Kategorie-Archiv: Ei, wie witzig

Deutschland sucht den Super-Witz-Schrott

90 Jahre Jürgen von Manger

Mann muss schon mindestens in meinem Alter sein oder aus dem Ruhrpott stammen, um ihn noch zu kennen: den Kabarettisten Jürgen von Manger. Er wurde mit seiner Bühnenfigur Adolf Tegtmeier zum Chronist des Milieus im Ruhrpott. Anfang März wäre von Manger 90 Jahre alt geworden. Er verstarb aber bereits 1994 wenige Tage nach seinem 71. Geburtstag.

„Seine Auftritte mit kabarettistischen Solo-Programmen, hauptsächlich um die Figur des Ruhrgebiets-Kleinbürgers Adolf Tegtmeier, die er ursprünglich für den Hörfunk entwickelt hatte, später aber auch auf zum Teil sehr erfolgreichen Sprechplatten (Stegreifgeschichten, zwei davon erhielten eine Goldene Schallplatte) und in zahlreichen Fernsehprogrammen verkörperte, begann von Manger in den 1960er Jahren zu vertiefen.“ „Im Fernsehen hatte von Manger großen Erfolg mit der Reihe Tegtmeiers Reisen [20 Folgen], die ab dem 14. Juli 1972 bis zum 3. Juli 1980 vom ZDF ausgestrahlt wurde.“ Es folgten 14 Folgen von Tegtmeier klärt auf (1981–1983).

Jürgen von Manger alias ‚Adolf Tegtmeier’

Von Manger überzeichnete in seinen Darbietungen die Sprache des Ruhrgebiets-Bürgers bis ins Komische: „Wenn ich Sie mir so anguck, könnt ich mir vorstellen, dat die Fantasie von so mancher Herr ganz schön am Kochen fängt!“ „Bleiben Se Mensch“ oder „Dat is vielleicht ein Dingen“ sind auch so typisch von Manger’sche Sprüche.

Der Mann mit der schiefen Mütze und dem schiefen Mund erinnert einwenig an Heinz Erhardt. Was mich vielleicht für ihn eingenommen hat, war der ruhrdeutsche Dialekt, der mir über das kölsch-eingefärbte Sprechen meiner Mutter durchaus bekannt war. Denn in beiden Regiolekten finden sich Überschneidungen (Kappes = Mistzeug, schlechte Idee (ursprünglich Kohl); ne fiese Möpp). Selbst das rudimentär vorhandene Ostpreußische meines Vaters findet sich im Ruhrdeutschen in einigen Begriffen (z.B. Lorbass = Schlingel) wieder.

Welche Vorliebe ich für die deutsche Sprache im allgemeinen (u.a. WortschatzGünter Grass: Grimms Wörter) und für Dialekte im besonderen (u.a. Komm inne Puschen!) habe, wurde in diesem Blog hinreichend kundgetan.

Zurück zu Jürgen von Manger: Lange hat man von ihm nichts mehr gehört. Da hat der Bochumer Musikverlag Roof Music sein Werk in sein Programm aufgenommen. „‚Ich bin seit meiner Kindheit großer Jürgen von Manger-Fan’, erklärt Roof-Music-Geschäftsführer Bernd Kowalzik. ‚Irgendwann fiel mir auf, dass es keine Platten mehr gab.’ Vinyl war vergriffen, CDs noch nicht erhältlich.“ (Quelle: derwesten.de)

Dem nicht genug: Es gibt immer noch jede Menge unveröffentlichtes Material, das von Manger zz. selbst mit einem Tonbandgerät aufgenommen und dem Musikverlag zur Verfügung gestellt hat. Hier einige Hörproben von der CD Dönekes.


Das Beste von Adolf Tegtmeier (Jürgen von Manger)

Wer sich etwas intensiver mit den Texten von Jürgen von Manger und seinem Adolf Tegtmeier auseinandersetzen möchte, hier zwei längere Texte: Ausgewählte Sketche

Es gibt heute einige Kabarettisten die sich durchaus in der Tradition von Jürgen von Manger sehen, z.B. Helge Schneider, Hape Kerkeling oder Elke Heidenreich als „Else Stratmann, Metzgersgattin aus Wanne-Eickel“. Nach langen Jahren habe ich Jürgen von Manger in diesem Tagen gewissermaßen wiederentdeckt.

Willkommen im neuen Tatort Hamburg

Nick Tschiller ist sein Name, Nick wie Nick Knatterton, wohl kaum – und Tschiller vom englischen chill abgeleitet – wie frostig, kalt, entmutigend oder ‚cool’? Wer denkt sich solche Namen nur aus? Na, wer wohl …?!

Ja, morgen am Sonntag ist es soweit: Til Schweiger, der Nuschler, macht auf Tatort: Willkommen in Hamburg. Die Vorschussdisteln sind reichlich verteilt. Spiegel online hat Herrn Schweiger gehörig auf den Zahn gefühlt. Man hat den Eindruck, dass außer Til Schweiger-Fans keiner ihn wirklich in einem Tatort-Film sehen möchte. Am wenigsten eingefleischte Tatort-Liebhaber. Was soll man auch von einem Schauspieler halten, der in einer über viele Jahre laufenden Kriminalserie mitwirken darf, die er sich „eher selten“ angeschaut hat.

Tatort Hamburg: Willkommen in Hamburg (2013)

„Drei Tote in den ersten Minuten, das ist eine Revolution. Ich als Zuschauer will so etwas sehen.“, so Schweiger. Ob wir das als Tatort-Fans sehen wollen, fragt er wohlweislich nicht. Eine eingetretene Tür nach der anderen. Schweiger: „Manchmal klopfe ich auch an.“

Til Schweiger lässt es also gleich ordentlich krachen. Und sein erstes Wort sei: Fuck! Angeblich eine Hommage an Horst Schimanski alias Götz George, der in der ersten Schimanski-Folge „Duisburg, Ruhrort“ als erstes Wort Scheiße äußerte (genauer: „Vorsicht, du Idiot! Hör auf mit der Scheiße!“ zu einem Typen, der seinen Fernseher auf die Straße schmiss). Nur Tschiller ist nicht Schimanski – und Schweiger lange nicht Götz George.

Richtig gespannt muss man also nicht sein. Da Schweiger hier alt bekannte Schweigerthemen (‚Huhn-im-Wein’, ‚Schmutzengel’, ‚Schlapplachhasen’ – nur der ‚halbe Ritter mit der Kopfnuss’ wird uns erspart bleiben) miteinander derart verwurschtelt, dass am Ende … ein Schweiger-Film herauskommt, aber kein Tatort mit psychologischer Tiefe, wird keinen verwundern. Wo Schweiger draufsteht, ist NUR Schweiger drin …!

siehe auch: Eine Extrawurst für ein Riesenwürstchen?

Übrigens: In zwei Wochen, am 24. März, gibt es den nächsten Tatort aus Münster: Summ, Summ, Summ. Hauptkommissar Thiel und der Rechtsmediziner Dr Boerne stehen eigentlich für Spannung und Witz. In letzter Zeit übertreiben sie allerdings ein bisschen den Witz. Und wenn man liest, dass in dieser neuen Folge ein Schlagerstar namens Roman König im Mittelpunkt steht und dann sieht, dass dieser von keinem anderen als Roland Kaiser gespielt wird, dann … also dann verschlägt es mir doch die Sprache! Tatort, wohin willst du noch …?!

Topf und Deckel

Es wird gesagt:
Jeder Topf findet sein Deckelchen.

Mancher Topf wartet lang
28 Jahre vielleicht.
Auch mancher Deckel findet nicht gleich
Vielleicht erst nach über 40 Jahren.

Die Suppe kocht im Topf
Auch ohne Deckel.
Und ein Deckel bedeckt
Auch ohne Topf.

Topf und Deckel
Quelle: montagsmalerin.de

Manchem Topf passen viele Deckel.
Und manch DIN-genormter Deckel passt zu vielen Töpfen.
Aber lang währt ‚die Freundschaft’ nicht.

Da mag ein Topf ungewohnte Formen
Und ein Deckel ungewöhnliche Größe haben.
Und was vielleicht auf Anhieb nicht passt,
wird dann passend gemacht.

Am Schluss dann doch:
Jeder Topf findet sein Deckelchen.

[aus: Des Daseins Dinge – eine mögliche Sammlung]


Lilo PulverJedes Töpfchen find sein Deckelchen 1962

[Hurra, ich werde senil! Topf und Deckelchen, bei mir piepen sie nicht mehr alle richtig! Demnächst buddle ich auch noch im Sand! Und dann auch noch die gute, alte Lieselotte, ha! Wahrscheinlich hat mir jemand etwas in den Tee getan!]

Nachtrag: Hat man erst ein Thema beim Wickel, dann stolpert man über weiteres Material – wie zum Beispiel das am Schluss folgende Kalenderblatt für den Februar 2013. Passt doch zum Thema, oder? Und abends lese ich in Grimms Wörter von Günter Grass dann den Buchstaben D betreffend und die Bedeutung von ‚dafür’ und ‚dagegen’ den folgenden Abschnitt:

Und schon ist dem dafür ein dagegen gesetzt, auch dargegen wie bei Hans Sachs: „mir grauet aber hart dargegen, mein hand an meinem herrn zu legen.“ Wenn jemand jedoch Hilfe erhalten hat und dagegen Treue verpfändet, steht dagegen auch für dafür, weil „die braut nicht schön, dagegen klug sein kann.“ Und weitere Beispiele, die dafür wie dagegen sprechen, damit am Ende jeder Topf seinen Deckel drauf hat.

Günter Grass: Grimms Wörter – eine Liebeserklärung – dtv 14084 – Deutscher Taschenbuch Verlag, 2012 – S. 137)

Warten ... ... auf den richtigen Partner!

Heino strikes back

Lange hat man ihn verspottet, von Otto Waalkes, der ihn in einem Spot als Vampir auferstehen und eine Techno-Version von „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ singen ließ, bis zu Norbert Hähnel, dem wahren Heino aus Berlin, der im Vorprogramm der Toten Hosen auftrat. Aber aller Häme zum Trotz, war und ist er eine Karikatur seiner selbst: Heinz Georg Kramm alias Heino.

So nebenbei: Der „echte“ Heino erwirkte vor dem Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung gegen Hähnel. Infolge dessen durfte Hähnel nicht mehr als „Heino“ auftreten und musste 10.000 DM Ordnungsgeld zahlen. Die Toten Hosen spielten ein Benefizkonzert, um das Ordnungsgeld und die Kosten für Hähnels Anwalt zu tragen. Hähnel nahm das Geld dankend an, weigerte sich aber, die Strafe zu zahlen und saß ersatzweise lieber Ordnungshaft ab. Hähnel äußerte den Verdacht, der „echte“ Heino hätte nur gegen ihn geklagt, weil er befürchtete, seine Fans könnten langsam zu ihm, dem wahren Heino, überlaufen. (Quelle: de.wikipedia.org)

„Wer Heino schätzte, wusste immer, dass sein gesamtes Oeuvre eine subtile – na ja, subtil ist vielleicht übertrieben –, jedenfalls eine Dekonstruktion national-chauvinistischer Mythen und reaktionärer Einstellungen darstellt. Wer sonst hätte ganze Mehrzweckhallen bierseliger Deutscher dazu bringen können, offen zu bekennen: ‚Schwarzbraun bin auch ich!’“ (Quelle: welt.deich staune …)

Nun hat Heino ein Album mit Cover-Versionen von den Ärzten bis zu Rammstein aufgenommen: Mit freundlichen Grüßen. Und (fast) ganz Deutschland hat endlich ein Thema, um sich zu erregen – für oder gegen den blonden Barden aus Düsseldorf.

Heino: Mit freundlichen Grüßen eines Untoten

Dabei hat Heino die Originalinterpreten bzw. Rechteinhaber nicht gefragt, ob er ihre Lieder covern darf. Dies hatte nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Produktion. So durfte er an Komposition und Text nicht die kleinste Kleinigkeit verändern und musste sich stur ans Original halten. Täte er dieses nicht, bedarf es nur eines anwaltlichen Schreibens von einem der Rechteinhaber und die komplette Auflage landet im Shredder. Dies möchte Heino natürlich nicht, also bleibt alles wie beim Original.

Nun, ich habe einmal in „das verbotene Album“ hineingehört. Den Trubel kann ich wirklich nicht nachvollziehen. Heino klingt weiterhin wie Heino. Zwischen den verschiedenen Musikstilen differenziert er nicht. „Wo ist der Unterschied, ob ich ‚Junge komm‘ bald wieder’ von Freddy Quinn oder ‚Junge’ von Die Ärzte singe?“, sagt Heino selbst. Er muss es wohl wissen.

Erstaunlich ist dabei besonders die Reaktion derer, die Heino bislang verachtet haben. So kaufen Leute das neue Album, obwohl sie „normalerweise keine Heino-Fans“ sind, finden die Scheibe „witzig und unterhaltsam“ oder sogar „endgeil“. Sicherlich ist die (Geschäfts-)Idee zu diesem Album clever zu nennen. Auch der Zeitpunkt, die Karnevalszeit, ist bestens gewählt. Und was Heino in all den Jahren seiner Karriere nicht gelungen ist, das gelingt ihm jetzt: Die Numero eins in den Charts zu sein. Selbst zum legendären „Wacken Open Air“ soll Heino nun eingeladen sein.

Jetzt darf man Heino also statt in schalldichten Kellerräumen auch bei der nächsten Gartenparty abspielen, ohne als verkappter Heino-Fan abgetan zu werden. Und wer nicht in diesen kollektive Jubel ausbricht, ist ein Spielverderber.

Nicht dass ich Herrn Kramm diesen Erfolg missgönne. Diese Art der späten Rache an seinen Verächter hat durchaus seine witzige Seite. Aber deshalb muss ich mir doch nicht dieses Album kaufen. Statt die Rentenkasse des Herrn Kramm aufzubessern, sollte man doch besser talentierte Nachwuchsmusiker unterstützen. Trotzdem Glückwunsch, Herr Kramm! Aber bitte NICHT weiter so …?!

siehe auch meinen Beitrag:
Die lebende Schlaftablette: Heino vor Gericht

Salcia Landmann: Jüdische Witze

    „Warum hat Kain Abel erschlagen?“
    „Weil Abel ihm alte jüdische Witze erzählt hat.“

Eigentlich mag ich es nicht, wenn in Gesellschaft Leute meinen, die Stimmung durch das Erzählen von Witzen heben zu müssen. Meist sind es schlüpfrige, also ‚unanständige’ Witze, bei denen dann mindestens die Hälfte der Anwesenden pikiert daherschaut. Oder es sind Witze mit langem Bart, also Witze, die man schon zum tausendsten Mal gehört hat. Und bei manchem Kalauer stöhnt dann bereits die ganze Mannschaft. Geistreiche, vielleicht auf Wortspiele beruhende Witze sind doch eher selten.

Wenn ich Witze mag, dann sind es oft Witze, die man dem ‚trockenen’ bzw. dem schwarzen Humor zurechnet, z.B. also den britischen Humor mit seinen oft absurden Elementen wie bei Monty Python oder in Deutschland bei Loriot. Die Grenzen des guten Geschmacks sollten nicht unbedingt überschritten werden.

Eine besondere Art ist der jüdische Witz:

„Der jüdische Witz nimmt in der Weltliteratur eine Sonderstellung ein. Er ist tiefer, bitterer, schärfer, vollendeter, dichter, und man kann sagen, dichterischer als der Witz anderer Völker. Ein jüdischer Witz ist niemals Witz um des Witzes willen, immer enthält er eine religiöse, politische, soziale oder philosophische Kritik; und was ihn so faszinierend macht: er ist zugleich Volks- und Bildungswitz zugleich, jedem verständlich und doch voll tiefer Weisheit.

Durch Jahrhunderte war der Witz die einzige und unentbehrliche Waffe des sonst waffen- und wehrlosen Volkes. Es gab – besonders in der Neuzeit – Situationen, die von den Juden seelisch und geistig überhaupt nur mit Hilfe ihres Witzes bewältigt werden konnten. So lässt sich behaupten: Der Witz der Juden ist identisch mit ihrem Mut, trotz allem weiterzuleben. – Salcia Landmann hat es unternommen, die verstreuten und oft nur mündlich überlieferten jüdischen Witze zu sammeln und zu ordnen. Ihre Auswahl, die alle thematischen bereiche umfaßt, geht eine soziologische Interpretation voraus, in der zugleich über Herkunft, Geschichte und Niedergang des jüdischen Witzes berichtet wird.“
(aus dem Klappentext)

„Zweierlei wollte ich mit meinem Buche: den tragischen Hintergrund des jüdischen Witzes aufzeigen, und diesen Witz selber heute, nach dem Untergang des europäischen Judentums, für den deutschsprachigen Leser sammeln und vor dem Vergessenwerden bewahren.

[…]

Wohin man blicken mag – die Bedingungen, welche den jüdischen Witz erzeugt haben, findet man nirgends wieder. Ein Teil des jüdischen Volkes hat den Naziterror zu überleben vermocht – nicht aber sein Witz. Er gehört heute der jüdischen Vergangenheit an, genau wie das deutsche Volksmärchen der deutschen Vergangenheit angehört.

Wir können ihn nur noch sammeln, und, solange er uns in seinen Voraussetzungen noch nicht fremd geworden ist, verstehen.“
Salcia Landmann in: Der jüdische Witz und seine Soziologie

Salcia Landmann: Jüdische Witze

Wenn manches nicht so traurig wäre, würde man lachen – sagt man. Der Jude lacht. Und ich habe bei dem Buch Jüdische Witze – ausgewählt und eingeleitet von Salcia Landmann: Der jüdische Witz und seine Soziologie, mit einem Geleitwort von Carlo Schmid – dtv 21017 – Deutscher Taschenbuch Verlag – 5. Auflage 2011 (zuerst erschienen 1960 im Walter Verlag, Olten) mitgelacht.

Die Ostjuden pflegten zu behaupten:
Wenn man einem Bauern einen Witz erzählt, lacht er dreimal. Das erstemal, wenn er den Witz hört, das zweitemal, wenn man ihm den Witz erklärt, das drittemal, wenn er den Witz versteht.
Der Gutsherr lacht zweimal: das erstemal, wenn er den Witz hört, das zweitemal, wenn man ihn erklärt. Verstehen wird er ihn nie.
Der Offizier lacht nur einmal, nämlich wenn man ihm den Witz erzählt. Denn erklären läßt er sich prinzipiell nichts, und verstehen wird er ohnehin nicht …
Erzählt man aber einem Juden einen Witz, so sagt er: „Den kenn ich schon!“ und erzählt einen noch besseren.

Im Laufe seines Lebens hört man viele Witze, ob freiwillig oder nicht. Fast alle vergisst man schnell wieder. So kenne ich nur wenige Witze und diese auch nur, weil sie kurz, also prägnant, etwas absurd und nach meinem Verständnis eben ‚witzig’ sind. Und zwei dieser Witze, die sich mir eingeprägt haben, finden sich in diesem Buch mit jüdischen Witzen, wenn auch in Abwandlung (im zweiten Witz ist es bei mir kein Rebbe, also Rabbi, sondern ein Pastor), seltsamerweise (oder auch nicht) wieder. Es beweist zumindest, dass meine Vorliebe für den jüdischen Witz, wenn auch unbeahnt, schon früh bestand:

Berel, Nichtschwimmer, plätschert im seichten Fluß – plötzlich gerät er in eine tiefe Stelle und brüllt um Hilfe. Schmerel: „Berel, was schreist du?“
„Ich habe keinen Grund!“
„Wenn du keinen Grund hast – was schreist du dann?“
(S. 89)

Ankunft in Krotoschin: „Sagen Sie, wo wohnt der Rebbe?“
„Dort hinüber.“
„Aber da kann doch der Rebbe nicht wohnen, da ist doch der Puff?“
„Nein, der Puff ist hier links.“
„Danke.“ Und geht links.
(S. 249)

Auf über 360 Seiten finden sich in dem Buch unzählige Witze – thematisch gegliedert. Es gibt wirklich viel zu lachen – oder zumindest zum Schmunzeln. Hier nur eine kleine Auswahl von Witzen, die mir besonders gefallen haben:

Schmul ist von der Straßenbahn abgesprungen und unsanft auf dem Toches (Gesäß) gelandet.
„Sind Sie niedergefallen?“ fragt ein mitleidiger Passant.
Schmul: „No na, so steig ich immer aus!“
(S. 94)

Gespräch auf dem Bahnsteig.
„Wohin fährst du?“
„Nach Warschau, Holz einkaufen.“
„Wozu die Lüge? Ich weiß doch: wenn du sagst, du fährst nach Warschau, Holz einkaufen, dann fährst du in Wirklichkeit nach Lemberg, Getreide verkaufen. Zufällig weiß ich aber, daß du tatsächlich fährst, um Holz zu kaufen. Warum lügst du also?“
(S. 107)

Joine Nelken sitzt im Theater bei ‚Maria Stuart’. Es wird immer tragischer, und er weint bitter. Plötzlich sagt er zu sich selbst: „Mein Gott, was treib ich daß Ich kenn sie nicht, sie kennt mich nicht – was reg ich mich so auf?“ (S. 274)

Schmul vor dem Goethe-Denkmal: „No – wer ist er schon? Kein Feldherr, kein Kaiser … bloß die ‚Räuber’ hat er geschrieben!“
„Was für Stuß (Unsinn)! Die sind doch von Schiller!“
„No also: Nicht einmal die ‚Räuber’ hat er geschrieben.“
(S. 274)

Ein Jude sitzt neben einem fremden Herrn im Varieté.
Ein Vortragskünstler tritt auf. Der Jude dreht sich seinem Nachbarn zu und flüstert: „Einer von unsere Leut!“
Eine Sängerin tritt auf. „Auch von unsere Leut“, sagt der Jude. Ein Tänzer kommt auf die Bühne. „Auch von unsere Leut“, erklärt der Jude.
„O Jesus!“, stöhnt der Nachbar angewidert.
„Auch von unsere Leut“, bestätigt der Jude.
(S. 292)

1933. In einem deutschen Amtsgebäude meldet sich ein Jude mit der Bitte, seinen Namen ändern zu dürfen. Der Beamte: „Im allgemeinen lassen wir uns auf Namensänderungen nicht ein. Aber Sie werden wohl starke Gründe haben. Wie heißen Sie denn?“
„Adolf Stinkfuß.“
„Ja – da muß man schon Verständnis haben. Wie möchten Sie heißen?“
„Moritz Stinkfuß.“
(S. 324)

Weiteres Material zu diesem Buch und natürlich auch Witze findet man unter: Was ist Jüdischer Witz?

Polnisch-jüdisches Sprichwort:
Wenn man arbeitet, hat man keine Zeit, Geld zu verdienen. (S. 201)

Schön ist auch dieser Witz, der den Talmud, eines der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums, zu erklären versucht:

„Joine, du warst doch auf der Jeschiwe (Talmudhochschule). Kannst du mir erklären, was das ist: Talmud?“
„Ich will es dir an einem Beispiel erklären, Schmul. Ich will dir stellen eine talmudische Kasche (Frage, Problem): Zweie fallen durch den Schlot. Einer verschmiert sich mit Ruß, der andere bleibt sauber … welcher wird sich waschen?“
„Der Schmutzige natürlich!“
„Falsch! Der Schmutzige sieht den reinen – also denkt er, er ist auch sauber. Der Reine aber sieht den beschmierten und denkt, es ist auch beschmiert; also wird er sich waschen. – Ich will dir stellen eine zweite Kasche. Die beiden fallen noch einmal durch den Schlot – wer wird sich waschen?“
„Na, ich weiß jetzt schon: der Saubere.“
„Falsch. Der Saubere hat beim waschen gemerkt, daß er sauber war; der Schmutzige dagegen hat begriffen, weshalb der Saubere sich gewaschen hat – und also wäscht sich jetzt der Richtige. – Ich stelle dir die dritte Kasche: Die beiden fallen ein drittes Mal durch den Schlot. Wer wird sich waschen?“
„Von jetzt an natürlich immer der Schmutzige.“
„Wieder falsch! Hast du je erlebt, daß zwei Männer durch den gleichen Schlot fallen – und einer ist sauber und der andere schmutzig?! Siehst du: das ist Talmud.“
(S.98f.)

Vor dem Holocaust gab es etwa 12 Millionen Menschen, die meisten davon in Osteuropa, die eine Sprache sprachen, die heutzutage neben älteren Menschen aller jüdischen Glaubensrichtungen vor allem chassidische Juden als Umgangssprache sprechen: Jiddisch, eine westgermanische Sprache, die aus dem Mittelhochdeutschen hervorging und dabei semitischen und slawischen Elemente benutzt. Über das Jiddische sind viele hebräische Wörter und Begriffe in die deutsche Sprache geflossen, die auch noch heute verwendet werden. Die jiddisch sprechenden Juden nennen diese Sprache Mame-Loschen (wörtlich Muttersprache, Laschón hebräisch = Sprache).

Einige ‚Neuinterpretationen’ jiddischer Begriffe finden sich ebenfalls in diesem Buch – Aus dem Jiddischen Lexikon:

Chuzpe (Impertinenz) = Lehrling
Dajes oder Daages (Sorgen) = Bilanz
Mischpoche (Familie, Klan) = beleidigt
Mizwe (religiöses Gebot, Wohltat) = eheliche Pflicht
Nadan (Mitgift) = die Hälfte
Stuß (Unsinn, Quatsch) = Liebe
Tinnef (Dreck) = Hochzeitsgeschenk
Toches (der Allerwerteste) = zweites Gesicht

Usw. (S. 255f.)

Es ist nun schon zwei Jahre her, da hatte ich an dieser Stelle eine 25-teilige Kolumne „Der Witzableiter“ von Eike Christian Hirsch, die 1984 im ZEITmagazin erschien, wiedergegeben und beendet. Wer möchte, findet hierzu den Anfang bzw. das Ende der Kolumne und kann sich – je nachdem – von vorn nach hinten oder von hinten nach vorn durchhangeln (das ist kein Witz):

Der Witzableiter (1): Totaler Blödsinn – ein Rückfall
Der Witzableiter (25): Abschied vom Witz, mit Humor

Besser, ruhiger, entspannter, einfach schöner pendeln

Ich bin Pendler – von Beruf. Nicht ganz, aber fast. Wer wie ich aus der niedersächsischen Provinz jeden Arbeitstag nach Hamburg hin und wieder zurück fährt, weiß Geschichten zu erzählen – egal, ob er mit dem Auto oder der Bahn ‚pendelt’. Ich fahre Bahn – wie viele von Euch längst wissen, denn oft genug habe ich diesem Blog meine ‚Sorgen’ hinsichtlich des Bahnfahrens anvertraut.

Wer nun wie ich seit fast 18 Jahren rund 50 km nach Hamburg und wiederum 50 km zurück mit dem Zug fährt (und dabei rechnerisch in zwei Jahren einmal um die Erde fährt – also habe ich unseren Planeten nun fast neunmal umkreist), tut gut daran, sich adäquat einzurichten. Ob man dem Pendeln wirklich Sinn geben kann (wie heute.de einen entsprechenden Artikel überschreibt), bezweifle ich, aber die Zeit nutzen, das sollte man schon (siehe u.a. auch faz.net und tagesspiegel.de).

Pendler gibt es inzwischen immer mehr. Und rund 1,5 Millionen Arbeitnehmer fahren werktäglich 50 km und mehr zur Arbeit (und 50 km zurück) – wie ich.

Fährt man wie ich mit der Bahn, dann braucht man nicht auf den Verkehr zu achten und kann sich entspannen – oder auch arbeiten. Besonders für Schüler und Studenten kann die Zeit dann sinnvoll genutzt werden, um Hausaufgaben zu erledigen oder sich auf eine Klausur oder auf ein Referat vorzubereiten. Ich nutze die Zeit z.B. zum Lesen, Musikhören oder neuerdings auch gelegentlich zum Videogucken. Morgens, ich gestehe es, schließe ich meist die Augen und döse, um ganz entspannt zur Arbeit zu kommen.

Wer pendelt, sollte sich entsprechend einrichten. Ohne Planung geht das heute einfach nicht mehr. Das beginnt mit den Fahrzeiten. Ich habe eine flexible Arbeitszeit und nutze diese, um nicht in die jeweiligen Hauptströme (Rushhour) anderer Pendler zu gelangen. Also morgens zeitig los und am nicht zu späten Nachmittag wieder zeitig in die Gegenrichtung. Auf diese Weise entgehe ich dem zu großen Gedränge und sichere mir einen Sitzplatz.

Der Schweizer Tagesanzeiger verrät dabei Dinge, die ich nach 18 Jahren Pendeln längst verinnerlicht habe (und eigentlich gar nicht weitergeben möchte – die spätestens mit diesem Wissen aufgeklärte Konkurrenz wird dann nur größer). Manches klingt geradezu brutal (Regel 3), ist aber für einen Pendler überlebenswichtig. Hier einige Tipps (den Rest kann man ja nachlesen), die Schweizer ‚Fachausdrücke’ habe ich versucht zu übersetzen (lassen):

Regel 1: Seien Sie – obgleich die Bahn es nie ist – pünktlich

Pendlerregel Nummer eins, aufgestellt vor mehr als zehn Jahren, hat unvermindert Gültigkeit: «Die S-Bahn ist immer unpünktlich, ausser du bist es.» Will heissen: Sie können rechtzeitig auf dem Perron [Bahnsteig] stehen, es kommen alle Züge, nur Ihrer nicht. Sind Sie aber einmal im Jahr knapp dran, hetzen zu Fuss aus dem Haus, weil Ihnen das Velo [Fahrrad] geklaut wurde, verfluchen den Regen (und die Frisur: sie mit Gel zu drapieren, hätten Sie sich sparen können; sie ist nach 200 Metern im Eimer), verfallen in leichtes Joggen, dann in Trab, nehmen die Unterführung im Spurt und keuchen entnervt die Treppe hoch – dann können Sie sicher sein, dass die S-Bahn für einmal pünktlich abgefahren ist. Ohne Sie.

Regel 2: Seien Sie altmodisch! Nehmen Sie eine Thermosflasche mit!

Die good old Wärmeflasche aus Edelstahl daheim mit dem Getränk Ihrer Wahl zu füllen (es darf dann ruhig Nieren-Blasen-Tee sein), mag Ihnen bünzlig [spießig] erscheinen, aber es ist zweckmässig. Denn wenn Sie den Kafi [Kaffee] noch rasch am Bahnhof besorgen wollen, kramt bestimmt eine Rentnerin vor Ihnen umständlich im Münz [Kleingeld], und Sie müssen ohne Kafi losfahren. Ergattern Sie dennoch einen Pappbecher, verschütten Sie ihn garantiert beim Einsteigen, weil der Plastikdeckel nicht recht sitzt, und sollte es gar gelingen, ihn bis zum Platz zu balancieren, ist dieser Platz inzwischen besetzt, weil Sie so langsam balancieren mussten; ausserdem ist der Kafi bereits erkaltet – dabei wäre er schon warm untrinkbar. (Es gibt eine, aber landesweit wirklich nur eine Ausnahme: Am Bahnhof Liestal serviert ein charmanter Halbglatzkopf in der «Caffeteria Pasticceria L’Angolo Dolce» den besten Cappuccino, den Sie Ihrer Lebtag getrunken haben, sì, Signori! Auf Wunsch auch in Pappbechern. Aber wer pendelt schon von Liestal aus?) Für alle anderen gilt: Die Edelstahlflasche ist gut verschliessbar, hält Ihr Getränk warm und spart Geld. Schliesslich wird das Bahnfahren teurer, da muss man aufs Budget achten.

Regel 3: Seien Sie skrupellos!

Wer im öffentlichen Verkehr zaudert, hat schon verloren: seinen Sitzplatz. In den nächsten sechs Jahren, rechnet der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), wird die Zahl der Fahrgäste um 25 Prozent steigen. Doch weil ein Ausbau des Angebots aus Spargründen nicht drinliegt, wirds im Nahverkehr künftig noch enger, stickiger, unangenehmer. Wer da wenigstens noch sitzen will, muss lauern, ehe Tram, Bus oder Zug halten. Und zwar seitlich neben dem Eingang. Stellen Sie sich nie frontal vor die Türe des Gefährts! Dort ergibt sich aus dem Schwall der Aussteigenden und der Gruppe an Wartenden eine solche Blockade, dass Sie in der Zwischenzeit hurtig seitlich reinschlüpfen und sich einen Platz ergattern können.

Gewiefte Pendler wissen, wo auf dem Perron sie stehen müssen, um beste Chancen aufs Hineinschlüpfen zu haben; sie merken sich die Stelle – Güselkübel [Mülleimer], vis-à-vis H&M-Plakat –, lassen sich ihre Absicht aber nicht anmerken, sondern begeben sich erst im allerletzten Moment dorthin. Ist es dann so weit, gilt es, egoistisch zu sein. Gewähren Sie niemandem den Vortritt! Ältere Menschen? Sind selber schuld, wenn sie zur Stosszeit unterwegs sind. Väter mit Kinderwagen genauso. Und Aussteigende, die zu spät daran gedacht haben, dass sie aussteigen wollen, gehören ohnehin weggewuchtet.

Seien Sie im Übrigen besonders rücksichtslos gegenüber denjenigen, die nur zweimal im Jahr den ÖV [Öffentlicher Verkehr] benutzen: wenn der BMW im Service ist und beim ersten Schnee (weil am BMW die Winterpneus [Winterreifen] noch nicht montiert sind). Das sind dann die, die blöd fragen, ob da noch frei sei, dabei ist unter wahren ÖV-Pendlern stillschweigend ausgemacht, dass immer frei ist, wenn frei ist. Sagen Sie deshalb extra «Nein!», sonst müssen Sie sich während der ganzen Fahrt das Gemotze anhören, wie sauteuer die Eisenbahn doch sei – diese Löli [dummer Kerl] haben nämlich kein Halbtax.

Bänz Friedli: Ich pendle, also bin ich

Und es gibt noch sieben weitere Tipps unter dem Titel: Schöner pendeln? So fahren Sie besser – verfasst von Bänz Friedli, dem Autoren aus Zürich einer Pendlerbibel mit Kolumnen über den öffentlichen Verkehr: «Ich pendle, also bin ich», Verlag Huber, Frauenfeld, 266 Seiten, 353 Fotos – wahrlich das ultimative Überlebens-Manual einer ganzen Generation von Pendlern.

Vorweihnachtszeit 2012 (6): Das Christkind & das Finanzamt

Unter dem Motto „Spaßige Weihnachten“ hier ein Gedicht, das die Probleme aufzeichnet, die das Christkind mit dem Finanzamt haben könnte, wenn alles nach Recht und Gesetz ginge.

Schöne Vorweihnachtzeit 2012

Weihnachtsgedicht vom Finanzamt

Denkt Euch ich habe das Christkind gesehen,
es war beim Finanzamt zu betteln und fleh´n.
Denn das Finanzamt ist gerecht und teuer,
verlangt vom Christkind die Einkommensteuer.

Das Amt will noch wissen, ob es angehen kann,
dass das Christkind so viel verschenken kann.
Das Finanzamt hat so nicht kapiert,
wovon das Christkind dies finanziert.

Das Christkind rief: „Die Zwerge stellen die Geschenke her“,
da wollte das Finanzamt wissen, wo die Lohnsteuer wär.
Für den Wareneinkauf müsste es Quittungen geben,
und die Erlöse wären anzugeben.

„Ich verschenke das Spielzeug an Kinder“, wollte das Christkind sich wehren,
dann wäre die Frage der Finanzierung zu klären.
Sollte das Christkind vielleicht Kapitalvermögen haben,
wäre dieses jetzt besser zu sagen.

„Meine Zwerge besorgen die Teile,
und basteln die vielen Geschenke in Eile“
Das Finanzamt fragte wie verwandelt,
ob es sich um innergemeinschaftliche Erwerbe handelt.

Oder kämen die Gelder, das wäre ein besonderer Reiz,
von einem illegalen Spendenkonto aus der Schweiz.
„Ich bin doch das Christkind, ich brauche kein Geld,
Ich beschenke doch die Kinder in der ganzen Welt.“

„Aus allen Ländern kommen die Sachen,
mit denen wir die Kinder glücklich machen.“
Dieses wäre ja wohl nicht geheuer,
denn da fehle ja die Einfuhrumsatzsteuer.

Das Finanzamt, von diesen Sachen keine Ahnung,
meinte dies wäre ein Fall für die Steuerfahndung.

Mit diesen Sachen, welch ein Graus,
fällt Weihnachten dieses Jahr wohl aus.
Denn das Finanzamt sieht es so nicht ein,
und entzieht dem Christkind den Gewerbeschein.

Quelle: weihnachten.machtspass.com

30 Jahre & mehr TITANIC: das endgültige Satiremagazin

    „Die verbotenste Zeitschrift Deutschlands.“
    (Der Spiegel)

Am Anfang war der Nikel, Hans A. Nikel, Gründer und Herausgeber der literarisch-satirischen Zeitschrift Pardon (eigentlich kleingeschrieben: pardon), die 1962 zum ersten mal auf den Markt kam und in Spitzenzeiten bis zu 320.000 Exemplare verlegte und damit eine Zeitlang Europas größte Satirezeitschrift war. Man glaubt es kaum, aber Loriot gestaltete damals das erste Titelblatt und Literaten wie Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser und Günter Grass waren als Autoren tätig. Heute bestens bekannte Schriftsteller und Zeichner wirkten mit: Robert Gernhardt, F.W. Bernstein, Kurt Halbritter, Hans Traxler, F.K. Waechter (Markenzeichen von Pardon war F. K. Waechters Teufelchen, das seine Melone lupft) und Chlodwig Poth, um nur einige zu nennen.

    Markenzeichen von Pardon war F. K. Waechters Teufelchen, das seine Melone lupft

„Die Zeitschrift Pardon, 1962 gegründet, befand sich nach einem guten Jahrzehnt verdienstvollen Satireschaffens (Aber hallo! Gesellschaftspolitische Aufmisch-Aktionen im glorreichen 68er-Schwung!) nun leider im Zustand des Siechtums. Jedenfalls sahen das all diejenigen so, die dort bereits längere Zeit mitgearbeitet und sich inzwischen einer nach dem anderen davongemacht hatten.

Es war ja nicht mehr zum Aushalten gewesen! Autoritäre Strukturen in antiautoritären Zeiten. Läppisch servile Servicebeiträge statt knallhart komischer Satire. Und schließlich […] auch noch der tiefe Fall des allmächtigen Ein Mann-Besitzers und Chefredakteurs aus den lichten Höhen rational aufklärerischer Satire in die Schleimgruben esoterischer Weltsicht.“
(aus: TITANIC – Das Erstbeste aus 30 Jahren – s.u.)

Hans A. Nikel konvertierte zu Johannes Nikel.

Einige Mitarbeiter trennten sich also, fanden sich zur Neuen Frankfurter Schule zusammen und gründeten 1979 die TITANIC als Konkurrenzmagazin. Nikel beendete seine Herausgebertätigkeit Ende 1980 und verkaufte Pardon an den Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza. Chefredakteur mit neuer Redaktion in Hamburg wurde Henning Venske. Während dieser Zeit erschien das Blatt nicht mehr geklammert, sondern wie eine Zeitung gefaltet. 1982 wurde Pardon eingestellt. Im April 2004 begann der Jenaer Satiriker Bernd Zeller (eine Zeitlang auch Mitarbeiter bei der TITANIC) mit der Herausgabe einer gleichnamigen Zeitschrift, nachdem er die Namensrechte von Nikel erworben hatte. Ich habe mir ab und zu ein Heft gegönnt (siehe meinen Beitrag Eulenspiegel, pardon oder Titanic?), wenn ich im Zeitschriftenhandel über eines stolperte. Im September 2007 wurde die Zeitschrift mit nur noch 1.000 Abonnenten eingestellt, der Onlineauftritt wird unter dem Namen Darvins Illustrierte fortgeführt. Am 6. Dezember soll zum 50. Jahrestag angeblich eine einmalige Ausgabe der Pardon erscheinen.

Es gibt sicherlich eine Menge satirischer Blätter, meist aber nur in kleinen Auflagen. Neben Eulenspiegel (Website des Eulenspiegel), der 1954 aus dem Satireblatt Frischer Wind hervorging und in Ostdeutschland gegründet wurde, ist seit 1979 TITANIC das meist gelesene Satiremagazin.

„Als die TITANIC von Robert Gernhardt, Peter Knorr, Chlodwig Poth, Hans Traxler und F.K. Waechter 1979 gegründet wurde, da glaubte man, bestenfalls drei Jahre über die Runden zu kommen. Nachrückende neue Kräfte, hoffnungslose Jungsatiriker aus der Provinz und andere Totalversager würden das Blatt dann schon erfolgreich zugrunde richten. Doch bisher sind alle nachwachsenden Generationen an diesem Projekt gescheitert. Zur Verblüffung ihrer Gründer hat sich die TITANIC als unsenkbar entpuppt. Dieses Buch versammelt nicht nur die besten Geschichten, Cartoons und Fotowitze aus dreißig Jahren – vom Buntstiftlutscher bei ‚Wetten, dass ..?‘ über ‚Genschman‘ und die ‚Zonen-Gaby‘ bis zum Fresskorb, mit dem die Fußball-WM 2006 ins Land gelockt wurde -, sondern auch zahlreiche unveröffentlichte Originalbeiträge. Ein Muß für alle Fans von intelligenter Satire.“
(Klappentext aus: TITANIC – Das Erstbeste aus 30 Jahren)

TITANIC – Der Erstbeste aus 30 Jahren

TITANIC besteht also jetzt seit über 30 Jahren. Zum 30. Jubiläum erschien das Buch als gebundene Ausgabe. Und vor einigen Wochen ist es auch für schlappe 14 € 95 als großformatiges, gut 410 Seiten starkes Taschenbuch erhältlich: 30 Jahre TITANIC

Natürlich als Liebhaber der Satire (und in jungen Jahren zusammen mit meinem alten Kumpel Hajo Graue Verfasser satirisch angehauchter Texte – siehe u.a.: Der Idiot) habe ich mir neben dem einen oder anderen Heftchen auch dieses Buch begönnt. Es ist eine Zeitreise in die Politik, Kultur und das Sexualverhalten sowie die größten Saufgelagen der letzten drei Jahrzehnte, ironisch-gepfeffert, satirisch-gesalzen und sarkastisch in Gurkenwasser getränkt, dass einem die Spucke wegbleibt. Wie hieß es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die TITANIC ist das Flaggschiff des deutschen Humors.“ Diese ironische Überspitzung trifft voll ins Blaue, also daneben: TITANIC ist das Ätzendste was einer/einem unter die Augen kommen kann. Also Vorsicht: Gefahrgut! Nichts für verzärtelte Gemüter! Daher nur heiß zu empfehlen.

Siehe auch meinen Beitrag: Titanic versus Blogger

TITANIC im sozialen Netzwerk: titanic@twittertitanic@google+titanic@facebook

Brett vorm Kopf

Ja, die Illusion der Alternativen, von der uns Paul Watzlawicks Anleitung zum Unglücklichsein berichtet. Man weiß schon vorher genau, was man auch sagt oder tut, man tut oder sagt das Falsche („Tut er A, hätte er B tun sollen, und tut er B, hätte er A tun sollen.“). Kommunikation ist nicht leicht, besonders zwischen den Geschlechtern. Einer ist am Ende immer der Angeschmierte. Dann heißt es nur noch, man (Mann!) hätte ein Brett vor dem Kopf. Aber angeschmiert sind im Grunde beide, wenn das bestehende Missverständnis nicht ausgeräumt wird. Aber man (Mann!) glaubt meist, der Klügere sein zu müssen, wenn er nachgibt. Dann hat er allerdings wirklich ein Brett vor dem Kopf.

Wie es auch sei, Ihre Frau kann jedenfalls nichts dafür. (© Loriot)
Wie es auch sei, Ihre Frau kann jedenfalls nichts dafür. (© Loriot)

Ich weiß, weshalb ich Loriot so mag. Er ist u.a. ein Meister darin, uns diese Illusion der Alternativen vor Augen zu führen … Die Zeichnung stammt übrigens aus einem Tagesabreißkalender, den ich von Loriot habe. Für 2013 gibt es diesen und noch viele andere humorvolle Kalender von Loriot im Handel. Daran denken: Das Jahresende naht und damit bald ein neues Jahr.

Martin Walser und die literarische Verlustanzeige

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, heißt es. Oder wie der Angelsachse sagt: The laugh is always on the loser. Womit wir bereits beim Kern der Sache wären: Da lässt ein Schriftsteller sein Tagebuch mit Skizzen und Notizen im Zug liegen. Und schon stürzt sich eine Meute auf den armen Mann, um ihn, den Verlierer (Versager), noch mit Hohn zu verlachen (The laugh is always on the loser).

Wie geschrieben hat Martin Walser sein in rotes Leinen gebundenes Tagebuch im Zug von Innsbruck nach Friedrichshafen vergessen: „Drin kein Name, keine Adresse. Ich hatte ja nicht vor, es liegen zu lassen“. Und schon witzelt frau in welt.de: „Martin Walser sorgt wieder einmal für einen Skandal: Er hat sein Leben liegen lassen.“ – und zieht über Walsers bisher veröffentlichte Tagebücher her. Und weiter: „Dann bot Walser der Nachrichtenagentur dpa ein Interview an. Darin stehen nun so Sätze wie ‚Wenn etwas verloren ist, entsteht ein Gefühl. Nichts entwickelt sich in uns zu solcher Deutlichkeit wie Verlorenes. Aber nur das Verlustgefühl nimmt zu, das Verlorene selbst bleibt verloren.’ Walser hat damit eine neue Kunstgattung erfunden. Neben dem literarischen Tagebuch gibt es jetzt auch die literarische Vermisstenanzeige. Immerhin hat er ‚ein aufgeschriebenes Leben im Zug liegen’ lassen. Nie wieder wollen wir an Laternenpfählen ‚Schlüsselbund verloren’ lesen. Sondern vielleicht ‚Der Zugang zum Heim, zur eigentlichen Heimat ist uns verwehrt. Heimlicher Schmerz, Heimatschmerz’. Oder so ähnlich.“

Erst einmal sollte es Verlustmeldung oder Verlustanzeige heißen, nicht Vermisstenanzeige, denn Herr Walser hat nur sein Tagebuch im Zug vergessen und vermisst keinen lieben Menschen (das vielleicht in seinem Alter auch, aber davon ist hier ja keine Rede). Martin Walser neigt nun einmal zu ‚Wortgewalt’ und äußert sich vielleicht auch in so profanen Dingen wie den Verlust eine Sache als Dichter. Aber es ist ja nicht nur eine Sache, die er verloren hat, es sind handschriftliche Aufzeichnungen von rund 200 Seiten, deren idealen Wert man durchaus erahnen kann. Inzwischen hat Walser selbst den Finderlohn von 3000 €, die sein Verlag aussetzte, um eigene 2000 € erhöht.

    Martin Walser: Leben und Schreiben - Tagebücher

Aber irgendwie kommt es noch dicker. In gewissen unernsten Betrachtungen äußert man sich bei nw-news.de wie folgt: „Unbestätigten Branchengerüchten zufolge, hat Walsers Verlag die Beseitigung des Tagebuchs in Auftrag gegeben. Zum einen, weil der Autor mit Hinweis auf Thomas Manns Notate (‚Verdauungssorgen und Plagen’) auf einer Veröffentlichung bestanden haben soll. Zum andern, weil ihn der Eintrag ‚Eines Tages bringe ich Reich-Ranicki um’ in unnötige Schwierigkeiten bringen könnte. Walser hofft noch, dass das Tagebuch wieder auftaucht. ‚Für den Schriftsteller’, sagt er, ‚wäre es eine Erlösung.’ Wir armen Leser müssen ihn ja nicht kümmern.“

Ob sich sein Tagebuch nun endlich angefunden hat, ist zz. nicht zu erfahren. Wollen wir es für Martin Walser hoffen. Immerhin steht er nicht allein da. T.E. Lawrence, bekannt geworden als „Lawrence von Arabien“, vergaß 1919 in einem Bahnhofscafé das einzige Manuskript von „Die sieben Säulen der Weisheit“. Er fand es nie wieder und musste alles neu schreiben. Auch Heimito von Doderer oder Alfred Polgar verloren Manuskripte. Die meisten unwiderruflich verlorenen Manuskripte sind aber Erstlinge, die bei den Verlegern verlegt werden (und zwar wörtlich) oder sich schon vorher auf dem Postweg in Luft auflösen. Arthur Conan Doyle traf es ebenso wie Henry Miller (Quelle: diepresse.com).

Hier findet sich ein Hinweis auf den Roman „Lila, lila“ von Martin Suter, der auch verfilmt wurde, in dem ein Manuskript in der Schublade eines Nachtschränkchens verschollen geht und von einem jungen Mann auf dem Flohmarkt gefunden wird. Er veröffentlicht es unter seinem Namen und wird berühmt, irgendwann aber bittet der wahre Autor bei einer Lesung um ein Autogramm. Nun Martin Walser hat ja wenigstens kein vollständiges Manuskript verloren.

Götz von Berlichingen

Von Götz von Berlichingen wissen die meisten nur sehr wenig, obwohl ein Spruch von ihm in ‚aller Munde’ ist. Dieser wird auch kurz als das Götz-Zitat bezeichnet. Und in Richtung Süden wird der Spruch als schwäbischer Gruß geführt. Überliefert hat uns diesen Spruch kein anderer als Johann Wolfgang von Goethe in einem Stück mit der „Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand“. Dort sagt (bzw. antwortet) Gottfried:

    Mich ergeben! auf Gnad und ungnad! Mit wem redt ihr! Bin ich ein Räuber! Sag deinem Hauptmann vor ihro Kaiserlichen Maj[estät]. hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber sag s ihm, er kann mich im Arsch lecken.
    | : schmeißt das Fenster zu : |

aus: Johann Wolfgang von Goethe: Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand – Dritter Aufzug

    Schwäbischer Gruß: LmaA

Apropos schwäbischer Gruß: Dort wird der Spruch nicht als direkte Aufforderung verstanden, sondern eher im Sinne von Überraschung oder auch, um ein Gespräch, das ins Stocken geraten ist, zu beleben. Unbedingt lesenswert ist die Interpretationshilfe bei de.wikipedia.org.

Dass Mozart (noch so ein Wolfgang!) den Spruch auch noch vertont hat (Wolfgang Amadeus Mozart – Leck mich im Arsch – KV 382c), wissen wir bereits aus einem früheren Beitrag von mir (leider sind nicht mehr alle dort aufgeführten Videos auch heute noch im Netz vorhanden).

Was bleibt mir da noch anders übrig für heute, als Euch allesamt zum Abschluss schwäbisch zu grüßen und allen ein schönes verbleibendes Wochenende zu wünschen: LmaA!