gespielt, er hat nicht einmal alle seine No. 1 Hits gespielt. Mir persönlich haben jetzt „Hey Tonight“ und „Sweet Hitch-Hiker“ nicht gefehlt, aber „Up Around The Bend“, „I Put A Spell On You“ und „Deja Vu“ schon. In Hamburg standen die alle noch auf der Setlist. Oder wie wär’s noch mit „Lodi“, „Rock and Roll Girls“, „Walking In A Hurricane“, „Premonition“ und und und….

Überhaupt ist mir aufgefallen, dass Fogerty’s Konzerte offensichtlich unterschiedlich lang sind. In Abenberg standen 23 Titel auf der Setlist, in Berlin sogar nur 22, in Hamburg waren es 24, in Dänemark 25, in Paris 26 und in Mainz 27 (anscheinend 3 extra Zugaben!). Nach was entscheidet er das? Wenn er keine Lust mehr hat und früher ins Bett will, lässt er einfach ein paar Songs weg? So geht’s aber auch nicht! Ich würde ihm ja die Kürze seines Auftritts nachsehen, wenn man nach anderthalb Stunden Spielzeit befürchten müsste, dass er demnächst auf der Bahre rausgetragen wenn muss, wenn er nicht bald aufhört. Aber den Eindruck hatte ich wirklich nicht. Er ist so locker-flockig und frisch von der Bühne gegangen, wie er angefangen hat, ich glaube er war während des ganzen Abends nicht einen Moment außer Atem und hat nicht eine Schweißperle verloren (es war allerdings auch nicht besonders warm…). Der ganze Auftritt sah aus als wär’s für ihn ein Spaziergang. Also 2 Stunden könnte er gut durchstehen, und die fände ich für den Preis auch angemessen.

*********************************************************************

Eines ist mir im Anschluss an dieses Konzert erst so richtig bewusst geworden, und um näher zu erläutern, was ich meine, werde ich jetzt gar noch mich selbst als krasses Extrembeispiel anführen. Ich muss zugeben ich war ziemlich überrascht, als ich zum ersten Mal dieses Photo gesehen habe. Wenn ich nicht wüsste, dass ich das selbst bin, dann würde ich sagen das ist ein 14- bis 15-jähriger Junge. Nun war mir schon länger klar, dass ich nicht gerade so aussehe, wie man sich üblicherweise eine 48-jährige Frau vorstellt. Dass der Eindruck aber so weit davon entfernt liegen könnte, hätte ich dann doch nicht erwartet. Nach kurzem Nachdenken bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass es vermutlich genau das ist, was ich im Grunde meines Wesens tatsächlich bin: Ein 14- bis 15-jähriger Junge. Das Bild passt, ich fühle mich auch in keinster Weise unwohl damit. Sonst hätte ich mich auch von vornherein garnicht in diese Klamotten geworfen.

Nicht jeder ist das, was er aufgrund von Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft oder sonstigen Umständen nach herkömmlicher Meinung sein sollte. Darauf kommt es auch garnicht an. Das Einzige das zählt ist, dass das äußere Erscheinungsbild mit dem übereinstimmt, was man tatsächlich ist. Wenn das nicht zusammenpasst, hat man wirklich ein Problem. Das Aussehen ist wie eine Visitenkarte, die man ständig vor sich herträgt, und die 99,9% aller Menschen, denen man begegnet und die einen nicht näher kennen, Aufschluss darüber gibt, wie sie einen behandeln sollten und was sie von einem zu erwarten haben (mit den Erwartungen hatte ich es ja schon einmal…). Wenn man äußerlich etwas anderes darstellt, als man tatsächlich ist, wird das ständig zu falschen Reaktionen, enttäuschten Erwartungen und Missverständnissen führen. Jeder kennt von sich selbst, wie es einem geht, wenn man morgens aus Versehen den falschen Griff in den Kleiderschrank getan und etwas angezogen hat, das nicht zur Tagesform passt. Man fühlt sich unsicher und fehl am Platz, weil man unbewußt ständig mit den falschen Erwartungen und Reaktionen seiner Umwelt rechnet.

Wer also anders aussieht als er sich fühlt – z.B. auch durch einen fortschreitenden äußerlichen Alterungsprozess, dem kein entsprechender innerlicher folgt – wird üblicherweise bestrebt sein alles zu tun, um sein Aussehen mit seiner Persönlichkeit wieder in Einklang zu bringen. Das ist meiner Meinung nach auch völlig in Ordnung, solange man sein Aussehen anpasst an das, was man ist, und nicht an das, was man gerne wäre, in der Hoffnung durch das geänderte Aussehen zu dem zu werden, als was man erscheint. Damit macht man sich wirklich nur lächerlich.

Um jetzt langsam einmal auf den Punkt zu kommen: Was auch immer Mr. Fogerty getan haben sollte um so auszusehen, wie er das tut – die Haare gefärbt hat er allemal, die Zähne sind runderneuert (dabei wäre das meiner Meinung nach wirklich nicht notwendig gewesen, mit den originellen Originalzähnen sah er doch auch sehr nett aus), selbst wenn er sich fünfmal hätte liften lassen (was ich eigentlich nicht annehme) – das Ergebnis gibt ihm recht. Er sieht so aus, wie er ist. Und wenn er auf der Bühne steht, oder rennt, oder hüpft, oder was auch immer – man merkt, dass da einfach alles zusammenpasst. Auch wenn die Haare, die Zähne oder sonstige Details an Mr. Fogerty nicht mehr echt sein sollten, der Mensch ist es, und das ist das Einzige, das zählt.

Bei Mr. Anderson ist das leider anders. In den 70ern hat er auch noch glaubhaft gewirkt: Die Musik, das Aussehen, die Kostüme, die Bühnenshow – das war ein Gesamtkunstwerk, das seine Persönlichkeit stimmig repräsentiert hat. Im Laufe der 80er ist das mehr und mehr verloren gegangen, irgendwie hat er mit zunehmendem Alter das, was er ist und das, was er darstellen möchte, nicht mehr unter einen Hut gebracht. Da passt das Benehmen nicht zum Aussehen, die Kleidung passt schon in sich nicht (Was soll dieses Kostüm darstellen – Pirat? Torrero? Gondoliere?) und leider passt auch das was er sagt häufig nicht zu dem was er tut. Wie alt ist er eigentlich wirklich? Fogerty ist, so würde ich mal schätzen, in der Art deutlich unter 30, vielleicht sogar unter 20. Anderson ist bestimmt auch keine 60, aber er sieht so aus. Es mag absurd klingen zu sagen es passt nicht, wenn ein 60-Jähriger aussieht als wäre er 60, aber genau das scheint mir bei Mr. Anderson der Fall zu sein.

Die letzten Auftritte des Mr. Anderson, in denen er nach meiner Kenntnis ein stimmiges Gesamtbild abgegeben hat, stammen aus dem Jahr 1982, wie z.B. hier bei Pussy Willow – da war er 35. Ungefähr in dieser Gegend würde ich die Höchstgrenze für sein gefühltes Alter vermuten. Andererseits ist das natürlich auch nur die halbe Wahrheit. Ich bin ja auch nicht nur der 15-jährige Junge sondern gleichzeitig auch immer noch die 48-jährige Frau – wenigstens einige dazugehörige Eigenschaften und die entsprechende Lebenserfahrung habe ich jedenfalls. In der Gesamtheit ergibt das eine Kombination aus beidem (die ich mir in meinem Fall als ziemlich gewöhnungsbedürftig vorstellen könnte). Das wird bei Mr. Anderson nicht anders sein. Vielleicht kann er sich auch nur einfach nicht entscheiden, ob er nun 30 oder 60 ist, seriös oder Hofnarr, Pirat oder Entertainer oder…. Wer oder was auch immer er ist, er schafft es nicht mehr es
seiner Umwelt schlüssig zu vermitteln – ich werde jedenfalls nicht schlau aus ihm.

Meinetwegen soll er sich die Haare rot färben, ein Toupet aufkleben, sich Fett absaugen und sich liften lassen, Hauptsache er passt hinterher wieder zu sich selbst und man weiß mit wem man es zu tun hat. Nicht, dass ich das jetzt als Lösung vorschlagen wollte, ich habe keine Ahnung was die Lösung wäre. Prinzipiell wäre es sicher nach heutigem Stand der Technik möglich, Mr. Anderson wieder (fast) so aussehen zu lassen wie 1975. Andererseits könnte ich mir vorstellen, dass gerade diejenigen seiner Fans, die sich nichts sehnlicher herbeiwünschen als die Wiederkehr des Jahres 1975, vor Schreck vom Stuhl fallen oder entsetzt aufschreien würden, wenn er plötzlich tatsächlich wieder so daher käme. Ein Mr. Anderson mit dem Aussehen von 1975 und der Stimme von 2007 wäre allerdings vermutlich auch eine ernüchternde Erfahrung. Ach, es ist ein Jammer, was machen wir nur mit unserem Mr. Anderson!?! Und mit dieser rhetorischen Frage beende ich meinen heutigen Beitrag.

Liebe Grüße an Euch beide (Fast-)Urlauber
Kretakatze

PS.: Zum Thema Songtexte hier noch dieses Video von einem Rock-Festival in Belgien 2007, in dem ab 1:00 John Fogerty zuerst mit einem kurzen Ausschnitt aus „Travellin‘ Band“ zu hören ist und er dann ab ca. 1:25 erklärt nach welchem Prinzip er seine Lieder schreibt. Das klingt ganz ähnlich wie das, was ich bereits an anderer Stelle hier vermutet hatte. Was mich trotzdem überrascht hat war die Tatsache, dass er es offensichtlich für wichtig hält mit möglichst wenig Worten auszukommen. Das müsste doch der ideale Texter für Dich sein, lieber Wilfried, wo Dir doch auch jedes Wort zuviel zu sein scheint (zumindest von den Songtexten, die ich letztes Mal verlinkt hatte 😉 …).

19.07.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

Dein Bericht über das Fogerty-Konzert, liebe Kretakatze, war sehr plastisch. Ich hatte fast das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Zwischen Deinen Zeilen konnte ich eine unverhohlene Euphorie lesen, die ich bei Deiner Beschreibung des JT – Konzerts auf Kreta nicht festgestellt habe. Ich denke, der Auftritt von Mr. Fogerty hat Dir besser gefallen als der Auftritt des Mr. Anderson.Den aktuellen Anderson würde ich mir nicht anschauen, wenn er auf unserer Burg (100 m Luftlinie von meiner Haustür) spielen würde. Ich möchte ihn so in Erinnerung behalten, wie ich ihn aus seinen besseren Zeiten kenne. Aber selbst wenn ich fernbliebe, würde ich seinen „Gesang“ bis in den Garten hören. Ich hoffe also, dass seine Tourneen ihn nicht in unser Städtchen führen.

In Deiner letzten Mail hast Du etwas geschrieben, mit dem ich mich sofort identifizieren konnte: Du wirst nicht schlau aus Mr. Anderson. So geht es vielen. Dieses Phänomen ist der Grund dafür, dass Wilfried die Rubrik „Was ist bloß mit Ian los ?“ ins Leben rief. Du stößt einen ähnlichen Seufzer aus; ich zitiere: „Ach, es ist ein Jammer, was machen wir nur mit unserem Mr. Anderson!?!“Er ist eine komplexe Persönlichkeit, unser Mr. Anderson. Mehrere Seelen wohnen ach, in seiner Brust. Die aktuelle Garderobe ist ein möglicher Ausdruck dessen.

Eine andere Erklärung seines Outfits der letzten Jahre ist ebenfalls denkbar, würde mir aber noch weniger gefallen: Es kommt mir so vor, als ob er sich klamottenmäßig einfach keine Mühe mehr gibt. Als ob es ihm egal sei, wie er daher kommt (soll schon mal vorkommen bei älteren Herren). Das Video zu „Pussy Willow“ zeigt uns, dass das bis 1982 noch anders war. Aber in der Zwischenzeit hat er es zum Fels in der Brandung des Musikgeschäfts gebracht. Vielleicht betrachtet er sich als Selbstläufer, zu dem die Fans strömen, unabhängig von dem, was er auf dem Leib trägt oder wie er die höheren Töne trifft. Demnach wäre seine aktuelle Physiognomie eine Nagelprobe auf die Treue der Anhängerschaft.

Ein gutes Beispiel für ein gelungenes (weil zum Typ und zur Musik passendes) Bühnenoutfit fand ich auf diesem Video. Nicht, dass ich Mr. Anderson in diesen Klamotten sehen möchte; sie würden eben so wenig zu ihm passen wie sein jetziges Kostüm als Raupenbahnaufspringer, Schiffschaukelbremser oder was auch immer. Nein, dieser Link sollte nur verdeutlichen, dass es durchaus möglich ist, ein angemessenes Outfit zu finden. Wenn man es denn will. Die rustikalen Lederklamotten aus den frühen 70ern oder der Broadsword-Zeit standen dem Meister gut zu Gesicht. Etwas in dieser Art hätte er bis heute tragen können. Aber nein….

Ich möchte keinen abgeschlossenen Fall wiederaufnehmen, aber auf dem Pussy Willow – Video wirkt der Meister tatsächlich dunkelblond. Woran liegt’s ? Friseur ? Beleuchtung ? Aber lassen wir das.

Ein Gedanke zu dem 15jährigen Jungen mit dem Banjo:
Ehrlich gesagt ist es mir fremd, wie man von einer Fotografie dermaßen überrascht sein kann. Was Du über Aussehen und innerem Gefühl gesagt hast, findet meine volle Zustimmung. (Dass die Kleidung zur momentanen Gefühlslage passen muss, ist bei Frauen wohl etwas stärker ausgeprägt als bei Männern). Bei mir ist der Fall einfacher. Ich empfinde mich als „untergroßen“ Mann und so komme ich auf Fotos auch rüber. Punkt aus. Alles sehr simpel.

Bis zum nächsten Mal grüßt Euch
Lockwood

21.07.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

bevor ich mich in den Urlaub verabschiede, hier doch noch einige Anmerkungen von mir. Bekanntlich hinken Vergleiche. Und so kann man Herrn Fogerty schlecht mit Herrn Anderson vergleichen, wenn sich der Vergleich natürlich auch anbietet. Beide sind rund 60 Jahre alt, beide sind mehr oder weniger bekannte Größen der Rockmusik und Frontmann ‚ihrer’ Band. Und beide bringen ihren Nachwuchs auf die Bühne (wenigstens ab und zu). Aber damit hört es dann auch schon auf. Ian Anderson würde nie seinen Sohn als seinen Sohn vorstellen (so unterschlägt James Duncan selbst seinen Nachnamen), wenigstens wüsste ich nicht, dass er das je einmal getan hätte. Und die Knutscherei verbietet sich wohl schon aufgrund des Alters (wobei sich gerade auch 14-, 15-Jährige ungern öffentlich von einem Elternteil küssen lassen). Dass mit dem ‚gefühlten’ Alter ist natürlich so eine Sache. Grundsätzlich stimme ich Dir, Kretakatze, zu. Man sollte sich so geben (und kleiden), wie man IST. Aber wie ist ein Künstler, ein Rockmusiker, der allabendlich auf einer Bühne vor großem Publikum auftritt?

Herrn Anderson wird man wohl kaum in den Klamotten auf der Straße antreffen, mit denen er aufgetreten ist. Früher nicht, heute erst recht nicht. Wie ist das mit Herrn Fogerty? Trägt er auch im normalen Leben Jeans, karierte Hemden und dazu sein ‚Markenzeichen’, das rote Halstuch? Vielleicht bevorzugt er in Wirklichkeit Designer-Klamotten?! Gut, sein Auftreten wirkt authentisch. Aber IST das wirklich der reale John Fogerty oder doch nur ein Trugbild …?

In einem ähneln sich die beiden Herren. Beide haben ein ganz bestimmtes Image aufgebaut, so unterschiedlich es auch sein mag. Fogerty ist der Naturbursche, der locker-flockig seine Lieder herunterspult. Anderson dagegen der eher unnahbare Intellektuelle, der sich gern in kurioser Kostümierung zeigt. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Bei John Fogerty, wie geschrieben, wirkt das trotz falscher Zähne und gefärbter Haare immer noch sehr authentisch, also echt und glaubhaft. Bei Herrn Anderson dagegen nicht mehr. Aber warum nur? Weil er trotz Kostümierung wie ein 60-Jähriger aussieht?

Kretakatze schreibt: … irgendwie hat er mit zunehmendem Alter das, was er ist und das, was er darstellen möchte, nicht mehr unter einen Hut gebracht. Da passt das Benehmen nicht zum Aussehen, die Kleidung passt schon in sich nicht …

Das ist meiner Meinung nach durchaus richtig. Nur stellt sich die Frage, ob Ian Anderson auf der Bühne wirklich das darstellen möchte, was er ansonsten im wirklichen Leben ist, oder besser: sein muss. Ich denke nein. Eher versucht er sich auf der Bühne so zu geben, wie er ist (oder glaubt zu SEIN) … Und das wirkt natürlich grotesk. Wie kann sich ein 60-Jähriger so zum Kasper machen. Aber was IST Ian Anderson nun wirklich?

Sicherlich ist Herr Anderson ein geschäftstüchtiger Mensch. Dazu bedarf es einer gewissen Seriosität, die er bestimmt an den Tag legt, wenn es Not tut. Dann ist er Musiker, also Künstler, die bekanntlich etwas Exaltiertes an sich haben. Lockwood sagt es: Mehrere Seelen wohnen ach, in seiner Brust. Dass sich Anderson auf der Bühne geschäftsmäßig gibt, ist nicht zu erwarten. Also kaspert er herum … wie er es früher immer schon getan hat. Weil sich in den Jahren sein Aussehen so dramatisch verändert hat, führt das natürlich dazu, dass, was früher glaubhaft wirkte, heute für viele wie ein schlechter Witz erscheint.

Ich stelle mir Ian Anderson in den Klamotten früherer Jahre vor (das Tampa-Kostüm lassen wir einmal außen vor): Sähe der gealterte Ian Anderson nicht ähnlich lächerlich aus?

Ich fürchte fast, wir kritisieren Herrn Anderson, weil er alt geworden ist – optisch alt. Sein Bühnen-Outfit passt nicht mehr zu dieser äußeren Erscheinung, die er heute darstellt. Oder anders gesprochen: Herr Anderson genügt nicht mehr unseren Ansprüchen, Erwartungen, was auch immer.

Aber machen wir hier nicht zu viel Wirbel um Äußerlichkeiten? Gehen wir vielleicht nicht sogar Herrn Anderson auf dem Leim – oft genug kam die Weisheit in Form des Narrentums einher. Und macht sich nicht der zum Narren, der andere für einen solchen hält?

Und noch eines, ganz allgemein: Wir denken zu wissen, wer wir sind und sind enttäuscht, wenn andere uns anders sehen. Aber wissen wir das wirklich? Sind wir nicht zu oft mit uns selbst beschäftigt … und haben uns dabei selbst längst aus dem Blick verloren? Aber jetzt werde ich philosophisch … Genug für heute!

Nun, Lockwood, Du bist ja schon mittendrin im Urlaub. Letztes Jahr hatte ich mit meinen Lieben auf einen größeren Urlaub verzichtet, weil viel Geld für eine neue Heizung draufgegangen war; aber für eine Radtour (nach Fehmarn, Du weißt) hat es natürlich gelangt. Wenn das Wetter halbwegs mitspielt, macht so eine Tour mit den Fahrrädern wirklich Spaß. Allerdings merkte ich schon, dass meine Knochen nicht mehr die jüngsten sind. Ich hoffe, Du hast mit Deiner Familie schöne Urlaubstage, entspannst Dich und tankst neue Energie. Weiterhin schöne Urlaubstage.

Wir lesen beizeiten wieder voneinander.
Bis dahin
Wilfried

23.07.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 79: Al, Ian & starke Frauen

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

die Urlaubsbeschreibungen aus Kreta haben einen Umfang, der manchen professionellen Autor von Reiseberichten vor Neid erblassen lässt. Liebe Kretakatze, vielen Dank dafür und welcome back !

Besonders interessant fand ich naturgemäß Deine Schilderungen über das Jethro Tull – Konzert. In einigen Punkten denke ich genau wie Du:

Warum tritt der Kerl immer noch auf ?
Muss die Flöten-Phallus – Geste auch mit knapp 60 Jahren immer noch sein ?
Warum vergleicht der Meister sich ständig mit anderen Rock-Größen ?

Gerade der letzte Punkt bringt mich zum Grübeln. Dieses Gebaren zeugt -trotz seines Könnens- nicht von einer großen Souveränität. Es ist, wie Du sagst: Ständig muss er sich und der Welt vor Augen halten, wer der Beste und Schönste im ganzen Land ist. Das Publikum wird sein Zauberspiegel. Dazu noch der Flötenphallus. „Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer hat den Längsten in der Hand ?“ Ich bin kein Fachmann in solchen Dingen, aber in meinen Augen krebst Mr. Anderson seit Jahren haarscharf am Rande einer Profilneurose.

Frauen in der Rockmusik:
Es gab und gibt doch einige: Joan Jett, Suzie Quattro, Doro Pesch, Nina Hagen, die beiden Schwestern von Heart, Tina Turner. Bestimmt habe ich einige vergessen und bei den genannten sind die Grenzen zwischen Rock und Pop fließend. Auch kann ich nichts darüber sagen, ob sie ihre Stücke selber schreiben. Ich stimme Dir zu, liebe Kretakatze, dass Frauen in Foren zur Rockmusik eher die Ausnahme sind. Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass das bei der Popmusik schon ganz anders aussieht. Ohne es beweisen zu können oder zu wollen, behaupte ich, dass auf Fanseiten von Enrique Eglesias oder Robbie Williams die Damen in der Mehrzahl sind.

Ach ja, apropos Fan: Der Schock, den Euro Reaktion auf meine Queen-Links ausgelöst hat, ist lange überwunden. Was Ihr über Brighton Rock und March of the Black Queen geschrieben habt, ist bei objektiver Betrachtung korrekt. Man muss wohl Fan sei, um sich dafür begeistern zu können. Das ist mit Vielem so, nicht nur mit der Musik.

Zu guter Letzt noch etwas für die Jethro Tull – Fans unter uns:
Durch puren Zufall entdeckte ich bei youtube ein Video zu einer Preisverleihung. Kate Bush erhielt hier 2001 irgendeine Auszeichnung für den besten Songwriter. Das ist nichts Überraschendes, aber jetzt kommts: Wie es sich bei einer solchen Auszeichnung gehört, liest Mrs. Bush eine Litanei von Namen vor, denen sie zu Dank verpflichtet ist. Einer dieser Namen war Dave Palmer. (auf dem Video bei Minute 3:07) Weiß von Euch jemand, in welcher musikalischen Beziehung Mr(s). Palmer zu Mrs. Bush stand ? Bemerkenswert bei der Preisverleihung fand ich noch, dass der nach Mrs. Bush geehrte Johnny „Rotten“ Lydon, eine Gallionsfigur des Punk, sich vor Mrs. Bush und ihrem Werk buchstäblich verbeugte (Minute 7:13). Ja, ja, unsere gute Kate. Selbst ich kann mir nicht alles von ihr anhören, aber verdammt, sie hat was !!

Das war es schon für heute, wir sind alle vielbeschäftigte Menschen.
Bis bald
Lockwood

09.07.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

inzwischen bin ich nun endlich dazu gekommen Eure Mails zu lesen und die Links anzuschauen – die erste Woche nach dem Urlaub war doch sehr stressig. Zuerst zu Wilfrieds Frage nach dem Ursprung meiner Kenntnisse und Fähigkeiten in der Schaf-Pediküre: Ich dachte der kurze Lebenslauf von meiner Homepage wäre Euch bekannt.

Dann muss ich Dir leider mitteilen, lieber Wilfried, dass Dein „heiteres Gitarrengriffe-Raten“ betreffend meine „Rock ’n‘ Roll“-Bilder zu keinem einzigen Treffer geführt hat. Ich dachte Du würdest selbst auch Gitarre spielen…? Hier greife ich noch einen A-Moll (am), so ziemlich den einfachsten Griff, den es gibt. Auch jemand, der nicht Gitarre spielen kann, würde vielleicht rein zufällig seine Finger so setzen. Da ich ja lebensecht und professionell wirken wollte, habe ich ab diesem Bild auf G-Dur (G) umgestellt. Natürlich habe ich nicht wirklich irgend etwas gespielt, dazu hatte ich mir das Gerät schon zu tief gehängt. Ich denke man sieht, dass ich mit der rechten Hand kaum bis an die Saiten reichen kann. Außerdem hätte ich das Instrument, das ich vermutlich seit über 15 Jahren nicht mehr in der Hand hatte, dazu erst einmal stimmen müssen.

Tatsächlich habe ich auch noch eine Gitarre und eine Mandoline, und alle drei Instrumente hängen schon seit Jahrzehnten bei mir an der Wand und dienen dem Staub als dekorative Ablage. Die Gitarre habe ich bereits 1971 von meinem Taschengeld gekauft – das war damals eine gigantische Investition – und vor allem in der zweiten Hälfte der 70er habe ich auch fleissig darauf gespielt (d.h. ich habe täglich deutlich mehr Zeit mit meiner Gitarre verbracht als mit dem Lernen für Schule oder Studium). Leider war der Erfolg bescheiden, ich habe nie wirklich brauchbar spielen können. Irgendwie sind meine Finger zu steif und zu ungeschickt, um die Saiten sicher zu treffen – sei es nun mit der linken Hand zum Greifen oder mit der rechten zum Zupfen. Und so hat es zur Gitarristin dann doch nicht gereicht.

Apropos Gitarristin: Wilfried, Du arbeitest doch gerade die Liste der 100 besten Gitarrensolos ab. Wieviele Gitarristinnen sind denn darauf zu finden? Lass mich raten: 0? Es ist doch wirklich erstaunlich, wie krass das Geschlechterverhältnis in diesem Berufszweig ist, es scheint noch extremer zu sein als bei den Komponisten. Woher kommt das nur? Ich überlasse nur ungern den Männern so dermaßen 100%ig das Feld. Leider werde ich selbst daran nichts ändern können.

Und wo wir gerade bei den Gitarrensolos sind – auf Platz 91 sind da doch tatsächlich CCR mit „I Heard It Through The Grapevine“ zu finden. Länge des Solos 0:23? „…Graprevine“ ist im Original über 11 Minuten lang, davon wird etwa 3 Minuten gesungen, der Rest ist Gitarrensolo. Allerdings ist das für meine Begriffe auch mindestens 7 Minuten zuviel.

Kommen wir zum Interview mit Ian Anderson. Nun beginnt er also auch schon sich mit Frauen zu vergleichen – das ist neu. Die „alte Dame“ Madonna ist immerhin 11 Jahre jünger als er, da wird ihr Gesicht wohl kaum älter aussehen als seines. Auch ihr „Stimmchen“ kann eigentlich nicht dünner sein als das von Mr. Anderson, das geht garnicht. „Dürrer“ als er ist die Dame allerdings bestimmt (dazu gehört nicht viel). Immerhin bringt sie wohl „junge Kerle“ mit auf die Bühne, die von ihren Mängeln ablenken. Das wäre für Mr. Anderson natürlich die falsche Strategie. Deshalb verwendet er zu diesem Zweck junge Geigerinnen. Also diese Madonna-Kritik war doch wohl ein ziemliches Eigentor. Zumal er direkt danach verkündet mit seinem eigenen Alter und seinen eigenen körperlichen Gebrechen keine Probleme zu haben. Also er und sein Stimmchen dürfen altern, Madonna nicht? Oder wollte er sagen: Wenn Madonna so alt aussähe wie er ist und auch so übergewichtig wäre und so wenig Stimme hätte wie er, und dann ohne „junge Kerle“ auftreten würde, dann wäre es ok? Dann wäre sie natürlich vermutlich wirklich keine ernstzunehmende Konkurrenz mehr für ihn…

Was Mr. Anderson darüber hinaus zur Motivation für seine Konzert-Tourneen erklärt, halte ich für nicht völlig falsch. Er ist ein Perfektionist, und ich kaufe ihm ab, dass es bestebt ist sich musikalisch ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Allerdings könnte er das auch zuhause in seinem Wohnzimmer (oder im Aufnahme-Studio), dazu müsste er nicht unbedingt auf einer Bühne stehen. Der wahre Grund für seine „Bühnen-Sucht“ ist die Tatsache, dass er die Hälfte seiner Persönlichkeit nur auf einer Bühne ausleben kann, die eine Hälfte seines Ichs braucht Publikum zum Leben wie Andere die Luft zum Atmen. Ich bin mir sicher, wenn er zwei oder drei Wochen auf keiner Bühne mehr gestanden ist, dann bekommt er erste Entzugserscheinungen. Es gibt daher auch kaum größere Lücken zwischen seinen Auftritten.

Mr. Anderson wird daher auf Bühnen stehen (oder vielleicht auch sitzen, wenn nötig im Rollstuhl), solange er irgendwie noch auf allen Vieren auf eine Bühne robben kann. Ich glaube sein größter Alptraum ist, dass er das irgendwann nicht mehr schafft. Es wäre für ihn vermutlich wie lebendig begraben zu sein. Ich könnte daher auch nicht so herzlos sein, ihm – wie von Wilfried vorgeschlagen – zum Geburtstag einen Rentenbescheid zu schicken. Da wäre es gnädiger ihm gleich den Hals zuzudrücken.

Nein, Mr. Anderson wird uns sicher weiterhin mit seinen Auftritten erfreuen, solange bis er umkippt, daran wird niemand etwas ändern können. Im Prinzip ist meiner Meinung nach dagegen auch nichts einzuwenden. Die musikalische Qualität seiner Dabietungen ist – soweit ich das beurteilen kann – einwandfrei. Lediglich seine Stimme lässt stark zu wünschen übrig, wir werden damit leben müssen, auch daran kann niemand etwas ändern. Das Einzige, woran man etwas ändern könnte, wäre das Bühnen-Outfit. Es sollte besser zu seinem Gehüpfe und seinen Verrenkungen passen, ich hatte das ja schon wiederholt erwähnt. Allerdings vermute ich, dass mein Vorschlags-Modell pontischer Kriegstänzer (das geht übrigens auch ohne Kopfbedeckung, wie diese Herren zeigen – der Tanz wird erst zum Schuss ab 3:15 richtig gut, da wird’s schnell…) bei Euch auf wenig Gegenliebe stößt. Vielleicht habt Ihr bessere Ideen. Man könnte, ähnlich einer Modenschau, ein paar Vorschläge zusammenstellen und ihm zukommen lassen…

Lieber Wilfried, zum Abschluss muss ich nun noch gestehen, dass ich mich ein wenig über Dich gewundert habe. Da erklärst Du zuerst, dass Du Al Stewart eigentlich nur vom Hörensagen kennst, meinst dann aber doch zwei Sätze später ein Gesamturteil über sein Lebenswerk abgeben zu können mit den Worten: „Aber Al Stewart insgesamt sagt mir wenig zu. Die Texte mögen in Ordnung gehen, aber die Musik ist mir etwas „zu leicht““. Darf ich Dich fragen welche der über 150 Titel von Al Stewart in Dein „insgesamt“ mit eingeflossen sind? Oder sollte dieses Urteil nur für den Song „Year Of The Cat“ gelten. Dann könnte ich Dir sogar noch zustimmen.

Auf jeden Fall solltest Du nicht meinen, die zwei oder drei Lieder von Al Stewart, die auf YouTube zu finden sind, wären repräsentativ für seine Musik. Das sind nur die paar kommerziell erfolgreichen Mainstream-Titel, die er zum Teil selbst nicht mag. „Time Passages“ hat er z.B einmal als „fürchterlich schlecht“ bezeichnet. Den Song hat er geschrieben, weil sein Produzent wollte, dass er noch einmal etwas schreibt, das klingt wie „Year Of the Cat“. Vermutlich gibt er sich auch deshalb in dem von mir verlinkten Video alle Mühe, den Song bis zur Unkenntlichkeit zu verhunzen. Wie auch immer, genauso wie man die Musik von Jethro Tull nicht allein aufgrund ihrer Top Ten Hits beurteilen könnte – da würden die wichtigsten Stücke fehlen – geht das bei Al Stewart auch nicht, eher sogar noch viel weniger.

In wie weit seine Musik mit der von Chris de Burgh vergleichbar ist, kann ich nicht beurteilen, da ich Chris de Burgh zu wenig kenne – ich habe vielleicht zwei oder drei Lieder von ihm gehört. Im Vergleich zu Stewart würde ich die als „folkiger“ und „schlichter“ einordnen, aber vielleicht ist das ja auch nur die kommerzielle Oberfläche. Von Al Stewart gibt es dagegen Titel, die sich meiner Meinung nach nahtlos ins „Songs From The Wood“-Album einfügen würden, z.B. Merlin’s Time. Aber leider kann ich Euch das alles nicht vorführen.

Deswegen möchte ich zumindest das Urteil „Texte gehen in Ordnung“ ein bißchen relativieren, und das im Vergleich zu Texten von Mr. Anderson. Dessen Texte werden teilweise als „intellektuell“ bezeichnet. Ich kann das nicht sehen. Intellektuell heißt für mich durchdacht, und das sind die Anderson’schen Texte häufig nicht. Sie klingen für mich eher sehr intuitiv. Nicht selten kommt Mr. Anderson bei der Verfolgung seiner Themen vom Weg ab und verirrt sich im Gestrüpp abstruser Metaphern oder Bilder, bis man die Aussage oder den Sinn seiner Worte völlig aus den Augen verliert – er selbst vermutlich auch. „A Passion Play“, aber auch Teile anderer Lieder klingen für mich wie unreflektiert niedergeschriebene Fieberphantasien. Das kann auch zu reizvollen Assoziationen führen, nur intellektuell ist es nicht.

Für mich war immer Al Stewart der Intellektuelle unter den Musikern und den Textern. Bei ihm ist jeder Vers durchdacht und jedes Wort sitzt. Ich kenne von ihm keinen Song, bei dem ich nicht verstehen würde, wovon er handelt. Von Anderson gibt er derer eine ganze Reihe. Und ich gehöre nicht zu den Menschen, die meinen ein Gedicht wäre dann besonders geistreich oder genial, wenn sie es nicht verstehen – ganz im Gegenteil. Jemand, dem es nicht gelingt sich so auszudrücken, dass man versteht wovon er spricht, hat ein Kommunikationsproblem, oder zumindest einen Fehler gemacht. Wer wirklich etwas zu sagen hat, möchte im allgemeinen auch, dass man ihn versteht, und wird sich entsprechend Mühe geben verständlich zu bleiben. Wer in allzu wirren Metaphern und Bildern schwelgt, verfolgt vermutlich andere Ziele.

Erst vor kurzem habe ich irgendwo gelesen, der Text von Sossity: You’re A Woman handle von der Kirche. Darauf wäre ich selbst nie gekommen, ich habe mich immer gefragt, was für eine Gesellschaft hier gemeint sein könnte. Einen konkreten Hinweis habe ich nicht gefunden. Auch in Al Stewart’s Cafe Society (der Text enthält einen Fehler, es muss heißen „Cause I want to go blind where I’ve never been before“) geht es um eine Gesellschaft. Wie diese aussieht, ist glaube ich hinreichend genau beschrieben. Und da wir ja gerade das Thema Konzerte und Bühnenauftritte hatten, hier noch ein zweiter Song zum Vergleich. Die Stewart’sche Variante von Minstrel In The Gallery, der Blick von der Bühne herab ins Publikum und, zumindest was den Stewart’schen Song betrifft, der Blick wie von außen auf sich selbst und das eigene absurde und unbegreifliche Tun: One Stage Before.

Die von Wilfried vorgestellten Gitarristen Ry Cooder und David Lindley waren mir beide unbekannt, haben mich aber auch jetzt nicht direkt vom Hocker gerissen. Ry Cooder’s Version von „Stand By Me“ wirkt auf mich emotionslos und daher langweilig. David Lindley’s Slide-Gitarre klingt interessant, aber den Gesang hätte er sich schenken können. Allerdings habe ich gerade am Beispiel Al Stewart gelernt: Man sollte einen Musiker nicht nur anhand eines einzigen Stücks beurteilen, da kann man ganz schnell heftig daneben liegen…

Nun beginnt also die Urlaubs-Saison, und Lockwood ist ab heute in den Ferien. Verreist Du eigentlich? Wie auch immer, ich wünsche Dir auf jeden Fall eine schöne Zeit und gute Erholung! Und dem Wilfried wünsche ich, dass er die Tage bis zu seinem Urlaub noch gut übersteht – er scheint je gerade etwas im Stress zu sein…

Liebe Grüße an Euch beide
Kretakatze

PS.: Als Nachschlag gibt’s heute dieses Video von Cat Stevens, in dem er mich mit der Aussage überraschte, dass er keine Ahnung hat was der Song-Titel „Tuesday’s Dead“ bedeuten soll. Er überlässt es seinem Publikum, sich eine Bedeutung auszudenken. Ich glaube, dass es Mr. Anderson schon zahlreiche Male genauso gemacht hat. „And if sometimes I sing to a cynical degree, it’s just the nonsense that it seems…“

09.07.2007

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

bevor auch ich in den Urlaub enteile, will ich mich doch noch einmal bei Euch melden. Kretakatzes Kreta-Urlaub wurde also doch mit dem Tull-Konzert in Iraklio gekrönt. Vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht. Und herzliches Willkommen in unserem feuchten Sommer. Ist ja eher grauenvoll. Um es gleich zu sagen: Ich habe keinen Lap-Top, den ich mit in den Urlaub schleppe. Also keine Urlaubsberichte von mir – später aber sicher das eine oder andere Foto.

Da ich es möglichst kurz machen will, nur einige Anmerkungen zu Kretakatzes (nicht nur) Reise- und Konzertreport. Zunächst zu Andersons Schul- und Berufsausbildung. Bei Wikipedia steht eigentlich nur, dass er ab 1964 das Blackpool College of Art besuchte. Er hat zumindest einen Grammar School-Abschluß, was unserem Abitur gleichkommt. Die „Fine Arts“ hat er dann ziemlich schnell hinter sich gelassen, um nur noch Musik zu machen. Allerdings hat Ian Anderson wohl selbst hin und wieder am Cover Art-Entwurf zu der einen oder anderen Scheibe mitgewirkt. Schulabschluss also ja – Berufsausbildung: nein!

Noch ein Anderson!
.. noch einmal diesen ‚Anderson’ zum Ärgern …

Jethro Tull ist also auf Kreta ohne Violinistin aufgetreten. Vielleicht vertragen die Damen die Wärme dort nicht so gut, denn in Graz am 07.07. erschien diesmal als special guest die Flötistin Tinkara (lt. Laufi-Forum).

Kretakatzes Anmerkungen zu Ian Anderson, besonders zu dem besagten Interview, finde ich korrekt: Anderson braucht die Auftritte, hier kann er sich so geben wie er möchte. Und so lange er noch das Publikum findet, das er braucht, wird er auf Tournee gehen. Outfit und Gehüpfe? Immerhin bekommt Herr Anderson für sein Bühnengejogge noch Geld, während ich mich schweißgebadet mit kläffenden Hunden, die meine Bahnen kreuzen, herumzuschlagen habe.

Ian Anderson im Rollstuhl 1988
Und er flötet … bis zum Abwinken!

Mein Urteil zu Al Stewart ist sicherlich etwas lapidar und nicht ganz gerecht. Es stimmt schon: um ein endgültiges Urteil fällen zu können, müsste ich mehr von ihm kennen. Aber die wenigen Stücke, die ich gehört (und gesehen) habe, „haben mich nicht vom Hocker gerissen“, wie Du es in einem anderen Zusammenhang nanntest, Kretakatze. Oder anders gesagt: sie sprechen mich nicht an. Da mögen die Texte noch so durchdacht und stimmig sein. Nicht, dass mich Texte nicht interessieren, aber Lyrik (Liedertexte gehören wohl auch dazu) ist nicht ganz meine Welt (und bedient sich für mich oft solcher Metaphern, die jenseits meiner Begrifflichkeit liegen – aber ähnliches schreibst Du ja selbst). Und wenn ich manches schon in deutscher Sprache kaum nachvollziehen kann, wie dann in Englisch, das sich als solches einer anderen Bildersprache bedient (wenn wir jemanden auf dem Arm nehmen, so zerren die Angelsachsen jemanden am Bein: to pull sb. ’s leg – oder: Dumm wie Bohnenstroh ist so dick wie ein Ziegelstein, oder?). Aber das ist ein grundsätzliches Problem und hat nichts mit Al Stewart zu tun. Zu Ian Anderson bin ich in erster Linie über die Musik gekommen.

Zu Dir, Lockwood: Da war wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken (Gehörten). Kate Bush spricht nicht von Dave (also David oder heute Dee) Palmer, sondern von Del Palmer, der wohl als Bassist mit der guten Kate zusammengearbeitet hat.

Frauen und Rockmusik ist ein Thema für sich. Du hast wohl recht, Kretakatze: Unter den angeblich 100 besten Gitarrensolos der Rockmusik ist keines dabei, das von einer Frau gespielt wird (oder ich müsste mich gewaltig täuschen). Trotzdem sollte man die Rolle der Frau nicht unterschätzen. Über Kate Bush haben wir ja bereits gesprochen. Viele ihrer Lieder hat sie selbst geschrieben. Die von Lockwood genannten Frauen kann man gelten lassen, obwohl ich zu jeder einzelnen nicht viel sagen kann (z.B. ob sie auch ihre Lieder selbst schreiben). Aber ich habe meine eigene Liste. Und hier finden sich Frauen, die mir etwas bedeuten, weil ich sie wirklich gut finde:

Zunächst Joan Armatrading, die ich von Ende 70/Anfang 80er Jahre her kenne. Bei youtube habe ich ein Konzert aus dem Jahre 1979 (TV-Aufzeichnung vom WDR in Köln) hinterlegt. Übrigens gibt es hier ein Gitarrensolo, das ich zu meinen wirklichen Favoriten zähle (als ‚Vollstrecker’ Ricky Hirsch). Sie ist auch heute noch aktiv und hat erst kürzlich ein neues Album herausgebracht, auf der sie auch das eine oder andere Gitarrensolo (Fender) spielt, das sicherlich auch mit den „100 besten Gitarrensolos“ mithalten kann. Wer Armatrading sagt, muss auch Chapman sagen: Tracy Chapman. In einem der Kommentare zu den Videos bezeichnet ein Zuschauer Joan Armatrading als die Königin und Tracy Chapman als die Prinzessin, was in etwas auch meine Einschätzung (und Wertschätzung) wiedergibt.

Aus frühen Tagen (und um indirekt auf Jethro Tull zurückzukommen) kenne ich Sandy Denny, die lange Zeit bei der Folkrockgruppe Fairport Convention (gehört in den Family Tree von Tull dank Dave Pegg, Dave Mattacks und Martin Allcock, die alle drei sowohl bei Fairport als auch bei Tull gespielt haben – sozusagen die B-Mannschaft von Tull) mitgesungen hat und später 2 oder 3 Soloalben herausbrachte. Leider verstarb sie viel zu früh 1978 (Drogen spielten wohl eine Rolle). Sie hat viele ihrer Folkrocksongs selbst geschrieben. Etwas später bin ich dann über ein Album von Judie Tzuke gestolpert, die hier in Deutschland wohl weitestgehend unbekannt sein dürfte. Ihre Lieder bewegen sich zwischen Rock und Pop. Sie hat einige sehr schöne Lieder geschrieben (und natürlich gesungen), ist dann aber bald wieder abgetaucht. Trotzdem möchte ich sie in meiner Auszählung nicht unterschlagen, da ich zwei Alben (wohl ihre erfolgreichsten: Welcome to the Cruise und Sportscar) im Plattenschrank stehen habe.

Zuletzt eine etwas unterkühlte Blondine aus den Staaten: Aimee Mann. Kretakatze wird sie sicherlich emotionslos finden (und daher langweilig). Aber so sind die blonden Frauen nun einmal (Scherz beiseite). Mir gefallen die kleinen Lieder.

In meinem Weblog habe ich übrigens eine eigene Rubrik eingerichtet, die sich den starken Frauen der Rockmusik widmet, u.a. will ich in diesem Zusammenhang Suzanne Vega und Norah Jones nicht vergessen.

weitere Titel bei youtube:
Joan Armatrading: Tall In The Saddle (02/15/1979)
Fast car -Tracy Chapman
Sandy Denny – Who Knows Where the Time Goes
Judie Tzuke-Stay with me ‚till dawn
Aimee Mann – Pavlov’s Bell

Aber nun ist genug. Ich kann mir denken, dass Euch die eine oder andere musizierende Frau nicht so zusagt wie mir. Das wäre ja auch zu schön. Aber wir wollen uns nicht streiten.

Ach ja, Lockwood: Noch einmal etwas zu den Pogues und dem Sänger Shane McGowan. Einer meiner Schwager ist ein Fan von irischer Musik (ich muss ihn einmal bei einem Drum Whiskey näher interviewen) und hat vor längerer Zeit ein Konzert der Pogues in Hamburg gesehen (Alsterdorfer Sporthalle oder so). Vorsorglich hatte er sich schon alter Klamotten angezogen. Aber am Ende war es dann doch schlimmer als befürchtet. Der gute Shane muss reichlich angetrunken gewesen sein und hielt sich mehr am Mikrophon fest, als dass er sang. Die halbe Halle schwamm zudem in Bier, das pappbecherweise durch die Luft flog. Und in den Bierlachen schwammen weitere Alkoholleichen. Aber irgendwie hatte das trotzdem etwas (fragt sich nur, was?).

Weiterhin fröhliche Schaffenstage. In der nächsten Woche soll es dann tatsächlich wieder sommerlich werden.

Bis bald
Wilfried

10.07.2007

English Translation for Ian Anderson