Archiv für den Monat: Februar 2007

Ahooga Nonsen – Frühlings Erwachen oder Dreck am Stecken – Teil 1

Es war im März 1993, da brach bei mir wieder einmal die poetische Ader auf und ergoss sich in Form einer Einleitung zu einem Kriminalroman aufs weiße Papier (eigentlich doch eher in kleinen Bits bzw. Bytes auf die Festplatte meines Rechners). Über diesen Anfang bin ich nie hinweg gekommen (in des Wortes doppelter Bedeutung), denn schon sehr bald versiegte die schöpferische Quelle und es blieb mir nur das folgende Roman-Fragment, dessen ersten Teil ich hiermit zum Besten gebe. Immerhin hat es geradezu Kafka’sche Qualität und sollte nicht in einer Schublade meines Schränke verstauben (respektive Festplatte). Und auch thematisch passt es in die jetzige Jahreszeit. Also viel Spaß beim Lesen:

1 Tauwetter

Tauwetter – Sauwetter! Es kommt tja schon selten vor, daß der Schnee in Hamburg liegen bleibt. Und wie der Schnee alles unter seiner weißen Decke verschwinden läßt, alles gewissermaßen verhüllt, so daß Schritte, der Autolärm und alle anderen Geräusche, die eine Stadt alltäglich hervorbringt, dämpft und sogar, wenigstens teilweise, zum Schweigen bringt … man könnte denken, daß Leben kommt zum Erliegen … so schwieg auch das Telefon von Ahooga Nonsen, der tagelang allein in der weißverhüllten Stille des Winters in seinem Büro hockte, sprungbereit, um beim nächsten Klingeln des Telefonapparats den Hörer aufzunehmen, z.B. die Zigarre lässig zwischen Daumen und Mittelfinger der linken Hand drehend – absolute Sendepause! Es gab für ihn nichts zu tun. Und irgendwie war er froh darum, nichts tun zu müssen und stattdessen seinen Blick aus dem Fenster auf die fallenden Schneeflocken richten zu können. Als dann die Dämmerung einsetzte und das Telefon immer noch nicht zu klingeln wagte, als wäre es eingeschneit, da drückte Ahooga seine längst schon erkaltete Zigarre im rettungslos überfüllten Aschenbecher aus; die Zigarettenkippen samt Asche quollen wie aufgeschäumter Kunststoff hervor und mehrere fielen dann auch über den Rand auf den mit ausgeschnittenen Zeitungsartikeln übersäten Schreibtisch. Tagsüber bevorzugte Ahooga Zigaretten, die er sich wie beiläufig selbst zu drehen pflegte. Stand der Abend vor der Tür, dann gönnte er sich eine Zigarre, nicht die billigste, beileibe aber auch nicht die teuerste. An einen Tag wie diesen rauchte er viel, während er in den Zeitungen blätterte und den einen oder anderen Artikel, der ihm interessant erschien, mit der angerosteten Schere ausschnitt, er rauchte zu viel, wie sein Arzt ihm sagen würde. Und der Kippen sammelten sich zusehends. Als interessiere ihn der übergequollene Aschenbecher nicht, ließ Ahooga alles liegen und stehen, stand aus seinem abgestoßenen Ledersessel auf, schlich langsam und bedächtig auf den Garderobenständer zu, der einen in den Ärmeln ausgebeulten hellen Mantel und seine schottengemusterte Schlägermütze wie auf gegen die Zimmerdecke ausgestreckte Spiddelfinger barg, um beides aufzunehmen, zuerst den Mantel mit der rechten Hand, um ihn über den linken Arm zu hängen, dann die Mütze ebenso mit der rechten, um sie sogleich über den Kopf zu stülpen, wobei die linke Hand, durch den in der Armbeuge eingeklemmten Mantel behindert, beim Richten der Mütze nachzuhelfen suchte, was aber nicht auf Anhieb gelang. Erst beim dritten Versuch schien es zu klappen, zumindest dachte Ahooga Nonsen das, aber die Mütze knüllte einen größeren Haarbüschel des Hinterkopfes, so daß die ansonsten vermeidlich geordnete Frisur durcheinander geriet und die Mütze am Hinterkopf unmäßig beulte. Den Mantel zog er erst im Hausflur an, nachdem er die Türe zu seinem Büro mit dem Schlüssel, den an einem mit unzählig vielen Schlüsseln unterschiedlichster Art übersäten Schlüsselbund, verschlossen hatte. Wie ein Magier fand er aus dem Metallknäuel in Sekundenschnelle den richtigen Schlüssel, schloß mit der linken Hand ab, um gleichzeitig mit der rechten den Mantel aufzunehmen, diesen gewissermaßen in die Luft warf, um mit dem rechten Arm in den durchaus richtigen rechten Ärmel hineinzuschlüpfen. Und kaum war die Tür verschlossen, war auch schon das Schlüsselknäuel in der linken Hosentasche verstaut. Im Hinuntergehen zog er sich dann den Mantel vollständig an. Unten an der Haustüre, zwei Stockwerke unterhalb seines Büros, nesselte er am Mantelkragen herum, noch bevor er die Tür zur Straße geöffnet hatte. Ein Kälteschauer fuhr ihn über den Rücken. Er knöpfte auch den obersten Knopf schnell zu, öffnete die Tür und mit einem kleinen Sprung, so als wäre er gestoßen worden, hüpfte er auf den Gehweg, der, obwohl vor kurzem gefegt, wieder fast vollständig beschneit war. Als er auf das Pflaster aufsetzte, mußte er mit den beiden Armen balancierend seinen Schwung ausgleichen, um nicht ins Staucheln zu geraten. Das Pflaster war glatt, zumal er nicht die für diese Witterung richtigen Schuhe anhatte. Er hatte keine anderen Schuhe außer diese schwarzen, deren rechter Schürsenkel schon vor längerer Zeit gerissen und dann von Ahooga notdürftig zusammengeknotet war, um weiterhin seinen Dienst zu verrichten. So kam Ahooga Nonsen bei fast jedem Schritt, den er tat, ins Rutschen, mußte einmal den einen, dann den anderen, meist aber beide Arme zu Hilfe nehmen, um seinen Gang auf dem glitschigen Grund aufrecht zu halten. Fast wie ein Seiltänzer balancierte er auf Eis und Schnee.

Tauwetter ist Sauwetter! dachte sich Ahooga Nonsen. Denn nach einer Woche der Eiseskälte hatte eine Westströmung plötzlich wärmere Luft über Frankreich aus dem Mittelmeerraum um Spanien herum auch nach Hamburg gebracht, die innerhalb kürzester Zeit den angehäuften Schnee zum Schmelzen brachte. Ahooga hatte sich extra für dieses unverhofft eingebrochene Winterwetter feste Stiefel mit Fellimitat und Profilsohle gekauft, weil seine schwarzen Schürschuhe förmlich im Schnee ersoffen waren und mit Zeitungspapier ausgefüttert zum Trocknen unter der Heizung seines Büros standen. Einen halben Tag lang war er mit nassen, eiskalten Füßen durch die Innenstadt Hamburgs gelaufen, die ersten Anzeichen eines Schnupfens hatte er halbwegs erfolgreich mit einem Tee, der verdächtig nach Rum roch, bekämpft, um sich dann endlich zu diesem Kauf zu entschließen. Wie zufällig kam er an einem Schuhgeschäft vorbei, das diese dunkelbraunen Stiefel mit dem Plastikfell in Massen zu einem herabgesetzten Preis: besonders preisgünstig – der Sommerschlußverkauf nahte – an den Käufer zu bringen suchte. Eigentlich war er am Schuhgeschäft schon vorbei, da schmerzten ihn plötzlich seine halberfrorenen Füße, so daß er kehrt machte, ein Paar seiner Größe am Eingang des Ladens aufnahm und unter die linke Achselhöhle stopfte, den Laden betrat, Ausschau noch nach dicken Socken hielt, keine passenden auf Anhieb finden konnte, so zur Kasse schritt, um den Preis zu entrichten. Das Anprobieren vergaß er dabei, bereute es sehr bald, denn die Schuhe waren zu groß. Zunächst erschien das kein Problem zu sein. In seinem Büro zurückgekehrt, suchte er im rechten unteren Schreibtischschubfach nach Socken, konnte keine finden und nahm so bereits getragene, die auf der Heizung zum Trocknen lagen. Sie waren noch etwas klamm, er zog die alten Schuhe samt nassen Strümpfe aus, stülpte sich die lauwarmen Socken über und schlüpfte in die neuen Stiefel. Da diese zu groß waren, ergänzte er sein Fußkleid um die kaltnassen Strümpfe, was aber auch nicht viel half, denn er rutschte mit den Füßen hin und her, wobei sich die Hacken am rauhen Stiefelleder rieben. Zunächst kein Problem, wie gesagt. Als er aber vom Büro nach Hause kam, unterwegs noch schnell Zutaten für sein Abendessen einkaufte, sich auch noch in seiner Eckkneipe mit einem Grog stärkte, da verspürte er bereits ein Stechen in beiden Hacken, das in ein Brennen überging, nachdem er sich von den Stiefel befreit hatte, und nicht wie der Schmerz eisiger Füße vorübergehen sollte. Nachdem er sich die Füße rundum wund gelaufen hatte, diese mit Salben behandelt und Pflästerchen unterschiedlichster Größe verbunden hatte, da setzte das Tauwetter ein. Seine schwarzen Schuhe standen im Büro und er saß auf seiner Couch mit einer Flasche Bier vor dem Fernseher, um sich ein Bundesligaspiel mit dem HSV anzugucken, obwohl er alles andere als ein HSV-Fan war.

Am nächsten Tag ging er dann zum letzten Mal mit diesen quälenden Stiefeln in sein Büro. Das lauige Lüftchen aus dem Mittelmeerraum hatte dem Schnee nun gänzlich den Garaus gemacht. Die bisher tiefgefrorene Hundescheiße lag häufchenweise quirlig-frisch und von besonders weicher Konsistenz an fast jedem Straßenrand und nicht nur gelegentlich, auch mitten auf dem Bürgersteig. Ahooga mußte es also passieren, daß er voll in einen solchen braunen Stinkhaufen hineintrat. Und wäre er nicht so gut bei Training und Balance, so hätte er sich bestimmt noch hingelegt, denn er rutschte auf dem Scheißmist aus, ruderte mit den Armen verzweifelt in der Luft, fand aber schnell das Gleichgewicht, um fluchend Ausschau zu halten nach einem Herrchen oder Frauchen mit Hundeseele, um dieser sein Leid zu klagen. Aber er war allein auf weiter Flur und kratzte den Hundedreck am nächsten Bordstein notdürftig ab. Im Büro angekommen zog er schnell die Stiefel aus, um sie in Richtung Papierkorb zu werfen. Da dieser aber mit zusammengeknüllten alten Zeitungen bereits übervoll war, einzelne Papierschnipsel lagen zerstreut daneben, so trumpften die Stiefel lediglich einzeln auf dem Korb auf, um sich in Richtung Garderobenständer zu verflüchtigen. Hier sollten sie noch einige Zeit liegen bleiben, obwohl von dem an ihnen haftenden Hundekot ein etwas übelverursachender Gestank ausging.

Fortsetzung folgt …

Was ist bloß mit Ian los? Teil 50: Tulls Folk-Alben

Hallo Wilfried,

selbst in unserer Gemeinsamkeit des Folk-Faibles finden sich Unterschiede: Mir gefällt „Heavy Horses“ besser als „Songs from the wood“. Zwar enthält das Album der Waldlieder einige Highlights, aber Heavy Horses finde ich durchgängiger. Die Lieder sind nicht nur sehr gut, sie reihen sich auch nahtlos aneinander zu einer Kette, von der man sich gerne einwickeln lässt. Es ist tatsächlich so: Jedes Mal, wenn ich dieses Album höre, spüre ich den Drang, auf einer englischen Farm zu leben. Das ist im Grunde Unsinn, denn auf einer englischen Farm wird es nicht anders zugehen als auf einem deutschen Bauernhof, aber ich kenne kein Lied, dass mich auf einen deutschen Bauernhof zieht. Es ist eben meine unerklärliche Vorliebe für (fast) alles Britische. Um noch einmal eine Phrase zu bemühen: Heavy Horses hat in seiner Durchgängigkeit etwas von einem Konzeptalbum.

Zu Deiner These:
Es sind unbestreitbare Tatsachen, dass Mr. Anderson kommerziell erfolgreiche Alben produziert hat und dass er auch anspruchsvollere Musikgeschmäcker bedienen kann. Nicht einmal ich nehme ihm diese „leite Kost“ übel; er hat sich schließlich für den Beruf des Musikers entschieden und muss nun damit sich, seine Familie und seine Musiker ernähren. Dieser Verantwortung wird man mit kommerziell erfolgreicher Musik besser gerecht als mit Produktionen für einige wenige Nischen. Dabei ist die „leichte Kost“, die er seinem Publikum präsentiert, kein fader Einheitsbrei, wie wir ihn in der aktuellen Popmusik beklagen müssen. Das, was für Mr. Anderson ein leichter Imbiss war, stellt für andere Künstler ein unerreichbares 4-Sterne-Menü dar.

Und tatsächlich konnte er darüber hinaus noch mehr. Das hat er mit seinen Ausflügen in die klassische Musik hinlänglich bewiesen. Allerdings vermag ich nicht zu beurteilen, woran sein Herz mehr gehangen hat, an Rock und Folk oder der Klassik und der Orchestermusik. Wie ich an früherer Stelle schon einmal geschrieben habe, wirkte Mr. Anderson während seiner Folk-Phase sehr glaubwürdig und authentisch. Dem Leben als Landmann ist er bis heute treu geblieben. Pferde, Katzen und Fans danken es ihm.

Dass Stücke wie „Thick as a Brick“ und „Passion Play“ in ihrem Bombast und ihrer Komplexität an Orchesterwerke erinnern ist auch meine Meinung. Das wird schon offensichtlich, wenn man sieht, wie viele Musiker bei den Liveauftritten auf der Bühne beschäftigt sind. Mit der 4-Mann-Besetzung einer typischen Rockband ist JT nur in der frühen Phase ausgekommen. Ich verzichte an dieser Stelle ganz bewusst auf den Hinweis, dass Queens Bohemian Rhapsody in meinen Augen ebenfalls ein Werk für Orchester darstellt.

Der Kern Deiner These besteht in der Aussage, dass die Hinwendung Mr. Andersons zur klassischen Orchestermusik nur eine logische Konsequenz und gradlinige Fortsetzung seines bisherigen Wirkens ist. Dass er jahrelang in den Fesseln der Rockmusik gefangen war und sich nun, wo er finanziell und künstlerisch einigermaßen unabhängig ist, sich aus diesen Fesseln befreit. Ob dem so ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Jedenfalls kann eine solche These nur im Kopf eines absolut begeisterungsfähigen Fans heranreifen (ich meine das diesmal nicht sarkastisch; verstehe es als Kompliment !).

Ich halte diese These durchaus für denkbar, sogar wahrscheinlich. Aber bei mir als geborenem Zweifler und Zyniker bleibt eine gewisse Skepsis. Mir ist diese Erlösungstheorie einfach zu hoch gegriffen, um sie auf den Businessman, Egozentriker, Diktator und Fast-Misanthropen Anderson uneingeschränkt anzuwenden.

Auf jeden Fall ist Deine These ein interessanter Aspekt, den es sich weiter zu beleuchten lohnt.

Zum Schluss noch ein Wort zu einer Künstlerin, die uns beide beeindruckt hat. Auf youtube fand ich Mitschnitte von Kate Bush – Konzerten. Das Video ist in vier etwa gleichgroße Teile zu jeweils etwa 10 Minuten aufgeteilt. Es liegt bei youtube in mehreren Versionen vor. Die beste Bild- und Tonqualität findet sich in der Version Kate Bush in Concert ¼ bis 4/4.

Neben den Konzertausschnitten werden uns Interviews und einige private Szenen aus dem Leben der Künstlerin gezeigt. Sehr sehenswert, wie ich finde. Auch Kate Bush zählt für mich zu den Musikschaffenden, die jede Form der Beachtung und Würdigung wert sind. Wenn Du also Zeit, Lust und Internetzugang hast….

Um Deine Entfernung zum Epizentrum des Rheinischen Karnevals beneide ich Dich.

Wir bleiben weiter in Verbindung.
Lockwood

09.02.2007

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Hallo Lockwood,

bevor ich zu den Folk-Alben von Jethro Tull komme, möchte ich eine Vorbemerkung los werden. Da ich ja einige Tage ‚offline’ war (richtig: war, ich habe meinen Rechner wieder, auch bei dem war das Netzteil defekt), habe ich diese u.a. genutzt, um einmal wieder in alte Schallplatten hineinzuhören. So habe ich auch ein Doppel-Album mit schottischer Folklore. Wirklich sehr schön. Bemerkenswert daran ist, dass viele Lieder einen politischen Hintergrund haben; angesichts der Geschichte Schottlands auch kein Wunder. Besonders schön ist natürlich Robert Burns’ „A Man’s A Man for A’ That“ aus dem Jahre 1795, das ich vor vielen Jahren – wie bereits vermeldet – selbst einmal vorgetragen hatte.

Burns Werke haben selbst über 200 Jahre nach seinem Tod noch immer einen großen Stellenwert in Schottland, was unter anderem auch daran gesehen werden kann, dass zur Eröffnung des schottischen Parlaments 1999 das besagte Lied gesungen wurde; siehe hierzu das Video (wer hört schon ein ganzes Parlament singen) : (siehe: Schottland 2005: Robert Burns und ‘Die Toten Hosen’)

Nun zu diesem Lied gibt es auch einen deutschen Text, ebenso politisch, von Ferdinand Freiligrath: Trotz alledem. Neben Biermann hat bzw. hatte es auch Hannes Wader im Repertoire.

Was ich damit sagen will: Folklore bzw. Folk-Musik ist im Wesentlichen sehr politisch. Dagegen sind die Folk-Alben von Jethro Tull eher rustikal. Weiter zu deiner Mail:

Ich denke, dass man auch „Songs from the Wood“ als Konzeptalbum ansehen muss. Eigentlich müsste man ‚die Frage’ anders herum stellen: Welches der Tull-Alben ist kein Konzept-Album? Mir gefällt „Songs from the Wood“ wohl deshalb besser, weil es rockiger ist (oder im Umkehrschluss zu „Heavy Horses“: weniger „blumig“). Ich denke, dass auch Ian Anderson die Lieder aus dem Wald ‚besser’ findet, dafür spricht, dass er Lieder dieses Albums öfter (auch später) auf die Bühne gebracht hat, z.B.:

Songs from the Wood, Jack-in-the-Green, Hunting Girl, Ring out, Solstice Bells, Velvet Green, The Whistler, Pibroch (Cup in Hand), wenn auch nur in einer kurzen instrumentalen Fassung. Lediglich von Cup of Wonder und Fire at Midnight gibt es kein mir bekanntes Video-Material. Von den neun Stücken „Heavy Horses“ sind vier Lieder im Video ‚überliefert’: Neben Heavy Horses sind das No Lullaby, Moths und Weathercock in einer noch sehr aktuellen Aufnahme (Lugano 2005).

Jethro Tull: Songs from the Wood (1976) Jethro Tull: Heavy Horses (1978)
Jethro Tull: Songs from the Wood (1976) Jethro Tull: Heavy Horses (1978)

Ich will „Heavy Horses“ nicht schlecht machen. Wir können ja in unserem weiteren Gedankenaustausch sicherlich näher auf dieses Album (und „Songs from the Wood“) eingehen. Dazu müsstest Du etwas zu sagen haben. Und mich würden auch die Texte näher interessieren (besonders die Waldlieder haben es wohl in sich).

Backcover zu 'Heavy Horses' von Jethro Tull (1978) - Fotografie von Shona Anderson

Zum Titelsong „Songs from the Wood“. Vielleicht weißt Du es ja längst. Der A-Capella-Gesang am Anfang ist allein Ian Anderson, nur mehrmals aufgenommen. So kam der Gesang bei Live-Auftritten an dieser Stelle vom Band, wenn die Herren Mitstreiter auch so tun, als ob … Ich bin ein ziemlich stark ausgeprägt visueller Typ. Aber auch für jeden anderen sind die vorhandenen Videoaufnahmen von diesem Stück einfach ein Hochgenuss. Zum einen der A-Capella-Chor, dann der kurze Flötenauftritt von Barriemore Barlow – und natürlich Ian Anderson, wie er die Becken am Anfang des Stücks (Peng…….Peng-Peng) und am Ende (Peng……. Peng…….Peng-Peng) zusammenschlägt. Hier lässt Monty Python grüßen …

So nebenbei: Das Moths-Video hatte unser Freund Francis bei myvideo.de eingestellt. Ja, hatte … denn wie ich jetzt feststellen musste, hat Francis sich dort verabschiedet. Kein Francis, keine Videos – auch nicht die löblichen Play back-Aufnahmen. Schade. Immerhin ist seine kleine Homepage noch vorhanden. Ich werde versuchen, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Francis heißt übrigens Franz K. (erinnert mich irgendwie an Franz Kafka) und lebt in Kaufbeuren.

Apropos englische Farm: Als ich mit meinen Lieben 2005 in Schottland Urlaub machte, da waren wir auch für zwei Nächte auf einer Farm untergebracht – im kleinen Ort Keith, dort, wo Chivas Regal sein Stammhaus hat (Strathisla Distillery). Das war ziemlich rustikal dort und „Heavy Horses“ entsprechend, wenn es dort auch keine Pferde, sondern nur Kühe und Schafe gab. Wir selbst leben ja auch in fast ländlicher Idylle, denn wir brauchen nicht weit zu gehen, um nur Felder und kleine Wäldchen um uns zu haben (und Heide – ich lebe mit meiner Familie ja in der nördlichen Lüneburger Heide).

Kühe in Keith/Schottland - mit Warehouses von Chivas Regal im Hintergrund
Kühe in Keith/Schottland – im Hintergrund ‚Warehouses’ von Chivas Regal

In meiner These gehe ich zunächst einmal davon aus, dass Ian Anderson viele Elemente der schottischen Musik in seine Lieder und Stücke eingebaut hat. Bagpipe und Flöte werden zwar nicht immer synonym verwendet, oft erklingt mir aber Martins Gitarre wie ein Dudelsack. Es verwundert mich eben nicht, dass der Meister sich für die Flöte entschieden hat. Welche Band außer Jethro Tull ‚setzt’ so sehr auf das Flötenspiel?! Das hat für mich etwas mit seiner Herkunft zu tun.

Für Andersons Hinwendung zur klassischen Orchestermusik gibt es noch mindestens zwei weitere Indizien. Soviel ich weiß, hatte er auf einer Tournee zur Band auch einmal mehrere Damen (ich denke, es waren 3) auf die Bühne geladen, die in klassischen Gewändern Geige (vielleicht auch Cello) spielten. Die gute Lucia ist also nicht die erste, die mit Herrn Anderson gegeigt hat. Ich habe im Internet nach Fotos gesucht, bin aber bisher nicht fündig geworden. Es müsste aber in der Zeit von „Thick as a Brick“ und „A Passion Play“ bis maximal „War Child“ gewesen sein. Hast Du vielleicht dazu irgendwelche Infos oder Bilder? Mir erscheint es einfach so, als hätte Ian Anderson schon früher gern mit Orchestern zusammen gespielt. Damals hat es nur zu den wenigen Damen gereicht.

Ein weiteres Indiz ist die Musik selbst. Nicht nur, dass sich Tull manchmal sehr orchestral anhört oder zur Untermalung Streichersätze verwendet werden (früher von David/Dee Palmer arrangiert und von echten Violinisten und Violinistinnen eingespielt – heute künstlich, also elektronisch am Keyboard erzeugt). Ian Andersons Stücke bedienen sich zunehmend des Kontrapunktes. Es ist nicht nur, dass z.B. ein Solo auf der Flöte von der Gitarre (oder dem Keyboard) übernommen und weitergeführt wird. Oft ‚überlagern’ sich zwei (oder auch mehr) Instrumente, eine obere und eine untere ‚Stimme’, die aber auch getauscht werden können (mehrstimmige Themen). In dieser Polyphonie entfaltet sich das, was auch dem ungeübten Ohr den orchestralen Eindruck vermittelt.

Den Kontrapunkt finden wir hauptsächlich in der klassischen (Orchester-)Musik. Sicherlich gibt es dazu viele theoretische Anmerkungen (siehe Wikipedia), ich denke aber, dass ein gutes (wahrscheinlich doch: absolutes) Gehör genügt, um mit dem Kontrapunkt arbeiten zu können. An dieser Stelle stellt sich für mich aber wieder die Frage, ob Ian Anderson Noten lesen und schreiben kann. Wer eine solch komplexe Musik verfasst, kommt eigentlich ohne Notenlesen nicht mehr aus. Aber genug der Musiktheorie. Ich bin da leider selbst nur Laie.

Es ist schon erstaunlich, was das deutsche Fernsehen in früheren Tagen aufgezeichnet und gesendet hat. So erscheint wohl in keinem anderen Land Herr Anderson noch in diesen Jahren so häufig auf der Mattscheibe wie bei uns. Das ZDF hat ja wohl so viel Material (Konzertaufzeichnungen von Jethro Tull) angesammelt, dass es für eine abendfüllende DVD reicht. Ich bin gespannt darauf, obwohl ich vieles schon (aber eben in bescheidener Qualität) kenne. Und auch von Kate Bush stammt das ‚In Concert’-Material aus deutschen Landen (SWF Baden-Baden 1980). Ich habe auf die Schnelle einen Blick hineingeworfen. Der oder die das bei youtube.com ins Netz gestellt hat, hat ja noch vieles mehr zu Kate Bush bereitgestellt. Da kann man sich einen schönen Abend machen. Wenn die Ähnlichkeiten zu Jethro Tull auch nicht allzu groß sind, so gibt es doch eine Gemeinsamkeit: beide liefern ungewöhnliche Musik ab.

Nun, nächste Woche geht es ja mit dem Karneval bei Euch in die große finale Runde. Das Epizentrum mag vielleicht bei Euch sein – aber die Beben spüren wir inzwischen auch bei uns. Letztes Wochenende fand in Bremen ein Samba-Karneval statt (Umzug mit rund 50 Samba-Gruppen aus ganz Deutschland und auch aus dem näheren Ausland), in Hamburg hüpften die Jecken in venezianischen Kostümen herum (Tostedt liegt zwischen Hamburg und Bremen). Mich würde es nicht wundern, wenn einige Kollegen oder Kolleginnen am kommenden Montag bei uns mit roter Pappnase aufkreuzen.

Nun denn, lass Dich nicht verdrießen von so viel (Ange-)Heiterkeit. Komm gut durch die nächste Woche. Zuvor aber ein schönes Wochenende mit Deinen Lieben

wünscht Dir
Wilfried

P.S. Francis lebt wohl doch noch. Bei myvideo.de ist er unter Francis_Rock wieder auferstanden, wenn ich mich nicht täusche (Hat er eine Therapie gemacht? – nein, ich will nicht gehässig sein, er ist mit Sicherheit ein lieber Kerl, nicht nur, weil er ein alter Tull-Fan ist).

P.P.S. Kennst Du eigentlich die niederländische Gruppe Flairck?

15.02.2007

English Translation for Ian Anderson

Feindliche Übernahme

Die Hüter des freien Geldverkehrs in Brüssel wollen das VW-Gesetz kippen, das dazu geschaffen wurde, feindlichen Übernahmen des Volkswagen-Konzerns zu verhindern. Nach diesem Gesetz darf keiner mehr als 20 % der Stimmrechte haben, auch wenn er mehr Aktien besitzt. Ansonsten könnte die Kontrolle über ein Unternehmen wie VW erreicht werden, wenn man im Besitz der absoluten Mehrheit der Aktien ist. Zz. hält die Porsche AG 27,4 % und das Land Niedersachsen 20,4 % der Aktien. Der Rest verteilt sich auf Kleinaktionäre.

Christian Wulff, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, sieht keine Gefahr für VW, selbst wenn das VW-Gesetz kippen sollte, und begründet das mit dem Engagement von Porsche bei VW. Und schon ist man auch gleich bereit, Porsche gegenüber Entgegenkommen zu zeigen: Der Widerstand gegen den Porsche-Großaktionär Piëch als Aufsichtsratschef wurde aufgegeben und Porsche selbst ein 3. Posten im Aufsichtsrat zugesichert.

Damit ist die Volkswagen AG mit ihren Mitarbeitern aber auch auf Gedeih und Verderb von Porsche abhängig, was einer feindlichen Übernahme in meinen Augen schon sehr nahe kommt.

Wulff & Piech --- Krawalle in Sizilien

Daneben ist es für mich äußerst erstaunlich, wie sehr man in der Europäischen Union auf den freien Kapitalmarkt setzt, um nur keinen potenziellen Investor zu verschrecken (Investor im Sinne von Anleger von Kapital in Aktien, nicht in Anlageinvestitionen wie Maschinen usw.). Vielleicht wären Investitionsanreize für benachteiligte Regionen wie Sachsen und Sizilien etwas wichtiger. Wenn man dort den Menschen, insbesondere den Jugendlichen, berufliche Perspektiven böte, dann erübrigten sich vielleicht auch solche Fußball-Krawalle wie jetzt in Catania/Sizilien oder zuletzt in Leipzig. Ansonsten droht dem Fußball auch so etwas ähnliches wie eine „feindliche Übernahme“.

siehe zdf.de: EU-Generalanwalt: VW-Gesetz verstößt gegen Europarecht
und: VW: Niedersachsen überlässt Porsche das Lenkrad

Vom Pseudonym zum Nickname

Wer sich ein Pseudonym, also einen fingierten („getürkten“) Namen, zulegt, tut dies meist aus gutem Grund. Die Person hat etwas zu verbergen. Gründe gibt es deren viele. So schrieben vor nun doch langer Zeit Frauen unter Männernamen, um überhaupt eine Chance zu bekommen, veröffentlicht zu werden. Heute sind es meist Schlageraffen, die sich ein Pseudonym, einen Künstlernamen (wo bleibt nur die Kunst?) zulegen, weil ihr Allerweltsname allein schon die Marktchancen zunichte machen würde.

Die Liste derer mit Pseudonym ist lang.

Wer nun heute im Internet unterwegs ist, bedient sich in der Regel auch eines Pseudonyms, hier Nickname genannt. Das kommt wie so vieles aus dem Englischen und bedeutet Spitz- bzw. Neckname (früher nannte frau/man das auch Kosename). Hinter einem Nickname kann man Anonymität wahren (was wortwörtlich nicht ganz richtig ist – bedeutet es doch Namenlosigkeit). Der eher seriöse Typ ‚verdichtet‘ dabei meist seinen wirklichen Namen auf eine Abkürzung, hängt zur Unterscheidung zu anderen eine Zahl (meist im Zusammenhang mit dem Geburtstag) hinzu und heißt dann frank81, andy00 oder susi66. Der protzende Typ nimmt sich einen Namen, der sie/ihn als etwas erscheinen lässt, was sie/er eigentlich gern wäre (meist aber nicht ist): superman, sexy66, goldkind usw.

Nickname-Maker

Und wie heißt Du? Für den, dem kein Nickname einfällt (soviel Phantasielosigkeit wäre dann aber wirklich erschreckend) bzw. der eine flippige Alternative zu seinem Nicknamen sucht, gibt es den Nickname-Maker, ein kostenloses Programm.

Ex-RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt bald auf freiem Fuß

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat entschieden, dass die frühere RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt nach mehr als 24 Jahren im Gefängnis auf freien Fuß zu setzen ist. Die zu fünfmal lebenslänglich plus 15 Jahren Haft verurteilte Mohnhaupt wird auf Bewährung entlassen und darf die Justizvollzugsanstalt zum 27. März verlassen. Die heute 57-Jährige gehörte in den Jahren von 1977 bis zu ihrer Festnahme 1982 zur Führungsebene der terroristischen „Roten Armee Fraktion“ (RAF), dort innerhalb der ‚2. Generation‘ zur Offensive 77, die für die Morde an den Generalbundesanwalt Siegfried Buback, den Bankier Jürgen Ponto und den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer verantwortlich zeichnete.

Logo der RAF

Natürlich ist eine hitzige Debatte wegen dieser Freilassung entbrannt. Viele konservative Politiker fordern zumindest ein Reue-Bekenntnis, andere endlich die Mitarbeit an der Aufklärung der Terrorakte, die im Grunde bis heute nicht vollständig aufgeklärt wurden. Andererseits wies Friedrich Küppersbusch in der „taz“ darauf hin, dass die RAF-Terroristen Mohnhaupt, Klar und Haule bisher länger im Gefängnis sitzen als Haupt-Kriegsverbrecher der Nazis.

Steckbrief 1977 - u.a. Brigitte Mohnhaupt

Ich persönlich denke, dass es endlich an der Zeit ist, unter diesem Kapitel deutscher Geschichte einen Schlussstrich zu ziehen. Der entscheidende Punkt ist aber der, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zu einer Haftentlassung erfüllt sind. Nach Aussage der Gefängnisleitung und aufgrund von psychiatrischer Gutachten besteht keine Gefahr, dass Brigitte Mohnhaupt dort anknüpft, wo sie 1982 aufhörte. Das ganze Gerede um Reue und Gnade ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Bei der Haftentlassung handelt es sich nämlich nicht um einen Gnadensakt (eine Begnadigung durch den Bundespräsidenten wurde seinerzeit abgelehnt), noch ist Reue eine gesetzliche Voraussetzung hierfür.

Weiterhin denke ich, dass nach der Freilassung von Brigitte Mohnhaupt eine Aufarbeitung der terroristischen Straftaten durch deren Mitarbeit möglich sein dürfte, nicht im juristischen Umfeld, sondern z.B. Im Rahmen einer soziologischen Studie. Diese halte ich allerdings für sehr wichtig angesichts der heutigen terroristischen Bedrohung durch religiöse Fanatiker.

siehe auch zdf.de mit weiteren Infos: Ex-RAF-Terroristin kommt frei

Was ist bloß mit Ian los? Teil 49: Von schottischen Wurzeln

Hallo Wilfried,

in der Bewertung des musikalischen Gesamtwerkes des Mr. Anderson werden wir wohl immer unterschiedlicher Ansicht sein. Was die Musik von JT angeht, hatte ich das Glück, während ihrer Folkphase auf die Gruppe aufmerksam zu werden. Dadurch neugierig geworden, habe ich in die Vergangenheit und Gegenwart der Band reingehört. Aber das war nichts; gewogen und für zu leicht befunden. Das ist Dir nicht neu, es bedeutet aber : Wenn ich den Meister am Heiligabend zum 1. Mal gesehen und gehört hätte, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, mich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen.

Es gibt einen Punkt, bei dem ich ganz nah bei Dir bin: Ohne Musik geht es nicht. Auch bei mir muss es nicht unbedingt Rock oder Folk sein. Es gibt in der Tat einige sehr schöne Werke in der klassischen Musik. Mozart zähle ich hier allerdings nicht zu meinen Favoriten. Beethoven, Brahms oder Händel liegen mir da schon näher. Und natürlich Vivaldi mit seinen Vier Jahreszeiten: Einfach großartig !

Mit Jazz im Sinne von Cool- oder Freejazz kann ich überhaupt nichts anfangen. Für mich klingt diese Musik so, als könnten die Musiker sich nicht auf ein Lied einigen. Die Improvisation ist natürlich die Seele des Jazz, aber für meine Ohren ist das nichts. Wenn ich solche Musik höre, frage ich mich, warum die Musiker sich die Mühe machen, auf die Bühne oder in ein Studio zu gehen. Es kommt ja doch nichts Brauchbares dabei heraus. In dieser Musik vermisse ich so etwas wie eine Melodie oder eine klare Richtung. Für mich sind es in erster Linie Geräusche. Unkoordinierte Geräusche, auf die man leicht verzichten kann. Als Kind habe ich diese Musik als „nutzlose“ Musik bezeichnet und an dieser Ansicht konnten die folgenden Jahre nicht viel ändern.

Bitte, ich gebe hier nur meine ganz persönliche Meinung wieder. Einige Menschen, die wirklich etwas von Musik verstehen, haben mir glaubhaft versichert, wie schön und wichtig der Jazz sei. Ich bin bereit, ihnen zu glauben. Nur, mein Geschmack ist es ganz einfach nicht. So einfach ist das.

Anders verhält es sich mit der afrikanischen Musik. Hier finde auch ich einige Goldschätze. Ich denke da an die Alben Graceland von Paul Simon und die Werke von Johnny Clegg, die unter Mitwirkung afrikanischer Musiker entstanden sind. Ich kenne natürlich nicht das ganze Spektrum afrikanischer Musik, aber das, was ich von den o.g. Alben her kenne, gefällt mir sehr gut. Auf diesen Alben wirkt die Musik des Schwarzen Kontinents sehr gefühlsbetont, sehr leidenschaftlich. Sowohl Freude wie auch Trauer und Leid werden hier so ausgedrückt, dass sie fast mit Händen greifbar sind. Es scheint ein Hauptanliegen afrikanischer Musiker zu sein, Gefühle auszudrücken. Und zwar auf eine Art auszudrücken, der der Zuhörer sich nicht entziehen kann. So etwas gefällt mir; solche Musik hat für mich einen „Sinn“.

Zum Schluss noch ein Wort zu den langen Fingernägeln der Gitarrenspieler:
Auf Youtube fand ich einige Videos von Liveauftritten Mike Oldfields in Montreux. Hier sieht man deutlich, dass Mr. Oldfield mit fünf angewachsenen Plektrons zupft. Kein schöner Anblick, aber wer sich daran stört, kann wegschauen. Mr. Oldfield hat eine ungewöhnliche Spieltechnik. Wenn ich es richtig sehe, ruhen bei ihm Daumen und Zeigefinger unbeweglich auf den beiden oberen Basssaiten, während die drei restlichen Finger bestenfalls die vier unteren Saiten erreichen. Unabhängig von der Länge seiner Fingernägel mag ich seine Musik. Zumindest seine Frühwerke, aus der Zeit vor Moonlight Shadow usw.

Zu Karneval, Fasching oder Faslam.
Wir hier im äußersten Westen der Republik leben im Einflussgebiet der Hochburgen des rheinischen Karnevals, Köln und Düsseldorf. Das bedeutet, dass Karneval hier ganz toll gefeiert wird. Der Rosenmontag ist in unseren Breiten fast so etwas wie ein gesetzlicher Feiertag. Schulen und die meisten Betriebe haben an diesem Tag geschlossen, die Schulen zusätzlich noch an einem weiteren Tag. Allerdings kann ich mit dieser durch den Kalender verordneten Fröhlichkeit nicht umgehen. Für einen Rheinländer untypisch bin ich ein Karnevalverweigerer. Karneval verbinde ich mit Suff, Lärm, Dreck und gekünsteltem Frohsinn. Und das alles nach Vorgabe von Kalender und Uhr: „Ab 11:11 Uhr wird zurückgelacht !“ Aber ohne mich. Eigentlich müsste ich bedauern, dass ich nicht fähig bin, mich ausgelassen über etwas zu freuen. Aber seltsamerweise bedauere ich das nicht. In vielen Bereichen des Lebens vergleiche ich mich mit einem Hobbit: Am liebsten habe ich sechs Mahlzeiten am Tag und meine Ruhe !

Ich wünsche Euch ein sonniges, nicht zu warmes Wochenende.
Lockwood

03.02.2007

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Hallo Lockwood,

die Geschmäcker sind nun einmal verschieden – und das ist auch gut so. Sonst hätten wir eine musikalische Einheitssoße. Ich bin eben schon mit dem Frühwerk von Jethro Tull bekannt geworden (ich meine ab „Stand Up“) und habe daran meinen Gefallen gefunden. Und da mir Folk-Musik auch schon immer gefallen hat, fand ich natürlich auch die Folk-Alben von Jethro Tull ganz in Ordnung, obwohl mit Einschränkungen bei „Heavy Horses“. Ich kann es nicht genau erklären, aber „Heavy Horses“ ist mir etwas zu ‚blumig’, zu ‚theatralisch’ im Sinne von ‚gespreizt’. „Songs from the Wood“ finde ich auf jeden Fall um einiges besser.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Punkt zurückkommen, zur Herkunft von Ian Anderson. Bei meinen Reisevorbereitungen zum Urlaub in Schottland 2005 hatte ich mich etwas ausführlicher mit den schottischen Quellen beschäftigt. Hierzu muss man zunächst wissen, dass man traditionelle schottische Musik in zwei Hauptrichtungen unterscheidet. In meinem Beitrag zum Stück „Pibroch (Cap in Hand)“ hatte ich hierzu einige kurze Anmerkungen gemacht, u.a.:

Pibrochs gehören zur ‘big music’ (ceòl mór), also zur großen Musik, im Unterschied zur ‘little music’ (ceòl beag), der kleinen Musik, z.B. den “jigs”, “reels” und “strathspeys”.

Die ‚little music’ entspricht dabei eher dem, was wir ganz allgemein als Folklore kennen. ‚Big Music’ ist gewissermaßen die klassische Form für den Great Highland Bagpipe, also dem Dudelsack, und lässt sich kaum mit der Folklore vergleichen, die mit Instrumenten wie Gitarre, Flöte und Geige (Fiddle) gespielt wird.

Schottische Wurzeln

Genau hier findet sich einiges bei Ian Anderson und seiner Musik wieder. Wir kennen zwar u.a. die Jigs und Reels, das Stück „Pibroch“ ist aber nicht das einzigste, in dem der Meister auch zur „big music“ greift. Ohne die schottischen Quellen ist die Musik von Jethro Tull nicht denkbar.

Es ist nur eine These, aber man sollte sie diskutieren: Ian Anderson hat bewusst leichtere Kost geschrieben, um damit auch ein größeres Publikum zu erreichen. Er hat aber auch immer Stücke geschrieben, die nicht so leicht zu schlucken waren. Bei beiden orientierte er sich an der schottischer Musiktradition. Später (Stichwort: Weltmusik) mischte er auch tradierte Stücke anderer Kulturen bei, hielt sich aber im Aufbau eines Liedes an schottische Überlieferungen (Grundlage ein Thema, das unterschiedlich variiert wird, wie beim Pibroch). Das Ganze verpackte er zeitgenössisch in Rockmusik.

Und noch eines kommt hinzu: Ian Anderson schrieb Musik für Orchester. Wohl gelesen! „Thick as a Brick“ und „A Passion Play“ sind in meinen Augen eigentlich Stücke für Orchester. Nun war Jethro Tull aber eine Rockband mit E-Gitarre, E-Bass, Schlagzeug und Keyboards – zusätzlich mit Herrn Anderson mit Querflöte, ab und wann Saxophon, Akustikgitarre usw. Also arrangierte er gewissermaßen das, was für ein Orchester gedacht war, für eine Rockband. Okay, das klingt ‚weit hergeholt’, aber geht es Dir z.B. bei „Thick as a Brick“ nicht auch manchmal so, als würde das, was Du hörst, besser zu einem Orchester passen? Und bei einigen Passagen höre ich ‚förmlich’ das Orchester.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es dann nur konsequent, wenn er in späteren Tagen tatsächlich auf ein Orchester zurückgreift.

Was meinst Du dazu?

Bei youtube.com habe ich mir einige Videos von Johnny Clegg angeschaut und auch einen Blick auf dessen Website geworfen. Ist schon erstaunlich, wie sich ein Weißer in Südafrika jahrelang outet und Musik mit Schwarzen macht. Aber die Zeit hat ihm dann Recht gegeben. Allein das finde ich an dem Mann stark. Natürlich ist seine Musik eine Mischung aus afrikanischer Musik und weißer Rockmusik. Die Stücke mit afrikanischen Wurzeln gefallen mir am besten (neben dem schon obligatorischen Video mit Nelson Mandela haben die zwei weiteren Live-Videos auf Johnny Cleggs Website sehr viel Power). Zu Afrika und afrikanischer Musik sicherlich später etwas mehr.

Von Mike Oldfield habe ich die „Tubular Bells“. Seinerzeit war Oldfield ja in aller Munde. Richtig ‚überzeugen’ konnte er mich allerdings nicht. Ich habe einen Blick in die youtube-Videos aus Montreux geworfen. Ja, der gute Mann hat schon eine eigenartige Zupftechnik, wohl eigene Schule. Mit Daumen und Zeigefinger spielt er allerdings auch, wenn auch nicht so oft, da er meist die unteren (von der Tonhöhe her eigentlich oberen) Saiten ‚bedient’.

Zu Karneval u.ä.: Meine Mutter stammt ja aus Köln. Und so guckten wir am Rosenmontag im Fernsehen immer den Rosenmontagsumzug. Mehr war aber nicht. Einmal bin ich mit meiner heutigen Frau in Düsseldorf in die Umtriebe der (Alt-)Weiberfastnacht geraten. Die aufgescheuchten, alkoholisierten Damen (Damen?) haben uns dabei jegliches Interesse an solchen Veranstaltungen bis zum Lebensende vermiest.

Ich wünsche Dir und Deinen Lieben ein ruhiges, endlich einmal winterlicheres Wochenende.
Man liest voneinander
Wilfried

P.S. Schreibe heute von ‚unterwegs’, da ich zu Hause weiterhin ohne eigenen Rechner bin. Wie gut, dass es Webmail gibt.

08.02.2007

English Translation for Ian Anderson

Der 60-Stunden-Winter

Damit wir nicht völlig das Gefühl für Winter verlieren, hat sich das Wetter doch noch zu einem Winter von 60 Stunden Dauer entschlossen. Und das Ganze zunächst mit Schnee und am Samstag sogar bei Sonne mit etwas Frost. Nach zweieinhalb Tagen reichte es aber und es setzte Regen ein, der die weiße Pracht nun dahinschmelzen lässt.

60-Stunden-Winter in Tostedt 60-Stunden-Winter in Tostedt
Der 60-Stunden-Winter (vom 8. bis 11. Februar 2007)

Wohl bekomm ’s

In diesen Tagen laufen im Kino zwei Filme an, die sich dem Thema Nahrungsmittel widmen. Es geht um unser tägliches Brot und wie es hergestellt wird. Angesichts von Lebensmittelskandalen (Stichwort: Gammelfleisch) ein immer wieder aktuelles Thema.

Der erste Film „Unser Täglch Brot“ wirft einen Blick in die Welt der industriellen Nahrungsmittel-Produktion und der High-Tech-Landwirtschaft: Zum Rhythmus von Fließbändern und riesigen Maschinen gibt der Film kommentarlos Einsicht in die Orte, an denen Nahrungsmittel in Europa produziert werden.

Im Film FAST FOOD NATION wird die Geschichte von Don Henderson (Greg Kinnear), dem Marketingchef der Fast-Food-Kette Mickey’s, erzählt. Als sich herausstellt, dass mit Kolibakterien verseuchtes Fleisch in den Verkaufschlager „The Big One“ gelangt ist, macht es sich Henderson zur Aufgabe, dem Skandal auf die Spur zu kommen. Es beginnt eine Reise, die Dons Blick auf sein Unternehmen grundlegend verändert. In Texas, wo die Burger produziert werden, muss er erkennen, dass der unersättliche Appetit Amerikas auf Fast Food ein im wahrsten Sinne des Wortes schmutziges Geschäft ist.

Unser Täglich Brot Fast Food Nation
„Unser Täglich Brot“ „Fast Food Nation“

siehe zdf.de: Die bittere Wahrheit

Was ist bloß mit Ian los? Teil 48: Jethro Tull Bigband

Hallo Wilfried,

so langsam wird es mir selber klar: Für jemanden, den Mr. Andersons musikalische Zukunft nicht interessiert, mache ich ziemlich viel Wind darum.

Zu den von Dir zitierten überschwenglichen Kritiken möchte ich sagen, dass kommerzieller Erfolg nicht unbedingt ein Indikator für Qualität ist (siehe Modern Talking). Allerdings muss ich einräumen, dass die Spätwerke des Meistern qualitativ hochwertig sind, auch wenn sie mir nicht gefallen.

Lassen wir die Frage, ob der Meister auf dem Wege zum alten weltfremden Narren ist, unbeantwortet. Wie so oft gibt es hier mehrere Wahrheiten und noch mehr Sichtweisen. Nur eines: Er wäre nicht der erste alte Narr, der an einer Galaveranstaltung teilnimmt. Die Tatsache, dass man zu allerbesten feierlichen Familien-Sendezeit im TV auftritt, macht noch nicht über jede Kritik erhaben. Was Mr. Anderson für Maria Laach qualifiziert haben könnte, wäre beispielsweise sein Alter und seine lange Präsenz im Showbusiness. So etwas wirkt seriös und passt zu Weihnachten. Die Einladung des Bundespräsidenten ist kein Zeugnis dafür, dass Mr. Anderson in den letzten 30 Jahren alles richtig gemacht hat. Diese Einladung ist weder eine Generalamnestie noch eine Heiligsprechung.

Aber jetzt Schluss damit: Ich nehme mir hiermit fest vor, nicht mehr über die aktuellen Machenschaften des Mr. Anderson nachzudenken, zu schreiben oder zu diskutieren. Was Jethro Tull angeht, werde ich mich künftig auf die Musik der 70er Jahre beschränken. Denn das war Jethro Tull !

Wenn der Meister in Begleitung von wem auch immer hier in unserem Städtchen auftreten würde, wäre ich nicht sicher, ob ich hingehen würde. Trotz allem werde ich nicht müde zu betonen: Ian Scott Anderson hat der Welt eine Reihe hervorragender Alben und Auftritte geschenkt. Dafür gebührt ihm unser Dank und unsere Anerkennung ! Let’s live in the past !

Die Zukunft der Rockmusik erscheint mir mehr als ungewiss. Die alten Größen wie JT, Queen, Led Zeppelin und wie sie alle heißen sind Geschichte. Was ist an ihre Stelle getreten ? Ich konnte noch keine gleichwertigen Nachfolger entdecken.

Quo vadis, Rock ’n‘ Roll ?

Alles Gute wünscht Dir
Lockwood

PS: Feiert man in Tostedt Karneval ?

30.01.2007

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Hallo Lockwood,

also ich werde schon noch ein Ohr offen halten und lauschen, was da der große Meister zukünftig vom Stapel lässt. Aber es ist natürlich richtig, dass die Zeit von Jethro Tull unwiderbringlich abgelaufen ist.

Sicherlich ist kommerzieller Erfolg kein Kriterium für Qualität. Aber ein Vergleich, z.B. mit Modern Talking, lässt sich nicht anstellen. Kein symphonisches Orchester wird sich an Herrn Bohlen wenden und ihn bitten, mit diesem auf Tournee gehen zu dürfen. Und der Bundespräsident wird trotz aller ‚Weltoffenheit’ Herrn Bohlen und Co. zu einem Weihnachtskonzert mit Sicherheit nicht einladen (was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden). Es muss schon etwas anderes an Herrn Anderson sein, was ihn qualifiziert – Qualität! Sein Alter, seine Präsenz im Showbiz – nein, das kann es nicht sein. Zumindest nicht allein.

Ich will ehrlich sein: Rockmusik, die von Symphonieorchestern vorgetragen wird, fand ich schon immer eher scheußlich. Nichts gegen klassische Elemente, wie sie z.B. Ian Anderson in seinen Stücken verwendet. Aber das Ganze mit Pauken und Trompeten – und vor allem Geigen. Nein, das passt nicht, wenn es auch gut gemeint ist (z.B. von David/Dee Palmer). Nichts gegen so genannte ernste Musik. Mozart ist für mich der größte Komponist aller Zeiten (höchstens Zappa kommt dicht an ihn heran). Auch nichts gegen Cross-over, wie man das wohl nennt, die Verschmelzung oder Überschneidung verschiedener musikalischer Genres. Das betrifft aber die Musikstücke selbst – weniger die Interpretationen. Ausgangspunkt der Anderson’schen Musik ist immer noch die Rockmusik. Und die kann man nicht symphonisch vortragen. Vielleicht ist das reine Geschmackssache, meine aber eben nicht.

Von daher konnte ich mich nicht allzu sehr für den ganzen Orchester-Kram mit Herrn Anderson begeistern. Okay, einige Stücke klingen ganz gut. Und Herr Anderson hat wohlweißlich auch nicht zu sehr auf orchestrale Begleitung bestanden (anfangs tritt er nur mit der Band auf). Vielleicht war es trotzdem einen Versuch wert. Vielleicht hat sich da Herr Anderson auch einem Herzenswunsch erfüllt. Wer weiß.

Aber genug – ich schweife schon wieder ab. Dafür ein anderer kleiner Abstecher: Ohne Musik könnte ich wahrscheinlich nicht leben. Im Zusammenhang mit unserem Gedankenaustausch frage ich mich, wo eigentlich meine musikalische Heimat ist. Bei Heimat fällt mir zunächst Folklore ein. Dank der Nazizeit ist alles, was mit Volksmusik zu tun hat in Deutschland, hinreichend diskreditiert worden. Daher schon die unterschiedlichen Begriffe: Volksmusik und Folklore, damit jeder unterscheiden kann zwischen den schwarzbraunen Haselnüssen (Volksmusik) und freien Gedanken („Die Gedanken sind frei“ gleich Folklore). Und unser Ausweichen z.B. in die angelsächsische Folklore (mein großer Sohn, der sich mit dem Bass-Spielen beschäftigt, interessiert sich zunehmend für irische und schottische Folklore).

Aber Folklore kann es für mich nicht allein sein. Das, was wir Klassik nennen, ist für mich oft zu abstrakt. Es gibt schöne Sachen, ohne Zweifel, aber auf Dauer würde mich klassische Musik nicht befriedigen. Also Rock in all seinen Varianten? In frühen Jahren habe ich lange danach suchen müssen, bis ich mit Jethro Tull in etwa das fand, was mir gefiel. Und so ging die musikalische Reise weiter. Neue ernste Musik spielte dabei längere Zeit eine gewisse Rolle. Ich erinnere mich noch genau, wie ich in Bremen in der Stadtbibliothek saß und dort in einem extra gefertigten (schalldichten) Raum die unterschiedlichsten Schallplatten anhörte. Von Debussy bis zu Strawinsky. Einiges fand ich ganz interessant, anderes war mir zu hoch, eher zu hochgestochen.

Und so habe ich mich mit der Zeit auch für Jazz interessiert (bis hin zu Free Jazz). Aber die eigentliche musikalische Heimat blieb für mich die Musik von Herrn Anderson, so wie Du sie auch magst: die Mischung aus Rock, Folk und Klassik.

Auch heute noch, das Internet macht es möglich, geht für mich diese musikalische Reise weiter. Manchmal wird es zu einer Zeitreise (z.B. die deutsche Gruppe In Extremo finde ich ganz interessant, diese Mischung als mittelalterlicher Musik und Metal). Dann wieder ist es auch ein Ausflug in andere Länder (Stichwort: Weltmusik, besonders Afrika finde ich spannend).

Vielleicht ist es das, was mich von Dir unterscheidet. Und daher kann ich auch den Spätwerken des Meisters noch einiges abgewinnen. Und für den, der selbst schon einmal in die Saiten oder Tasten gegriffen hat, wird der Respekt vor der musikalischen Leistung eines Ian Anderson nicht kleiner.

Wohin es nun mit der Rockmusik geht (oder dem Rock ‚n’ Roll), wer soll das wissen. Rock hat sich in viele unterschiedlichste Richtungen zersplittert. Da gibt es sicherlich noch einiges zu entdecken. Aber Du hast recht: Die großen Gruppe wie eben auch Jethro Tull sind zz. nicht auszumachen, zumindest habe ich bisher nichts Adäquates wie Ian Anderson mit seinen Jungs Mitte der siebziger Jahre gefunden.

Genug auch dieser Rundreise (ist mehr als ein Abstecher geworden)! Let’s live in the past, wie Du schreibst. Da gibt es noch genügend Unentdecktes im Anderson’schen Schatz, was sich wirklich lohnt, an die Oberfläche geholt zu werden.

Auch Dir alles Gute und bis bald
Wilfried

P.S. Karneval feiern wir hier nicht. Im Kindergarten und in der Grundschule gibt es einen Tag, an dem sich die Kinder verkleiden. Das läuft bei uns unter dem Begriff Fasching. Es gibt aber so etwas ähnliches wie Karneval, das sich Faslam nennt und auch auf eine lange Tradition zurückblickt. Heute wird Faslam hier eher analog dem Karneval gefeiert und es gibt auch entsprechende Umzüge, allerdings im kleinen Rahmen – und bisher noch nicht bei uns in Tostedt. Also wir können uns hier nicht so sehr für Karneval begeistern. Und wie ist es bei Dir und Deinen Lieben: rote Pappnase auf und los?!

P.P.S. Übers Laufi-Forum bin ich drauf gestoßen: Ian Anderson and Jethro Tull touring bands – also eine Art Jethro Tull Bigband: Recent, Current, and Future Members – nur wer ist recent, wer current und wer ist ein future member?

02.02.2007

English Translation for Ian Anderson

In Extremo: Der zweite Merseburger Zauberspruch

Literatur lebt von der Sprache. Und besonders die Sprache ist stetigem Wandel unterzogen. Damit auch die Literatur. Was wir heute als Hochdeutsch kennen, hat sich somit über viele Jahrhunderte entwickelt. Die schriftlich bezeugte Form der deutschen Sprache in der Zeit von etwa 750 bis 1050 wird als Althochdeutsch bezeichnet. Aus dieser Zeit stammen auch die Aufzeichnungen einige Verse, die uns als Merseburger Zaubersprüche überliefert sind.

Nach dem ersten Merseburger Zauberspruch hier nun der zweite. Die Verse stammen aus vorchristlicher Zeit, also vor 750 n. Chr., und sind die einzigen erhaltenen Zeugen germanisch-heidnischer Religiosität in althochdeutscher Sprache.

Balder (auch Phol) und Wodan reiten durch den Wald (holza), wobei sich Balders Pferd den Fuß verrenkt. Wodans Spruch daraufhin: „Bein zu Bein, Blut zu Blut, Glied zu Glied, als ob sie geleimt seien“. So zeigen Darstellungen aus dem 5./6. Jahrhundert Wodan beim Heilen eines Pferdes. Leider können die anderen (Götter-)Namen nicht eindeutig identifiziert werden. Klar ist nur „Uuôdan“ (Wodan, Wotan, Odin) und „Frîia“ (Frigg, die Frau von Odin). Bei den anderen Namen ist nicht einmal sicher, ob es wirklich Namen von Göttern sind, da verschiedene Interpretationen ihrer Übersetzung zu finden sind.

Phol ende uuodan
uuorun zi holza.
du uuart demo balderes uolon
sin uuoz birenkit.
thu biguol en sinthgunt,
sunna era suister;
thu biguol en friia,
uolla era suister;
thu biguol en uuodan,
so he uuola conda:

sose benrenki,
sose bluotrenki,
sose lidirenki:
ben zi bena,
bluot zi bluoda,
lid zi geliden,
sose gelimida sin.

Phol und Wodan
ritten in den Wald.
Da wurde dem Fohlen Balders
der Fuß verrenkt.
Da besprach
(vgl engl. to beguile) ihn Sinthgunt
und Sunna, ihre Schwester;
da besprach ihn Frija,
und Volla, ihre Schwester;
da besprach ihn Wodan,
wie nur er es verstand:

Sei es Knochenrenke,
sei es Blutrenke,
sei es Gliedrenke:
Knochen zu Knochen,
Blut zu Blut,
Glied zu Gliedern,
als ob geleimt sie seien.

Erklärungen:
walkürenartige Frauen: Walküren (altnordisch „diejenigen, die bestimmen, wer auf dem Kampfplatz fallen soll“ (wobei sie das Schicksal nur verwalten), in der germanischen Mythologie die Botinnen des obersten Gottes Wodan (Odin), die über die Schlachtfelder reiten, die gefallene Einherier durch ihren Kuss zu ewigem Leben erwecken und sie nach Asgard entrücken, um bei der Schlacht gegen Utgard zu kämpfen, bei der alles Leben erlöschen soll und Baldur die neue Welt einleiten soll. Eventuell identisch mit den Disen, weibliche Gottheiten aus der nordischen Mythologie. Eine Dise, altnordisch dís / dísir, altschwedisch dis, ist eine Art weibliche Fruchtbarkeitsgottheit, eventuell mit den angelsächsischen Idisi verwandt.
Balder: Aus der nordischen Mythologie der Gott des Lichtes.
Wodan: Der südgermanische Gott Wodan entspricht weitgehend dem nordischen Odin und war der Hauptgott.

Auch von diesem 2. Zauberspruch gibt es von der Gruppe „In Extremo“ eine musikalische Überarbeitung.


In Extremo: Merseburger Zaubersprüche 2

Beide Zaubersprüchen, von „In Extremo“ interpretiert, gibt es auch als Video zu sehen, aufgenommen live auf dem Kyffhäuser 2002:

In Extremo – Merseburger Zaubersprüche I (Live) Kyffhäuser 2002

In Extremo – Merseburger Zaubersprüche II (Live) Kyffhäuser 2002

Zur Gruppe “In Extremo” siehe auch meinen Beitrag: Bagpipes (Sackpfeife – Dudelsack – Quetschsack)

Mord in der Idylle

In der Nacht zum Montag wurden in der Ortschaft Sittensen in dem China-Restaurant „Lin Yue“ sieben Menschen ermordet. Zu den Opfern zählt auch das Wirtsehepaar, das aus Hongkong stammt. Für ein Motiv gab es zunächst keinen Anhaltspunkt. In den Medien wurde aber gleich spekuliert, dass evtl. eine chinesische Triade, eine kriminelle Vereinigung ähnlich der Mafia, hinter diesem Blutbad stecken könnte. Experten schließen das aber aus, da ein mehrfacher Mord viel zu viel Aufmerksamkeit erregt.

Mord im China-Restaurant Sittensen

Inzwischen sind zwei Vietnamesen verhaftet worden. Das Auto, mit den sie fuhren, ist gleichen Typs und gleicher Farbe sowie mit einem Kennzeichen mit „DN“ beginnend, wie es auch am Tatort aufgefallen war. Bei den Tatverdächtigen wurde u.a. neben einer geringen Menge Kokain ein Zettel gefunden, bei dem es sich um eine Skizze des Tatorts handeln könnte.

Durch die Nationalität der Männer ergäben sich neue Ermittlungsansätze. Es werde auch ein möglicher Hintergrund im Banden-Milieu vietnamesischer Zigarettenschmuggler überprüft. «Wir ermitteln aber nach wie vor in alle Richtungen», betonte ein Polizeisprecher.

Sittensen befindet sich direkt an der Autobahn A1 zwischen Bremen und Hamburg und ca. 15 km von Tostedt entfernt. In Tostedt selbst gibt es mehrere China-Restaurants.