Wenn ein Unternehmen massiv auf Werbung setzt, dann ist das für mich äußerst suspekt. Wer möchte schon Kunde einer Firma sein, die einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Ausgaben für Marketing statt für Kundendienst und technische Unterstützung ausgibt. Und bisschen billiger hätte es ja auch sein können …
Mein Sohn ist vor über zwei Jahren zur beruflichen Ausbildung nach Göttingen gezogen. Er will dort ab Herbst auch studieren. So benötigt er natürlich Telefon und Internetanschluss. Im Herbst 2010 habe ich so mit ihm nach einen entsprechenden Provider gesucht. Damals war 1&1 der offensichtlich günstiges Anbieter.
1&1 kennt jeder aus der Werbung. Kein Telekommunikationsanbieter macht soviel Werbung wie 1&1, die Deutsche Telekom vielleicht ausgenommen, aber die haben ja bekanntlich auch die höchsten Preise.
Unser Empfinden, was unlauterer Wettbewerb ist, hat in den letzten Jahren sehr gelitten. Betrachten wir nur die Zinssätze von Banken, dann hätte man früher von Wucher gesprochen. Ähnlich verhält es sich auch auf dem Markt für Telekommunikation. Wenn ein Unternehmen wie 1&1 mit Preisen von z.B. 9 € 99 wirbt, dann vergleiche ich das gern mit einer Gaststätte, die Getränke ab 0 € 99 anbietet, weil das billigste Getränk, ein Kamillentee, tatsächlich nur 99 Cent kostet, ein Mineralwasser dann aber schon 2 € 40. Wer trinkt aber schon freiwillig Kamillentee?!
Wie Werbung geradezu in die Hose gehen kann, hat 1&1 bekanntlich auch bewiesen. Jener Marcell D’Avis, den man im Fernsehspot als „Leiter Kundenzufriedenheit“ präsentierte, wurde schnell zum Hassobjekt, denn frustrierte Verbraucher fühlten sich massenhaft getäuscht. Es dauert etwas, bis diese Werbefigur abgeschafft wurde (siehe spiegel.de). Dafür setzt man heute wieder verstärkt auf den Geldbeutel der Kunden.
Mitte November 2012 meldete mir mein Sohn, dass er nicht mehr ins Internet käme (und damit auch das Telefon nicht funktionierte). So meldeten wir das über das Kundenkonto online im Supportcenter als Störung (Gleichzeitig kündigten wir auch den verbliebenen Vertrag über die Doppel-Flat 6000).
1. Es kam eine automatisch erstellte Antwort, indem an das 1&1 Hilfe-Center im Internet mit vielen verschiedenen Links (Konfiguration und Verkabelung der Hardware – Meine 1&1 DSL-Modem funktioniert nicht, was kann ich tun? – Störungen erkennen und lösen) verwiesen wurde. „Wir hoffen, dass wir Ihre Fragen umfassend beantwortet haben.“ Beantwortet man Fragen mit Fragen?
2. Nun, mein Sohn konnte im LAN die Fritz Box aufrufen, startete diese auch neu, spielte eine neue Firmware auf das Gerät und kontrollierte alle Kabel. Alles ohne Erfolg. Er bat so 1&1 mit Mail vom 5. Dezember 2012 darum, von außen die Funktionsfähigkeit der Fritz-Box zu testen. Statt einer entsprechenden Antwort kam am 6. Dezember 2012 eine Mail mit der Bitte, den Service zu bewerten (Wie, bitte …?!)
3. Mit Mail vom 6. Dezember 2012 wurde mein Sohn zunächst „aufgeklärt“, wie das mit der Automatik des 1&1-Mailversandes aussieht: „Anhand von Schlagworten (z. B.: ‚Störung’, ‚FRITZ!Box’ oder ‚DSL’) in Ihrer E-Mail schickt Ihnen unser System automatisch eine Antwort mit möglichen Lösungsvorschlägen zu. In der Regel können wir damit Ihre Fragen beantworten und ein weiterer Kontakt mit der Kundenbetreuung ist für Sie nicht notwendig.“ Des Weiteren wurden die bereits zuvor gestellten Fragen (Punkt 1.) erneut gestellt.
4. Nun, mein Sohn beantwortete die Fragen und teilte mir am 13. Dezember 2012 nur mit, dass „das Zurücksetzen ein voller Erfolg war, ich kann jetzt gar nix mehr an der Fritzbox einstellen …“ Denn: „Zurückgesetzt habe ich es, neu einrichten ist ohne Internetverbindung nicht möglich. Daher konnte ich auch nicht die weiteren Daten einsehen, ich habe nun keinen Zugriff mehr auf meine FritzBox.“ (soweit die Meldung meines Sohnes an 1&1)
5. Als Antwort kam eine Mail von 1&1 (inzwischen schreiben wir den 13. Dezember 2012): „Prüfen Sie bitte, ob:
– Ihr 1&1 HomeServer angeschlossen und eingeschaltet ist.
– Ihre Internetzugangsdaten korrekt eingetragen sind und eine dauerhafte Verbindung aufgebaut ist.“
Mein Sohn schrieb mir nur: „So langsam fühle ich mich verarscht von diesem Karnevalsverein… Meinen die mit dauerhafter Verbindung funktionierendes Internet?!“ – Hatte mein Sohn 1&1 nicht mitgeteilt (siehe Punkt 4.), dass sich die Daten nicht mehr eintragen lassen und sich eine dauerhafte Verbindung somit nicht aufbauen lässt?
6. Mit Mail vom 17. Dezember 2012 schrieb dann 1&1: „Damit Sie Ihren 1&1 DSL-Anschluss schnell wieder nutzen können, benötigen wir Ihre Unterstützung. Leider konnten wir Sie telefonisch nicht erreichen. Bitte rufen Sie uns daher einfach über ein Mobiltelefon vom Anschlussort aus an. So können wir die erforderlichen Leitungsprüfungen sofort gemeinsam durchführen und die weiteren Schritte direkt mit Ihnen besprechen.“
Apropos telefonische Erreichbarkeit! Wie soll das möglich sein, wenn neben Internet auch die Telefonie nicht funktioniert? Und ein Mobiltelefon ist ein MUSS, wenn man den 1&1-Service in Anspruch nehmen möchte?
7. Nach längerem Hin und Her (dazu ist zu sagen, dass mein Sohn durch Ausbildung und Nebenjob etc. nicht immer in seiner Wohnung erreichbar ist) schrieb mir mein Sohn dann: „Der Techniker war heute da, zwar zwei Stunden später als angekündigt, aber ok. Es liegt weder an der FritzBox noch an der Telekom, 1&1 scheint irgendein Problem zu haben und nix an die Telekom zu senden. Ich muss da heute Abend nochmal anrufen, mal sehen ob das dieses Jahr noch was wird…..“
8. Am 28.12.2012 dann die Meldung meines Sohnes an mich: „Moin, ich habe seit vier Minuten wieder Internet. Und woran lag’s? An 1&1, irgendein Port war defekt oder nur falsch eingestellt. Nachdem der Callcenterfutzi mir fast eine neue FritzBox andrehen wollte und ich meinte, dass der Telekommensch einen anderen Fehler gefunden hätte, dauerte es ganze zwei Minuten bis alles wieder funktionierte…“
Die DSL-Leitungen der Deutschen Telekom werden bei 1&1 „durchgeschleift“. Dort an dem entsprechenden Port ist der Fehler aufgetreten (also bei 1&1).
Nach sechs Wochen kam mein Sohn also endlich wieder ins Internet und konnte telefonieren. Wie heißt es so schön bei 1&1: Nur wenn Sie zufrieden sind, sind wir es auch (Wie unzufrieden müssen die sein!). Und um das zu unterstreichen, gibt es eine 1&1 Entstörungs-Garantie: „Sollte Ihre Leitung wider Erwarten wirklich einmal vorübergehend gestört sein, kümmern wir uns schnellstmöglich darum. So beheben wir zum Beispiel Störungen, die bis 12 Uhr mittags gemeldet werden, oft noch am gleichen Tag, spätestens jedoch am nächsten Werktag. Ansonsten erlassen wir Ihnen eine monatliche Grundgebühr.“ Obwohl die „Störung“ eindeutig von 1&1 verursacht wurde und mein Sohn sechs Wochen ohne Internet und Telefonie war, ist diese Garantie (sprich: Erlass mindestens einer monatlichen Grundgebühr) bisher NICHT eingehalten worden.
Natürlich ist diese Entschädigung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Immerhin war mein Sohn sechs Wochen ohne Internet. Und von den Unannehmlichkeiten ganz zu schweigen, die er hatte. Erst einmal hat der Kunde Schuld, wenn etwas nicht klappt. Ich werde mich mit diesem Beitrag an Herrn Frank Doberer, Vertragsadministration bei 1&1, wenden – u.a. mit der nochmaliger Bitte um sofortige außerordentliche Kündigung – und bin mehr als gespannt, wie die Reaktion sein wird. Lassen wir uns überraschen – auch positiv …
Nachbetrachtung: In diesem Zusammenhang verweise ich auf ein BGH-Urteil zum Schadenersatz bei Internetausfall: Mit seiner Entscheidung würdigt der Bundesgerichtshof die Bedeutung des Internets für private Lebensführung.
Internet-Nutzer haben nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Anschluss ausfällt. Der Zugang zum Internet sei auch im privaten Bereich von zentraler Bedeutung für die Lebensführung, entschied der BGH am Donnerstag. Deshalb bestehe auch ohne Nachweis eines konkreten Schadens ein Ersatzanspruch, wenn die Nutzungsmöglichkeit entfällt. Das gleiche gelte für den Telefonanschluss. Konkrete Summen nannte der BGH nicht (Az.: III ZR 98/12). Damit zählen Internet und Telefon für den BGH zu den wenigen Wirtschaftsgütern, bei denen sich ein Ausfall typischerweise „auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt“. (Quelle: tagesspiegel.de vom 25.01.2013)